Protocol of the Session on April 10, 2013

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kühn, sehen Sie es mir nach, dass ich mich ob der Bedeutung des Hohen Hauses nicht an der von Ihnen begonnenen akribischen Beschreibung des Homosexuellenanteils in diesem Senat, anderen Senaten oder noch kommenden Senaten beteilige. Es wird dem Thema nicht gerecht und gehört nicht in dieses Hohe Haus, darüber zu spekulieren, wer welche Präferenzen hat. Das können Sie in den Boulevardmedien tun, aber sicher nicht hier.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich bei Ihren Ausführungen kaum ansetzen kann. Das liegt zum einen daran, dass Sie viel über den Paragrafen 175 gesprochen haben. Für Teilhistoriker mit meinem Hintergrund sind das sicher sehr wichtige Ausführungen, die ich nicht ergänzen möchte. Dann haben Sie viel Richtiges zu Russland gesagt. Das Memorandum mit Sankt Petersburg hatten wir auch schon im Europaausschuss, wo wir parteiübergreifend das eine oder andere sehen, was man noch besprechen sollte. Ich schlage vor, dass Sie dorthin kommen. Dann kam ein sehr kleiner Teil zu 17 Seiten Senatsarbeit, und das hat mich ernsthaft überrascht. Wie kann ich 17 Seiten abfragen, was alles passiert – der Senat hat detailliert berichtet –, und dann als Mitglied der Regierungsfraktion diese Rede dazu halten? Sie haben gesagt, dass man noch einmal über den Paragrafen 175 sprechen müsse und dass Russland auch sehr wichtig sei, und als Sie nur noch wenige Sekunden Zeit hatten, sprachen Sie über schwule Jugendzentren und darüber, was Sie anders gemacht haben. Wenn das der Verkauf Ihrer eigenen Bilanz ist und wir eine politische Debatte im Dissens führen würden, dann wäre das eine breite Angriffsfläche. Diesen Dissens haben wir zum Glück nicht, aber Herr Kühn, die Befassung mit dem Thema in der Art wird dem Inhalt der Großen Anfrage und der Bilanz, die der Senat vorgelegt hat, in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Das sage ich nicht, weil ich die Justizsenatorin unnötig über den Klee loben möchte, sondern weil diese 17 Seiten klar zeigen, dass der Senat konsequent fortsetzt, was die Vorgängersenate begonnen haben. Ich möchte Ihnen drei Beispiele nennen.

Es wird bereits lange über die Anpassung des Besoldungsrechts gesprochen, darauf hat Herr Kühn hingewiesen. Der CDU-geführte Senat hat als Vorreiter in der Bundesrepublik die Anpassung des

Besoldungsrechts für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften auf den Weg gebracht und hier beschlossen, und zwar – für alle, die damals noch nicht dabei waren, Herr Kühn – nicht immer nur zur Freude der regierungstragenden Parteien, aber sicherlich auch nicht in allen Teilen zur Freude der SPD.

(Dirk Kienscherf SPD: Was? Nee, nee, nee!)

Wenn Sie schon geschichtliche Aufarbeitungen machen, dann gehört das dazu.

Dennoch begrüßen wir die Nachbesserungen, die 2013 vorgenommen werden, wo es um die Fragestellung des kinderbezogenen Familienzuschlags ging. Da hatten wir einen Teil vergessen, dieser wurde nachgearbeitet – d'accord.

Dann berichten Sie über viele verschiedene Aufklärungsprojekte und Treffpunkte. Diese werden fortgeführt, und das wird sehr solide gemacht, Frau Senatorin. Gute Arbeit ist aber auch schon angefangen worden, und es ist nicht so, dass es das vor Ihrer Regierungsübernahme nicht gegeben hätte. Es ist gut, wenn man in solch wichtigen Bereichen Kontinuität in der Arbeit hat, weil es dabei nicht um eine politische Auseinandersetzung, sondern um die Arbeit mit Menschen in teilweise schwierigen Situationen geht. Dazu gehört Kontinuität, und die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, dass diese gewahrt bleibt. Die Arbeit des Senats ist an dieser Stelle in der Tradition seiner Vorgängersenate vernünftig, und das sollte man auch hervorheben.

Das Hamburger Aufklärungsprojekt erscheint wünschenswert, die Probleme mit der Schulbehörde sind aber die gleichen. Auch wir haben damals unter GAL-Führung stark mit der Schulbehörde gerungen, dass es endlich losgeht. Es gab immer viele gute Argumente, warum es gerade nicht losgeht. "SOORUM" ist jetzt angelaufen – auch eine Fortsetzung der schwarz-grünen Politik, und die Probleme sind die gleichen.

(Gabi Dobusch SPD: Uralte SPD-Forderung, uralt!)

Was bleibt mir nun? Ich sehe 17 Seiten – Rekord – darüber, was in dieser Stadt passiert. Von diesen 17 Seiten kommen mir 15 sehr bekannt vor, weil sie auf Initiative von CDU und GAL und zum Teil des CDU-Senats auf den Weg gebracht wurden.

(Gabi Dobusch SPD: Wie war das mit der Kontinuität?)

Das ist so weit okay, aber das ist nur der Bericht. Was mir fehlt, Frau Senatorin und die SPD-Fraktion, da es Ihre Große Anfrage ist: Wir als CDU würden gern über die Erfolge der einzelnen Projekte sprechen und in Form einer Evaluation schauen, ob dieses System, das wir für Schwule, Lesbische und Transgender haben, noch zeitgemäß ist. Gibt es vielleicht Erfordernisse – das schwule Jugend

zentrum war ein Ansatz aus der schwarz-grünen Zeit –, mit denen wir heute sagen müssten, dass diese Strukturen so, wie wir sie haben, nicht mehr funktionieren können und dass wir auf neue Entwicklungen reagieren müssen? Das fehlt mir eindeutig. Es ist eine Bilanz ohne Erfolgsbilanz; hier ist die Senatsantwort sehr schwach, und ich hätte mir deutlich mehr gewünscht.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE)

Man kann das noch nacharbeiten, und das sollten wir tun. Wir als CDU-Fraktion stehen einer offenen Evaluation sehr positiv und aufgeschlossen gegenüber. Evaluation heißt für mich als Haushälter hierbei nicht, Mittel zu sparen, sondern umzusteuern, um zu überlegen, welche Ansätze in einer Gesellschaft im Jahr 2013 vielleicht noch sinnvollere sind als nur die Fortsetzung der Politik von 2000.

(Gabi Dobusch SPD: Als ob das 2000 der Anfang gewesen wäre von der Politik in Hamburg!)

Das sollten wir gemeinsam in den Ausschüssen tun. Wir haben jetzt eine gute Bestandsaufnahme.

Es bleibt ein Teil, den Herr Kühn auch ansprach. Herr Kühn, Sie haben sicher recht, es gibt natürlich etwas, was auch hier erwähnt ist, und das ist Ihre Bundesratsinitiative zur Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Das ist in der Tat neu, das gab es vorher noch nicht. Es ist aber auch zu einem großen Teil der derzeitigen Wahlkampfhektik in diesem Land und diesem Senat geschuldet. Wir hatten in den letzten Ausschusssitzungen schon andere Themen, zum Beispiel das Mindestlohngesetz, wo wesentliche Dinge vergessen wurden, damit das Thema rechtzeitig auf die Senatstagesordnung konnte und hier wahlkampfwirksam beschlossen werden kann.

(Gabi Dobusch SPD: Diese SPD-Forderung ist schon ganz alt!)

Dieses Thema eignet sich nicht dazu. Die Senatorin hat eine Diskussion angestoßen, und diese wird sehr sachlich und in großen Teilen gut und die Gesellschaft mitnehmend geführt. An dieser Diskussion beteiligen wir uns auch als Union, die wir nicht für die Öffnung der Ehe anstelle von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sind. Wir haben uns aber in der Hamburger CDU immer dafür eingesetzt, dass den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften insbesondere im Steuerrecht die gleichen Rechte und Pflichten zugestanden werden, die die ganz normale Ehe auch hat.

Wir haben hier eine saubere Auflistung dessen, was passiert. Vieles davon gab es schon und ist also unspektakulär. Wir würden uns etwas mehr Evaluation wünschen, um für diese Stadt im Bereich Schwule, Lesbische und Transgender einen Schritt voranzukommen. Dazu gehört auch, über

Dinge in dieser Stadt, die vielleicht alle Parteien liebgewonnen haben, zu sprechen, um zu schauen, ob sie noch zeitgemäß sind. Auf diese Diskussion freuen wir uns.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Müller.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich gar nicht so sehr, Herr Kollege Heintze, dass die SPD nicht so viel aus der Großen Anfrage erzählt.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Lesen kön- nen Sie ja wohl selber! Muss ich Ihnen das vorlesen?)

Es war dennoch interessant, insbesondere wahrscheinlich für diejenigen, die sich dem Thema so intensiv noch nicht zugewandt haben.

Unsere Bilanz aus der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion, was die Große Anfrage und das Dahinterstehende betrifft, sieht relativ schlicht aus. Der jetzige Senat ruht sich auf den Lorbeeren und dem Erreichten der Vorgängersenate aus und verwaltet die Gleichstellungspolitik nur, und zwar nicht nur für die Lesben, Schwulen und Transgender, sondern auch für die Frauen in dieser Stadt. Damit kann man vielleicht gerade noch zähneknirschend leben, nicht aber damit, wenn man anfängt, über das Nichtstun groß zu prahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich lese ein kleines Beispiel vor, sodass man ein bisschen nachvollziehen kann, wieso meine These viel mit der Realität in dieser Stadt zu tun hat.

(Wolfgang Rose SPD: Welche These?)

Es stammt aus dem Rahmenplan Gleichstellungspolitik und ist der einzige Punkt in diesem dicken Konvolut, wo Lesben und Schwule und sexuelle Orientierung überhaupt eine Rolle spielen. Hier steht:

"Erarbeitung eines Richtungspapiers 'Vielfalt der sexuellen Orientierung und Variabilität geschlechtlicher Identitäten'".

Eigentlich sollten Regierungen im Amt sein, die nicht erst Richtungspapiere entwickeln müssen, wenn sie schon regieren. Offenbar besteht hier eine Lücke für die Zukunft. Hamburg kann vielleicht gerade noch damit leben, denn wir haben schon einiges erreicht. Man sollte mit dem Stillstand als Weiterführung von vorhandenen guten Dingen aber nicht noch prahlen. Diese Stadt hat schon andere Senate erlebt, die aktiver waren und richtig gekämpft haben.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Können Sie mal Beispiele nennen?)

(Roland Heintze)

Es ist jetzt vielleicht auch eine andere Zeit, und die SPD scheint ermattet zu sein.

(Zuruf von Gabi Dobusch SPD)

Kommen wir nun zu dem Glanz auf Bundesebene; dort ist die Senatorin durchaus aktiv. In der Sache ist das immer zu begrüßen, und hier sind die SPD, die GRÜNEN und manchmal auch DIE LINKE dabei, gute Dinge anzustoßen. Aber auch dort klafft das, was man an Politmarketing betreibt, und das, was tatsächlich am Ende eine Leistung darstellt, auseinander.

(Gabi Dobusch SPD: Das ist eine Eigenana- lyse von schwarz-grüner Politik!)

Ein Beispiel ist der durchaus begrüßenswerte Beschluss des Deutschen Bundesrates zur Öffnung der Ehe. Historisch gab es das bisher in diesem Land nicht, und das war ein richtiger Vorstoß zur richtigen Zeit. Mich persönlich hat gestört, dass die Senatorin nach dem Urteil in Karlsruhe zum Adoptionsrecht damit geprahlt hat, diese Initiative anzustoßen, denn am Ende hat der Hamburger Antrag noch nicht einmal bei den SPD-geführten Ländern eine Mehrheit gefunden, und es wurde ein rheinland-pfälzischer Gesetzentwurf genommen. Das Ende ist okay, der Bundesrat hat das beschlossen, und jetzt warten wir darauf, dass der Bundestag folgt. Aber die Hamburger Vermarktung hat einen schalen Beigeschmack.

Wenn wir uns den anderen historischen Beschluss im Bundesrat aus dem letzten Jahr zur Aufhebung der Paragraf-175-Urteile in der jungen Bundesrepublik ansehen – da gebe ich Herrn Kühn völlig recht –, so gab es das historisch ebenfalls noch nicht.

(Gabi Dobusch SPD: Auch nicht unter Schwarz-Grün? Komisch!)

Auch da ist die SPD-Bundestagsfraktion bisher dem Aufruf des Bundesrats nicht gefolgt. Ich kenne keinen Gesetzentwurf, der das auf den Weg bringt, und das ist schade. Von CDU und FDP kann man es nicht erwarten, diese haben erklärtermaßen ein Problem damit. Aber wenn es der SPDgeführte Bundesrat hinbekommt, ist es traurig, wenn die eigenen Leute im Bundestag nicht folgen, und dann muss man sich auch nicht wundern, dass aus solchen guten Beschlüssen im Bundesrat am Ende im Gesetzblatt nichts wird.

Meine Damen und Herren! Gut ist, dass die Gelder, die vom Vorgängersenat für die Jugendpolitik bereitgestellt worden sind, jetzt bei den Jugendlichen ankommen. Das unterstützen wir und das finden wir gut. Wir haben zwar andere konzeptionelle Vorstellungen gehabt, aber wenn eine Regierung wechselt, ist es normal, dass sie dann ihre Vorstellungen umsetzt. Damit muss man leben, und das ist gut so. Wir hätten uns nur gewünscht, dass Sie, auch wenn Sie viel für junge Lesben machen wol

len, noch einmal etwas draufgelegt hätten, denn die Idee war damals nicht, dass wir Lesben aussperren. Der Bedarf für schwule Jugendliche wurde sehr deutlich formuliert, während er auf der anderen Seite nicht formuliert war. Wenn er jetzt nachträglich formuliert wird, ist das okay.

(Lars Holster SPD: Dann muss man nichts tun, oder was? – Gabi Dobusch SPD: Lesen Sie doch bitte mal im gleichstellungspoliti- schen Rahmenprogramm!)