Protocol of the Session on February 28, 2013

Ich will eines gleich klarstellen: Für sozial Schwächere, also für Menschen, die Hartz IV oder Sozialhilfe beziehen, wird es auch zukünftig keine Änderung geben. Sie werden weiter ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten. Der Entwurf lässt den Freibetrag für den Antragsteller, der über 10 Prozent über dem höchsten Sozialhilfesatz liegt, völlig unangetastet, Frau Schneider. Das haben Sie bisher nicht erwähnt. Die bisher zur Diskussion stehenden Änderungen der Prozesskostenhilfe beziehen sich lediglich auf die Änderungen und Anpassungen der Bemessungsgrenzen und sehen vor, dass diejenigen, die über ein gewisses eigenes Einkommen verfügen, die gewährten Prozesskosten in Raten an die Staatskasse zurückzahlen mit einer Ratenzahlungshöchstdauer von 72 Monaten, damit eine dauerhafte Rückzahlungspflicht ausgeschlossen werden kann. Wer wirtschaftlich in der Lage ist, einen Beitrag zur Rückzahlung zu leisten, muss dies in Zukunft nur in einem etwas größeren Umfang tun. Das ist auch notwendig, denn der Prozesskostenhilfeberechtigte soll dem Durchschnittsverdiener eben nur gleichgestellt werden und nicht besser gestellt werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Prozesskostenrisiko muss im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit getragen werden; es kann nicht vollständig auf den Staat abgewälzt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Herr Steinbiß, ich gebe Ihnen recht, die Erfahrung zeigt, dass es eigentlich kein einfaches Scheidungsverfahren gibt. Deshalb sollte es bei der Anwaltsbeiordnung im Scheidungsverfahren bleiben. Bei ersten Beratungen im Bundestag zu diesem umfangreichen Gesetzespaket haben die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion auch schon gezeigt, dass es in dieser Frage noch Bewegung gibt.

Meine Damen und Herren! Für eine tiefgreifende Diskussion, wie sich die angedachten Änderungen der Prozesskostenhilfe für Hamburg auswirken, ist

es natürlich noch zu früh. Die Diskussionen auf Bundesebene laufen noch, auch die Länder werden sich über den Bundesrat mit eigenen Vorstellungen an der Diskussion beteiligen. Natürlich interessiert uns auch die Meinung des Senats, denn es geht immerhin – wir haben eben über das Thema Rechnungshof und Finanzen diskutiert – auch um eine Entlastung der Hamburger Staatsfinanzen, die dadurch möglich ist. Deshalb interessiert mich, was der Senat im Ausschuss dazu sagt. Es geht letztendlich auch darum, die Länderhaushalte von den ständig steigenden Kosten für die Prozesskostenhilfe zu entlasten. In Deutschland sind das mittlerweile mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr.

Der vorliegende Antrag der LINKEN ist inhaltlich leider eine ziemlich dünne Suppe. Außer der Aussage, dass alles so bleiben soll, wie es ist, enthält er keinerlei richtungsweisende Inhalte zur derzeitigen Diskussion, Frau Schneider. Sie versuchen, was Sie wirklich gut können, wieder einmal Ängste zu schüren. Der erste Punkt des Antrags hat sich sowieso erledigt, da im vorliegenden Gesetzentwurf keine Änderungen für Transferleistungsbezieher vorgesehen sind. Eine pauschale Ablehnungsformel, wie unter Punkt 2 gefordert, kann ebenfalls nicht unsere Zustimmung finden. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen, aber vorher interessiert uns natürlich die weitere Diskussion. Die werden wir aufmerksam und kritisch begleiten. Aufgrund unserer guten Argumente haben wir gegenüber einer Ausschussüberweisung keine Bedenken.

(Beifall bei der CDU)

Die soziale Errungenschaft der Prozesskostenhilfe muss weiterhin ihrem eigentlichen Ansinnen gerecht werden. Der Zugang zum Recht durch den Gleichheitsgrundsatz, das Rechtsstaatsprinzip und den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz sind für uns unabdingbar und werden von uns weiter verteidigt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Trepoll. – Das Wort hat Herr Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden im Ausschuss noch darüber beraten und deshalb fasse ich mich etwas kürzer. Ich finde es irritierend, dass die Justizsenatorin nicht da ist. Das ist ein wichtiges Thema und ich hätte mir heute ihre Anwesenheit schon gewünscht.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU – Dirk Kienscherf SPD: Sie wird im Ausschuss sein!)

Es ist von Senatsseite sonst üblich, die Debatten zu begleiten. Da diese Reform insbesondere alleinsteinstehende Frauen mit Kindern trifft, wie wir ge

(André Trepoll)

hört haben, und sie doch Frauen- und Gleichstellungssenatorin ist, ist sie doppelt betroffen und hätte in einem Beitrag zu dieser Debatte darstellen können,

(Arno Münster SPD: Das war zu Ihrer Zeit ganz anders, oder?)

was der Senat im Bundesrat gedenkt zu tun. Meine Sorge ist, dass hier von der Regierungsfraktion heldenhafte Reden gehalten werden, aber die Musik in dieser Frage im Bundesrat spielt. Dort kann das Schlimmste, was hier auch angeprangert wurde, von diesem Gesetz verhindert werden.

(Karin Timmermann SPD: Deswegen geht es an den Ausschuss!)

Nein, nein, hören Sie einmal zu, meine Damen und Herren.

Diese Reform kommt allein den Ländern zugute. Glauben Sie doch nicht, dass die Bundesjustizministerin eine Entlastung der Länder auf den Weg bringt, wenn es nicht aus der Mehrheit der Länder – auch aus der Mehrheit mancher SPD-regierten Länder –

(Dirk Kienscherf SPD: Grün! Grün!)

Hinweise in Richtung Bundesjustizministerium gegeben hätte, was denn alles einmal zur Entlastung angegangen werden sollte. Wenn es aber so ist, dass die Bundesjustizministerin den Ländern hier entgegenkommen will, dann frage ich mich schon, welche Position Hamburg in dieser Frage einnimmt. Ich habe dazu nichts gehört, außer der engagierten Rede des Kollegen natürlich – dafür noch einmal Danke. Wenn wir das Thema ernst nehmen und verhindern wollen, dass insbesondere alleinstehende Frauen mit Kindern und andere, die knapp über dem Transfersatz liegen – darum geht es doch in dieser Debatte –, genau in dieses Gap fallen und sich das eine oder andere Recht nicht mehr leisten können, dann müssen wir noch vor der Sommerpause aus dieser Bürgerschaft eine Positionierung in Richtung Senat hinbekommen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Deswegen bin ich dafür, dass wir dieses Thema möglichst schnell auf die Tagesordnung des Justizausschusses setzen, damit sichergestellt ist, dass der Senat deutlich auf die Stimme des Parlaments mitsamt der Regierungsfraktion hört und nicht in die Versuchung kommt, doch noch einmal zugunsten des Haushalts im Bundesrat die eine oder andere Sache durchgehen zu lassen, obwohl hier heldenhafte Reden gehalten wurden. Das wäre nicht fair gegenüber den Betroffenen, und deswegen unterstützen wir die Überweisung und eine schnelle Beschlussfassung in diesem Haus.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Müller. – Das Wort hat Herr Ritter.

(Zuruf aus dem Plenum: Das ist der letzte Redner heute! – Olaf Ohlsen CDU: Das ist das Letzte heute! Der Letzte!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Ohlsen, ich rufe Sie zur Ordnung. Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte fort.

– Herr Ohlsen, und das bei meinem Beitrag.

Der Bundestagswahlkampf rückt näher und offensichtlich geht es den LINKEN mit dem Thema Prozesskostenhilfe darum, hier ein wenig Wahlkampf zu inszenieren. Das Ganze wird betrieben, wie bei Ihnen üblich, mit Klassenkampfvokabular aus der Mottenkiste. Wenn wir das Thema auf die schlichten Fakten reduzieren, das möchte ich gleich tun, dann gibt es allerdings keine Gründe für diese künstliche Aufregung. Die Bundesregierung folgt nämlich, wie schon erwähnt, mit ihrem Gesetzentwurf dem Wunsch der 16 Länder,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Nee, von vier!)

das System der Prozesskostenhilfe zu modernisieren und in Teilen auf Darlehen umzustellen. Dabei bleibt gerade für die sozial Schwächeren, für die sich die LINKEN gern als Robin Hood aufspielen, alles wie gehabt. Hartz-IV- oder Sozialhilfeempfänger, Herr Trepoll erwähnte es schon, brauchen keine Nachteile zu befürchten, da sie auch künftig ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Auf- stocker nicht!)

Der Gesetzentwurf lässt den Freibetrag von 442 Euro unangetastet. Dieser Freibetrag liegt übrigens, wie Herr Trepoll auch schon erwähnt hat, 10 Prozent über dem höchsten in Deutschland geltenden Regelsatz und steigt jährlich weiter an. Auch die Beiordnung von Rechtsanwälten bleibt im Wesentlichen unverändert. Das gilt im Übrigen auch für familienrechtliche sowie arbeitsgerichtliche Verfahren. Die Waffengleichheit in beiden Verfahren wird also nicht eingeschränkt. Daher ist die in Ihrem Antrag geäußerte Befürchtung unbegründet, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, dass Alleinerziehende aus Sorge vor Prozesskosten davor zurückschrecken könnten, eigene Rechte bei Gericht durchzusetzen. Woraus schließen Sie eigentlich, dass Frauen von der bevorstehenden Gesetzesänderung stärker betroffen sind als Männer? Das ist mir schleierhaft. Der Senat hat

(Farid Müller)

auf Ihre Schriftliche Kleine Anfrage – wenn Sie mitschreiben, kann ich sogar die Drucksache nennen – doch geantwortet:

"Das Geschlecht des Antragstellers […] wird statistisch nicht erfasst."

Der Frauenanteil überwiege, wenn überhaupt, nur leicht. Von drohenden – ich zitiere –:

"[…] gravierenden Einschränkungen beim Zugang zu Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit […]"

kann offensichtlich nicht die Rede sein, denn auch die Beratungshilfe wird wie bisher unter der Voraussetzung bewilligt, dass dem Rechtsuchenden Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu gewähren ist. Es werden mit den Neuregelungen lediglich einige Bewilligungsvoraussetzungen konkretisiert. Dies dient im Interesse aller Beteiligten der Rechtssicherheit.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Ihre Aufregung, Frau Schneider, ist also völlig unangebracht. Da Sie den Änderungsentwurf der Bundesregierung anscheinend leider nicht verstanden haben – vielleicht sollte ich eher sagen, nicht verstehen wollen –,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Mein Gott, das ist doch nicht zu fassen!)

werde ich es Ihnen kurz noch einmal skizzieren. Anpassungen im bestehenden Gesetz soll es nur in drei Bereichen geben. Erstens ist das die Absenkung des zusätzlichen Freibetrags für Erwerbstätige von 50 auf 25 Prozent. Hierdurch wird die Situation des Durchschnittsverdieners besser berücksichtigt. Die zweite Anpassung liegt in der neuen Methode der Berechnung der Ratenhöhe. Wenn nach Abzug von Freibeträgen, Frau Schneider, noch verfügbares Einkommen bleibt, soll dafür künftig die Hälfte zur Rückzahlung gewährter Prozesskostenhilfe aufgewendet werden. So können künftig sogar geringere Raten gezahlt werden, wenn das Einkommen im untersten Bereich liegt. Drittens entspricht die längere Rückzahlungspflicht von 48 auf 72 Monate einem Gebot der Gleichbehandlung gegenüber Selbstzahlern, die die Prozesskosten allein aufbringen müssen. Bleibt also insgesamt das Fazit, liebe LINKE: Das ist alles unnütze Aufregung Ihrerseits. Mithilfe des Gesetzentwurfs werden schlicht und ergreifend Gerechtigkeitslücken geschlossen, die Ihnen offenbar bis dato gar nicht aufgefallen sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Vielen Dank, Herr Ritter. – Das Wort hat Frau Schneider.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein paar Dinge kann man einfach so nicht stehen lassen. Sie haben vor allem eines gezeigt, Herr Ritter und Herr Trepoll, nämlich wie weit Sie von der Lebenswirklichkeit sehr vieler Menschen in diesem Land entfernt sind.