Protocol of the Session on January 24, 2013

Die Politik traut den 16- und 17-Jährigen also tatsächlich weniger Selbstverantwortung zu, möchte aber gleichzeitig – in diesem Fall möchten Sie es – das Wahlalter senken.

(Beifall bei Robert Heinemann CDU)

Wie kann es sein, dass der Staat einer bestimmten Altersgruppe nicht zutraut, alle Fragen des eigenen Lebens zu regeln, gleichzeitig aber der Altersgruppe das Recht zubilligt, Regeln der Gemeinschaft zu entscheiden? Welch ein Widerspruch ist das denn?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Argumente, die immer für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre genannt werden wie das steigende Interesse der Jugendlichen an Politik und eine dadurch wachsende Wahlbeteiligung, sind bisher weder in Österreich eingetreten, wo die Absenkung des Wahlalters bereits 2008 erfolgte, noch in Bremen vor zwei Jahren, ebenso wie in den Kommunen, in denen das Wahlalter bereits auf 16 Jahre abgesenkt wurde. Mit Ihrer Kampagne werden Sie sicherlich einen Einmaleffekt bei den nächsten Wahlen erzielen, aber das wird dann auch verpuffen, und das kann es wohl nicht sein.

(Barbara Duden SPD: Woher wissen Sie das denn? – Jens Kerstan GRÜNE: Wer sagt Ihnen, dass das so ist?)

Es hat sich doch gezeigt, dass nur sehr wenige der neuen wahlberechtigten Jugendlichen überhaupt zur Wahl gegangen sind. Die Shell-Studie von 2012, Herr Kerstan, zeigt ebenfalls, dass das Wahlalter keinerlei Einfluss auf das Politikinteresse von Jugendlichen hat. Zusätzlich gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Wahlberechtigung ab 16 Jahren als politische Bildungsmaßnahme – und das ist doch Ihre Begründung – einen nachhaltigen Erfolg hat. Eine Wahlalterabsenkung führt also zu keinem gesteigerten Politikinteresse und schon gar nicht zu weniger Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der CDU und bei Carl-Edgar Jar- chow und Dr. Wieland Schinnenburg, beide FDP)

Was soll denn zukünftig das allgemeingültige Kriterium für das Wahlalter in Deutschland sein? Bisher war das Wahlalter mit dem Erreichen der Volljährigkeit und damit auch der Geschäftsfähigkeit verbunden. Dieses Kriterium hat den Vorteil, dass es nicht nur relativ einfach und nachvollziehbar ist, sondern auch logisch und konsequent. Wie wollen Sie begründen, davon abzuweichen? Und wieso gerade 16 Jahre? Warum nicht etwa 10 oder 12 oder 14 Jahre oder als Zusatzzahl 17 Jahre? Es gibt keinerlei Begründung von Ihnen, warum das mit 16 Jahren der Fall sein soll.

(Beifall bei der CDU und bei Carl-Edgar Jar- chow und Dr. Wieland Schinnenburg, beide FDP)

Interessant ist auch, dass Sie nur das aktive Wahlalter absenken wollen und nicht das passive, also die Wählbarkeit. Dann seien Sie doch so konsequent und senken auch das Wählbarkeitsalter. Das tun Sie nicht. Hoffentlich streben Sie diese Änderung nicht nur an, weil Sie sich davon einen Vorteil verschaffen.

Meine Damen und Herren! Sowohl auf Bundesebene als auch in den meisten Bundesländern ist das Wahlalter von der Verfassung her auf 18 Jahre beschränkt. Änderungen sind in den meisten Bundesländern nur mit einer Zweidrittelmehrheit mög

lich. Dafür besteht auf absehbare Zeit in vielen Bundesländern keine Mehrheit. Bisher haben nur zwei Bundesländer eine Wahlalterabsenkung umgesetzt. Nun entsteht gänzlich die Gefahr uneinheitlicher Regelungen, ohne dass dafür wirklich zwingende Gründe vorliegen. Wir sollten in Hamburg beim bewährten Wahlalter ab 18 Jahren bleiben und es nicht unnötigerweise von der Volljährigkeit abkoppeln.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Wir sollten besser an weiteren innovativen Beteiligungsformen für Jugendliche, wie zum Beispiel "Jugend im Parlament", arbeiten, um das Interesse junger Menschen an Politik zu erwecken, und nicht mit unserem Wahlrecht herumspielen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Frau Blömeke, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anders als die CDU-Fraktion und anders als Herr Trepoll glauben wir, dass heute ein besonderer Tag für Hamburg ist. Ein besonderer Tag für Hamburgs Demokratie und für die Jugendlichen dieser Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Es ist richtig, dass es ein langer Prozess war, bis wir soweit waren, auch in Hamburg diesen Schritt zu gehen und das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken. Und wie Frau Duden gerade ausführte, braucht das natürlich auch seine Zeit, angefangen bei Expertenanhörungen und Beteiligungen und auch dem Austausch unter den Fraktionen. Es ist trotzdem ein wenig eine unendliche Geschichte und hat tatsächlich sehr lange gedauert.

Der Antrag der GRÜNEN auf Absenkung des Wahlalters wurde am 12. Mai 2011 gestellt. Immerhin sind es fast zwei Jahre, aber gut Ding will Weile haben. Wir wollen jetzt auf das Ergebnis schauen und nicht so sehr auf den Prozess. Aber im Ganzen freut es uns GRÜNE sehr, denn schon seit vielen Jahren setzen wir uns für die Absenkung des Wahlalters ein. Deswegen freuen wir uns auch, dass es jetzt in der Bürgerschaft die erforderliche Mehrheit dafür gibt, dass 16- und 17-Jährige das aktive Wahlrecht erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt in der Tat viele Gründe, die das rechtfertigen. Herr Trepoll, Sie haben eben mühsam versucht, alle möglichen Haare, die Ihnen entgegenkommen, in diese Suppe hineinzutun, aber ich

(André Trepoll)

könnte auch jedes Ihrer Argumente entkräften. Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen.

In Bremen ist die Wahlbeteiligung der 16- bis 18-Jährigen sehr viel höher gewesen als die der Älteren. Natürlich muss man erst einmal sehen, wie das anläuft. Wir brauchen genau das Konzept, das der Senat jetzt erarbeitet für die Schulen, für die Berufsschulen und überall dort, wo Jugendliche sich aufhalten. Ich sage noch einmal ganz deutlich, dass Wählen wirklich die klarste Form politischer Teilhabe ist. Die Forschung zeigt auch, dass 16bis 17-Jährige durchaus entscheidungsfähig genug sind, um an politischen Wahlen teilzunehmen. Sie haben "Jugend im Parlament" genannt. Das ist wirklich das beste Beispiel dafür, dass die Jugendlichen das können.

Für mich ist ein sehr wichtiges Argument, dass wir in einer immer älter werdenden Gesellschaft leben; das wissen wir alle. Deswegen ist es ganz besonders wichtig, dass die Stimme der Jugendlichen auch mehr Gehör findet und dass die Interessen der Jugendlichen vertreten werden. Das passiert natürlich auch über dieses Wahlrecht.

Nicht zuletzt wollen wir natürlich auch, dass Jugendliche nicht nur über Demokratie reden, sondern dass sie selbst mit entscheiden. In Zeiten von Politikverdrossenheit ist es ganz besonders wichtig, schon früh bei den Jugendlichen anzufangen, ihnen die Mitbestimmung zu ermöglichen, damit nicht in der Folge eine Politikverdrossenheit entsteht.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir werden erleben, dass Jugendliche als Erstes beim Volksentscheid, dem Netzerückkauf, mitbestimmen können, und als Zweites in der Folge bei den Bezirksversammlungswahlen. Frau Duden erwähnte eben nicht, dass das auch für die Bürgerschaftswahlen gilt.

Noch ein paar Worte zu den Kritikern. Die Kritik kommt hauptsächlich aus den Reihen der CDU, möglicherweise auch von der FDP. Ihr Hauptargument lautete, dass das Wahlalter an die Volljährigkeit gekoppelt sein müsse. Ich finde, das überzeugt überhaupt nicht. Wir sprechen in der Tat vom aktiven Wahlrecht und nicht davon, gewählt werden zu können, also vom passiven Wahlrecht. Wir haben auch in unserer Rechtsprechung sehr viele Dinge, die an unterschiedliche Altersstufen gekoppelt sind, aber besonders an Jüngere.

Ich möchte, anders als Sie, aufzählen, was Jugendliche schon dürfen. Mit 14 Jahren erreicht man die volle Religionsmündigkeit und die Selbstentscheidung. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr darf man den Führerschein und auch die Segelfluglizenz erwerben. Man darf der Organentnahme beim Todesfall zustimmen und man besitzt schon das aktive Wahlrecht in der Sozialversicherung.

Man ist handlungsfähig nach dem Asylbewerbergesetz, nach dem Asylverfahrensgesetz und dem Ausländergesetz. Und mit 17 Jahren erreicht man schon das Wehrfähigkeitsalter.

Das alles sind Beispiele für weitgehende Entscheidungen, die 16- bis 17-Jährige treffen dürfen. Da ist es doch in der Folge völlig logisch, dass wir ihnen auch das aktive Wahlrecht für Bezirksversammlungs- und Bürgerschaftswahlen zugestehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Dazu kommt noch ein zentrales Element, das uns GRÜNEN besonders wichtig ist, und das ist die Beteiligungskultur. Wir möchten, dass Kinder und Jugendliche mitbestimmen. Mitbestimmung beginnt in der Kita, setzt sich über die Schule fort und geht auch in den politischen Alltag hinein, in die Demokratie und ihr Umfeld. Hier ist eben die Beteiligung an der Wahl die klarste Form der Mitbestimmung und der Demokratie. Es ist doch ganz wichtig, die demokratischen Spielregeln von klein auf zu lernen. Zur Absenkung des Wahlalters gehört deswegen existenziell – und deswegen bin ich sehr froh, dass sich alle geeinigt haben – ein Konzept, das einbettet, wie gewählt wird und was dafür wichtig ist. Ich muss Frau Duden zustimmen, dass dieses Konzept nicht nur für die 16- bis 18-Jährigen sinnvoll wäre, sondern für alle Bürger Hamburgs. Das wissen alle, die oft am Infostand stehen oder mit Bürgerinnen und Bürgern reden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich hatte eben schon ausgeführt, dass es ein langer Weg war, bis wir hier angekommen sind, doch jetzt, zwei Jahre später, wird die Initiative endlich beschlossen. Ich will auch nicht weiter auf das Taktieren seitens der SPD eingehen, aber ein Satz sei schon noch erlaubt. Es gab nämlich immer wieder die Bestrebung der SPD, diese Absenkung des Wahlalters mit anderen politischen Forderungen zu verknüpfen. Ich bin jedoch sehr, sehr froh, dass die Sozialdemokraten daran gescheitert sind und wir heute nur über die Absenkung des Wahlalters abstimmen. Wir dürfen alle gespannt sein, wie sich diese Absenkung des Wahlalters auf Parteiprogramme und die Debatten in diesem Haus auswirken wird. Ich glaube, mit einer Verjüngung der Wählerschaft wird Hamburgs Politik frischer, und ich freue mich darauf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP, stimmen Sie dieser Wahlrechtsänderung zu. Ich denke, es täte dem ganzen Haus gut, wenn auch Sie den Jugendlichen die Chance geben, sich demokratisch zu beteiligen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Das zweite Geburtstagskind des heutigen Tages, Herr Dr. Duwe, hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema hat auch in der Hamburger FDP schon heftige und sehr intensive Diskussionen ausgelöst. Wir haben das im Landesverband diskutiert und auch jetzt in der Bürgerschaftsfraktion. Wir haben sehr viele Argumente dafür und dagegen gehört.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Ein bisschen mehr Ruhe! – Glocke)

Ich bitte das Plenum um etwas mehr Ruhe, damit es die Rede auch richtig verfolgen kann.

– Vielen Dank.

Wir haben heute sehr viele Argumente dafür und dagegen gehört. Diese Argumente waren auch in der Fraktion auf dem Landesparteitag zu hören. Wir haben auf dem Landesparteitag mit knapper Mehrheit gegen eine Absenkung gestimmt und in der Fraktion eine Mehrheit für die Absenkung erhalten. Wir sind deshalb übereingekommen, heute nur dem Gewissen zu folgen und die Abgeordneten pro oder contra stimmen zu lassen. Deshalb möchte ich mich jetzt inhaltlich nicht äußern, möchte aber sagen, dass, falls dieses Gesetz in Kraft treten wird, wir zwei Dinge wirklich bedenken müssen. Wenn wir die Wahlalterabsenkung einführen, dann ist eine Grundvoraussetzung, die Bildung weiter zu verstärken und in den Schulen noch viel mehr Politik an die Schüler heranzubringen. Und zweitens sollten die Schülerinnen und Schüler auch an die aktive Politik herangebracht werden.

Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, sollten wir die Chance ergreifen, die parlamentarische Demokratie weiter zu propagieren. Wir haben nämlich in diesem Land eine Tendenz der Einzelinteressen, die Gedanken an das Gemeinwohl und die Kompromissfindung sind zurückgegangen. Gerade das ist aber wichtig, dass wir in den Parlamenten, sowohl in den Bezirksversammlungen als in der Bürgerschaft, zu Kompromissen fähig sind. Das muss man eben auch in den Schulen lernen. Deshalb ist es besonders wichtig, wenn wir dies nun durchführen, Geld in die Hand zu nehmen und das nicht nur einmalig. Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, die politische Bildung in den Schulen auf stetem Niveau zu halten und die Schülerinnen und Schüler viel mehr einzubinden. Sie sollten beispielsweise auch eingebunden werden in die Ausschüsse der Bezirksversammlungen, wo jetzt Bürgerinnen und Bürger ab 16 Jahren Mitglied sein können und dort aktiv abstimmen dürfen. Das wird immer vergessen, das sollten wir propagieren.

Ich hoffe, wenn wir zu dieser Entscheidung kommen – auch für diejenigen, die dem nicht zustimmen können –, dass diese Entscheidung positiv ist für dieses Land und auch für die Schülerinnen und Schüler. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Nikolaus Haufler CDU)

Herr Golke, Sie haben das Wort.