Protocol of the Session on December 11, 2012

Nein. Herr Dr. Schinnenburg, Sie sind gleich noch dran, und ich bin gespannt auf Ihren Redebeitrag, den wir auch abwarten können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir behandeln die Themen Gesundheit und Verbraucherschutz nicht als Manövriermasse, die man schnell zwischen den Behörden hin- und herschieben kann, wie es die damalige CDU-Regierung getan hat. Gerade unter der Ägide des jetzigen Fraktionsvorsitzenden wurde 2006 die Zuordnung des Themas Gesundheit zur Wissenschaftsbehörde aufgelöst; die Bereiche wurden der Sozialbehörde zugeschlagen. Heute liegt uns ein Antrag der CDU vor, in dem sie die Zuordnung der Bereiche Gesundheit und Verbraucherschutz zur Wissenschaftsbehörde fordert. Eigenständigkeit soll also aufgegeben werden, und es wird eine Zuordnung gefordert, die von der CDU selbst aufgelöst wurde.

(Dietrich Wersich CDU: Das haben Sie falsch gelesen, Frau Domres, oder falsch verstanden!)

Sie können sich nachher auch noch einmal melden.

Daran sieht man die Ernsthaftigkeit, mit denen die Themen Gesundheit und Verbraucherschutz bei der CDU behandelt werden.

(Beifall bei der SPD)

Nun aber zum Haushaltsplan-Entwurf. Auch für die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz gilt natürlich, dass der vorgelegte HaushaltsplanEntwurf 2013/2014 das Ziel umsetzt, das die Bürgerschaft sich selbst gesetzt, intensiv diskutiert und mit Zweidrittelmehrheit beschlossen hat, nämlich den Haushalt ab 2013 so aufzustellen, dass spätestens mit dem Ablauf des Haushaltsjahres 2019 die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten werden. Deshalb wurden bei der Haushaltsauf

stellung Aufgaben und Ausgaben der Behörde kritisch überprüft und dazu eine Reihe von Anpassungen vorgenommen, die aber weiterhin eine solide Finanzierung der politischen Kernaufgaben sichern.

(Beifall bei der SPD)

Was bedeutet das im Einzelnen? Gegenüber dem Gesamthaushalt von 426 Millionen Euro im Jahr 2012 wächst das Haushaltsvolumen der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz im Jahre 2013 um 4,7 Prozent und im Jahre 2014 um 6,8 Prozent auf insgesamt 255 Millionen Euro. Wir haben damit die Ausfinanzierung der steigenden, und, da Rechtsansprüche bestehen, kaum steuerbaren gesetzlichen Leistungen sichergestellt und nunmehr auch realistisch veranschlagt. Die Hilfen zur Pflege steigen von 170 Millionen Euro auf 191 Millionen Euro, die Kosten für den Maßregelvollzug steigen, die Mittel für die Eingliederungshilfe für Suchtkranke steigen und auch die Mittel der Schwangerschaftskonfliktberatung steigen im Haushaltsjahr 2013.

(Thilo Kleibauer CDU: Und die Preise stei- gen auch!)

Trotz dieser Vorgaben schaffen wir es, Leistungen auf hohem Niveau fortzusetzen und unsere eigenen Schwerpunkte in verschiedenen Bereichen zu stärken. Wir haben die Krankenhausinvestitionen, die immerhin ein Viertel dieses Haushaltsvolumens ausmachen, mit 108 Millionen Euro auf hohem Niveau halten können, wir werden die Verbraucherzentrale mit 850 000 Euro auf dem bisherigen Niveau fortführen können und die Maßnahmen für die Träger im Bereich Drogen und Sucht und in der Gesundheitsförderung und Prävention ebenfalls auf dem bisherigen Niveau sichern. Wir konnten außerdem die Zuweisungen an die Bezirke, was insbesondere die Seniorenarbeit betrifft, auf dem Niveau von 2,6 Millionen Euro halten. Und, das ist uns ganz wichtig, wir haben unsere Schwerpunkte gesetzt.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. Bei der Kindergesundheit haben wir den verstärkten Einsatz von Familienhebammen mit eigenen Bundesmitteln um 350 000 Euro verstärkt.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Ja, Bundes- mittel!)

Wir haben 500 000 Euro zusätzlich in die Anschubfinanzierung für ein klinisches Krebsregister gesteckt, damit wir die Qualität der Behandlung in Hamburg transparenter machen und verbessern können. Ihnen liegt heute außerdem ein Antrag unserer Fraktion vor, in dem wir das Erinnerungsund Meldewesen zur Kindervorsorgeuntersuchung verstetigen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben bereits 2011 die gesetzliche Grundlage für den Modellversuch zum Melde- und Einladungswesen zur U6 und U7 verlängert und damit eine zweijährige Laufzeit des Modellversuchs gewährleistet. Diese läuft nach bisherigen Planungen 2012 aus. Wir räumen dem Kinderschutz die höchste Priorität ein und wollen daher das Einladungsund Meldeverfahren optimieren. Wir werden darum den Haushaltstitel mit 250 000 Euro verstärken.

(Beifall bei der SPD)

Im Interesse der gesunden Entwicklung von Kindern und des Kindeswohls sind Früherkennungsuntersuchungen ein wichtiger Baustein, und in Zusammenwirkung mit frühen Hilfen können wir damit den präventiven Kinderschutz intensivieren.

Dies sind einige Beispiele, und Sie sehen an diesen Beispielen, dass wir es geschafft haben, trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen einen Haushalt vorzulegen, der trotz des hohen Anteils an gesetzlichen Leistungen von immerhin 53 Prozent an diesem Haushalt Leistungen und Angebote auf bestehendem Niveau sichert. Wir haben außerdem, wie eben schon dargestellt, unsere eigenen Schwerpunkte setzen können.

Die Gesundheitspolitik ist bei uns in guten Händen, das zeigen übrigens auch die Anträge der Oppositionsfraktionen. Bei den Anträgen – es gibt diverse Anträge der Fraktionen – sind mehrere Schwerpunkte zu erkennen, und zwar deswegen, weil mehrere Fraktionen in die gleiche Richtung gehende Anträge gestellt haben. Das sind die Themen Seniorenarbeit, Verbraucherzentrale und Suchtselbsthilfe. Zu zwei Schwerpunkten möchte ich gern etwas sagen, zunächst zur Seniorenarbeit.

Es liegt ein Antrag vor, die Rahmenzuweisungen an die Bezirke zu erhöhen. Dazu kann man nur sagen, dass die Bemessung der Rahmenzuweisungen, so wie sie uns heute vorliegt und wie wir sie auch weiterführen werden, damals im Konsens mit den Bezirken erfolgt ist. Wir haben dies im Haushaltsplan-Entwurf und in den Beratungen im Gesundheitsausschuss sowie im Haushaltsausschuss bereits mehrfach erläutert. Der Umsteuerungsprozess beginnt entgegen der Aussage eines Antrags nicht jetzt, sondern er begann schon 2009 und wird 2014 abgeschlossen sein. Die Befürchtungen, die bestanden, dass es zu zahlreichen Schließungen verschiedener Seniorenangebote kommt, haben sich nicht bewahrheitet.

Beim zweiten Antrag Richtung Seniorenarbeit geht es um die Aufstockung des Titels für den Landesseniorenbeirat; das ist jedoch aus fachlicher Sicht nicht notwendig. In den letzten Jahren waren in dem Titel immer Reste von 10 000 bis 20 000 Euro vorhanden; insofern sehen wir keine Notwendigkeit, diesen Titel aufstocken zu müssen.

Nun zur Suchtselbsthilfe. Ja, wir haben bei der Suchtselbsthilfe Kürzungen vorgenommen, weil wir

diese in die normalen Selbsthilfegruppen einsortiert haben. Diesen Teil der Suchtselbsthilfe besser auszustatten, war auf Dauer nicht zu rechtfertigen. Wir können aber darauf hinweisen – Herr Stemmann, Sie haben es erwähnt –, dass wir den Titel für die Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen verstärkt haben und deshalb bei der Suchtselbsthilfe in Zukunft keine großartigen und wichtigen Angebote verlieren werden. Bestimmte Angebote, die übrigens längst nicht sämtliche Träger der Suchtselbsthilfe betreffen, sondern nur einen kleinen Teil, sollen in die normale Selbsthilfelandschaft integriert werden. Das halten wir für wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Dies kurz zu den Anträgen der Opposition. Es wird gleich insbesondere zum Verbraucherschutz noch eine zweite Runde geben; ich versuche dann, auf die einzelnen Anträge weiter einzugehen. Es wird Sie aber nicht verwundern, dass wir die Anträge der Oppositionsfraktionen zu den Themen Gesundheit und Verbraucherschutz in Gänze ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Von den Ideen und Initiativen der Vorgängersenate ließ sich im Bereich Gesundheit und Verbraucherschutz eine Weile gut leben, das will ich zugestehen. Doch spätestens jetzt wird klar, dass wir es in diesem Bereich im Einzelplan 5 mit einer Auszehrung zu tun haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Die schleichende Auszehrung betrifft zentrale Bereiche der Behörde, und besonders hart trifft es die Zuwendungsempfänger. Die Zuwendungen wurden auf dem Niveau von 2010/2011 eingefroren, und Tariferhöhungen und Preissteigerungen werden nicht mehr ausgeglichen. Viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner haben dieses Problem schon angesprochen.

Da wir über den Verbraucherschutz anscheinend noch gesondert sprechen wollen, gehe ich nun gleich auf den Bereich der Suchthilfe ein. Im Einzelplan 5 zeigen sich schwerwiegende Folgen der Sparpolitik. Es droht in den nächsten Jahren ein massiver Stellenabbau. Die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen hat Anfang November dargelegt, dass das Einfrieren der Haushaltsmittel dazu führt, dass eine durchschnittliche Beratungsstelle von sechs Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern bis 2020 jährlich etwa eine Viertelstelle verliert. Der drängenden Frage, wie die Träger angesichts der Sparpolitik ihr Angebot aufrechterhalten sollen,

(Anja Domres)

weicht der Senat mit vagen Hinweisen auf ein mögliches Sponsoring oder eine wirtschaftlichere Verwendung der Zuwendungen aus. Auf diese Weise sendet der Senat ein fatales Signal. Für die Zukunft heißt das: Wer in Hamburg als Zuwendungsempfänger im Gesundheits- und Sozialbereich nach Tarif bezahlt, muss seine Leistungen einschränken. Der Senat treibt die Träger in die Tarifflucht, wie auch die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege erst kürzlich in einer Pressemitteilung richtig dargelegt hat. Vor diesem Hintergrund müssen wir in der Suchthilfe in Zukunft mit gravierenden Einschränkungen rechnen. Die Kürzungen treffen die Schwächsten in unserer Stadt, und die langfristigen sozialen Folgen werden diese kurzfristigen Einsparungen bei Weitem überwiegen. Und dass Sie, Frau Domres, sich auch noch für diesen Bereich loben und sagen, dass gravierende Einschnitte vermieden werden konnten, zeigt nur, wie sehr Sie die Augen vor der Realität verschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Im Bereich Drogen und Sucht zeigt sich nicht nur, dass der Senat konzeptlos agiert. Man schreckt auch nicht davor zurück, für minimale Einsparungen maximalen Schaden zu erzeugen. Über die Suchtselbsthilfe wurde bereits gesprochen, genau darauf ziele ich ab. Die Mittel für die Suchtselbsthilfe werden radikal zusammengestrichen, und die bewährten Qualifizierungsprogramme für die Ehrenamtlichen werden abgeschafft. Allein beim Programm ELAS der Diakonie betrifft das fünfzig Gruppen mit circa 1000 Suchtkranken, die dort Hilfe finden. Ihr Argument der Gleichbehandlung der Selbsthilfegruppen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, führt auf einen völlig falschen Weg. Eine Suchterkrankung unterscheidet sich von chronischen körperlichen Erkrankungen. Selbsthilfearbeit ist bei Suchtkranken ein wesentlicher Bestandteil der Genesung, soweit Genesung möglich ist. Die Qualifizierung der Ehrenamtlichen ist in der Suchtselbsthilfe nicht nur wegen der besonderen und hohen Anforderungen an die Gruppenleitung geboten, sondern zahlt sich auch um ein vielfaches aus, weil Rückfälle wirksam vermieden werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und bei Tim Golke DIE LINKE)

Das kann sehr gut nachgewiesen werden, und an dieser Stelle ist es unbedingt notwendig, diesen Unterschied zu sehen. Eine Gleichmacherei hilft hier überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und bei Tim Golke DIE LINKE)

Offenbar ist aber weder der SPD-Senat noch die Fraktion bereit, die besondere Leistung der Ehrenamtlichen in der Suchthilfe anzuerkennen. Der Senat verweist vielfach auf KISS, die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen. Dies findet

sich auch im Haushaltsantrag der SPD wieder und zeigt deutlich, dass Sie diese Differenzierung nicht treffen können. Nichts von dem, was Sie in der Suchthilfe streichen, kann bei KISS aufgefangen werden. Die finanzielle Förderung durch KISS beläuft sich pro Selbsthilfegruppe und Jahr auf 650 Euro, und dabei bleibt es auch in Zukunft. Keine Gruppe wird in Zukunft mehr bekommen können, und die betroffenen Gruppen bekommen diesen minimalen Betrag bereits heute schon. Auch wenn Sie nun mehr Geld für KISS vorsehen, ändert das nichts an dieser Situation.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn man Ihren Antrag liest, dann muss man den Eindruck gewinnen, dass Sie das Problem nicht verstanden haben.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei Dietrich Wersich CDU)

Aus den Ehrenamtlichen in der Suchthilfe werden in Ihrem Antrag plötzlich hauptamtliche Kräfte, und das eigentliche Problem der Qualifizierung der Ehrenamtlichen bleibt unbeachtet. Der Gipfel aber ist Ihre Gegenfinanzierung. Das Geld wird aus dem Titel der Suchthilfe genommen, sodass die Träger, die schon mit steigenden Tarifen und Preisen belastet sind, noch einmal weniger Geld zur Verfügung haben. Verschlimmbessern ist ein milder Ausdruck für diesen Antrag der SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der LINKEN)

Während Sie bei der Suchtselbsthilfe durch kurzsichtige Sparmaßnahmen gewachsene und wirksame Strukturen zerstören, gibt es an anderer Stelle keine Hemmungen, Geld für hochfragwürdige Instrumente auszugeben; Frau Domres sprach die U-Untersuchungen bereits an. Letzte Woche konnten wir der Presse entnehmen, dass die Auswertung des Einladungswesens zu den U-Untersuchungen ergeben hat, dass kein Fall von Kindeswohlgefährdung aufgedeckt werden konnte und dass die Teilnahme an den Untersuchungen auch nicht gesteigert werden konnte. Trotzdem will die SPD-Fraktion mehrere Hunderttausend Euro für das Einladungswesen ausgeben, eine Maßnahme, die offenbar wenig bringt und sehr viel kostet. Unfähig, eine alte Forderung zu überdenken – ich fordere Sie nur auf, diese Forderung zu überdenken –, prescht die SPD-Fraktion voran, ohne eine ergebnisoffene Diskussion auf Grundlage der Auswertungen zu führen. Gerade weil die Probleme im Kinderschutz so drängend sind, muss die Wirksamkeit der Maßnahmen entscheidend sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Es kann nicht darum gehen, krampfhaft an einer alten Position festzuhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)