Protocol of the Session on December 11, 2012

Für mich ist das wirklich Erschütternde, dass die SPD so etwas wie am letzten Wochenende mit Herrn Steinbrück macht, wenn sie den Wahlkampf einläutet, aber dass sie es nicht mehr macht mit Herrn Scholz, wenn sie regiert.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das ist eine Erfahrung, die mir noch einmal sehr deutlich geworden ist und die ich erschütternd finde. Ich hoffe, dass es dazu von der Sozialdemokratie einmal ein paar Gedanken gibt.

(Beifall bei der LINKEN und bei Katharina Fegebank GRÜNE)

Das zweite Ärgernis, Herr Scholz, war für mich heute ein Begriff, den Sie genannt haben, um die aktuelle Krise in Europa zu bezeichnen. Sie haben dort eine ideologische Metapher aufgenommen, die die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" seit einiger Zeit gern gebraucht, und die heißt Staatsschuldenkrise. Wir müssen einmal darüber nachdenken, was für eine Krise wir gegenwärtig in dieser Gesellschaft haben und was die Ursache dafür ist. Warum gibt es in etlichen Ländern zum Teil so hohe Schulden? Die Ursache dafür ist zwar eine Wirtschaftskrise, aber viel entscheidender ist, dass es auch eine Finanzkrise ist. Wenn wir den Überblick darüber verlieren, was die Ursache der Krise ist und nur das sehen, was momentan gern ideologisch benutzt wird, dann wird es wirklich kritisch. Dann werden wir nicht mehr in der Lage sein, richtige Politik zu machen. Dann denken wir, die Verschuldung des Staats war schuld, aber dabei ist es doch die Aktivität, die der Staat betrieben hat, um diese Gesellschaft noch zu retten.

Es ist die Aktivität, die wir auch gemeinsam betrieben haben. Es waren teilweise ganz skurrile Sachen wie beispielsweise die Abwrackprämie für

Autos. Dazu gehört auch, dass wir alles an Konjunkturprogrammen aufgelegt haben, wo wir gemeinsam von der Notwendigkeit überzeugt waren. Dadurch gab es auch eine wachsende Verschuldung des Staats, aber das war nicht die Ursache, sondern eine Auswirkung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein dritter Punkt ist auch typisch sozialdemokratisch. Herr Scholz legt plötzlich dar, dass die kleine SPD und der kleine Senat jetzt ein Gasheizkraftwerk bauen und dazu auch Moorburg oder die großen Trassen. Dabei sind wir mit 25,1 Prozent beteiligt, aber das Eigentliche machen die großen Energieunternehmen. Das wird uns noch auf die Füße fallen, das wissen alle, die sich mit diesen großen Unternehmen auseinandergesetzt haben. Und dann sagen Sie mit so einem Timbre in der Stimme, dass Sie das von Hamburg aus bauen. Sie haben sich durch Ihre Idee an eines dieser großen Energieunternehmen ausgeliefert. Sie wissen doch, dass Sie mit 25,1 Prozent dort nichts Entscheidendes beeinflussen können und dass es insgesamt eine Fehlentwicklung bringen könnte. Auch die SPD wusste schon immer, dass 25,1 Prozent nicht ausreichen, und dann diese Euphorie hineinzubringen, halte ich für einen völligen Fehler.

(Beifall bei der LINKEN)

Beim vierten Punkt müsste Herr Quast genauer zuhören, denn Herr Scholz hat ihm eben deutlich klar gemacht, dass es eine Illusion ist, die ich hatte und die auch Frau Heyenn am Anfang ihrer Rede hatte, zu glauben, dass wir in der Lage sein würden, die Einnahmen in Hamburg in dem Augenblick zu verbessern, wenn wir eine Vermögensteuer oder Vermögensabgabe haben. Die Diskussion war doch, dass nachhaltig auch die kommunale Situation verbessert würde. Herr Scholz hat deutlich gesagt, dass wir damit nicht zu rechnen haben. Ich weiß nicht genau, was auf Bundesebene gegenwärtig innerhalb der SPD diskutiert wird, aber das ist eine der entscheidenden Angelegenheiten, die innerhalb der SPD diskutiert werden muss.

Wir sind der Meinung, dass die kommunalen Strukturen gestärkt werden müssen. Wir haben momentan strukturell zu wenig Geld in der Hand, um wichtige soziale und kulturelle Aufgaben in dieser Stadt zu erfüllen. Dafür brauchen wir Einnahmesteigerungen auf Bundesebene, und die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer und noch eine ganze Menge anderer Dinge.

Herr Scholz hat uns eben gesagt, dass das auf kommunaler Ebene nicht ankommen werde. Ich halte das für ein großes Problem und ein wichtiges Thema beim zukünftigen Bundestagswahlkampf, die Einnahmestärkung der Bundesebene.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will nicht weiter auf Dinge wie die Elbphilharmonie eingehen. Hier haben wir gehört, dass es eine sehr starke Erhöhung geben wird.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Kosten- steigerung! – Robert Bläsing FDP: Kosten- schock!)

Kostenschock, das klingt nach 1 Milliarde Euro.

Aber ich will darüber nicht spekulieren, wenn die Vorschläge da sind, werden wir das vernünftig diskutieren. Auch die HSH-Diskussion haben wir in den letzten Wochen häufig genug geführt.

Ich will stattdessen auf eine zentrale andere Angelegenheit kommen. Das Wichtigste und leider Zentrale dieses Haushalts ist, dass er kürzt beziehungsweise keine Steigerung zulässt auf Kosten der Beschäftigten in dieser Stadt, die sich um die sozialen und kulturellen Angelegenheiten und um den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft kümmern. Das sind diejenigen, die vor allem betroffen sein werden. Das haben Sie alle in den letzten Wochen gehört, wenn Sie der Diakonie und anderen wichtigen Leuten genau zugehört haben. Sie haben Ihnen gesagt, was es für sie bedeutet, wenn sie auf 0,88 Prozent reduziert sein werden. Die SPD hat durchaus sehr kreativ erreicht, dass es kaum Institutionen gibt, die in den nächsten ein bis zwei Jahren geschlossen werden müssen. Über diese hohe Kreativität habe ich mich gefreut.

Aber auf dem langen Weg, den wir gegenwärtig vorbereiten, wird diese Kürzung einfach alle diese Träger treffen. Sie wird vor allen Dingen auf dem Rücken der Beschäftigten gemacht werden. Das ist auch deswegen ein Problem, weil diese Leute nicht wirklich gut verdienen. Dabei müsste die Diskussion darum gehen, dass Pflegerinnen oder Erzieherinnen bessere Löhne haben müssten und keine schlechteren, die Sie nämlich gegenwärtig einleiten. Das ist meine Hauptkritik und das würde als Resultat Ihrer Kürzungen eintreffen. Dies wird nicht unbedingt in den nächsten ein bis zwei Jahren, aber auf längere Sicht dramatische Auswirkungen haben. Wir sind der Meinung, dass man eine solche soziale und kulturelle Situation nicht aufrechterhalten kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe mit Interesse beobachtet, dass die Sozialdemokraten alle durch die Gegend gelaufen sind und dies groß verteidigt haben. Es sei überhaupt kein Geld da, und deswegen könne man leider die Versprechen nicht einhalten, deswegen müsse man Einschnitte im Bereich des Sozialen vornehmen. Es gibt keine Erhöhungen im sozialen Bereich, das ist das Wichtige dabei. Sie haben auch sehr hart darüber gestritten, weil Ihnen gesagt wurde, dass absolut kein Geld da sei.

Und plötzlich haben wir eine ganz andere Situation bemerkt. Das ist eine zweite Geschichte, die man

erzählen muss. Es gibt eine Brücke vor der Elbphilharmonie. Über diese Brücke wurde lange und intensiv in dieser Bürgerschaft gestritten. Im Juni 2011 haben SPD und Senat in all ihren Bereichen festgestellt, dass es kein Geld gibt, um diesen besonders teuren Neubau zu errichten. Es ist auch gar nicht möglich oder notwendig, dies praktisch auszuführen. So war die Situation im Juni 2011, auch im September, als sich noch der Verkehrsausschuss damit beschäftigte. Plötzlich aber stellte sich heraus, nachdem die SPD und alle wackeren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die gesamten Kürzungen verteidigt haben, dass doch Geld da sei und man ohne Schwierigkeiten 12 Millionen Euro ausgeben könne.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie müssen mal investiv und Betriebsmittel unterscheiden!)

Was ist denn mit der Schuldenbremse und wie ist es in Zukunft? Dieser Unterschied ist nicht mehr so entscheidend für die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Folglich ist dies einer der wichtigen Punkte. Für die Brücke war plötzlich Geld da, nachdem im Jahr 2011 kein Geld mehr da war. Diese Brücke bringt für den Fußgängerverkehr nichts.

(Beifall bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Die Variante, die wir vorgeschlagen haben, die Brücke zu verbreitern, kostet 500 000 Euro. Es wurde noch einmal vom Senat bestätigt, dass diese Variante möglich ist. Es gibt keinen Grund dafür, außer dem Geschimpfe der Freunde der Elbphilharmonie, der Bewohner des Kaiserkais und des Tourismusgewerbes. Das ist Sozialdemokratie heute. Ich finde, das ist kein schöner Zustand. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Senator Dr. Tschentscher.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die großen und wichtigen Themen wurden alle angesprochen. Vielleicht darf ich von meiner Seite aus noch folgende ergänzende Bemerkungen machen.

In den letzten Wochen hat das Parlament den Haushaltsplan-Entwurf und die Grundzüge der Finanzpolitik des Senats beraten. Die Opposition hat dabei viel Kritik geübt und bei ihrer Bewertung höchste Maßstäbe angelegt. Heute ist der Tag, an dem die Oppositionsfraktionen ihre Anträge vorgelegt haben, und das Ergebnis ist ernüchternd.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Genau!)

(Norbert Hackbusch)

Ich habe zahlreiche Anträge gelesen, die zusätzliche Ausgaben bewirken würden, ohne dass eine vernünftige Gegenfinanzierung erkennbar wäre.

(Jens Kerstan GRÜNE: Nicht von uns! – Katja Suding FDP: Bei uns nicht!)

Ich sage auch nichts mehr zu den Vorschlägen der konservativ-liberalen Seite dieses Hauses, Studiengebühren wieder einzuführen und erneut Familien in den Kitas abzukassieren. Viel bedrückender ist für mich, dass einige Fraktionen aus den Fehlern früherer Haushaltsjahre nichts gelernt haben. Es ist ein falscher Weg, Mittel für gesetzliche Leistungen einschließlich Reserven abzusenken oder für andere Zwecke auszugeben.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Mittel für gesetzliche Sozialleistungen dringend benötigen und vermutlich aus zentralen Reservemitteln noch verstärken müssen. Deshalb ist es auch ein großes Problem, wenn Oppositionsfraktionen einerseits fordern, zusätzliche Haushaltsrisiken abzudecken und bei den entscheidenden Haushaltstiteln dann von unnötigen Reserven sprechen beziehungsweise diese absenken und für zusätzliche Ausgaben der Fachbehörden verwenden wollen.

Am schlimmsten sind die Vorschläge im Leitantrag der CDU. Wie in den früheren, auf Kante genähten Haushalten, die schon nach wenigen Monaten geplatzt sind, sollen Reserven gestrichen und Rücklagen eingesetzt werden, um einen sofortigen Schuldenstopp zu verkünden. 1,8 Milliarden Euro neue Schulden in nur zwei Regierungsjahren anzuhäufen und in der Opposition den sofortigen Schuldenstopp zu verkündigen, das ist kein Konzept, liebe CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Für Ihre Schuldenstopp-Forderung ziehen Sie verringerte Zahlungen im Länderfinanzausgleich, die in der Steuerschätzung schon berücksichtigt sind, gleich doppelt ab. Und weil die Rechnung immer noch nicht aufgeht, werden weitere 100 Millionen Euro Entlastung aus den Zusagen des Bundes zum Fiskalpakt eingerechnet.

(Zuruf von Ole Thorben Buschhüter SPD)

Selten so gelacht, würde Herr Steinbrück sagen.

(Beifall bei der SPD)

Die Zusagen der Bundesregierung zur Kita-Finanzierung werden schon jetzt nicht eingehalten. Die Abmachung zur Zinseinsparung durch gemeinsame Anleihen wird nicht eingehalten, und die versprochene Fortschreibung der Entflechtungsmittel wird auch nicht umgesetzt. So ist die Lage in Berlin. Und die CDU setzt mal so eben in ihre Finanzplanung 100 Millionen Euro zusätzlich nur für Hamburg ein. In Berlin müsste noch einiges passieren, vor allem eine neue Bundesregierung gewählt wer

den, bevor die Länder in diesem Umfang zusätzliche Einnahmen erwarten dürften.

(Beifall bei der SPD)