Protocol of the Session on November 28, 2012

Wir sind damals gemeinsam darauf eingegangen und haben hier im Haus einstimmig – bei Enthaltung der GRÜNEN, wenn ich mich recht erinnere –

beschlossen, dass diese Verhandlungen aufgenommen werden sollen. Jetzt liegen die Verträge vor, und es ist gut und richtig, dass wir darüber diskutieren und uns dabei durchaus bewusst sind, dass wir es mit einem historischen Ereignis zu tun haben.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Kers- ten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Aber ich will an der Stelle auch die Sorgen ansprechen, die sich die Menschen in der Stadt machen. Wir erleben weltweit, dass Extremisten, Diktatoren und antidemokratische Kräfte ihre politischen Machtspiele, die viele Millionen Opfer fordern, unter dem Banner der Religion austragen. Wir erleben in vielen Ländern dieser Welt eine mangelnde religiöse Toleranz, und das erfüllt auch die Menschen hier in Hamburg mit Sorge, und zwar gleichermaßen Menschen muslimischen Glaubens, christlichen Glaubens und ohne Glauben. Deshalb ist es so wichtig zu erklären, dass wir den Missbrauch der Religion für politische Zwecke nicht wollen, dass wir es ablehnen, was sich als Fratze des Islam, wie es Frau Professor Amirpur in unserer Anhörung genannt hat, zeigt. Wir lehnen ab, dass das, was wir in anderen Ländern erleben, auch nach Deutschland überschwappt und hier unsere grundgesetzlichen Werte beeinträchtigt.

(Beifall bei der CDU)

Manche sagen, wir kommen selbst aus einer religiösen Minderheit, die in unseren Heimatländern verfolgt wird. Denen sage ich immer: Es kann doch nicht unser Ziel sein, den Spieß umzudrehen, und hier mit diesen Minderheiten zusammen die Mehrheitsreligion zu unterdrücken. Unser Auftrag ist es doch zu zeigen, dass wir in Hamburg friedlich miteinander leben können, in der Hoffnung, dass dann auch in die Heimatländer die Gewissheit ausstrahlt: Religionen können in friedlicher Koexistenz miteinander leben.

(Beifall bei der CDU)

Und das sage ich ganz besonders in die Richtung der Alevitischen Gemeinde, das entspricht Ihren historischen Erfahrungen, das haben Sie uns gesagt, und das hat etwas mit Ihrem Selbstverständnis als Religionsgemeinschaft zu tun. Und wir hoffen mit Ihnen, dass dies dazu beiträgt, dass auch die Aleviten in ihren Heimatländern ihren Platz bekommen im friedlichen Zusammenleben aller Religionen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Die größere Sorge in unserem Land ist aber die Sorge um die Parallelgesellschaften und dass möglicherweise Menschen möchten, dass innerkirchliches, innerreligiöses Recht das Recht des Staates ablöst. Und auch an der Stelle sage ich ganz klar: Das darf

nicht sein. Die Religionen müssen das lernen, was wir im Rahmen der Aufklärung und später gelernt haben, dass es eine Trennung zwischen Staat und Religion gibt und in Deutschland das Grundgesetz und die Grundrechte gelten. Es darf nicht angestrebt werden, das deutsche Grundgesetz durch ein religiös geprägtes Recht zu ersetzen. Das ist mit uns nicht zu machen, das würden wir mit aller Macht bekämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Um das klarzustellen und um diesen Ängsten, die es durchaus in der Bevölkerung gibt,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das glaube ich nicht!)

auch Raum zu geben, möchte ich Ihnen im Namen meiner Fraktion vorschlagen, dass das Parlament sich nicht nur mit dem Vertrag befasst und nicht nur Ja oder Nein sagt, sondern dass wir als Parlament diesem Vertrag einen Rahmen geben, dass wir Grenzen setzen und Erwartungen aufzeigen. Und dazu gehören für uns ein paar ganz wesentliche Feststellungen.

Erstens: Auch die vier Institutionen, mit denen wir jetzt die Verträge abgeschlossen haben, haben keinen Alleinvertretungsanspruch für den Islam und alle Gläubigen. Es gibt viele islamisch Gläubige in der Stadt, die sich durch diese Institutionen nicht vertreten fühlen. Und auch deren religiöses Empfinden und deren religiöse Überzeugungen sollten wir respektieren.

Zweitens: Es hat eine Diskussion über die Regelung im Vertrag zum Stichwort "Rechtfertigung des Tragens religiöser Bekleidung" gegeben. Wir stehen zu dieser Passage, aber wir wollen auch klarstellen, dass auch in Zukunft Staatsbedienstete in hoheitlichen Aufgaben keine religiöse Kleidung tragen.

(Beifall bei der CDU)

Und wir wollen auch sicherstellen, dass der Schulfrieden dadurch nicht gestört werden darf. Und was das Thema Burka oder andere Formen der Ganzkörperverschleierung angeht, so ist das in Deutschland mit der Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht vereinbar.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben mit den Vertretern der Kirchen und der Vertragspartner sehr intensive Gespräche geführt und ich begrüße es ausdrücklich, dass von dort das Bekenntnis kam, auch in den eigenen Reihen gegen Tendenzen, die dem Vertrag und dem Vertragswortlaut widersprechen, und gegen Verfassungsfeinde und Extremisten, Islamisten, Hassprediger und Salafisten vorzugehen. Das ist auch richtig so und deshalb formuliere ich die Erwartung, dass diese Dachverbände ihre Ankündigung wahrmachen und auch in Zukunft sicherstellen, dass sie

gegen derartige Umtriebe Einzelner vorgehen und durch Maßnahmen bis hin zum Ausschluss aus der Organisation klarstellen, dass dies eben nicht der Boden ist, auf dem wir diese Verträge abschließen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns bitte im Parlament darüber reden, welchen Rahmen wir geben können. Nur so ist eine breite Unterstützung möglich. Die CDU steht ihrem quasi eigenen Kind grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Aber es gibt gute Gründe, an diesem Rahmen im Parlament noch zu arbeiten. Dann, da bin ich sicher, finden wir auch eine breite Zustimmung in der Hamburgischen Bürgerschaft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Möller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Wersich, ich muss leider sagen, dass Sie mit diesem Entschließungsantrag genau das machen, was Sie zu Beginn Ihrer Rede als zum Glück beendet beschrieben haben, nämlich wieder ein einseitiges Reden über einen Personenkreis anstatt sich zusammenzusetzen und gemeinsam über die Probleme, die wir in dieser Gesellschaft zu lösen haben, zu sprechen. Das finde ich falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir diskutieren nicht zum ersten Mal über diesen Vertrag, und die Kollegin Christa Goetsch hat schon gesagt, dass auch aus unserer Sicht mit der Unterschrift unter den Vertrag die gemeinsame Arbeit erst anfängt. Es geht nämlich vor allem um die Organisation des Alltags in der Gesellschaft, in der Kita, in der Schule und am Arbeitsplatz. Der Hauptgrund dafür, diesen Vertrag abzuschließen, liegt darin, dass man künftig auf einer Augenhöhe miteinander kommuniziert und nicht mehr übereinander redet.

Das ist übrigens auch der Grund, weswegen wir uns mitnichten enthalten haben bei dem Antrag, mit den Muslimen in Verhandlungen zu treten. Wir haben uns als Fraktion enthalten beziehungsweise die Abstimmung bei dem Beschluss über die Kirchenstaatsverträge freigegeben. Das ist aus unserer Sicht ein Instrument, das wir bei einer Trennung von Kirche und Staat nicht brauchen. Es existiert aber, wir haben Verträge mit den Kirchen und mit der Jüdischen Gemeinde und jetzt zum Glück auch mit den muslimischen Gemeinden.

An der Stelle müssen wir uns – als Parlament, aber auch die Medien und alle, die in dem Bereich eine Multiplikatorfunktion haben – auch darüber im Klaren sein und immer wieder deutlich sagen, dass

(Dietrich Wersich)

das nicht heißt, dass der Islam als politisches System unter dem Schutz des Grundgesetzes steht. Das ist eben genau nicht der Fall. Deswegen muss deutlich werden, dass das, was im Grundgesetz steht, nämlich die Religionsfreiheit und die Freiheit der Ausübung der Religion, für alle Religionen Gültigkeit hat. Das ist die Basis.

Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Grundgesetz herleiten, sind so oder so im Alltag tägliche Herausforderung. Das gilt im Übrigen für uns alle. Das eine Grundrecht lässt sich nicht gegen das andere ausspielen, keines ist gewichtiger als das andere. Wir mussten unter anderer Überschrift zum Beispiel einmal über Folter in dieser Gesellschaft reden, als es um einen Gefangenen ging, dem der Vorwurf schwerster Straftaten gemacht wurde. Das darf nicht sein, genauso wie es auch nicht sein darf, dass Frauen ihre Rechte genommen werden, auch wenn eine Religion es anders vorgibt, oder dass unser Rechtssystem plötzlich nicht gelten soll, weil eine Religion andere religiöse Instanzen zur Streitschlichtung oder zur Urteilsfällung vorgibt. Das alles darf nicht sein und wird nicht sein, weil die Regelungen, über die sich unsere Gesellschaft definiert und nach denen wir zusammenleben, sich aus dem Grundgesetz herleiten.

Wir führen im Übrigen auch Diskussionen bezogen auf andere Religionsgemeinschaften: Weniger Lohn und kein Streikrecht bei der Arbeit in kirchlichen Einrichtungen, das ist als Thema hochstrittig. Wenn Menschen ihren Arbeitsplatz bei einer kirchlichen Einrichtung verlieren, weil sie sich haben scheiden lassen, dann ist auch das hochstrittig. Ebenso wird die Zulässigkeit von Beschneidungen hochstrittig diskutiert. Dazu kommen dann die Alltagsdiskussionen: Unstrittig ist, dass es eine Schulpflicht gibt, die für alle gilt. Unstrittig ist auch, dass es möglich sein muss, religiös motivierte Kleidung zu tragen, entscheidend ist dabei aber, ob die Arbeit, die ausgeführt werden soll, auch ausgeführt werden kann. Im Beamtengesetz gibt es so etwas wie eine Neutralitätspflicht, das gilt natürlich weiterhin und da muss man sich arrangieren, so wie bisher. Warum soll sich daran jetzt etwas ändern? Genau das ist gelebtes Miteinander in dieser Stadt und da müssen sich nicht die einen integrieren und die anderen es aushalten. Diese Gesellschaft praktiziert das schon seit vielen Jahren und jetzt haben wir mit dieser vertraglichen Regelung die Augenhöhe erreicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Ich will inhaltlich nicht mehr viel von dem wiederholen, was dort drinsteht. Ich hoffe aber, dass die Überweisung an den Verfassungsausschuss dann tatsächlich auch so genutzt werden wird, wie Herr Abaci das beschrieben hat. Ich hoffe, dass wir über konkrete gemeinsame Aufgaben reden, die wir jetzt vor uns haben, und nicht immer nur die

gerne gepflegten Vorurteile wieder und wieder miteinander diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Erste Bürgermeister hat in den letzten Monaten immer wieder gesagt, der Staatsvertrag mit ausgewählten islamischen Verbänden sei eine Selbstverständlichkeit. Da machen Sie es sich eindeutig zu einfach, Herr Scholz, selbstverständlich ist nämlich etwas anderes. Zu den 1,8 Millionen Hamburgern gehören fast 200 000 Menschen islamischen oder alevitischen Glaubens. Viele darunter sind gebürtige Hamburger, die selbstverständlich einen deutschen Pass haben und wählen wie alle anderen auch. Unter ihnen sind manche, längst nicht alle, in den Verbänden organisiert, mit denen die Stadt den selbstverständlichen Staatsvertrag schließen möchte.

Meine Damen und Herren! Die weltoffene und liberale Großstadt Hamburg hat eines über Jahrzehnte mit wirklicher Selbstverständlichkeit erreicht: die Entwicklung eines gelassenen Miteinanders zwischen angestammten Hamburgern und den neu dazugekommenen.

(Zurufe von der LINKEN)

Das gelang und gelingt durch respektvollen Umgang, praktikable Lösungen und allgemeinverträgliche Regelungen. Beispiele dafür sind der Moscheebau an prominenter Stelle an der Außenalster oder die Bestattung nach muslimischen Regeln auf städtischen Friedhöfen seit 1995; das ließe sich noch erweitern. Der Prozess des Miteinanders und der Integration war und ist also schon jetzt auf einem guten Weg.

(Beifall bei der FDP)

Dennoch meinte Ole von Beust im Jahr 2006, nun müsse ein Staatsvertrag mit den islamischen Verbänden her. Ich glaube, die Unruhe, die es darüber damals in der CDU gab, ist bis heute nicht ganz gewichen. Auch wenn Herr Wersich uns heute eine etwas andere Rede gehalten hat als in seiner Fraktionssitzung, wie wir in der Zeitung gelesen haben, möchte ich dennoch darauf eingehen.

Die eine Hälfte Ihrer Fraktion, Herr Wersich, wiederholt ständig Fragen zum Vertrag, ein anderer Teil will ihn nur schließen, wenn die SCHURA als Vertragspartner nicht dabei ist. Und jetzt soll sich die Bürgerschaft gegen die Burka im öffentlichen Dienst aussprechen. Mir scheint, dass es hier eher um die Lösung innerparteilicher Konflikte geht als dass sich darin eine wirkliche Haltung ausdrückt; das muss ich leider so sagen.

(Antje Möller)

(Beifall bei Dirk Kienscherf SPD)

Klatschen Sie ruhig, das ist nicht so schlimm.

Meine Damen und Herren! Uns geht es bei diesem Thema um eine Grundsatzposition. Nach unserer Auffassung – das haben wir schon geäußert – entsprechen Staatsverträge mit Kirchen oder Religionsgemeinschaften nicht einem freiheitlichen Weltbild. Wir wollen die größtmögliche Trennung von Staat und Kirche. Deshalb hält die FDP als einzige Bürgerschaftsfraktion dieses Regelwerk nicht für selbstverständlich