Was glauben Sie, was in Billwerder los sein wird? Sie schotten die Frauen zwar in ihrem eigenen Bereich ab, aber am Tag laufen die Begleiter ständig mit den Frauen durch das Männergefängnis. Wir können uns doch alle bildlich vorstellen, was das bedeutet, auch, nachdem die Expertinnen und Experten uns das geschildert haben.
Meine Damen und Herren! Es gibt viele Fragen und wenige Antworten und Ihr Petitum klingt, ehrlich gesagt, hilflos. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte ein Argument vorwegnehmen, weil wir das von Frau Schiedek dauernd hören. Lassen Sie uns doch eines festhalten: Der Bau von Billwerder in dieser Größe als geschlossene Anstalt war ein Fehler,
ein Fehler, den der CDU-Senator Kusch mit der Schill-Partei an seiner Seite vor bald zehn Jahren durchgesetzt hat und den wir Freie Demokraten – es scheint Ihnen schwerzufallen, einmal etwas zuzugeben, mir im Übrigen nicht – damals nicht
Das zu instrumentalisieren hilft aber nicht weiter, liebe SPD. Fehler von einst dürfen kein Anlass dafür sein, neue Fehler zu machen und zu rechtfertigen. Da liegt der entscheidende Unterschied.
Genau auf diesem falschen Wege sind Sie mit der sogenannten Umstrukturierung des Justizvollzugs. Sie ist schon in ihrem Kernbereich falsch, nämlich mit der Verlegung der in Haft befindlichen Frauen von Hahnöfersand nach Billwerder. Das haben fast alle Experten gesagt und wir sind uns in allen Oppositionsparteien darüber einig; da kommen Sie nicht drumherum. Massive Zweifel wurden von den Experten geäußert, aber Sie haben das ganz anders ausgewertet. Auch Hamburgs Strafverteidiger sind dagegen. Wer soll denn noch alles dagegen sein, damit Sie endlich zuhören?
Dennoch hat die SPD keinen dieser Kritikpunkte in ihrem nachgeschobenen Antrag zur letzten Ausschusssitzung angenommen. Das ist angesichts der hochsensiblen Problematik schon unangemessen genug.
Dass Sie erst nach massivem Druck aller Oppositionsfraktionen im letzten Moment einer weiteren öffentlichen Anhörung zustimmen, ist zwar im Ergebnis gut. Es wirft aber auch die Frage auf, ob Sie aus den Fehlern nicht gelernt haben, die vor zehn Jahren gemacht wurden. Wollen Sie stattdessen mit aller Macht und sozusagen im Stil des Senators Kusch Fakten schaffen?
Ist es nicht endlich an der Zeit, diesen Verschiebebahnhof von Häftlingen zu kassieren, den Sie uns als Konzept präsentieren wollen?
Meine Damen und Herren, Frau Senatorin Schiedek! Wir brauchen vor so wichtigen Veränderungen, die anstehen, oder für einen wie auch immer gearteten Gefängnisfrieden, Herr Trepoll, ein wirkliches Gesamtkonzept. Wir brauchen die breite Diskussion und einen Konsens zu einigen Fragen.
Erstens: Wie stärken wir den offenen Vollzug insgesamt und besonders für die Frauen? 19 schon bestehende Plätze für Frauen in Glasmoor reichen dafür jedenfalls nicht aus.
Zweitens: Wie kann die Sicherungsverwahrung in ein Justizvollzugskonzept eingebracht werden? Es ist in der Anhörung bezweifelt worden, dass die Einhaltung des Abstandsgebots zwischen Sicherungsverwahrten und Häftlingen in Fuhlsbüttel nicht ausreichend sei. Die Lösung dieses Problems muss jetzt schon aus Kostengründen vorgenommen werden. Wir müssen das jetzt angehen, damit wir nicht hinterher wieder nachjustieren müssen.
Zu diesen Kernpunkten hat mindestens ein Experte fachkundige Vorschläge gemacht und ein Gesamtkonzept skizziert und auch gefordert.
Nichts davon haben Sie aufgenommen oder auch nur erwogen und ernsthaft geprüft. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Stattdessen mussten wir uns mit Geschäftsordnungsspielchen und Verfahrensdiskussionen zufriedengeben und dem Verweis auf angebliche Kosten. Das allein löst die Grundproblematik keinesfalls.
Der Strafvollzug darf nicht weiter Stiefkind unserer Gesellschaft sein, dafür müssen wir sorgen. Stattdessen müssen wir eine zukunftsorientierte Debatte über ein echtes Justizkonzept führen, und das müssen wir alle gemeinsam tun. Ich möchte Sie auffordern, noch einmal über ein richtiges Konzept mit uns zu diskutieren und uns nicht immer nur vorzuwerfen, wir hätten keine Konzepte, sondern einfach einmal zuzuhören, um dann in aller Ruhe mit uns zusammen vielleicht zu einem Gefängnisfrieden zu kommen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Gegen die beabsichtigte Neustrukturierung des Hamburger Justizvollzugs gibt es viele Einwände, und zwar von vielen Seiten. Nicht nur fünf der sechs Expertinnen und Experten haben sich skeptisch dazu geäußert. Es gibt einen offenen Brief, den neben Fachleuten des Vollzugs unter anderem auch eine ehemalige Justizsenatorin – Sie sagten es bereits, Herr Mül
ler –, eine ehemalige Richterin vom Bundesgerichtshof, eine ehemalige leitende Staatsanwältin, eine ehemalige Bischöfin und eine amtierende Landespastorin unterzeichnet haben. Sie und weitere Unterzeichnerinnen treten für die Rücknahme der Entscheidung ein, den Frauenvollzug in die JVA Billwerder zu verlegen, ebenso wie der frühere Leiter der Sozialtherapeutischen Anstalt Altengamme, Herr Dr. Rehn, der eindringlich dafür plädiert, den Frauenvollzug in Hahnöfersand zu belassen. Auch die Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger lehnt nach Abwägung der Vor- und Nachteile die Verlagerung des Frauenvollzugs ab.
Es ist richtig, dass es gewaltige Überkapazitäten gibt, das haben die früheren CDU-geführten Senate zu verantworten. Und mit diesem Problem muss man fertig werden.
Aber, Herr Dr. Dressel, wenn entschieden wird, den Frauenvollzug nach Billwerder zu verlagern, dann gilt diese Entscheidung auf lange Sicht. Wenn die Verlagerung erst einmal geschehen ist, kann sie nicht einfach so rückgängig gemacht werden, wenn es schiefgeht. Ich halte es deshalb für verhängnisvoll, wenn nicht fachlich begründete Konzepte, sondern haushaltspolitische Erwägungen im Vordergrund stehen.
Das ist kurzsichtig, denn wenn im Strafvollzug etwas richtig schiefläuft, dann sind die gesellschaftlichen Kosten auf Dauer sehr hoch. Deshalb müssen fachliche Gründe, Gründe der Verbesserung des Strafvollzugs im Vordergrund stehen, und das tun sie leider nicht.
Das EU-Parlament hatte 2008 eine Entschließung zur besonderen Situation von Frauen im Gefängnis verabschiedet, in der es heißt – ich zitiere –:
"[Das EU-Parlament][…] erinnert an die 'Besonderheit' der Frauengefängnisse und fordert mit Nachdruck Sicherheits- und Wiedereingliederungsmaßnahmen, die für Frauen entwickelt wurden; erinnert des Weiteren daran, dass für missbrauchte, ausgebeutete und ausgegrenzte Frauen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in ein sie unterstützendes und ihren Bedürfnissen angepasstes Umfeld wichtig sind."
Wir von der LINKEN haben erhebliche Zweifel daran, ob ein solches Umfeld bei der Verlagerung des Frauenvollzugs in eine vom Männervollzug dominierte Strafanstalt gegeben ist. Es kann – das sagen auch einige Kritikerinnen – durchaus Vorteile geben, zum Beispiel kann die gemeinsame Ausund Fortbildung von männlichen und weiblichen
Gefangenen vorteilhaft sein, weil sie zu einer Angleichung an die Lebensverhältnisse außerhalb des Vollzugs führt. Aber dann müssen Sie ein Konzept vorlegen, dann muss nachgewiesen werden, wie den Besonderheiten des Frauenvollzugs Rechnung getragen wird. Wie werden die Sicherheitsund Wiedereingliederungsmaßnahmen, die in Hahnöfersand für den Frauenvollzug entwickelt wurden, denn in Billwerder umgesetzt in einem Gefängnis, in dem zum Beispiel härtere Sicherheitsstandards gelten? Wie werden besondere Wiedereingliederungsmaßnahmen für Frauen unter diesen Bedingungen realisiert?
Absichtserklärungen helfen nicht weiter. Der Senat hat die durch viele Argumente begründeten Zweifel der Opposition nicht ausgeräumt. Deshalb sind wir uns bei allen Differenzen mit den anderen Oppositionsparteien darin einig, dass vor der Beschlussfassung die Debatte weitergeführt werden muss.
Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, den Frau von Treuenfels auch schon angesprochen hat, und der auch für uns LINKE sehr wichtig ist. Bei den Umstrukturierungsplänen des Senats fehlt jeder Ansatz einer Reformidee. Die JVA Billwerder wird eben nicht für den offenen Vollzug genutzt, für den sie eigentlich einmal gebaut wurde. Und es ist richtig, dass ein Experte sagte, Billwerder solle für den offenen Vollzug ausgebaut werden. Glasmoor soll erhalten und umgebaut werden. Damit wird der offene Vollzug nur geringfügig ausgebaut. Hamburg bleibt nach diesen Plänen weit hinter Berlin oder NRW zurück. Es gibt seitens des Senats auch keine Begründung dafür. Es wird mit Bedarfen argumentiert, aber diese Bedarfe sind natürlich politisch definiert. Es sollen Tatsachen geschaffen werden, und zwar auf lange Sicht. Auch deshalb lehnen wir die Neustrukturierungspläne ab und wir wünschen uns, dass in der weiteren Debatte die Argumente zur Geltung kommen. – Danke schön.