Protocol of the Session on November 7, 2012

Schon im Jahr 2009 standen wir vor der Frage, ob wir die Bank abwickeln oder stützen sollen. Wir, die SPD-Fraktion, haben die verantwortbare Alternative gewählt und sind dem Vorschlag der schwarz-grünen Koalition gefolgt, die Bank im Interesse Hamburgs zu retten. Nur die LINKE hatte damals keine Alternativen benannt.

Wir sind uns des Risikos sehr bewusst. Es gibt nichts zu beschönigen. Blinder Aktionismus hilft jetzt nicht, sondern nur verantwortungsvolles Handeln

(Beifall bei der SPD)

gemeinsam mit unseren Partnern in SchleswigHolstein. Und ich bin sehr froh darüber, dass Frau Ministerin Heinold und Senator Tschentscher hier eng zusammenstehen.

Aber es geht nicht nur um den Schutz unseres Landeshaushalts, es geht auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank und um ihre Familien, es geht um das Maritime Cluster Norddeutschland und den Hamburger Hafen, aus dem wir doch erhebliche Steuereinnahmen erhalten, und es geht um die vielen tausend Arbeitsplätze, die vom Hafen und von der Schifffahrt abhängig sind. Denn die HSH Nordbank hat hier eine wichtige Aufgabe als letzte relevante Bank in Deutschland, die Schiffsfinanzierung betreibt und damit die norddeutschen Reeder auch in dieser Krise unterstützt.

Wir – und damit meine ich uns alle hier – haben also vielfältige Interessen daran, die Bank zu stützen, und zwar fiskalische und wirtschaftspolitische

und in Wirklichkeit auch sozialpolitische. Denn wenn diese Bank zugrunde geht, haben wir auch im Hamburger Haushalt noch ganz andere Sorgen zu tragen.

(Beifall bei der SPD)

An diesen Abwägungen sollten wir unsere Worte messen und unsere Handlungen orientieren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Heintze.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten gestern im Ausschuss Öffentliche Unternehmen eine intensive und im Gegensatz zu der Zeit davor sehr faktenreiche Sitzung, und wir hatten – ich glaube, ich spreche da zumindest für die Kollegen meiner Fraktion – einen guten Eindruck von Herrn von Oesterreich. Wir hatten das Gefühl, da ist einer im Bilde, da ist ein Macher an Bord, der die Risiken klar benennt und auch gewillt ist zu handeln. Insoweit empfinde ich die Anmeldung der Fraktion DIE LINKE, die vom "Ungeheuer HSH Nordbank" spricht, nicht als eine gute Wortwahl in diesem Zusammenhang. In dieser Situation, in der wir als Stadt extreme Risiken tragen und gemeinsam in der Verantwortung stehen, ist es nicht hilfreich, eine Bank zu dämonisieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

In der Verantwortung zu stehen heißt aber auch, in dem Moment, in dem man Risiken sieht, zu agieren. Sicherlich hat Herr Quast recht, wenn er sagt, man solle die Ruhe bewahren; das sagt der Senator auch immer. Nur muss man eines sagen: Wir wissen nicht erst seit gestern Abend, dass da etwas auf uns zukommt. Alle, die zugehört – ich habe mich auch belehren lassen – und Berichte gelesen haben, wissen spätestens seit Ende August, dass wir hier ein Risiko haben und dass die Wahrscheinlichkeit gestiegen ist, dass die Stadt zur Kasse gebeten wird. Und da muss ich persönlich sagen, dass es langsam reicht mit dem Ruhe bewahren und dass ich deutlich mehr Schritte erwarte, als ich sie bisher vom Senat gesehen habe.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg und Farid Müller, beide GRÜNE)

Herr Quast hat recht, Prognosen können sich ändern. Ich würde hinzufügen, Prognosen können verändert werden. Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass der Senat deutlich zu viel auf der Zuschauerbank sitzt und zu wenig aktiv teilnimmt, um im Sinne der Bank zu handeln und um alles dafür zu tun – und das muss unser vorrangiges Ziel sein –, dass nicht weiteres Geld, dass nicht ein dreistelliger Milliardenbetrag gebraucht wird und dass nicht ein Cent dieser zusätzlichen Garantien

(Jan Quast)

fließen muss. Da wünsche ich mir deutlich mehr Aktivität vom Senat.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Was denn konkret?)

Ich nenne Ihnen auch die beiden Bedingungen dafür: Wir müssen erstens den Abbau in der Bad Bank weiter vorantreiben und zweitens das Geschäftsmodell und das Kerngeschäft funktionieren. Da macht die Bank, was sie kann, und ich glaube, Herr von Oesterreich legt noch eine Schippe zu. Nur eine Aufgabe hat die Stadt: Ihre Aufgabe ist es nicht in erster Linie, neue Risikoschirme zu spannen, sondern sie muss auch einmal sagen, wo sie als Hauptanteilseigner mit dieser Bank denn überhaupt hin will. Dazu hören wir kein Wort, außer gestern vom Senator, der als Vision des Senats für die HSH Nordbank nannte, man habe ein positives Interesse an Schifffahrtsinfrastruktur. Das reicht nicht für eine Regierungspartei und das reicht nicht für einen Mehrheitsanteilseigner der HSH Nordbank, der eine wichtige Rolle in dieser Stadt hat. Hier fehlen Ihnen die Perspektiven und die Zielvorstellungen, wie Sie mit dieser Bank umgehen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das erwarte ich allerdings insbesondere von jemandem, der sich noch im Juli 2011 medial als Retter dieser Bank hat feiern lassen. Ich habe heute die Zeitungsberichte von damals noch einmal gelesen mit dem Tenor "So rettete ich die HSH Nordbank".

(Beifall bei Dr. Till Steffen und Antje Möller, beide GRÜNE)

Herr Bürgermeister, ich halte das für fahrlässig. Und wenn Sie schon der Retter sind, dann sagen Sie uns doch bitte, mit welcher Perspektive für die Bank Sie diese gerettet haben beziehungsweise retten wollen. Das hat damals augenscheinlich nicht funktioniert.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ein Mehrheitsanteilseigner hat eine Aufgabe und dieser Frage stellen auch wir uns: Soll die Bank eine Vision von einer Rolle am Schifffahrtsstandort Hamburg haben? Soll sie die Vision einer Mittelstandsbank mit tragender Rolle in der Stadt haben? Wollen wir sie vielleicht abwickeln oder verkaufen? Alles das wären wichtige Fragen, die wir heute beantworten müssen, wenn wir gestalten wollen. Denn das Jahr 2015, Herr Senator und Herr Bürgermeister, ist ein wichtiges Datum. 2015 sinkt die Gewährträgerhaftung von heute 35 Milliarden Euro auf 3 Milliarden Euro. In diesem Moment entstehen neue Spielräume für die Bank, und die Stadt braucht dringend Antworten auf die Frage, in welche Richtung die Bank sich dann entwickeln soll. Diese Antworten muss sie heute suchen und nicht erst 2015. Dieses Agieren von heute auf mor

gen haben wir in den letzten Wochen viel zu oft erlebt, das ist für uns nicht mehr tragbar.

(Beifall bei der CDU)

Für die CDU ist klar, dass wir zu neuen Garantien stehen, wenn die Bank danach fragt und sie beantragt, allerdings nur, wenn klar geprüft wurde, welcher Weg für die Bank der bestmögliche ist. Diese Prüfung läuft, wie ich verstanden habe, seien es die Beihilfen durch die Stadt oder durch einen Investor, sei es eine SoFFin-III-Lösung oder seien es Bundeshilfen. Und die Auswirkungen für den Haushalt sind ebenso zu prüfen. Wenn wir das sauber geprüft und abgewogen haben, dann steht die CDU selbstverständlich zu ihrer Verantwortung für die Bank und wird sich auch daran beteiligen, wenn die Bank es denn will, dieser Verantwortung der Stadt gerecht zu werden.

Nur ich sage Ihnen, Herr Senator, das reicht nicht. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie zeitnah einen Prozess in dieser Stadt anstoßen, der zu einer Vision führt. Die CDU hat das auf den Weg gebracht. Wir werden uns nächste Woche auf unserer Klausurtagung damit beschäftigen, übernächste Woche mit der CDU Schleswig-Holstein sprechen

(Dirk Kienscherf SPD: Das hätten Sie vor fünf Jahren machen sollen!)

und dann gemeinsam mit den Akteuren in dieser Stadt eine Vision erarbeiten und versuchen, die Impulse zu geben, die Sie als Regierungspartei der HSH Nordbank schuldig bleiben. Ich kann Sie nur auffordern, handeln Sie mit, wir sind dazu bereit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat nun Frau Hajduk.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Das ist gestern schon eine schlimme Nachricht gewesen seitens der HSH Nordbank, dass sie nämlich damit rechnet, dass Hamburg und Schleswig-Holstein ihre Garantien in Höhe von 1,3 Milliarden Euro ab dem Jahr 2019 werden zur Verfügung stellen müssen. Diese schlimme Nachricht steht in sehr enger Folge anderer sehr negativer Nachrichten bei der HSH Nordbank. Und das gibt noch mehr Anlass zur Sorge.

Wir haben jetzt realisiert und gestern in der Ausschusssitzung sehr ausführlich beraten, dass sich die Ausfallraten im Bereich Schifffahrt auf eine milliardenschwere Summe aufsummieren: Abschreibungen und Zahlungsausfälle von 4,5 Milliarden Euro. 3,2 Milliarden Euro davon muss die Bank als sogenannte Erstverlustgarantie selber tragen, die restlichen 1,3 Milliarden Euro aber die Anteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein. Bisher wurde immer von Wahrscheinlichkeiten gesprochen,

(Roland Heintze)

dass die Garantie in Anspruch genommen werden muss. Uns wurde immer erklärt, die Wahrscheinlichkeit, dass der erste Euro in Anspruch genommen werden müsse, betrage 41 Prozent. Das war die alte Zahl, jetzt liegt sie wahrscheinlich bei deutlich über 50 Prozent. Dass wir aber von einem Tag auf den anderen von der Ziehungswahrscheinlichkeit eines einzigen Euro jetzt vor die ziemlich klare Erwartung gestellt wurden, es würden 1,3 Milliarden Euro, macht deutlich, was das für eine Nachricht war, die wir gestern bekommen haben. Und das vor dem Hintergrund, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper vor zwei Wochen fast beiläufig nach einer Aufsichtsratssitzung gesagt hat, er würde sich wünschen, dass Hamburg und Schleswig-Holstein ihre Garantie wieder von 7 auf 10 Milliarden Euro aufstocken.

Wenn wir das einmal zusammen betrachten, dann muss uns klar werden, dass es nicht möglich ist, diese Frage jetzt so schnell wohlwollend zu beantworten. Man muss sich dieser Frage wahrscheinlich stellen, wenn die Bank unter Existenzdruck gerät, aber ich möchte eines sagen: Mir ist natürlich auch durch die Beratungen noch einmal deutlich geworden, dass wir die zusätzlichen Risiken so einer Garantieaufstockung sehr genau ermitteln und uns klar machen müssen.

Die meisten Experten, die von der Sache viel mehr verstehen als ich, gehen von einem neuen EU-Beihilfeverfahren aus. Was für eine Belastung das für die Bank bedeutet, haben wir erlebt, als das EUBeihilfeverfahren noch lief. Und natürlich muss man dann damit rechnen, dass möglicherweise das gesamte Geschäftsmodell noch einmal grundsätzlich infrage gestellt wird.

Außerdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass in dem Garantievertrag zwischen unserer Stadt, der Bank und dem HSH Finanzfonds – wenn ich das einmal aus dem Zwischenbericht der HSH Nordbank vom 30. Juni 2012 zitieren darf – ganz klar niedergelegt ist:

"Der Garantiebetrag kann nach einer erfolgten Reduzierung nicht wieder erhöht werden".

Wir haben also vertraglich eine Situation, die uns dies gar nicht so einfach ermöglicht. Und wenn man dann noch in die Verwaltungsvorschriften unserer Landeshaushaltsordnung schaut, dann steht dort zu Paragraf 39 unter Punkt 5:

"Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen dürfen nicht übernommen werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Inanspruchnahme der Freien und Hansestadt Hamburg gerechnet werden muss."

Da stellt sich die Frage, ob uns dieser Garantieweg überhaupt noch offensteht oder ob wir nicht, was in diesem Fall die Alternative wäre, Ausgaben oder

Verpflichtungsermächtigungen vorsehen müssten. Dies macht deutlich, dass die Frage, die wir schon gestern aufgeworfen haben, berechtigt ist, nämlich ob wir nicht zügig über die Finanzplanung dieser Stadt reden müssen und ob wir sie anpassen müssen. Das gilt vielleicht noch nicht für direkte Zahlungen aus dem Doppelhaushalt 2013/14, aber ab Januar müssten wir uns vielleicht einmal zusammensetzen, um die Finanzplanung der Stadt im Lichte der Entwicklungen der HSH Nordbank anzupassen. Das steht, glaube ich, an.

Ich konnte in diesen ersten fünf Minuten noch nicht alle Forderungen vonseiten der GRÜNEN nennen, deswegen werde ich mich noch einmal melden. – Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! "HSH Nordbank – ein Ungeheuer", so hat die LINKE Ihr Thema für die Aktuelle Stunde betitelt. Nach dem Duden sind Ungeheuer unheimliche und oft übergroße mythologische Wesen. Ich muss sagen, dass ich diese Bezeichnung im Zusammenhang mit der HSH Nordbank für unangemessen halte. Sie ist noch nicht einmal, Herr Kollege Hackbusch, sprachlich treffend, denn das ist eine Verniedlichung. Was hier auf die Stadt zurollt, hat nichts Mythologisches, sondern ist beängstigend real. Das ist das größte Haushaltsrisiko in der Geschichte der Stadt und kann zur Kernschmelze des Hamburger Haushalts werden.

(Beifall bei der FDP)