Protocol of the Session on November 7, 2012

(Heidrun Schmitt)

"Jeder Tier ist seiner Art und seinen Bedürfnissen gerecht zu halten und zu versorgen."

Das wird mit dem Hundegesetz nicht eingehalten, mit diesem Gesetz droht Hunden, die im Tierheim sitzen, sozusagen lebenslänglich. Wer weiß, wie die Hunde dort leben, darf das nicht weiter fördern – abgesehen davon, dass die Stadt für jeden Hund im Tierheim mehr zahlen muss, als sie für einen Hartz-IV-Empfänger ausgibt.

Zweitens: Das Gesetz schafft nur eine Pseudosicherheit. Alle Hunde, vor allem die großen und starken, können in falschen Händen zur Waffe werden. Das gilt auch für Schäferhunde, Bulldoggen oder Dobermänner. Diese können aber in Hamburg ohne besondere Auflagen gehalten werden.

Drittens: Das Gesetz ist nicht rechtssicher. Das sogenannte "berechtigte Interesse" – das künftig "besonderes Interesse" heißen soll –, um einen Listenhund zu halten, wird künftig so eng definiert, dass es im Grunde genommen nicht mehr möglich ist, einen Listenhund zu sich nach Hause zu holen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das Gegenteil ist der Fall!)

egal, wie artig er ist oder wie befähigt die Zweibeiner sind, dieses Tier zu halten.

Die LINKE hat sich dafür eingesetzt, dass jedes Tier, das einer veterinärwissenschaftlichen Überprüfung standhält – das ist der Wesenstest –, in Hamburg gehalten werden darf und dass jeder, der einen Hund halten will, einen Sachkundenachweis vorlegen muss. Die Vorschriften zum Anleinen von Hunden müssten endlich so ausgestaltet werden, dass sie Hundehalterinnen und Hundehalter auch animieren, den Hundeführerschein zu machen. Denn kaum jemand macht ihn, weil man nämlich auch ein gut erzogenes Tier immer an der Leine führen muss. Und die Beißstatistiken müssen endlich seriös und aussagekräftig geführt werden; anderenfalls gehören sie abgeschafft. Damit ließen sich in den Behörden auch eine Menge Planstellen umverteilen und sinnvoll besetzen.

Wir haben zur Güte vorgeschlagen, eine erneute Evaluation des Hundegesetzes durchzuführen, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und nicht nur auf vorgefasste Meinungen setzt. Aber selbst dieser Vorschlag wurde von den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion im Gesundheitsausschuss ignoriert. Ich fordere Sie alle auf, gleich mit Nein zu stimmen, und dem Senat erneut den Auftrag zu geben, Gefahrenabwehr und Tierschutz sachgerecht miteinander zu verbinden. Wer ein sicheres Gesetz möchte, muss für Hamburg ein anderes Gesetz beschließen, und zwar eines, das die Hundehalter in den Fokus rückt. Das Vorbild Niedersachsen kann hier sehr gut herhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn noch einmal daran erinnern, was eigentlich Anlass des Hundegesetzes war: Ein sechsjähriges Schulkind war von zwei Hunden, einem Pit Bull Terrier und einem American Staffordshire Terrier angegriffen und tödlich verletzt worden. Ich erinnere an diesen traurigen Vorfall, weil ich den Eindruck habe, dass dieser Anlass bei der Beratung der Gesetzesänderung und der Evaluation etwas aus dem Blick geraten ist. Bei dem Hamburgischen Gesetz über das Halten und Führen von Hunden handelt es sich um ein Gesetz zum Schutz der Bevölkerung; hier geht es nicht in erster Linie um den Tierschutz. Und sechs Jahre nach Einführung dieses Gesetzes zeigt auch seine Evaluation, dass es keinen Grund dafür gibt, es in wesentlichen Teilen zu verändern.

(Beifall bei der SPD)

Sowohl die allgemeinen Vorschriften, die für alle Hundehalterinnen und –halter gelten, als auch die speziellen Vorschriften für die besonders gefährlichen Hunde sorgen für mehr Schutz der Bevölkerung. Und das lässt sich sehr wohl aus der Beißstatistik ablesen. Seitdem wir das Gesetz haben, sind die Beißvorfälle um 40 Prozent zurückgegangen. Und dass im letzten Jahr lediglich in zwei Fällen Hunde der Kategorie 1, also unwiderlegbar gefährliche Hunde, verwickelt waren und in neun Fällen Hunde der Kategorie 3, also widerlegbar gefährliche Hunde, belegt doch die Wirksamkeit der strengen Vorschriften und ist kein Argument für die Abschaffung der Rasseliste.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wo weniger gefährliche Hunde sind, können auch weniger solcher Hunde beißen.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt allerdings bei diesen Rassen auch bei bestandenen Wesenstests durchaus zu Beißvorfällen, auch das können Sie aus der Statistik ablesen und auch das spricht für die Beibehaltung der Restriktionen.

Meine Damen und Herren! Die Liste der unwiderlegbar gefährlichen Hunde im Hamburger Hundegesetz stimmt exakt überein mit der Liste der Hunde, die gemäß Bundesgesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde nicht nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Liste bestätigt: Der Bundesgesetzgeber habe richtigerweise angenommen, dass diese Rassen für Leib und Leben von Menschen so gefährlich sind, dass ihre Einfuhr nach Deutschland unterbunden werden muss. Es trifft eben nicht zu, dass das Problem immer am oberen Ende der

(Kersten Artus)

Leine zu suchen ist. Bestimmte Rassen zeichnen sich durch besondere Kraft, besondere Aggressivität und durch Kampffreude aus, sie zeigen Verhaltensstörungen und sie packen ohne Vorwarnung zu; sie sind potenziell gefährlich. Deshalb bin ich der Meinung, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts doch ein starker Hinweis darauf ist, dass auch das Hamburgische Hundegesetz mit seiner Rasseliste verfassungsgemäß und verhältnismäßig ist.

(Beifall bei der SPD)

Eine Änderung des Gesetzes würde dafür sorgen, dass die heute als unwiderlegbar gefährlich geltenden Hunde vermehrt in Hamburg gehalten werden könnten. Sie würden auch vermehrt gehalten werden und sie könnten nach Bestehen des Wesenstests ohne Maulkorb und nicht angeleint ausgeführt werden. Und ich glaube, damit würde das Gefahrenpotenzial für die Bevölkerung deutlich wachsen.

Wir haben aus einigen praktischen Erfahrungen Konsequenzen gezogen und Änderungen vorgeschlagen. Dazu gehört auch, dass künftig das besondere Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes stärker präzisiert werden soll. Wir wollen damit den Bezirksämtern mehr Anhaltspunkte dafür an die Hand geben, damit sie das auch tatsächlich entscheiden können, und wir wollen ein besseres Verfahren bei der Vermittlung dieser Hunde aus dem Tierheim ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Im Gesundheitsausschuss und auch heute wurde immer wieder das niedersächsische Hundegesetz als Beispiel für Hamburg empfohlen. Niedersachsen ist aber bis heute das einzige Bundesland, das keine Rasseliste führt. Das niedersächsische Gesetz ist erst im letzten Jahr in Kraft getreten und zentrale Bestandteile, wie zum Beispiel Sachkundenachweis und Register, sind noch gar nicht verpflichtend. Das Gesetz ist also noch nicht in allen Teilen funktionsfähig und belastbare Erfahrungen liegen noch gar nicht vor. Es gibt noch nicht einmal eine Beißstatistik aus Niedersachsen. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass wir in Hamburg auf der Grundlage von Erfahrungen aus Niedersachsen eine Angleichung vornehmen könnten. Zudem sollte man bei der Beurteilung, welches Hundegesetz denn nun das beste ist, durchaus auch einmal den Unterschied zwischen Flächenländern und einer Metropole wie Hamburg ins Auge fassen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Hamburgische Hundegesetz stellt eine der Vorbeugung und der Abwehr von Gefahren dienende Regelung dar. Es soll Gesundheit und Leben von Menschen schützen und es hat sich in der Anwendung bewährt. Das Hamburgische Hundegesetz ist streng, aber

es ist nicht das strengste in Deutschland. Mit der Evaluation ist die Bürgerschaft ihrer Pflicht nachgekommen, das Gesetz und die Verhältnismäßigkeit seiner Regelungen zu prüfen. Es liegen aus meiner Sicht keine Tatsachen vor, die wesentliche Änderungen, zum Beispiel eine Abkehr von den Rasselisten, nahelegen würden. Die vorliegenden Vorschriften, die beibehalten werden sollen, erhöhen die Sicherheit, dass schwerwiegende Beißvorfälle sich nach Möglichkeit nicht mehr ereignen.

Meine Damen und Herren! In der Debatte um eine Überprüfung und Änderung des Gesetzes haben sich ganz besonders Hundehalter und Tierschützer zu Wort gemeldet. Aber ich denke, die Bürgerschaft muss auch die Ängste und Sorgen der schweigenden Mehrheit zur Kenntnis nehmen, zum Beispiel der Eltern von kleinen Kindern oder älterer Menschen, die sich zu Recht sorgen würden, wenn diese Regelungen gelockert würden. Hier hat die Stadt ihrer Fürsorgepflicht ernsthaft nachzukommen und mit diesem Hundegesetz macht sie das auch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Senatorin, sehr geehrte SPD-Fraktion! Was sagen Sie eigentlich einem Bürger, dessen Kind oder auch er selbst von einem Deutschen Schäferhund gebissen wurde? Das ist in Ihrer Beißstatistik nicht weniger als siebzigmal passiert und auch anteilig nicht seltener als bei den Hunden der Kategorien 1 und 3. Der Deutsche Schäferhund steht nicht auf der Rasseliste. Das ist die Art und Weise, wie Sie Hamburgs Bürger schützen. Das ist gerade ein wunderbares Zeichen dafür, wie falsch Rasselisten sind.

(Beifall bei der FDP)

Frau Senatorin, wenn Sie schon das Bundesverfassungsgericht zitieren wie vorhin, dann machen Sie es nicht so, wie es die SPD auch beim Passivraucherschutzgesetz gemacht hat, denn Sie haben nur einen Teil dieses Urteils – es ist immerhin 19 Seiten lang – zitiert.

Es ist richtig, dass 2004 das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Regelung, die Sie zitiert haben, für verfassungskonform erklärt hat. Aber Sie haben offenbar mittendrin aufgehört zu lesen, Sie hätten noch die Randziffer 97 dieses Urteils lesen sollen. Dort heißt es – ich zitiere ein bisschen ausschnittsweise –:

"Sollte sich bei der Beobachtung und Überprüfung des Beißverhaltens von Hunden ergeben, dass Hunde anderer als der in dieser Vorschrift genannten Rassen im Verhältnis

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

zu ihrer Population bei Beißvorfällen vergleichbar häufig auffällig sind wie Hunde, auf die in Paragraf 2 Absatz 1 Satz 1 Hundeverbrauchereinführungsgesetz bisher beschränkt ist, könnte die angegriffene Regelung in ihrer gegenwärtigen Fassung nicht länger aufrechterhalten werden. Sie wäre vielmehr aufzuheben oder auf bisher nicht erfasste Rassen zu erstrecken."

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 2004 vom Bundesgesetzgeber und damit auch vom Landesgesetzgeber gefordert, eine sorgfältige Evaluation zu machen. Und es akzeptiert Rasselisten nur dann, wenn es eine wissenschaftlich anerkannte, evidenzbasierte Untersuchung gibt, dass die auf den Rasselisten aufgeführten Hunde – Stichwort Tierschutz, Frau Artus – tatsächlich als Rasse genetisch viel gefährlicher sind. Dieser Beweis ist nicht erbracht worden. Ich bringe ein weiteres Zitat aus dem Bundesverfassungsgericht, auch das haben Sie möglicherweise nicht gelesen. Es ist dasselbe Urteil, Randnummer 74 – vollständiges Zitat, Herr Dressel –:

"Zwar bestand auch in der mündlichen Verhandlung Einigkeit darüber, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand allein aus der Zugehörigkeit eines bestimmten Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf seine Gefährlichkeit geschlossen werden kann."

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Das wusste das Bundesverfassungsgericht bereits 2004. Sie scheinen es immer noch nicht zu wissen. Bitte zitieren Sie wenigstens sorgfältig, wenn Sie schon das Bundesverfassungsgericht zitieren; so geht es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Letzter Punkt. Ist es denn wirklich so schwer, sich mit dem Problem zu beschäftigen? Keiner im Haus, weder ich noch die FDP-Fraktion, hat gesagt, dass wir auf jeden Fall und immer gegen Rasselisten sind. Was wir von Ihnen erbeten haben – bei Frau Artus war es fast schon Betteln, das kann ich inhaltlich verstehen –, ist, dass Sie nur anfangen, sich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, wie die Bürger am besten geschützt werden können. Das haben Sie nicht getan. Sie haben eine Expertenanhörung, eine öffentliche Anhörung und auch eine Evaluation verweigert. Schauen Sie einmal nach Berlin, das wurde schon mehrfach erwähnt. Ich habe mir einen Auszug aus dem Internet erstellt, und man sieht, dass es in Berlin anders geht. Da gibt es nicht nur eine Expertenanhörung oder eine öffentliche Anhörung, sondern dort kann sich jeder Bürger beteiligen. Es sind viele Internetseiten, und ein paar Seiten habe ich

ausgedruckt. Was die Berliner SPD sich traut, sollte sich die Hamburger SPD doch wohl auch trauen.

Meine Damen und Herren! Schützen Sie die Bürger, beenden Sie den Unsinn mit den Rasselisten und lehnen Sie das Gesetz ab. Die FDP-Fraktion ist gern bereit, nach Expertenanhörung und sorgfältiger Evaluation neu darüber nachzudenken, aber so geht es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Herr Dr. Schinnenburg, ich habe nicht gebettelt, aber ich habe versucht zu überzeugen. Ihnen ist die Diplomatie nicht so sehr in die Wiege gelegt worden.