Soweit die Wirtschaftsbehörde. Eine Einschätzung, die übrigens von allen Tourismusexperten geteilt wird, und zwar ganz gleich, ob sie im städtischen Auftrag, etwa für Hamburg Marketing, oder für private Unternehmen, Kammern oder Verbände unterwegs sind.
Auch eine Umfrage der Handelskammer unter 6000 Betrieben in den betroffenen Stadtvierteln St. Pauli und Neustadt hat ergeben, dass sich drei Viertel der befragten Unternehmen die Seilbahn wünschen. Und nach einer Meinungsumfrage des "Hamburger Abendblatts" sehen das zwei Drittel der Hamburger genauso.
Mit anderen Worten: Die deutliche Mehrheit der Hamburger Bürger und Unternehmen sieht die Chancen des Vorhabens. Nur eine Minderheit sieht auch negative Auswirkungen wie etwa weitere Besucherströme, Verkehrsflüsse oder Parkplatzprobleme in St. Pauli oder der Neustadt. Frau Sudmann, meine persönliche Meinung dazu ist, dass St. Pauli oder die Neustadt innerstädtische Stadtteile sind, die wie keine anderen Stadtteile in Hamburg vom Tourismus geprägt sind, die auch davon leben und das nicht erst seit gestern. Und es gibt auch kein Recht auf Schutz vor Veränderungen.
Aber selbst diese Bedenken, auch diese Sorgen werden in den Abwägungsprozess eines geordneten Planfeststellungsverfahrens mit einfließen, ebenso Aspekte des Stadtbildes, des Lärmschutzes sowie die Folgen für den Verkehr. Selbstverständlich muss im Konzessionsvertrag nicht nur geregelt und abgesichert werden, dass die Stadt weder auf den Kosten des Betriebes noch auf den Kosten des Rückbaus hängenbleibt.
Aber lassen Sie uns insgesamt die Chancen des Vorhabens sehen und den Planungsprozess von der Politik her positiv begleiten. Wir begrüßen da
her die Überweisung an den Stadtentwicklungsausschuss und freuen uns auf eine intensive Diskussion. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Gondeln im Flachland", "Hängepartie um Seilbahn", so oder so ähnlich heißt es seit mehr als zwei Jahren in der Hamburger Presse. Eine Seilbahn soll von St. Pauli über einen Musicalstandort in Steinwerder nach Wilhelmsburg führen. Dreimal hat sie der Privatinvestor, die Stage Entertainment, der Öffentlichkeit schmackhaft machen wollen. Das Angebot ist da, aber dennoch keine einhellige Begeisterung. Einige Hamburger Unternehmen begrüßen die Seilbahn als touristische Attraktion. Ich würde die Umfrage der Handelskammer einmal ganz genau anschauen und nicht alles kaufen, was sie uns glauben machen wollen.
Anwohner lehnen sie ab, und deshalb ist es so, dass der Antrag der Freien Demokraten das Ansinnen des Privatinvestors beflügeln will. Ein Geschenk für Hamburg sei die Seilbahn, sagt die Handelskammer. Doch kommt dieses Geschenk besonders den eventgebeutelten Anwohnerinnen und Anwohnern von St. Pauli wie ein weißer Elefant vor. Nach einer kürzlich erfolgten, repräsentativen Umfrage von Radio Hamburg wollen 50 Prozent der Betroffenen auf St. Pauli keine Seilbahn. Die Wohngebiete sind schon jetzt bis an die Grenzen des Zumutbaren belastet durch die vielen Groß-Events,
die Massenveranstaltungen und den Tagestourismus. Die Menschen befürchten eine weiter zunehmende Eventisierung mit all ihren negativen Begleiterscheinungen und Folgekosten: erhöhtes Verkehrsaufkommen bis zum Infarkt, massive Lärmbelästigung, Verlust von urbanem Grün und Eingriffe in das historische, unverwechselbare Hamburger Stadtbild.
Tourismus ist wichtig für die Stadt. Er erfährt doch auch und gerade auf St. Pauli eine sehr hohe Akzeptanz, mehr als in anderen Stadtteilen. Aber die Botschaft in diesen Stadtteil hinein darf nicht sein, dass Tourismus wichtiger ist als die Belange der 26 000 Menschen, die dort wohnen.
Privat finanziert werden soll die Seilbahn, aber das sollte einst auch die Elbphilharmonie. Stage Entertainment und der österreichische Seilbahnhersteller Doppelmayr haben 50 Millionen Euro übrig. Da fällt mir als Sozialdemokratin unangenehm auf, dass der Stage Entertainment für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anscheinend das Geld fehlt. Sie werden nämlich in Leiharbeitsfirmen ausgegliedert oder ihnen wird, wenn sie sich wehren, gleich gekündigt.
Die Bürgerschaft soll nun, so will es die FDP und so wollen es auch die GRÜNEN, dieses Seilbahnvorhaben auch noch begrüßen. Der Bezirk Hamburg-Mitte ist gegen das Seilbahnprojekt. Der Hauptausschuss hat im September 2011 – übrigens mit den Stimmen der FDP und auf Antrag der damaligen GAL – den Seilbahnbau auf öffentlichem Grund in der Neustadt und auf St. Pauli mehrheitlich abgelehnt. Die Beschlusslage ist somit eindeutig. Hieran sieht sich auch das Bezirksamt Hamburg-Mitte gebunden.
Braucht eine Metropole wie Hamburg eine Seilbahn? Die Befürworter verweisen auf Seilbahnen in anderen Städten. Auch Herr Kluth war eben ganz begeistert von der Koblenzer Seilbahn, die von besagter Firma Doppelmayr gebaut und betrieben wurde. Nach meinen Recherchen will der Betreiber diese Seilbahn wieder abbauen. Sie würde sich nicht rechnen. Die Trierer Kabinenbahn über die Mosel, die auch häufig in der Presse auftaucht, blieb defizitär und wurde im Jahre 2000 eingestellt. Die Kölner Rheinseilbahn schwebt seit 55 Jahren über den Fluss und schrieb erst 2004 schwarze Zahlen.
Besucher bewundern die tolle Aussicht. Sie beklagen aber auch lange Wartezeiten, hohe Preise von 10 bis 15 Euro und kleine Gondeln, die sie Sardinenbüchsen nennen. Die von Doppelmayr gebaute Seilbahn über die Themse in London sollte ursprünglich rein privat finanziert werden. Jetzt werden aufgrund massiv gestiegener Baukosten die Pendler, die EU und der Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Eine Seilbahn in der Funktion eines urbanen, umweltfreundlichen Transportmittels ist eine gute Sache. Die Seilbahnplaner sagen uns, ihnen läge die öffentliche Verkehrsanbindung von Wilhelmsburg am Herzen. Kleine, für acht bis zehn Personen vor
gesehene Gondeln sollen von Wilhelmsburg über das Hafengebiet zum Musical schaukeln. Dort erfolgt dann ein Umsteigen in zwei 20-Personen-Gondeln, mit denen Berufspendler und Touristen nach St. Pauli fahren. Die Fahrzeit betrage, so Stage Entertainment, insgesamt entspannte, staufreie 18 Minuten, wobei das Umsteigen wohl nicht eingerechnet ist, denn rund 5000 Personen sollen laut Stage Entertainment pro Tag allein zwischen St. Pauli und dem Musical befördert werden. Pendlerfreundlich geht anders.
Es ist, da können Sie auch auf die Homepage des potenziellen Betreibers schauen, ein Preis von 5 bis 15 Euro pro Fahrstrecke angedacht. Teil des HVV wird diese Seilbahn nicht. Ob sie auch in den frühen Morgenstunden fahren wird, sagt Stage Entertainment nicht. In Koblenz tut sie es jedenfalls nicht.
Pendler schweben über die Elbe, so die Vision des Tourismusverbandes. Das Schweben über den Fluss dürfte hier eher ein Warten am Hafen werden.
Ich komme kurz zum Zusatzantrag. Auch die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN wollen, anders als ihre Bezirksfraktion, die Seilbahn von St. Pauli nach Wilhelmsburg.
Bei Ihrem Votum für die Seilbahn auf St. Pauli ist Ihnen aber, so wie Herrn Kluth, einiges entgangen. Die Bauprüfabteilung der HPA hält den südlichen Streckenabschnitt durch das Hafengebiet nach Wilhelmsburg für nicht genehmigungsfähig. Die Gründe sind hier vielfältig, vor allem das Hafenentwicklungsgesetz ist betroffen, von anderen rechtlichen Problemen und auch Fragen der Sicherheit ganz zu schweigen.
(Robert Heinemann CDU: Geht nicht, geht nicht, geht nicht, kennen wir! – Zuruf von Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP)
Der potenzielle Betreiber, für den sich die FDP so sehr einsetzt, erklärte überdies Ende 2011 – Zitat –:
Diese geplante Seilbahn besitzt also eine reine Zubringerfunktion zum Musical-Theater. Es sind 1,1 Kilometer – das nenne ich eine Entlastung des Verkehrsangebots.
Die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger aus St. Pauli und der Neustadt sollen, so der Antrag der GRÜNEN, bei der Planung berücksichtigt in das Verfahren eingebracht werden. Wie wäre es denn erst einmal mit einer Beteiligung der Betroffenen vor einer Festlegung auf dieses Seilbahnprojekt?
Haben die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN einmal überlegt, was passiert, wenn die Anwohner im Verfahren anregen, das Seilbahnprojekt zu beerdigen? Und ist das, was Sie beantragen, wirklich Ihr Verständnis von einer Bürgerbeteiligung in St. Pauli oder der Innenstadt? Im Übrigen – das haben schon einige außerhalb des Parlaments angemerkt – gehört das Heiligengeistfeld nicht, wie Sie schreiben, zur Innenstadt, sondern immer noch zu St. Pauli.
Abschließend verwundert es schon, dass immer nur die eine Strecke von St. Pauli zum Musical im Gespräch ist.
Warum immer St. Pauli? Warum werden nicht verschiedene, auch verkehrspolitisch sinnige Streckenvarianten durchgespielt, wenn man unbedingt eine Seilbahn möchte?