Als wichtigste Herausforderung gilt derzeit die Netzpolitik, insbesondere die Neuordnung des Datenschutzes. Weitere Stichworte, die diese Branche kennzeichnen und die deutlich machen, welcher Dynamik diese Branche unterliegt, sind Cloud-Computing, also das virtuelle Arbeiten und die Speicherung von Daten, oder die Tablet-PCs, die sich auch hier in der Bürgerschaft wachsender Beliebtheit erfreuen, oder auch die Flachbildfernseher,
deren Hersteller sich einen harten Preiskampf liefern und aufgrund dessen der Umsatz trotz Absatzsteigerung sinkt. Große Dynamik hat die Branche aber auch im Outsourcing-Markt. Wer in einem größeren Betrieb arbeitet, kennt das. Die IT wird immer öfter nicht mehr von den Firmen selbst betrieben, sondern fremdvergeben, und das mit allen Folgen für die Beschäftigten: Tarifflucht, schlechtere Gehälter, zerteilte Interessenvertretungen. Trotz der hohen Risiken, auch für die abgebenden Betriebe, zu denen insbesondere der Verlust von Fachwissen gehört, gilt der Outsourcing-Prozess der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche als noch nicht abgeschlossen. Gekennzeichnet ist die Branche aber auch von Arbeitsplatzvernichtung. Hewlett-Packard hat angekündigt, weltweit 27 000 Arbeitsplätze zu vernichten. Etwa 1000 Beschäftigte in Deutschland können laut IG Metall davon betroffen sein.
Die IG Metall beschreibt außerdem recht anschaulich die unmenschlichen Seiten der IKT-Branche: Stress und mangelnde Anerkennung, schuften ohne abschalten zu können, immer nur Druck in der
Arbeit. Die Anforderungen an Beschäftigte in der Branche laufen immer mehr aus dem Ruder, stellt die IG Metall fest. Nach einer Untersuchung des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen glauben nur 37 Prozent der ITSpezialistinnen und -Spezialisten, ihre Tätigkeit auf Dauer durchhalten zu können.
Aufmerksam habe ich zudem die Ergebnisse einer Umfrage unter 700 IKT-Unternehmen im Auftrag des Branchenverbands BITKOM zur Kenntnis genommen. Bis zum Jahr 2020 will die Branche den Frauenanteil in Führungspositionen versechsfachen, im mittleren Management verdreifachen und bei den IT-Fachkräften um 68 Prozent steigern.
Das sind derzeit aber leider, Herr Ritter, nur Lippenbekenntnisse, denn eine Quote wird, wie auch bei Ihnen, weiterhin abgelehnt. Aber wir finden sehr aktive Frauen in den Betriebsräten, die das Thema vorantreiben, wie zum Beispiel bei HewlettPackard oder bei Infineon.
Wenn ich mir nun das Programm des diesjährigen IT-Gipfels ansehe, finde ich diese Themen – Outsourcing, Arbeitsplatzabbau oder auch Frauenförderung – allesamt nicht wieder. Und da frage ich mich schon, was für eine Art IT-Gipfel die CDU nach Hamburg holen will. Schöner Schein, schöne Symbolik, schöne Worte, doch von der Substanz und der wahren Problematik, die die IKT-Branche kennzeichnen, ist diese Veranstaltung offensichtlich meilenweit entfernt.
Soll sich Hamburg damit schmücken? Will sich Hamburg wirklich um eine derartige Veranstaltung bewerben?
Ich weiß nicht, für wen oder was und mit welchem Ziel hier Werbung gemacht werden soll. Was verstehen Sie eigentlich unter Wirtschaften, verehrte CDU? Umsatz, Gewinne, Bilanzen? Wagen Sie nicht einmal den Blick in die Betriebe hinein und auf den wichtigsten Bestandteil erfolgreichen Wirtschaftens, die Beschäftigten?
Mir ist der Antrag schlichtweg zu dünn. Und ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich meine Fraktion davon überzeugen soll, sich für den IT-Gipfel in Hamburg einzusetzen.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/5136 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt worden.
Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Die Fraktion der GRÜNEN hat eine ziffernweise Abstimmung beantragt. Wer möchte die Ziffern 1 bis 4 des CDU-Antrags aus der Drucksache 20/5136 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Wer stimmt der Ziffer 5 zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist auch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 49 auf, Drucksache 20/5140, Antrag der GRÜNEN Fraktion: Anonymisierte Bewerbungen auch in Hamburg.
Herr Abgeordneter Ritter, wenn Sie Unterhaltungen führen wollen, dann bitte außerhalb des Plenarsaals.
Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau von Berg wünscht es und hat es.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat Frau von Berg und sonst niemand. Wenn Sie Gespräche führen wollen, tun Sie das bitte außerhalb des Plenarsaals; ich denke zum Beispiel an die Kollegen dort von der SPD-Fraktion. – Wenn Sie so weit sind, dann hat jetzt Frau von Berg das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich vor, Sie sind 33 Jahre alt – das mag einigen von Ihnen schwerfallen –,
Sie sind weiblich, Sie haben ein Kind, Sie sind alleinerziehend. Stellen Sie sich vor – das mag einigen von Ihnen etwas leichter fallen –, Sie sind 57 Jahre alt, männlich, ebenfalls arbeitsuchend. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen türkischen Nachnamen. Alle diese drei Menschen bewerben sich auf eine Stelle. Im Stapel mit Ihrer Bewerbung liegt auch die Bewerbung eines kernigen, sagen wir, 35-jährigen Mannes.
Meine Damen und Herren! Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesem durchaus ernsten Thema auch mit dem nötigen Ernst folgen würden.
Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass die 33-jährige alleinerziehende Mutter wie auch der 57-jährige Bewerber oder wie die Bewerberin oder der Bewerber mit türkischem Nachnamen eine deutlich geringere Chance haben, überhaupt zum Einstellungsgespräch eingeladen zu werden. Und das nennt sich Diskriminierung. Eine Möglichkeit, der Diskriminierung zu begegnen und ihr Einhalt zu gebieten, ist ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren.
Für diejenigen von Ihnen, die sich damit vielleicht noch nicht beschäftigt haben: Das Verfahren ist so, dass es vorab ein Blatt gibt, auf dem der Name und alle wichtigen Daten wie Geburtsdatum und so weiter aufgeführt sind. Dieses Blatt wird abgetrennt und somit haben die Unternehmen nur die Unterlagen, die keine Rückschlüsse auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Geburtsort und dergleichen zulassen. Und natürlich ist auch kein Foto dabei.
Mit diesem Bewerbungsverfahren haben andere europäische Länder sehr gute Erfahrungen gemacht, das gilt auch für die englischsprachigen Länder USA, England oder Kanada, wo es Standard ist. Aufgrund dieser guten Erfahrungen hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein einjähriges Pilotprojekt durchgeführt. Mittlerweile liegt der Abschlussbericht vor und es stellt sich heraus, dass dieses Pilotprojekt sehr erfolgreich war. Alle Beteiligten haben es überwiegend positiv bewertet. Vor allem von Unternehmensseite wurde gesagt, es helfe, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich darauf, was die Bewerber an fachlicher Qualifikation mitbringen. Und dies möchten wir gerne mit unserem Antrag nach Hamburg bringen.
Gerade jetzt ist der Zeitpunkt gut, denn der SPDSenat, Frau Schiedek, hat neulich das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm vorgestellt. Das begrüßen wir, weil die Gleichstellung als ein Querschnittsthema angesehen wird. Gerade in diesen Kontext, in dem es nicht nur darum geht, Frauen zu fördern und langfristig beispielsweise auch in Aufsichtsräte, Vorstände und das obere Management von Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung zu holen, sondern auch Menschen mit Mi
grationshintergrund zu fördern und insgesamt Unternehmen vielfältiger zu machen, passt unser Antrag. Dies ist durch ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren durchaus umsetzbar und sehr praktikabel. Darum setzen wir uns dafür ein.
Denn eines muss man abschließend zum Thema Diskriminierung auch einmal sagen: Diskriminierung ist nicht nur ein gesamtgesellschaftliches Problem und es ist nicht nur eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, der Diskriminierung zu begegnen, sondern es gibt bei diesem Thema schlicht und ergreifend auch eine volkswirtschaftliche Dimension. Wenn sich ein Unternehmen oder eine Volkswirtschaft von vornherein der Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber entledigt, dann leidet darunter auch die Volkswirtschaft und damit die Wohlfahrt in unserer Gesellschaft. Darum setzen wir uns für das Thema ein und ich freue mich, dass unser Antrag an den Haushaltsausschuss überwiesen wird. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diskriminierung im Arbeitsleben aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft und anderen Merkmalen ist etwas, das viele Menschen immer wieder erleben. Und dies, obwohl der Gesetzgeber mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sehr klare Regeln formuliert hat, die solche Benachteiligung verbieten. Die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN haben in ihrem Antrag den Vorschlag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgegriffen, anonymisierte Lebensläufe zum Standard zu machen und damit ein höheres Maß an Chancengleichheit zu schaffen. Grundsätzlich stimme ich Ihnen zu, dass so ein Verfahren vielleicht geeignet sein könnte, Diskriminierung im Arbeitsleben entgegenzuwirken. Daher finden wir die Ziele des Antrags auch gut.
Die Stadt Hamburg als öffentlicher und größter Arbeitgeber der Stadt geht allerdings seit einigen Jahren erfolgreich einen anderen Weg. Über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist die öffentliche Verwaltung verpflichtet, Diskriminierung bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entgegenzuwirken. Darüber hinaus unternimmt die Verwaltung signifikante Anstrengungen, über das Gleichstellungsgesetz die Frauenförderung zu stärken. Menschen mit Behinderung stellen zurzeit 6,2 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der hamburgischen Verwaltung und das ist ein vergleichsweise guter Anteil. Mit der interkulturellen Öffnung der Verwaltung soll erreicht
werden, dass mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund eingestellt beziehungsweise ausgebildet werden.