Protocol of the Session on August 29, 2012

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Drucksache 20/4847 debattiert worden ist. Da der Senatsantrag bereits im Vorwege an den zuständigen Fachausschuss überwiesen wurde, bedarf es heute hierzu keiner weiteren Abstimmung.

Ich rufe dann den Punkt 12 auf, das ist die Drucksache 20/4892, Unterrichtung durch die Präsidentin: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 26. Oktober 2011 "Fachkräftemangel auf neuem Rekordstand – examinierte ausländische Studierende sollten mehr Zeit zur Arbeitsaufnahme erhalten".

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 26. Oktober 2011 "Fachkräftemangel auf neuem Rekordstand – examinierte ausländische Studierende sollten mehr Zeit zur Arbeitsaufnahme erhalten" (Drs. 20/1811) – Drs 20/4892 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Abaci, bitte, Sie haben es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! 200 000 Studenten aus Nicht-EU-Ländern gibt es derzeit an deutschen Hochschulen, in Hamburg sind es etwa 9000, und bei denjenigen, die aus Nicht-EULändern kommen, bilden die Asiaten die größte Gruppe. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration hat im April 2012 eine Studie vorgelegt, die besagt, dass 80 Prozent der befragten Masterstudierenden nach dem Examen und 67 Prozent der Doktoranden gern in Deutschland bleiben würden. Sie nennen als wichtigste Motive die guten Aussichten auf dem deutschen Arbeitsmarkt und den Wunsch nach internationaler Berufserfahrung. Tatsächlich aber bleibt nur ein gutes Viertel der ausländischen Studierenden nach dem Examen in Deutschland.

(Glocke)

(unterbre- chend) : Entschuldigen Sie, Herr Abaci. – Heiterkeitsausbrüche sind gut schön, aber bitte vor den Türen des Parlaments, denn sonst können wir den Ausführungen hier nicht folgen. Bitte, fahren Sie fort.

Für viele stellt sich die deutsche Sprache immer wieder als Problem dar, zum anderen aber spielen die Diskriminierungserfahrungen im Alltagsleben eine Rolle. 39 Prozent der Befragten gaben an, wegen ihrer Herkunft diskriminiert worden zu sein. Das heißt, relativ wenige ausländische Studierende bleiben nach dem Examen in Deutschland. Dieser Verlust an ökonomischem und kreativem Potenzial ist für den Wissenschaftsund Wirtschaftsstandort Deutschland kontraproduktiv.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen diesem Schwund entgegenwirken und arbeiten auf verschiedenen Ebenen an der Verbesserung der Situation. Der hamburgische Senat hat sich auf ein bürgerschaftliches Ersuchen vom Oktober 2011 bereits erfolgreich für Verbesserungen auf Landes- und Bundesebene eingesetzt. Auf Landesebene werden Informationen für Studierende über ein Studium an der Universität Hamburg vor allem im Internet auf teilweise mehrsprachigen Websites bereitgestellt. Die Behörde für Wissenschaft und Forschung führt jährlich eine behördenund hochschulübergreifende Informationsveranstaltung für die Zielgruppe durch. Die Behörde für Inneres und Sport wird in absehbarer Zeit eine Übersicht über ausländerrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit einem Hochschulstudium als Broschüre zur Verfügung stellen. Auf Bundesebene hat sich der hamburgische Senat erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Bedingungen für die Aufenthaltsdauer und die Frist für die Stellensuche nach einem abgeschlossenen Studium deutlich verbessert worden sind. Das begrüßen wir sehr.

(Beifall bei der SPD)

Das Gesetz zur Umsetzung der HochqualifiziertenRichtlinie ist zum 1. August 2012 in Kraft getreten und bringt für ausländische Studierende, Auszubildende und Absolventen folgende Verbesserungen. Die Studierenden dürfen während des Studiums bis zu 120 Tage statt bisher 90 Tage im Jahr arbeiten. Die Hochschulabsolventen erhalten statt 12 Monate von nun an 18 Monate Zeit, einen Arbeitsplatz zu finden und dürfen während dieser 18 Monate uneingeschränkt statt bisher 90 Tage im Jahr arbeiten. Die Auszubildenden in einer schulischen oder betrieblichen Berufsausbildung dürfen künftig bis zu zehn Stunden wöchentlich eine Nebenbeschäftigung ausüben; bisher war das nicht erlaubt. Die Absolventen einer schulischen

(Senator Michael Neumann)

oder betrieblichen Berufsausbildung erhalten ein Jahr Zeit, einen dem Berufsabschluss angemessenen Arbeitsplatz zu finden und dürfen während dieses Jahres uneingeschränkt arbeiten. Bisher hatten sie keinen regelhaften Zugang zum Arbeitsmarkt.

Meine Damen und Herren! Es bleibt noch viel zu tun, aber wir sind insgesamt auf einem guten Weg, um ausländische Studierende und Fachkräfte in größerer Anzahl als bisher dazu zu bewegen, auch hier zu bleiben. Der hamburgischen Wirtschaft tut es gut, wenn sie mehr fähige junge Leute mit interkulturellem Hintergrund einstellen kann. Diese jungen Menschen sind eine Bereicherung und bilden einen wichtigen Standortfaktor für unsere Stadt. – Vielen Dank.

Frau Prien, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mir ging es bei der Lektüre der Tagesordnung ganz ähnlich wie meinem Kollegen van Vormizeele. Ich fragte mich, wie es um unsere arme SPD bestellt ist,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Gut ist es um sie bestellt!)

wenn ein solches Thema zur Debatte angemeldet wird. Man kann es kaum fassen.

(Beifall bei der CDU – Philipp-Sebastian Kühn SPD: Liegt Ihnen das Thema nicht am Herzen?)

Ich will betonen, dass ich nicht deshalb so entsetzt oder so überrascht gewesen bin, weil mir das Thema nicht am Herzen liegt. Wir als CDU-Fraktion haben es im vergangenen Jahr schon mehrfach zur Debatte angemeldet. Am 14. September 2011 haben wir ausführlich über das Thema Fachkräftemangel und Fachkräftesicherung in Hamburg debattiert. Ich bin deshalb so überrascht, weil wir übereinstimmend feststellen können, wenn man sich Ihren Antrag aus dem vergangenen November anschaut, dass die Ziffern 2 bis 5 Ihres Ersuchens sämtlich abgearbeitet worden sind, und zwar nicht etwa durch irgendwelche Leistungen, die irgendwie in Zusammenhang mit der Hamburger SPD stehen, sondern durch die Leistung der schwarz-gelben Bundesregierung in Berlin, die anerkennenswerterweise sowohl das Bundesanerkennungsgesetz als auch das Gesetz zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie auf den Weg gebracht und in Kraft gesetzt hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn Sie also heute Abend mit uns über die erfolgreiche Politik der Bundesregierung diskutieren wollen, so kann ich das nur begrüßen und will den Ball insofern gern aufnehmen. Leider aber muss

ich feststellen, dass die Performance und die Bilanz des Hamburger Senats in diesem ach so wichtigen Bereich für unsere Stadt und die Hamburger Wirtschaft leider keineswegs so erfolgreich ist. Tatsache ist nämlich, dass wir nach wie vor, auch nach mehr als eineinhalb Jahren Ihrer Legislaturperiode, auf ein Fachkräftekonzept warten. Das gibt es nämlich in Hamburg noch nicht und es wäre vielleicht schön, wenn Sie sich, anstatt mit der guten Arbeit der Bundesregierung, einmal mit ihren eigenen Hausaufgaben beschäftigen würden.

(Beifall bei der CDU)

Fachkräftemangel ist ein Problem für Hamburg und ist ein zunehmend großes Problem für die hamburgische Wirtschaft. Aber was tut denn der Hamburger Senat tatsächlich? Sie schalten Internetseiten und die sind tatsächlich teilweise auch mehrsprachig. Das ist wirklich eine tolle Leistung. Was tun Sie noch? Sie loben das Hamburg Welcome Center. Das Hamburg Welcome Center, eingeführt vom CDU-geführten Senat, ist eine sehr wichtige und gute Einrichtung und trägt zur Willkommenskultur in unserer Stadt bei, aber darauf ausruhen sollte der Senat sich nicht und Sie als SPD-Fraktion auch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Was hören wir aber, wenn wir dann nachfragen, wie zuletzt mit einer Anfrage zum Thema Anwerbung von Fachkräften aus Spanien und Portugal? Dann hören wir, dass der Senat sich damit nicht befasst habe und das auch gar nicht so interessant finde, anders als andere Bundesländer wie zum Beispiel Hessen oder Baden-Württemberg oder die Stadt München, die sich bereits intensiv um Ingenieure und medizinische Fachkräfte wie Pflegepersonal aus den südeuropäischen Ländern kümmern, was im Übrigen auch die Bundesagentur für Arbeit dringend empfiehlt. Als wir den Antrag eingebracht haben, Hamburg möge doch für einen Preis von etwa 10 000 Euro dem OPENCities Monitor beitreten, ein Monitoring-System, das sich mit der Frage der Attraktivität von Metropolen für Menschen aus Drittstaaten, aus der Europäischen Gemeinschaft beschäftigt, da war Ihnen das zu teuer nach dem Motto, das hat Hamburg doch nicht nötig. Die zuständigen Ausländerbehörden der Stadt Hamburg sollten erkennen, dass wir über die Zeit hinweg sind, als es in der Ausländerpolitik darum ging, möglichst viele Menschen abzuwehren, und dass es inzwischen darum geht, die Stadt so attraktiv zu machen, dass die Leute überhaupt Lust haben, nach Hamburg zu kommen.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Wir befinden uns jetzt in einem internationalen Wettbewerb, Hamburg muss attraktiv werden, und dazu tragen Sie bisher leider sehr wenig bei.

(Kazim Abaci)

Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich einmal das Konsenspapier anzuschauen, an dem Ihr ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Peter Struck, und Armin Laschet beteiligt waren. Schauen Sie sich an, wie man gute Ausländerpolitik in einer Stadt wie Hamburg macht. Es gibt hier viel zu tun, bitte tun Sie es auch. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Das Wort hat Frau Demirel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Anfrage und die damit verbundene Drucksache basieren auf der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union. Wie in der Drucksache dargestellt wurde, sind die Forderungen Teil dieser Richtlinie. Sie haben einige Punkte herausgepickt, die ebenfalls Gegenstand des aktuell umgesetzten Gesetzes sind. Die Hochqualifizierten-Richtlinie ist, wie bekannt, seit dem 1. August dieses Jahres in Kraft. Ich will die Drucksache auf keinen Fall schlechtreden. Zu Punkt 1 möchte ich nur sagen, dass es nach Einschätzung der Behörde bereits eine Reihe von Maßnahmen gibt, die zur Bekanntmachung der Hamburger Hochschulen im Ausland dienen. Das Problem liegt nicht in mangelhafter Werbung, sondern in der Attraktivität der Hamburger Hochschulen. Anstatt mehr Geld für Werbung zu verschwenden, sollte Hamburg diese Mittel in die Qualität der Universitäten investieren. Einerseits wollen Sie, dass mehr Menschen in Hamburg studieren, andererseits sparen Sie die Universitäten kaputt; das passt nicht zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Politik wird uns nicht helfen, mehr Studis nach Hamburg zu locken.

Trotz Senkung der Zulassungsquote auf rund 5 Prozent für Studienbewerberinnen aus NichtEU-Ländern gibt es noch immer Luft nach oben. Dafür gibt es folgende Erklärung: Erstens sind die Hamburger Hochschulen für Eltern mit großem Geldbeutel nicht attraktiv. Sie schicken ihre Kinder lieber in die USA, nach Kanada oder nach England. Zweitens sind die Zulassungs- und Aufenthaltsbedingungen mit einem solchen bürokratischen Aufwand verbunden, dass es nicht selten vorkommt, dass die Bewerberinnen vor oder nach ihrer Zulassung gar kein Visum erteilt bekommen oder es nicht schnell genug geht, sodass sie sogar Semester verlieren. Solch einen Fall habe ich im letzten Jahr selbst erlebt, dass die Bewerberin dadurch ein Semester verloren hat; das darf nicht vorkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens stellt der Nachweis zum eigenständigen Lebensunterhalt eine große Hürde dar. Dadurch

werden viele Bewerberinnen aus Nicht-EU-Ländern von vornherein ausgeschlossen. Es kann nicht sein, dass wir den Zugang zu Wissenschaft und Bildung von der Geldbörse der Eltern abhängig machen. Wir tragen eine Verantwortung für die Entwicklungs- und Drittländer, und das sollten wir nicht nur vor Weihnachten durch Spenden zeigen, sondern indem wir unseren Wissenschafts- und Bildungsstandort für alle öffnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich war drei Jahre lang beim AStA der Uni Hamburg als Beraterin in diesem Bereich tätig, und Sie können sich nicht vorstellen, mit welchen Hürden und Barrieren die Studienbewerberinnen und Studenten zu kämpfen haben. Mit der Hochqualifizierten-Richtlinie der EU sind einige wichtige Schritte in die richtige Richtung getan worden, aber die Bundesregierung hat wieder versucht, mit Scheuklappen Probleme zu lösen. Nehmen Sie zum Beispiel die arbeitsplatzunabhängige Einwanderung von Hochschulabsolventen aus Nicht-EU-Ländern. Sie können für sechs Monate einreisen, um sich einen Job zu suchen. Das ist gut, das ist wunderbar, aber warum wird in der Richtlinie festgeschrieben, dass diese Regelung nach vier Jahren ausläuft? Das ist doch nicht die Willkommenskultur, die wir ausstrahlen wollen. Ich habe dieses Beispiel genannt, um deutlich zu machen, dass wir zwar einen Schritt nach vorn machen, diesen Schritt aber dann wieder mit nicht nachvollziehbaren Hürden blockieren.

Meine Damen und Herren! Ich will nicht lange reden, es gibt Verbesserungsbedarf in diesem Bereich und diese Verbesserungen sollten wir gemeinsam anfassen. Es reicht nicht aus, Aufenthaltsfristen von 12 auf 18 Monate zu verlängern, wenn die Voraussetzungen in Hamburg nicht verbessert werden. Wir müssen die Attraktivität der Hochschulen in Hamburg erhöhen, um mehr Studierende und Hochschulabsolventen nach Hamburg zu holen und hier zu halten. Wir müssen bürokratische Hürden abbauen, Hochschulzugangsvisa erteilen, Beschäftigungsmöglichkeiten erleichtern und für die notwendigen Mittel sorgen, um die Qualität und die damit verbundene Attraktivität der Hochschulen zu erhöhen. Wir müssen gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Initiative auf den Weg bringen, um einen gleichberechtigten Zugang zu Hochschulen, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern oder von Bürgschaften, zu gewährleisten. Auch Studierende aus Nicht-EU-Ländern müssen die Möglichkeit haben, ab dem ersten Semester neben dem Studium zu jobben. Verlängerte Aufenthaltsfristen nach Abschluss des Studiums helfen nur bedingt gegen den Fachkräftemangel.

Wir haben eine Vorrangregelung beim Zugang zum Arbeitsmarkt, und das gilt auch für die Hochschulabsolventen, die wir hierbehalten wollen. Das ist absurd. Wir müssen endlich wegkommen von

(Karin Prien)

der Scheuklappenpolitik und einfach sagen: Ja, wir wollen euch, wir brauchen euch, kommt gern zu uns. Wir müssen eine Willkommenskultur schaffen. Dazu gehören auch langfristige Perspektiven und die Möglichkeit zum Familiennachzug. Eine grundlegende Neuausrichtung der Zuwanderungspolitik muss her. Wir sollten endlich damit aufhören, uns in die Tasche zu lügen. Wir brauchen eine Willkommenskultur, die ihrem Namen gerecht wird. Nur so sind wir und unsere Wirtschaft zukunftsfähig. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Demirel. – Das Wort hat Herr Dr. Kluth.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im letzten Jahr hat die Bürgerschaft auf Vorschlag der Mehrheitsfraktion ein Ersuchen verabschiedet, in dem der Senat dazu aufgefordert wird, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun. Das war nach Auffassung unserer Fraktion gut so, denn in vielen Hamburger Betrieben wird bekanntlich händeringend nach Fachkräften gesucht. Das betrifft seit Längerem insbesondere technische und IT-Berufe, setzt sich im handwerklichen Bereich fort und schlägt sich mittlerweile auch verstärkt auf medizinische Berufe und Pflegeberufe nieder. So weit hat die SPD das richtig erkannt, und das ist schon ein guter Anfang.