Protocol of the Session on August 15, 2012

Die Informationspolitik des Senats gegenüber diesem Hause empfinde ich, ehrlich gesagt, alles andere als zufriedenstellend. Und die Antwort auf die Große Anfrage ist nun wirklich die Krönung dieser Informationspolitik. Schon die Datengrundlage ist so dürftig, dass man damit auch keine Bestands

analyse machen kann. Sie sagten, liebe Frau Rugbarth, im Vergleich der Bundesländer rangiere Hamburg bei der Gründerintensität auf Platz 9 oder 10. Dabei haben Sie nicht einmal einen Stadtstaatenvergleich. Sie wissen gar nicht, worüber Sie reden, und das ist einfach zu wenig.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller und Jens Kerstan, beide GAL)

Inzwischen sind – das wissen wir aus Ihren Antworten auf diese Große Anfrage und weitere Schriftliche Kleine Anfragen – mehr als 600 000 Euro Beratungskosten in dieses Projekt geflossen. Trotzdem liegen offensichtlich immer noch kein Ergebnis und kein Zeitplan vor. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, dass die Analyse erst Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird.

Was gibt es stattdessen in der Gründerszene in Hamburg? Es gibt Verärgerung, es gibt Verunsicherung in der Förderlandschaft, es gibt ein von Angst geprägtes Klima bei den bestehenden Förderinstitutionen und deren Mitarbeitern, es gibt Stillstand in der Weiterentwicklung und der Bündelung der Förderaktivitäten, die so dringend erforderlich wären, und es gibt öffentlich ausgetragene Machtkämpfe des Senats und der beteiligten Senatoren. Meinen Kindern sage ich gelegentlich: Erst denken, dann sprechen. Das würde man dem Senat in dieser Sache auch raten wollen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Es entsteht noch ein Eindruck: Großmannssucht ist hier am Werk. Der Fokus auf die Einrichtung einer landeseigenen, zentralistischen Investitionsbank hat das Handeln des Senats bisher getrieben und nicht die Sorge um eine effiziente und effektive Mittelstandsförderung in unserer Stadt. Ein bisschen mehr hanseatische Bescheidenheit, meine Damen und Herren, würde dieser Sache sehr gut tun und Konzentration auf eine weitere Bündelung der Förderaktivitäten und eine professionelle Vermarktung. Das Ziel muss eine organisatorische Zusammenfassung der wesentlichen Förderinstitutionen sein: Ein One-Stop-Shop in einer effizienteren Form, ein gemeinsamer Front Shop, ein gemeinsames Standortmarketing und damit die Möglichkeit einer proaktiven Wirtschaftsförderung, wie Städte wie München und Frankfurt es uns längst vormachen. Synergien zwischen den bestehenden Förderinstitutionen müssen gehoben werden. Lesen Sie den Bericht des Rechnungshofs und die Ausführungen der Kammern zu dieser Frage, da könnten Sie eine Menge lernen.

Meine Damen und Herren! Der Weg, den Sie in Sachen Investitions- und Förderbank gehen, ist ein Irrweg. Wir können nur dringend an Sie appellieren: Beenden Sie diesen Irrweg, steigen Sie ein in eine vernünftige Bedarfsanalyse, treten Sie in einen Dialog mit den wesentlichen Förderakteuren

in dieser Stadt und mit den Parteien dieses Hauses und lassen Sie uns gemeinsam an einer vernünftigen und optimierten Mittelstandsförderung für unsere Stadt arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Kluth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie stellt sich Frau Rugbarth eine Bank vor? Zumindest das wissen wir jetzt, und ich hoffe stark, dass das kein Vorgeschmack auf die Drucksache des Senats war, die uns erwartet.

Frau Rugbarth, Sie können doch nicht ernsthaft der Auffassung sein, die Insolvenzen von CargoLifter oder Nürburgring seien Forderungsausfälle, wie sie im Bankgeschäft halt vorkommen. Diese Insolvenzen sind Ausdruck von politischer Einflussnahme auf Bankgeschehen. Sie sind ein deutliches Zeichen, ein Beweis für den Webfehler staatlicher Einflussnahme auf Bankgeschäfte.

(Beifall bei der FDP)

Sie werden sich erinnern, dass die FDP-Fraktion dem Projekt einer Investitions- und Förderbank in den ersten Debatten dieses Hauses durchaus aufgeschlossen gegenüberstand. Wir haben aber zugleich gesagt, dass die Systematik stimmen muss, mit der man sich dieser Frage nähert. Erst müssen der Bedarf und die Notwendigkeit geklärt werden, dann müssen wir über den ordnungspolitischen Rahmen sprechen, das heißt aus unserer Sicht, weitgehende institutionelle und politische Unabhängigkeit, Beibehaltung des Hausbankprinzips, kein eigenes Kreditgeschäft, also keine HSH Nordbank light. Und erst am Schluss, nachdem man diese Analyse erstellt und diese Debatte geführt hat, kann man über die Frage der Institution und ihrer Organisation sprechen.

Der Senat will es genau umgekehrt machen. Bislang steht nur ein einziger Punkt fest und das in der Kontinuität vom Wahlprogramm der SPD bis hin zum Arbeitsprogramm des Senats, nämlich die institutionelle Frage, also der Umbau der Wohnungsbaukreditanstalt zur Investitions- und Förderbank. Der Senat macht also den letzten Schritt als ersten Schritt. Aber warum wir diese Institution brauchen, worin der Bedarf besteht oder die Defizite in der jetzigen Förderlandschaft liegen, auf diese Fragen bleibt er die Antworten bis heute schuldig. Er kann diese Fragen auch gar nicht beantworten, weil ihm die dafür notwendigen Informationen fehlen, denn die gegenwärtig bestehenden Wirtschaftsprogramme werden nicht oder nur ungenügend evaluiert.

Meine Damen und Herren! Was sagt uns denn der Senat in seiner Antwort auf die Große Anfrage der

Kollegen der GAL zum Bedarf an einer Investitions-und Förderbank? Wie sieht die heutige Förderlandschaft nach den eigenen Aussagen des Senats aus? Lesen Sie dazu die Große Anfrage.

Erstens: Das Fördergeschehen im Bereich des Wohnungsbaus und des Energie- und Klimaschutzes wird positiv beurteilt.

Zweitens: Die bestehenden Programme und Projekte der Wirtschaftsförderung sind vielfältig.

Drittens: Hamburg ist ein funktionierender Finanzplatz mit einer in der Regel ausreichenden Kreditversorgung.

Viertens: Der Senat bewertet die Arbeit der bestehenden Einrichtungen, also der Innovationsstiftung, der BürgschaftsGemeinschaft, der Beteiligungsgesellschaft, der Kreditkommission positiv. Dies sind alles sinngemäße Zitate aus der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der GAL.

Danach haben wir in Hamburg also bereits eine vielfältige und auch erfolgreiche Förderlandschaft. Aber wenn das so ist, warum will der Senat dann diese erfolgreiche Struktur ohne Not umbauen? Warum will der Senat die Struktur erfolgreicher Wirtschaftsförderungseinrichtungen wie der Innovationsstiftung infrage stellen? Das macht keinen Sinn. Wer eine neue städtische Institution mit all ihren Risiken – Personalaufwuchs, Doppelung von Zuständigkeiten, Gewährträgerhaftung – schaffen will, der ist zunächst einmal in der Pflicht, den Bedarf, die Notwendigkeit und auch die Vorteile unter Beweis zu stellen. Und genau diesen Beweis ist der Senat bislang schuldig geblieben. Alles, was uns der Senat hierzu präsentiert hat, bewegt sich bislang knapp oberhalb von nichts.

(Beifall bei der FDP)

Welche Konsequenzen ergeben sich nach Auffassung der FDP-Fraktion aus der bisherigen parlamentarischen Befassung mit der Frage einer Investitions- und Förderbank, insbesondere aus der Sachverständigenanhörung? Ich will kurz fünf Punkte nennen.

Erster Punkt: Wir haben in Hamburg eine vielfältige und differenzierte Beratungslandschaft, die von der Stadt, den Kammern und den privaten Trägern getragen wird. Frau Rugbarth, diese Differenziertheit und Vielfältigkeit ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Warum? Weil diese Struktur dem vielfältigen und differenzierten Förder- und Beratungsbedarf entspricht, denn es ist ein Unterschied, ob sich ein Langzeitarbeitsloser aus der Arbeitslosigkeit heraus mit einem kleinen Dienstleistungsunternehmen selbstständig machen will oder ein hoch innovatives neues Produkt durch lange Forschungs- und Zertifizierungsprozesse zur industriellen Marktreife geführt werden soll. Dafür brauchen wir unterschiedliche Angebote, unterschiedliche Fördertools und unterschiedliche Einrichtungen. Vielfalt ist also

(Karin Prien)

gut, Frau Rugbarth, eine Zentralisierung von Strukturen und Einrichtungen ist es nicht.

Zweiter Punkt: Die Kreditversorgung in Hamburg funktioniert. Eine Kreditklemme für die Wirtschaft hat es nicht gegeben und gibt es nicht. Das ist nicht etwa die Aussage der Banken, sondern das ist die Aussage der Kammern und Verbände der Unternehmen der Gewerbewirtschaft selbst. Im Jahre 2010 sind Kredite in Höhe von fast 90 Milliarden Euro an Hamburger Unternehmen vergeben worden, und dort, wo Probleme bestehen – ich nenne die Stichworte Mikrofinanzierung oder Konsortialfinanzierung –, können diese Probleme durch Nachsteuerung in den bestehenden Strukturen gelöst werden. Das Hausbankprinzip hat sich bewährt. Insbesondere die Hamburger Sparkasse und die Hamburger Volksbank sind bei der Existenzgründungs- und Mittelstandsfinanzierung gut aufgestellt. Eine neue Einrichtung, eine HSH Nordbank light, brauchen wir dazu jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP)

Dritter Punkt: Hamburg ist bereits heute die Gründerhauptstadt, etwa gleichauf mit Berlin, und dann kommt lange nichts. Das liegt an der Dynamik und Innovationskraft insbesondere der kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch an der bestehenden Struktur im Bereich der Existenz-, Förder- und Gründungsberatung. Diesen Erfolg, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, sollte man nicht durch eine sinnlose Strukturdebatte zerreden.

Vierter Punkt: Die Bedeutung der Innovationsförderung als Teil der Wirtschaftsförderung wird weiter zunehmen. Die Europäische Union plant, 80 Prozent der EFRE-Mittel in der Förderperiode 2014 bis 2020 in den entwickelten Regionen, also auch in Hamburg, für Forschung, Innovation, Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und erneuerbare Energien auszugeben. Wer in dieser Situation die Hand – oder besser: die Axt – an die Innovationsstiftung legt, die in den vergangenen Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet hat, der schadet damit der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Hamburg.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Ich kann nur hoffen, dass der vernünftige Teil der SPD-Mehrheitsfraktion und der Wirtschaftssenator Frau Senatorin Blankau da noch rechtzeitig in den Arm fallen werden.

Fünfter und letzter Punkt: Der Senat ist den Beweis für den Bedarf, die Notwendigkeit und die Vorteile einer Investitionsbank bislang schuldig geblieben, das habe ich ausgeführt und begründet. Die Experten haben sich deutlich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Haben Sie daher den Mut, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfrakti

on und vom Senat, Ihren Fehler einzugestehen. Beerdigen Sie das Vorhaben, und zwar besser heute als morgen, und lassen Sie uns die freiwerdenden Mittel besser direkt zur Innovations- und Wirtschaftsförderung nutzen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Nach Definition des Instituts für Mittelstandsforschung gehören 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland zum Mittelstand. Sie beschäftigen etwa 70 Prozent aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und erwirtschaften 38 Prozent aller Gesamterlöse. Klein- und mittelständische Unternehmen mit der leichteren Vergabe von Krediten zu unterstützen, heißt für die Fraktion DIE LINKE, die Region zu stärken und konkret Wirtschaftsförderung zu betreiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass das bislang nicht optimal funktioniert, zeigt der Haspa-Mittelstandsindex 2011. So besteht Handlungsbedarf etwa bei der Bereitstellung von Finanzmitteln für Betriebe in der Umsatzgruppe 2,5 bis 5 Millionen Euro Jahresumsatz.

Da der Senat derzeit am Prüfen ist, wie er mehrfach auf Anfrage der GAL antwortete, und der Bericht nicht vorliegt, kann über dieses Thema leider nicht fundiert diskutiert werden, wie ich es leider auch einigen Vorrednern konzertieren muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linksfraktion ist insbesondere daran interessiert, wie die unbedingt notwendige Kontrolle der Bank aussehen könnte und sollte. Es ist anzunehmen, dass sie über einen Verwaltungsrat und einen Beirat ausgeübt werden wird wie in den anderen Bundesländern auch. In diesen Beiräten sind Vertreterinnen und Vertreter von Kammern, Wirtschafts-, Sozial-, Kommunal-, Banken- und Wohnungsverbänden vertreten. Insofern verwundert mich die Aussage des Präses der Handelskammer – Zitat –:

"Aber eine Investitionsbank sei eine gute Lösung für ein Problem, das es in Hamburg nicht gebe".

Herr Schmidt-Trenz kann doch eigentlich auch nicht zufrieden sein mit dem derzeitigen Zustand.

(Olaf Ohlsen CDU: Warum das denn nicht?)

Im Interesse ihrer Zwangsmitglieder sollte die Handelskammer schon bereit und in der Lage sein, ihre wie auch immer gelagerten übergeordneten Interessen zurückzustellen.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Für uns ist zudem von Relevanz, dass mit der Vergabe von Krediten die Kaufkraft und damit die Binnenkonjunktur gestärkt wird und nicht nur Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern in Anbetracht des deregulierten Arbeitsmarkts, der Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und der Situation von Langzeitarbeitslosen in einem nennenswerten Umfang zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstehen, die vernünftig entlohnt werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Ker- stan GAL und Andrea Rugbarth SPD)