Wer stimmt dem Überweisungsbegehren zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – das ist mehrheitlich abgelehnt worden.
Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der Fraktionen hierzu gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Ist das der Fall? – Ich habe zuerst Frau Blömeke gesehen, dann Herrn Yildiz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, Ihr vorliegender Antrag ist ein Placebo-Antrag. Er verschleiert die reale Situation und versucht – wahrscheinlich ist das auch das Ziel –, aufmüpfige SPD-Abgeordnete sowohl der Bürgerschaftsfraktion als auch in den Bezirken zu beruhigen und die Situation schönzureden.
Aber die reale Situation ist weder beruhigend noch schön. Die Einsparungen in der Jugendarbeit, in der Familienförderung, aber auch bei den Kinderkuren treffen die Schwächsten unserer Stadt, und sie treffen die Familien, die Kinder und Jugendlichen direkt vor Ort im Stadtteil. Das ist für uns nicht akzeptabel.
Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort wissen genau, welche drastischen Auswirkungen die Einsparungen auf die Angebote im Stadtteil haben. Nicht zuletzt deswegen sind in allen Bezirken Beschlüsse gefasst worden, die Kürzungen abzulehnen. Die Kürzungen kommen zum jetzigen Zeitpunkt außerdem denkbar ungünstig, denn der Ausbau der Ganztagsschule benötigt die Offene Kinder- und Jugendarbeit. Die Kürzungen jetzt einzubringen, ist völlig kontraproduktiv, weil es hier um Kooperationen geht. Und was machen Sie? Sie zerschlagen die Offene Kinder- und Jugendarbeit.
Genau da sind wir beim Punkt, denn zynisch ist die Behauptung des Senators – genauso wie Ihr Zwischenruf, doch aufzuhören–, der es nicht lassen kann, gebetsmühlenartig zu erklären, es würden doch nur 10 Prozent der Angebote eingespart und 90 Prozent blieben erhalten. Auch im Familienausschuss haben wir im Tenor zu hören bekommen, mein Gott, warum stellen Sie sich so an? Ich kann nur an Sie alle und an den Senator appellieren, sich einmal die Listen aus Bergedorf, Harburg und Altona vorzunehmen. Aus Altona gibt es gerade eine ganz neue Liste. Dort können Sie nachlesen, was alles gestrichen wird: Jugendtreffs und eigenständige Mädchenarbeit werden aufgegeben, Spielhäuser eingespart, Stellen auf Bauspielplät
Für den Protest haben Sie und der Senator nur ein verständnisloses Achselzucken übrig. Ihre Argumentation ist, dass sich Kinder und Jugendliche nur an einem Ort aufhalten könnten und das sei zukünftig die Schule. Leider aber verkennen Sie dabei die Situation. Bis 2014 – so auch Ties Rabe – wird nur jedes zweite Grundschulkind in einer Ganztagsschule sein. Und wenn wir über Ganztagsschule reden, dann meint das meistens die GBS mit einer Kernzeit bis 15 Uhr. Dann ist der Tag aber noch nicht vorbei. Und bei den weiterführenden Schulen können wir noch lange warten, bis es ein flächendeckendes Ganztagsangebot gibt. Das Schlimmste ist für mich und meine Fraktion, dass der Senator nicht begreift oder begreifen will, dass es für die persönliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wichtig ist, Freiräume außerhalb der Schule zu haben.
Man kann nicht einfach Äpfel und Birnen vergleichen. Bauen Sie die Ganztagsschule aus, dazu haben Sie auch unseren Segen, aber streichen Sie nicht bei der Jugendhilfe. Deswegen fordern wir die SPD-Fraktion an dieser Stelle noch einmal auf: Stoppen Sie die vorzeitige Zerschlagung bewährter und notwendiger Angebote im Stadtteil. Warten Sie doch noch zwei Jahre, bis sich die Ganztagsschule bewährt hat und verlässlich arbeitet. Betreiben Sie dann eine fundierte Analyse, wo man etwas verändern kann. Sie tun den zweiten Schritt vor dem ersten, und das genau ist es, was uns ärgert und warum wir auch verärgert darüber sind, dass Sie nicht einmal bereit sind, diesen Antrag zu überweisen, der vorgaukeln will, es sei alles nicht so schlimm und Sie würden auch etwas für die Einrichtungen vor Ort tun. Es ist einfach lächerlich, was in diesem Antrag steht.
Hören Sie auch mit der Augenwischerei auf, dass die Angebote erhalten bleiben, wenn die Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit nachweislich zur Reduzierung von Erziehungshilfen beitragen. Diese Vorstellung widerspricht eindeutig dem Rechtsauftrag der Jugendhilfe. Ich kann nur an Sie alle appellieren, wenn Ihr Senator schon nicht dahinter steht, sich das Gesetz noch einmal zur Hand zu nehmen und sich anzusehen. Jugendhilfe hat einen eigenständigen Auftrag und ist nicht nur dazu da, Erziehungshilfen zu ersetzen, sondern ist für alle Kinder- und Jugendlichen dieser Stadt da, und genau hier machen Sie eklatante Fehler. Sie sind nicht einmal bereit, über Ihren Antrag zu reden. Erstaunlicherweise haben Sie aber in unserer letzten Ausschusssitzung für eine Vertagung aller Anträge gestimmt, die wir abstimmen wollten. Sie sagten, darüber wollten Sie noch ein
mal reden. Ihren Antrag – das finde ich sehr komisch – müssen wir heute abstimmen. Das ist falsch, Sie verschließen sich wichtigen Argumenten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit einen Antrag vorgelegt und ist, wie meine Kollegin Blömeke zu Recht betont hat, zu feige, ihn anzumelden und zu diskutieren. Stattdessen wird über den Antrag abgestimmt, er wird noch nicht einmal überwiesen.
Angesichts der Tatsache, dass sich in Hamburg in den vergangenen Wochen ein breites Bündnis von Gewerkschaften und Verbänden aus dem Bildungs- und Sozialbereich gegen diese Kürzungen gegründet hat, angesichts der Tatsache, dass der Festsaal bei öffentlichen Anhörungen zu diesem Thema im Familienausschuss immer voll war und dort Jugendliche, Eltern und Beschäftigte gleichermaßen eindrucksvoll ihr Anliegen zur Sprache brachten, angesichts der ablehnenden Haltung der Jugendhilfeausschüsse in den Bezirksversammlungen und im Landesjugendhilfeausschuss beschäftigt sich die SPD-Fraktion nicht einmal mit diesem Thema auf Bürgerschaftsebene und ignoriert einfach die demokratisch gewählten Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Bezirken. Sie will strikt ihre Kürzungspolitik durchführen, und die Menschen vor Ort müssen darüber entscheiden, wie sie damit umgehen. Das ist weder demokratisch noch sozial, meine Damen und Herren.
Mit diesem Antrag gehen Sie einfach zur Tagesordnung über und regeln die Abwicklung der Kürzungen. Sie ignorieren die Proteste im Parlament und außerhalb des Parlaments. Anstelle von freiwilligen, niedrigschwelligen und beitragsfreien Angeboten sollen jetzt verbindliche treten.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie mit dem damaligen Zehn-Punkte-Papier der SPD von Herrn Böwer etwas hätten anfangen können. Sie wollen im Bereich der sozialen Hilfen und Leistungen alle Menschen unbedingt unter Kontrolle haben. Es soll anscheinend nichts Freiwilliges mehr geben, wo Jugendliche einfach hingehen können und das machen, was sie sich wünschen. Wir lehnen diese strikte Kontrolle ab und sind dafür, dass dieser Antrag an den Familien-, Kinderund Jugendausschuss überwiesen wird. Das Traurige dabei ist, dass Sie in diesem Ausschuss, was Frau Blömeke ebenfalls erwähnt hat, unsere Anträ
ge vertagt haben, aber diesen Antrag nicht überweisen wollen, um darüber zu diskutieren. Viele dieser Einrichtungen haben sowieso Probleme. Herr Scheele hat einen Sozialatlas herausgebracht. Die Unterlagen aus den Bezirken zeigen aber, dass es kein sozialer Atlas ist, sondern ein Kürzungsatlas, denn Sie planen, Einrichtungen zusammenzulegen oder regelrecht dicht zu machen.
Dafür müssen Sie einen heißen Herbst auf sich nehmen. Es wird nicht einfach für Sie werden. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Papier der SPD ist wirklich dürftig. Wie dürftig es ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass Sie sich nicht einmal getraut haben, diesen Antrag heute zur Debatte anzumelden, und sich hier alle vier Fraktionen zu Wort melden, nur nicht der Antragsteller und das, obwohl seit Wochen ein scharfer Protest gegen die Kürzungen durch die Stadt geht.
Mit dem Antrag brennen Sie ein Feuerwerk von Nebelkerzen ab, um von den kurzsichtigen unsozialen Kürzungen im Bereich der Offenen Kinderund Jugendhilfe abzulenken.
Der Antrag enthält ein Füllhorn von Taschenspielertricks, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass niedrigschwellige Angebote für normale Jugendliche künftig beim SPD-Senat keine Priorität mehr haben.
Dürftig ist auch, dass etwas zu Papier gebracht wird, was der Senator in den Ausschüssen schon mehrfach gesagt hat. Ich will das Beispiel Deckungsfähigkeit der Rahmenzuweisung nennen. Obwohl das schon lange bekannt ist, haben Sie es heute noch einmal zu Papier gebracht. Es ist wirklich eine große Inspiration, die Sie Ihrem Senator damit geben. Man muss aber auch in der Sache darauf eingehen. Wenn es drei Rahmenzuweisungen gibt, die Sie alle um 10 Prozent kürzen, dann können Sie die deckungsfähig machen wie Sie wollen, es führt nichts an dem Umstand vorbei, dass bei Kindern, Jugendlichen und Familien ge
Was ist der zweite Trick? Sie wollen Stellen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit jetzt durch Mittel für Sozialräumliche Hilfen und Angebote finanzieren. Nun stellen Sie sich einmal einen Abenteuerspielplatz vor, ein wirklich offenes Angebot, wohin Kinder gehen können, wann sie wollen. Eigentlich waren die Sozialräumlichen Hilfen und Angebote dafür vorgesehen, dass es verbindliche Zuweisungen gibt mitsamt einer Leistungsvereinbarung. Das Ganze dient noch dem Ziel, den Fallzahlenanstieg bei den teuren Hilfen zur Erziehung zu bremsen. Wie soll das denn aussehen? In Wahrheit fordern Sie hier die Träger dazu auf zu tricksen, damit sie ihre eigene Existenz sichern können.
Es ist auch in der Sache falsch, denn diese Mittel, die schon Schwarz-Grün zur Verfügung gestellt hatte, 12 Millionen Euro, dienten dazu, die unbestrittene Ausgabenexplosion in den vergangenen zehn Jahren endlich zu bremsen. Bis dahin sind wir uns einig. Wenn Sie diese Mittel jetzt aber zweckentfremden, um damit die Löcher in der Offenen Kinder- und Jugendhilfe zu stopfen, dann werden Sie dieses Ziel nicht erreichen. Ich bin einmal gespannt, ob der Senat mit dem neuen Haushaltsplan-Entwurf seine Zielsetzung aufgeben wird, den Fallzahlenanstieg bei HzE zu stoppen oder ob es dort munter weitergehen wird; das werden wir in wenigen Wochen wissen.
Ich will in der Sache gar nicht darauf eingehen, aber ich finde es sehr bemerkenswert, dass Sie – im Übrigen mit Hinweis auf die Haushaltsrelevanz – Anträge im Ausschuss vertagen wollten, mit denen wir uns befasst haben. Sie legen heute aber selbst einen Antrag vor, der haushaltsrelevant ist.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Ich denke, das ist nur eine Nebelkerze! Was denn nun? Entweder haushaltsrelevant oder Nebelker- ze!)
Das ist der Gipfel. Sie fordern einen Umsteuerungsfonds, beziffern aber weder die Höhe dieses Umsteuerungsfonds noch sagen Sie, wie er finanziert werden soll. Das heißt, Sie legen die weitere Diskussion einfach unverdrossen und unkritisch in die Hände des Senats. Das ist falsch und der Sache nicht angemessen.
Wir von der CDU hätten uns nach den vielen Diskussionen, die wir geführt haben, gewünscht, dass diese Proteste – ich habe noch einmal ins Wortprotokoll gesehen, 700 Personen waren bei der öffentlichen Anhörung anwesend – auch Wirkung
gezeigt hätten. Das ist aber nicht der Fall, stattdessen verteilen Sie hier Placebos, wie Frau Blömeke richtig gesagt hat. Ich kann Ihnen prophezeien, wie auch Herr Yildiz sagte, dass es ein munterer Sommer wird, wenn erst einmal die Auswirkungen Ihrer unsozialen Politik in der Stadt ankommen. – Danke.