Protocol of the Session on May 10, 2012

Das obliegt der Beurteilung ausschließlich der Mehrheit. Das ist in vielfacher Hinsicht mehr als problematisch. Ich nenne die wichtigsten Punkte.

Erstens: Sie gehen nicht von der Gesamtheit der Hamburgischen Bürgerschaft aus, aus der sich ableitet, dass Mehrheit und Minderheit gleichen Rechts sind,

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Ker- stan GAL)

weil sie beide die Gesamtheit bilden, und nicht etwa die Minderheit dadurch definiert ist, dass sie nicht der Mehrheit angehört. Nebenbei gesagt: Nur weil die Minderheit mit dem gleichen Recht der Teilhabe ausgestattet ist, kann und muss sie Mehrheitsbeschlüsse der Gesamtheit gegen sich gelten lassen. Aus dem Prinzip der Gesamtheit leitet sich die proportionale Zusammensetzung der Ausschüsse ab, die Sie in diesem Fall massiv infrage stellen. Sie schließen einen Teil der Minderheit kraft Ihrer Mehrheit von der Willensbildung aus, weil Sie ihr das gleiche Recht, an der Willensbildung teilzunehmen, absprechen.

Zweitens: Sie maßen sich als Mehrheit an, über die fachpolitische Kompetenz und über die Verschwiegenheit der Mitglieder der Minderheit zu urteilen. Sie maßen sich an, Ihre Kriterien zum Kriterium des Ausschlusses von Minderheiten zu erheben. Das betrifft potenziell alle Oppositionsparteien. Alle Mitglieder der Oppositionsfraktionen müssen sich wohl verhalten, müssen der Mehrheit passen, um das Vertrauen ausgesprochen zu bekommen; die Mehrheit soll die Minderheit ausschließen können. Aber worauf gründet sich eigentlich die Unterstellung, dass nur die Minderheit Geheimnisse preisgibt?

(Mehmet Yildiz)

(Beifall bei der LINKEN und bei Jens Ker- stan GAL)

Konkret gefragt: Sind Sie von der SPD und der FDP wirklich der Auffassung, die innenpolitische Kompetenz der Oppositionspolitikerinnen und -politiker sicherstellen zu müssen, während Ihnen das in der eigenen Fraktion nicht unbedingt gelungen ist?

(Beifall bei der LINKEN und bei Antje Möller GAL)

Drittens: Sie, die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Sie als Mehrheitsfraktion den Senat tragen, maßen sich an, bestimmen zu wollen, was auf einem wichtigen Feld der Kontrolle der Exekutive, also des SPD-Senats, eine angemessene Beteiligung der Opposition ist. Die Gefahr, dass hier die Exekutive auf die Wahl ihrer Kontrolleurinnen und Kontrolleure Einfluss nimmt, ist da natürlich gegeben.

Viertens: Dies trifft letztlich alle Fraktionen der Opposition, die in gewisser Weise der Willkür der Mehrheitsfraktion ausgesetzt werden. Der konkrete Sachverhalt ist jedoch folgender: Die Antragstellerinnen wollen uns, also DIE LINKE, aus politischen Gründen aus der Kontrolle des Verfassungsschutzes heraushalten. Hier geht es nicht um Verfassungsfeindlichkeit oder etwas in der Art, sondern hier geht es darum, dass Sie solche Mittel gegen politische Konkurrenz anwenden.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie sind doch keine Konkurrenz! Erhöhen Sie sich nicht so!)

Das ist eine politische Diskreditierung, eine politische Diskriminierung, gegen die wir uns zur Wehr setzen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Fünftens: Mir ist natürlich klar, dass Sie sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1986 beziehen können. Damals ging es darum – die Grünen waren noch relativ jung, wurden misstrauisch beäugt und in gewisser Weise auch gefürchtet –, diese Partei aus der Kontrolle des Verfassungsschutzes herauszuhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat damals entschieden, dass so etwas möglich ist, es hat aber nicht entschieden, dass es so gemacht werden muss. Namhafte Verfassungsrichter wie Böckenförde und Mahrenholz haben damals eine abweichende Meinung formuliert, auf die ich mich in meinen Ausführungen ausdrücklich bezogen habe. Ich kann mir für 2012 nicht vorstellen, dass nach der Verabschiedung Ihrer Gesetzesänderung die dann gültigen Regelungen der parlamentarischen Kontrolle des Verfassungsausschusses einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten werden.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Frau Möller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Inhaltlich habe ich gar nicht viel hinzuzufügen zu dem, was die Kollegin eben gesagt hat, ich will nur eine andere Herleitung aufzeigen. Wir hatten die besondere Situation in der Bürgerschaft, feststellen zu müssen, dass unbeanstandet über viele Legislaturperioden hinweg der Haushalt des Verfassungsschutzes weder von der Bürgerschaft noch von den PKA-Mitgliedern beschlossen wurde; er wurde lediglich zur Kenntnis genommen. Dieses Demokratiedefizit, das wir selber festgestellt haben, sollte geheilt werden. Das war der Auftrag, der uns interfraktionell beschäftigt hat. Es gab dazu mehrere Vorschläge, einen Vorschlag der FDP, den man relativ ähnlich abgebildet in dem gemeinsamen Antrag von SPD und FDP wiederfindet, einen sehr weitgehenden Vorschlag von uns, den Sie auch vor sich auf dem Tisch liegen haben, nämlich dieses Problem durch den Zugriff auf das Grundmandat für alle im Parlament vertretenen Fraktionen zu heilen, und den Vorschlag, doch wenigstens für die Haushaltsbefassung die Transparenz für alle Fraktionen herzustellen. Über diesen dritten Vorschlag haben wir länger diskutiert. So wird es auch auf Bundesebene gemacht. Dort gibt es einen Unterausschuss des Haushaltsausschusses, zu dem alle Fraktionen Zugang haben. Der Haushalt des Verfassungsausschusses wird dort vertraulich – sozusagen noch vertraulicher als das übliche "Vertraulich" – mit Zugang für alle Fraktionen beraten und beschlossen. Das wäre meiner Meinung nach das Mindeste gewesen, was Sie als Mehrheitsfraktion uns gemeinsam mit der FDP hätten vorlegen sollen.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Was jetzt übrig geblieben ist, ist nichts weiter als ein Geschenk an den Teil der Opposition in diesem Hause, der Ihr Vertrauen genießt – wie auch immer Sie das finden, ob Sie sich darüber freuen oder ob Sie wissen, dass da bestimmt noch etwas dranhängt, was dann wieder eine Gegenleistung zur Folge hat –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Seit einem Jahr liegt das Ding jetzt auf dem Tisch!)

und das ist nicht ausreichend.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Herr Dr. Dressel, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst einmal: Wir haben fast ein Jahr über diese Fragestellung beraten und es gab von Anfang an die Einladung an alle Fraktionen, einen interfraktionellen Konsens herbeizuführen. Das ist Punkt 1.

(Christiane Schneider)

(Antje Möller GAL: Stimmt!)

Punkt 2: Warum überweisen wir das nicht? Wir sind kurz vor den Haushaltsberatungen. Das heißt, den haushaltsrechtlichen Mangel, den wir in den Beratungen gesehen haben, müssen wir jetzt beheben, und zwar vor den Haushaltsberatungen, denn sonst haben wir ihn nicht behoben, und das wäre für die Haushaltsberatungen ein gewisses Problem.

Punkt 3: Ich selber habe dem PKA lange Zeit angehört – wie andere Mitglieder dieses Hauses auch, genau sieben Jahre – und habe festgestellt, dass die Arbeit dort gut funktioniert und sich sehr bewährt hat. Es hat sich als gute Praxis herausgebildet, dass es eine Befassung des PKA gibt, bevor die Behörde den Haushalt des Landesamts für Verfassungsschutz beim Senat anmeldet. Es ist nicht unbedingt notwendig, einen neuen Ausschuss dafür zu gründen, wenn es einen PKA gibt, der das bisher sehr ordentlich gemacht hat, und das auf rechtlich sicherer Grundlage weiter tun sollte. Das ist genau das, was wir mit unserem Antrag erreichen wollen.

Und dann ist die Frage – da haben wir schon sehr lange einen politischen Dissens –, ob wir eine Grundmandatsregelung für den Parlamentarischen Kontrollausschuss brauchen. Wir als SPD-Fraktion haben über viele Jahre auf einer verfassungsrechtlich sauberen Grundlage, die Sie hier ausgeführt sehen – es gab auch noch neuere Entscheidungen dazu, wir haben die neueste Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichts von 2002 dazu zitiert –, gesagt, dass es aus Gründen des Geheimschutzes sehr wohl möglich ist, auf eine Grundmandatsregelung zu verzichten und ein anderes Wahlverfahren zu ermöglichen. Wir glauben, dass das nach wie vor richtig ist,

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Warum?)

denn wenn eine rechtsextremistische Partei in die Bürgerschaft gewählt werden würde, was Gott verhüten möge, wäre es in einer solchen Situation keine gute Idee für ein demokratisches Gemeinwesen, ein Gesetz zu ändern. Deshalb wollen wir ein bewährtes Gremium, das über viele Jahre und Jahrzehnte eine bewährte Struktur hat. Wir sollten dabei bleiben, dass wir keine Grundmandatsregelung haben. Wir tun das auf rechtlich sicherem Boden, die Fundstellen dazu haben Sie gesehen.

(Antje Möller GAL: Es ist willkürlich, Herr Dr. Dressel!)

Das ist nicht willkürlich. Wenn Sie die Formulierungen und Zitate aus den Gerichtsentscheidungen lesen, ist das eine verfassungsgerichtlich akzeptierte Praxis, die wir nun festschreiben.

Damit die Aufregung nicht überhandnimmt, möchte ich noch einmal sagen, dass wir den Ausschuss erweitern. Zur Frage der Repräsentation des Parla

ments: Wenn mehr Mitglieder des Parlaments die Möglichkeit haben, in dem Ausschuss zu sitzen – wir erhöhen die Zahl von sieben auf neun –, dann stärkt das die demokratische Legitimationsgrundlage des Ausschusses. Deswegen ist das auch ein Zugeständnis an die Opposition. Die Opposition wird im Wortlaut der Norm jetzt sogar miterwähnt, das war bisher nicht der Fall. Insofern stellen wir heute ein ausgewogenes Paket zur Abstimmung und sollten das jetzt beschließen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Voet van Vormizeele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Punkte, die erläutert worden sind, in denen es darum geht, ob wir eine haushaltsrechtliche Grundlage dafür schaffen, dass sich künftig der PKA mit den Vorbereitungen des neuen Haushalts beschäftigt, sind in diesem Hause weitgehend unbestritten. Wir wollen das gemeinsam machen, wir sehen die Notwendigkeit und der PKA ist dazu willens und in der Lage.

Wir streiten heute über einen entscheidenden Paradigmenwechsel, werter Kollege Dr. Dressel, denn was Sie heute vorhaben, bedeutet eine Abkehr von allen Systemen, die wir in diesem Parlament seit über 60 Jahren haben. In diesem Parlament entscheidet die Stärke der Fraktion. Wenn die Kollegen der LINKEN mit 10 oder 12 Prozent gewählt werden, dann werden sie entsprechend ihrer Prozentanteile im PKA vertreten sein, egal, ob mir oder Ihnen oder wem auch immer das gefällt. Aber ich halte diese Regelung nicht nur für rechtlich notwendig, sondern auch für angemessen. Darüber kann man sich ärgern, ich kann verstehen, dass Frau Schneider dies nicht gut findet. Wir ersetzen diese Regelung jetzt dadurch, dass sich die Mehrheit im Parlament ihre Opposition aussuchen soll; sie sucht sich aus, wen sie haben möchte. Das sehen wir sehr schön an diesem Antrag. Dieser ist nicht allein von der SPD gestellt worden oder gar von einer breiten Mehrheit – es gab dazu diverse Gespräche –, sondern von der SPD und der FDP. Wir erweitern um zwei Sitze, einen davon wird die SPD bekommen. Nun fragen sich alle, wer denn den zweiten Sitz bekommen wird; das ist eine spannende Frage. Das heißt, die große Mehrheitsfraktion in diesem Hause sucht sich eine ihr genehme Opposition aus. Da muss man sich natürlich fragen, ob diese kleine Fraktion nicht irgendwann in die Rolle der Senatsbeauftragten für Oppositionsfragen rutscht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, der GAL und der LINKEN)

Das haben wir jetzt schon zum zweiten Mal erlebt. Ich finde die jetzige PKA-Regelung richtig. Wir kön

(Dr. Andreas Dressel)

nen den PKA so, wie er jetzt ist, mit diesen Rechten versehen. Das ist rechtlich unumstritten. Es ist falsch, diesen Paradigmenwechsel vorzunehmen, denn bei allem Bemühen, dass wir auch in künftigen Parlamenten Rechtsradikale aus solchen Gremien heraushalten wollen, ist das nicht der richtige Weg. Sie haben nicht das Recht, sich Ihre Opposition auszusuchen.

(Beifall bei der GAL)

Deshalb werden wir diese Passagen in Ihrem Gesetzentwurf nicht mittragen. Wir werden einzig und allein den Passus mittragen, dass der PKA sich künftig mit den Haushaltsansätzen beschäftigt.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der LIN- KEN)

Herr Hackbusch, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich bin sehr erstaunt, dass niemand aus den Reihen der FDP-Fraktion dazu spricht, denn das ist kein kleiner Vorwurf, den Herr van Vormizeele eben völlig zu Recht vorgetragen hat. Es wäre äußerst peinlich, wenn Sie zu den Rechten der Opposition und der Art und Weise, wie wir als Opposition agieren können, keine Stellung nehmen. Ich möchte gern, dass Sie dazu noch etwas sagen. Das ist ein ziemlicher Hammer. Durch die Äußerung von Herrn van Vormizeele wurde deutlich, dass das keine Befindlichkeiten oder Probleme der LINKEN sind – die haben wir auch, das gebe ich sofort zu –, sondern dieses Mal etwas völlig anderes.

Als wesentliches Argument haben Sie genannt, dass man die Haushaltsberatungen schnell machen müsse und deswegen eine Überweisung nicht der richtige Weg sei. Um diese Situation zu glätten, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, nur den dritten Absatz abzustimmen und umzusetzen und Absatz 1 und 2 zu überweisen, denn da ist keine Eilbedürftigkeit gegeben. Wir haben hier einen demokratisch so wichtigen Punkt, dass ich Sie bitten möchte, das in dieser Weise durchzuführen.