Herr Balcke, den Unternehmen und Beschäftigten im Hafen hilft man nicht mit schön klingenden, wohltönenden Sonntagsreden weiter, sondern damit, dass man den Hafen fit macht, dass man für die notwendige Infrastruktur sorgt und dass die Verkehrsanbindungen erfolgen. Dann muss man
sich Gedanken machen, wie man diese finanziert. Der von Ihnen genannte HafenentwicklungsplanEntwurf enthält dazu keine Zeile.
Zweiter Hinweis, Herr Balcke. Selbstverständlich müssen Arbeitnehmerrechte und Vergütung gesichert sein. Aber es dürfte sich auch bei Ihnen herumgesprochen haben, dass eine Teilveräußerung von Aktien der HHLA an der Gültigkeit von Tarifverträgen bezüglich Gehalt, Arbeitnehmerrechten und Mitbestimmung nichts ändert. Dieses Argument ist unschlüssig, und wer es ernsthaft vorträgt, spricht offensichtlich wider besseres Wissen.
Herr Ohlsen, der erste Teil Ihrer Rede, in dem Sie die Motive und Effekte der Teilprivatisierung 2008 dargestellt haben, war völlig korrekt. Die Motive waren richtig, die Effekte waren positiv. Alles wurde damals richtig gemacht, möglicherweise aber nicht konsequent genug. Dieser Teil Ihrer Rede war im Grunde ein Plädoyer für unseren Antrag. Ziehen Sie die richtige Konsequenz und stimmen Sie der Überweisung unseres Antrags an den Ausschuss zu.
Herr Tjarks, Sie haben gesagt, es kann nicht im Interesse der Stadt sein, dass die HHLA Anhängsel eines internationalen Konzerns wird. In dieser Analyse haben Sie recht, und Sie werden feststellen, dass wir sehr differenziert und offen in unserem Antrag sind, was das Konzept einer zukünftigen weiteren Teilveräußerung betrifft und ob es sinnvoll ist, den städtischen Anteil auf eine strategische Beteiligung von 25,1 Prozent zu reduzieren oder es bei einer städtischen Beteiligung von 50,1 Prozent zu belassen. Wir sind für die Erörterung und einen ergebnisoffenen Diskurs dieser Frage völlig offen und freuen uns daher über Ihre Unterstützung, den Antrag an den Ausschuss zu überweisen.
Lieber Kollege Hackbusch, Sie haben gefragt, wie die Bilanzierung der Privatisierung sei. Da wir über die Privatisierung der HHLA sprechen, würde ich mir an Ihrer Stelle die Privatisierungserfolge der HHLA anschauen. Dort kann man feststellen, dass die Bilanz durchgängig positiv ist. Seit 2008 gab es, ich habe es in meinem Debattenbeitrag dargestellt, Zuwachs im Umsatz, im Güterumschlag und bei der Anzahl der Arbeitsplätze. Die Bilanzierung der Teilprivatisierung 2008 ist also durchgängig positiv. – Danke.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/3552 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wer möchte den Antrag der FDP-Fraktion aus Drucksache 20/3552 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war nicht die Mehrheit, der Antrag ist somit abgelehnt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 64, Drucksache 20/3535, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kemal-Altun-Platz in Altona.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit Jahren heißt der Kemal-Altun-Platz Kemal-Altun-Platz, und die Bezirksversammlung Altona hat beschlossen, diese überall gebräuchliche Bezeichnung offiziell zu machen. Geben Sie auf Google Maps "Kemal Altun" ein und Sie werden sehen, dass selbst dort dieser Platz so genannt wird. Oder, Herr Dressel, geben Sie in die Parlamentsdatenbank "Kemal Altun" ein, auch in den Schriftlichen Kleinen Anfragen kommt dieser Platz vor. In den Senatsdrucksachen aus der 18. Legislaturperiode können Sie es ebenfalls deutlich sehen. Ein Beispiel hierfür ist die Schriftliche Kleine Anfrage unserer Bürgerschaftspräsidentin Frau Veit, Drucksache 18/4751. Und in einer Tabelle mit der Überschrift "Maßnahmen in Sanierungsgebieten" bezeichnet der Senat sowohl in dieser als auch in der Schriftlichen Kleinen Anfrage von Wilfried Buss diesen Platz offiziell als Kemal-Altun-Platz.
Für die Hamburgerinnen und Hamburger ist klar, dass dieser Platz, auch wenn er offiziell nicht so genannt wird, der Kemal-Altun-Platz ist und bleibt.
Ich möchte darauf eingehen, wer Kemal Altun war und erreichen, dass wir diesem Menschen eine Identität und ein Gesicht geben. Fast 30 Jahre ist es her, dass Kemal Altun keinen Ausweg mehr gefunden und sich aus dem Fenster gestürzt hat. Damals herrschte in der Türkei die Militärdiktatur, und die Bundesrepublik Deutschland wollte Kemal Altun seinen Folterern ausliefern. Während dieser Militärdiktatur in der Türkei wurden Menschen mit grausamen Methoden gefoltert. Viele starben in den Gefängnissen, viele auch an den Folgen dieser Folter, als sie wieder auf freiem Fuß waren. Manche wurden sogar auf offener Straße hingerichtet. Zehntausende von Menschen wurden bis heute nicht wiedergefunden und sind verschwunden.
Heute leben in Deutschland, auch in Hamburg, Menschen unter uns, die diese Militärdiktatur erlebt haben, die gefoltert worden sind, ihre Familienangehörigen verloren haben. Sie hatten die Möglichkeit zu flüchten und haben in Deutschland Asyl gesucht. Manche haben es gefunden, andere nicht, einige mussten zurück so wie Kemal Altun.
Ich befand mich letzte Woche in der Türkei, um Newroz, das kurdische Neujahrsfest zu feiern, ein Fest, das viele Völker im Mittleren Osten feiern. Dort konnte ich beobachten, wie Sicherheitskräfte – obwohl die Militärdiktatur vorbei ist – mit bürgerkriegsähnlichen Methoden gegen die Bevölkerung vorgegangen sind. Ich habe mit Müttern gesprochen, deren Kinder nicht wie Kemal Altun flüchten konnten. Diese Mütter suchen heute in den Massengräbern der Achtzigerund Neunzigerjahre nach den Knochen ihrer Kinder.
Kemal Altun war kein Einzelfall, er war lediglich der erste bekannt gewordene Fall eines Flüchtlings, der in Deutschland aus Angst vor Abschiebung Suizid beging. Deshalb ist er ein Symbol auch für die Menschen in Hamburg, die bekannt dafür sind, sich für andere solidarisch einzusetzen.
Kemal Altun folgten weit mehr als hundert vergleichbare Fälle, und auch heute noch begehen Menschen Suizid, um einer Auslieferung zu entgehen, auch in Hamburg. Ich möchte an Wadim erinnern. Wadim war wie Kemal Altun 23 Jahre alt und hat sich in Hamburg vor den Zug geworfen, nachdem er zweimal nach Lettland abgeschoben wurde. Hier ist der Bezug zu Hamburg, diese Asylpolitik hat auch in Hamburg Opfer gefordert. Wenn Ihnen das nicht reicht – ein weiterer Bezug zu Hamburg sind die Hamburgerinnen und Hamburger, die in den Jahren nach dem Tod von Kemal Altun wöchentlich auf diesem Platz demonstriert haben und all die Menschen, die den Kemal-Altun-Platz kennen und anerkennen. Übrigens gibt es auch in
Kassel einen Kemal-Altun-Platz und dort steht nicht zur Debatte, ob Kemal Altun einen Bezug zu Kassel hat oder nicht.
Nun soll Herr Bürgermeister oder auch König Olaf Scholz die offizielle Platzbenennung laut Presseberichten nicht wegen dem vermeintlich fehlenden Hamburg-Bezug abgelehnt haben. Wie es heißt, habe das Generalkonsulat der Türkei bereits 1991 dagegen protestiert und würde sich heute wohl auch nicht anders verhalten. Aber es gibt noch einen Hamburg-Bezug, und zwar die Tatsache, dass Waffen, die hier produziert oder über den Hamburger Hafen verschifft werden, gegen die alevitische, kurdische und linke Opposition in der Türkei zum Einsatz kommen. Diese Menschen wiederum müssen vor diesen Waffen auch heute noch flüchten und in Deutschland, auch in Hamburg, Asyl suchen. Wir als Fraktion DIE LINKE schließen uns der Forderung der Initiative an, die die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in Ramazan-Avci-Platz fordert. Auch der Umbenennung der Straße, in der Süleyman Tasköprü erschossen wurde, steht an, denn diese Straße heißt auch noch grausamerweise Schützenstraße.
Hamburg ist eine interkulturelle Stadt, die von Menschen mit Migrationshintergrund um ihre kulturelle Vielfalt bereichert wird. Deshalb müssen wir mit Straßen- und Platzbenennungen ein starkes Zeichen gegen Rassismus und Menschenrechtsverletzungen setzen.
Aus unserer Sicht vermengen sich hier zwei Themen. Erstens sollten wir die Namensgebung eines Platzes in Ottensen aus dem Jahr 1983 endlich legalisieren. Zweitens sollten wir uns die Frage stellen, wie wir angesichts der Serie von rechten Gewalttaten quer durch unser Land in Hamburg Zeichen gegen Rechtsextremismus, gegen Gewalt an Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund und für ein solidarisches Miteinander setzen können. Letzteres ist ganz einfach zu beantworten. Es stünde uns sehr gut an, in unserer Stadt, wo es ebenfalls Opfer rechter Gewalt gegeben hat, die auch hier lange Zeit nicht als solche erkannt worden waren, Zeichen zu setzen. Die Benennung von Straßen oder Plätzen nach den Mitbürgern, die zu Opfern wurden, ist eine angemessene, wenn auch nicht hinreichende Reaktion ei
ner Stadt auf die bittere Erkenntnis, dass so etwas auch bei uns möglich war. Es wäre ein richtiges Signal in Richtung rechts, um deutlich zu zeigen, so etwas dulden wir hier nicht, wir stehen gemeinsam zu allen unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, gleich welcher Nationalität und Herkunft, und wir wollen alles dafür tun, die weltoffene Atmosphäre, für die Hamburg als Tor zur Welt durchaus steht, zu bewahren und notfalls gegen undemokratische Kräfte aus dem rechten Lager zu verteidigen.
Frau Möller, das gehört zu diesem Thema. Wo genau das geschehen soll und kann – ich spreche natürlich nur aus meiner Sicht, Frau Möller –, sollten wir mit den Bezirken klären.
Nun aber zum Kemal-Altun-Platz. Das ist keineswegs nur eine Bezirksangelegenheit und nicht nur eine Mottenburgensie. Vor 30 Jahren hatten Menschen in Altona das Gefühl, ein Zeichen gegen die Abschiebepolitik der damaligen Bundesregierung setzen zu müssen, die – zumindest sahen das viele damals so, unter anderem Amnesty International – ursächlich zum Selbstmord eines Menschen führte, der den Freitod der drohenden Auslieferung an das damalige türkische Regime vorgezogen hat. Seitdem heißt ein Platz in Ottensen Kemal-Altun-Platz. Ich habe das absichtlich genau so formuliert, weil der Platz genau so heißt. Kein Mensch in Ottensen – ich wohne dort – wüsste, wie der Platz sonst heißen sollte. Im Jahr 2007 wurde der neugestaltete Platz eingeweiht und die STEG lud mit offiziellem Blatt zur Neueinweihung ein. Natürlich lud sie auf den Kemal-Altun-Platz ein, allerdings in Gänsefüßchen gesetzt. Kollegin Özdemir hat eben schon darauf hingewiesen, dass man in Antworten auf Schriftliche Kleine Anfragen – unter anderem gestellt von meiner geschätzten Kollegin Carola Veit, damals noch nicht Präsidentin, und auch vom Kollegen Wilfried Buss – tatsächlich jeweils ohne Gänsefüßchen die Bezeichnung Kemal-Altun-Platz findet. Er wird in einer Reihe mit jeder anderen Straßenbezeichnung aufgeführt.
Jenseits aller politischen Überlegung hat hier einmal die Straße gewonnen. Die Bezeichnung hat sich quasi von unten durchgesetzt, dank Google mittlerweile auch weit über die Bezirksgrenzen hinaus. So ein Vorgang ist durchaus selten und trägt nicht unwesentlich zur Identitätsstiftung des nach eigener Einschätzung immer noch gallischen Dorfes Ottensen bei, das versucht, sich der Gentrifizierung zu widersetzen und seine Seele zu bewahren.