Protocol of the Session on March 28, 2012

Die Nähe der NPD zu offener Gewalt ist mit der rechten Terrorzelle NSU sehr deutlich geworden. Viele Unterstützerinnen und Unterstützer der NSU waren oder sind Mitglieder der NPD. Die rechte Terrorzelle NSU, die jahrelang ungestört mordend durchs Land zog, hat viele Zweifler überzeugt,

dass ein NPD-Verbot sinnvoll ist. Der Abzug der VLeute und ein NPD-Verbot sind auch unerlässlich, wenn wir das Vertrauen in unseren Staat wieder aufbauen wollen, das bei vielen Migrantinnen und Migranten verloren gegangen ist. Besonders der Einsatz von V-Leuten in Führungspositionen, die sich rassistisch äußern und dabei in Diensten des Staates stehen, trägt nicht zur Vertrauensbildung bei.

Ein Verbot der NPD bedeutet aber nicht, dass rechtsextreme Gedanken aus den Köpfen verschwinden. Das ist hier auch schon von vielen Seiten erwähnt worden. Die sogenannte freie Szene mit Kameradschaften, Musikveranstaltungen, Klamottenläden und vielen anderen Bereichen wird mit einem NPD-Verbot nicht verschwinden. Wie sich die rechte Szene weiterentwickelt, muss vom Verfassungsschutz und von der Zivilgesellschaft weiter kritisch beobachtet und von Protesten begleitet werden. Lassen wir in der Aufmerksamkeit und im Kampf gegen Faschismus nach, ist ein NPD-Verbot ein zu kurz gesprungener Schritt, wie hier auch schon von allen Seiten treffend erwähnt wurde.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Was tut also Hamburg, um gegen Rechtsextremismus mobil zu machen? Wir haben im November einen Antrag verabschiedet, mit dem es uns zum ersten Mal seit 2008 gelingt, die volle Fördersumme des Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus abzurufen. Es stehen jetzt 300 000 Euro zur Verfügung, das sind 25 Prozent mehr Geld gegen Rassismus und gegen Fremdenfeindlichkeit. Das ist gut und wichtig, um die bestehende Arbeit gegen rechts zu unterstützen, und es geht nicht zulasten weiterer Projekte und Beratungsstellen, sondern speist sich aus Millionenresten, die SchwarzGrün diesbezüglich angehäuft hatte.

(Beifall bei der SPD)

Zudem wird derzeit ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus von der Behörde erarbeitet, um eine Gesamtstrategie gegen rechts zu entwickeln. Dass wir es ernst meinen im Kampf gegen rechts, zeigt nicht zuletzt auch das persönliche Engagement des Ersten Bürgermeisters. Olaf Scholz hat für die Aktion "Hamburg steht auf!", die anlässlich der Woche gegen Rassismus stattgefunden hat, die Schirmherrschaft übernommen. In den vergangenen Tagen wurden im Rahmen der Aktion mit großem Erfolg zahlreiche Veranstaltungen gegen Rassismus und Ausgrenzung durchgeführt, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD)

Mit oder ohne NPD-Verbot müssen wir als Zivilgesellschaft auf der Straße, am Arbeitsplatz und im Alltag fremdenfeindlichen Tendenzen klar entgegentreten. Auch da möchte ich noch einmal den

(Senator Michael Neumann)

2. Juni erwähnen. Lassen Sie uns dort ein Signal gegen Rassismus und gegen Fremdenfeindlichkeit setzen, lassen Sie uns ein Zeichen der ganzen Bürgerschaft setzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! So sehr ich an jeder Stelle und auch heute hier dafür werbe, dass es ein möglichst breites Bündnis in dieser Stadt geben muss, das sich gegen rechts wendet, so sehr werbe ich dafür, differenziert zu diskutieren. Frau Bekeris, wir könnten natürlich damit anfangen, warum Sie als eine Ihrer ersten großen Taten die "Arbeitsstelle Vielfalt" abgeschafft haben.

(Beifall bei der GAL)

Wenn es so viele Millionen Euro gab, wie Sie eben gesagt haben, die Schwarz-Grün nicht ausgegeben hat an der Stelle,

(Andy Grote SPD: Was hat die denn ge- macht? – Dirk Kienscherf SPD: Die hat doch nichts bewirkt, diese Arbeitsstelle!)

dann hätten Sie von denen vielleicht ein paar dort hineinbuttern können, anstatt beim Thema Flüchtlinge zu sparen.

(Beifall bei der GAL und bei Cansu Özdemir DIE LINKE)

Aber das Interessantere an der differenzierten Debatte ist vielleicht das, was der Senator sagt. Herr Senator, Sie waren da nicht sonderlich konkret. Wir haben nicht die große Sorge, dass Horden brüllend vor dem Rathaus stehen, sondern wir haben das Problem in unserer Gesellschaft – diverse Studien belegen das –, dass ungefähr ein Drittel der Menschen in dieser Republik eine Nähe zu rechtsextremem Gedankengut hat. Damit müssen wir uns in unserer politischen Arbeit auseinandersetzen, damit müssen Sie sich als Regierung auseinandersetzen, und daran müssen wir etwas verändern.

(Beifall bei der GAL)

Das wird uns nicht gelingen, wenn wir die Dinge nicht deutlich ansprechen. Deswegen muss man auch über die Rolle der V-Leute sprechen, die seit Jahren, das wurde hier an anderer Stelle schon gesagt, unverändert auch nach dem Urteil aus Karlsruhe vor neun Jahren, immer weiter eingesetzt und bewegt worden sind. Vielleicht zur Erklärung an diejenigen, die es nicht so genau wissen: V-Leute sind keine unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger, Angehörige oder Beamte dieser Stadt, die in eine rechtsextreme Organisation geschickt werden, um dort unter einer Tarnung zu arbeiten,

sondern sie werden aus einer rechtsextremen Organisation oder aus rechtsextremen Zusammenhängen heraus angeworben.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Sie machen weiter das, was Sie vorher schon getan haben, nämlich rechtsextreme politische Arbeit, nur dass sie dafür bezahlt werden, über einen Teil dieser Arbeit an den Verfassungsschutz zu berichten.

Das war die Langfassung dessen, was ich vorhin gesagt habe: staatlich finanzierte Unterstützung rechtsextremistischer Arbeit. Ich sehe nicht, dass ich damit irgendjemandem wehtue, und es hat auch nichts damit zu tun, dass ich im PKA bin. Ich werde mich hüten, hier über Details aus dem PKA zu berichten. Man braucht nur die Zeitungen aufzuschlagen, im Rahmen der Aufarbeitung der Mordserie der NSU ist an mehreren Stellen deutlich geworden: Hier waren es 2000 Euro, da x-tausend Euro, die das jeweilige Landesamt – ich glaube, es war einmal Niedersachsen und einmal Baden-Württemberg – an einen V-Mann gezahlt hat. Damit sollten dann Papiere für ein Mitglied der NSU beschafft werden. So läuft die Arbeit, da müssen wir gar nicht drum herumreden. Es geht darum, ob sie sinnvoll ist oder nicht und ob wir sie wollen oder nicht. Aus grüner Sicht sage ich, dass V-Leute abgeschaltet gehören, und zwar alle.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Dann kann man nämlich einen Neuanfang machen in der Diskussion darum, welche Rolle die Sicherheitsdienste spielen, die wir in unserer Republik haben, und welche Rolle sie bei der Arbeit gegen rechtsextreme Tendenzen in dieser Gesellschaft spielen können.

Es handelt sich auch nicht um ewig Gestrige, sondern es kommen immer Neue. Es sind nicht die Alten, die das Problem darstellen, sondern es sind junge Leute. Es gibt eine Faszination für rechtsextremistisches Gedankengut, und da beginnt unsere politische Arbeit. Ich habe es schon dreimal gesagt, und vielleicht sollte man es sich auch noch einmal deutlich machen: Hätte es nicht diese rechtsextreme Mordserie gegeben und wäre nicht endlich erkannt worden, dass es eine rechtsextreme Mordserie in unserer Republik gegeben hat, dann hätten wir jetzt auch nicht diese massiven Anstrengungen der beiden großen Parteien der Koalition auf Bundesebene und der SPD in der Begleitung im Hinblick auf ein neues NPD-Verbot. Wenn man das die ganze Zeit über gewollt hätte, dann wäre nach der Karlsruher Entscheidung an der Struktur der Sicherheitsdienste sehr schnell sehr viel verändert worden.

(Beifall bei der GAL)

Was wir tatsächlich tun können und die letzten 14 Tage, die internationalen Wochen gegen

(Ksenija Bekeris)

Rechtsextremismus und Rassismus, waren sicherlich ein guter Auftakt: kulturelle Veranstaltungen an verschiedenen Orten, Diskussionen, Veranstaltungen auf der Straße, öffentliches Eintreten gegen Rechtsextremismus und Unterstützung der Initiativen und Gruppen, die sich in diese mühevolle Arbeit gegen Rechtsextremismus hineinbegeben. Das können wir hier gemeinsam tun, aber bitte konkret und differenziert in der Auseinandersetzung und nicht mit diesem "man muss keine Angst haben vor den Horden, die sich vor das Rathaus stellen". Gegen diesen stillen Rechtsextremismus, der das Problem in unserer Gesellschaft ist, müssen wir politisch anarbeiten.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Frau Schneider.

Herr Senator, vielleicht kann man, das will ich konzedieren, über V-Leute unterschiedlicher Meinung sein, aber was man nicht kann, ist, die Problematik schönzureden oder zu leugnen. Das haben Sie getan, und das finde ich richtig gefährlich. Frau Möller hat schon einige Beispiele angeführt, und ich nenne Ihnen auch ein Beispiel: Der V-Mann Tino Brandt, führendes NPD-Mitglied und im Umfeld des NSU, hat innerhalb von zwei Jahren fast 200 000 D-Mark bekommen – das war Ende der Neunzigerjahre und Anfang der 2000er –, und er hat offen zugegeben, dass er dieses Geld fast vollständig in den Aufbau von Neonazi-Strukturen, NPD-Strukturen und anderen Strukturen in Thüringen verwandt hat. Da können Sie nicht herkommen und die Problematik bestreiten, dass mit Steuergeldern tatsächlich Rechtsextremismus und Neonazismus finanziert wird; das ist ein Beispiel dafür. Ich kenne die Praxis nur allgemein, ich kann Ihnen jetzt keinen konkreten Fall nennen. Ich weiß von dem einen oder anderen Fall, wo ganz gewöhnliche Kriminelle zum Beispiel als V-Leute tätig sind, denen dann etwas erlassen wird und so weiter. Aber sie werden bezahlt, das wird sogar mit Steuergeldern bezahlt. Ich kann mich gut erinnern, dass sich nach dem Verbotsverfahren führende V-Leute, führende Nazikader damit gebrüstet haben, dass sie für beide Seiten aktiv sind und dass sie das Geld für die NPD gut brauchen konnten. Daran kann ich mich gut erinnern, das dürfen Sie nicht bestreiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Voet van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich der Letzte, der dazu berufen ist, den In

nensenator in dieser Konstellation an diesem Platz zu verteidigen,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Drittletz- ter! – Antje Möller GAL: Dann lassen Sie es doch!)

aber ich muss dann doch einiges klarstellen im Hinblick darauf, was Frau Möller und Frau Schneider gesagt haben, und leider – darauf muss ich besonders hinweisen – auch Frau Bekeris gesagt hat, denn wer genau hingehört und auf die Sätze geachtet hat, der wird festgestellt haben, dass Frau Bekeris leider etwas anderes gesagt hat als Herr Neumann. Frau Bekeris sprach von dem Abschalten der V-Leute in den Vorständen und darunter. Das ist genau das, was der Senat nicht vorhat und, wie ich finde, auch zu Recht nicht vorhat.

(Beifall bei der CDU)

Ich will aber zu Anfang eines sehr deutlich sagen, weil es mich ein bisschen geärgert hat. Frau Bekeris hat damit angefangen, und Frau Möller hat leider den Fehler gemacht, darauf einzusteigen. Ich finde es in einer solchen Debatte, in der wir uns gemeinsam bemühen, die richtigen Wege zu finden, einen falschen Ansatz, sich hier hinzustellen und im kleinlichen Hickhack dem einen oder anderen vorzuwerfen, er habe da 5000 Euro mehr ausgegeben und da 5000 Euro weniger. Wenn wir wirklich gemeinsam etwas erreichen wollen, dann sollten wir lernen, diese Art von kleinlichem Parteienhickhack in solchen Fragen zu vermeiden; das geht an beide.

(Beifall bei der CDU)

In der Tat haben Sie in einer Hinsicht recht, Frau Schneider. Natürlich sind V-Leute eine problematische Sache, das hat keiner geleugnet, und die Debatte um die Rolle von V-Leuten in der rechten Szene ist so alt wie unser Land. Aber ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich, auch als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollausschusses: Wir wären in Hamburg nicht in der Lage, viele der Maßnahmen zu ergreifen, die frühzeitig rechtsextremistische Aktionen unterbinden, wenn wir die Erkenntnisse dieser Menschen nicht hätten. Es ist der falsche Ansatz, hier davon zu sprechen, dass wir mit Steuergeldern Rechtsextremismus finanzieren. Wir finanzieren Menschen, die dazu beitragen, dass wir als Staat, als wehrhafte Demokratie – und damit hatte Herr Münster recht – in der Lage sind, solche Aktionen zu bekämpfen. Wir wären nicht in der Lage, ein Lagebild zu erstellen über das, was dort abläuft, wenn wir diese V-Leute nicht hätten. Das kann man nicht alles aus dem Internet heraus ableiten, das muss man mit menschlichen Quellen machen. Und wer diese Quellen infrage stellt, liebe Kollegen von der GAL und der LINKEN, der stellt auch den Erfolg unserer gemeinsamen Politik gegen Rechtsextremismus infrage. Das muss man

(Antje Möller)

einmal ganz deutlich sagen, ohne diese Menschen geht es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ein letztes Wort. Herr Neumann, Sie haben gesagt, Sie selbst empfänden es als nicht so schlimm, wenn die Sache in die Hose ginge, wir sollten das nicht großreden. Mit Verlaub, eine Diskussion zum NPD-Verbot, wie ich sie in den letzten Wochen manchmal auch aus berufenem Munde gehört habe, jetzt sei es an der Zeit, das einmal auszuprobieren, damit wir endlich Bescheid wüssten, das ist es nicht und das darf es nicht sein. Wir nehmen diese Frage ernst und weil wir sie ernst nehmen, wollen wir einen Erfolg haben, und diesen Erfolg müssen wir gemeinsam bestreiten. Das finde ich wichtig, und Herr Neumann hat voll und ganz unsere Unterstützung, wenn wir es wirklich unternehmen, wenn wir es wollen und wenn wir es machen. Manchmal sind das Anmelden von Themen zur Aktuellen Stunden, lange Wortbeiträge, wer wen wann wo in seiner Rolle unterstützt hat oder auch nicht, oder auch groß angelegte Presseaktionen dazu vielleicht weniger förderlich als die Arbeit unserer Sicherheitsdienste, in die ich großes Vertrauen habe. Sie sind seit Monaten und Jahren dabei, hieran zu arbeiten, und wir sollten sie in aller Ruhe arbeiten lassen.