Protocol of the Session on February 29, 2012

(Beifall bei der LINKEN und bei Heidrun Schmitt GAL)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei dieser Debatte gehört offenbar ein persönliches Bekenntnis an den Anfang der Rede. Ich bekenne mich dazu, Nichtraucherin zu sein, halte mich aber trotzdem in dieser Angelegenheit nicht für befangen.

Ich will nicht noch einmal aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitieren, das haben andere bereits genüsslich getan. Die Kritik an der Gesetzgebungskunst der damaligen Parlamentsmehrheit ist bemerkenswert, und ich kann mich nicht erinnern, so etwas in einem anderen Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon einmal so deutlich gelesen zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Das sollte Anlass geben, es diesmal besser zu machen und sich die nötige Zeit zu nehmen, damit alle Abgeordnete das Für und Wider verschiedener Regelungen auf Basis guter und gesicherter Informationen abwägen können. Man muss nicht schon in dieser Aktuellen Stunde eine Festlegung treffen, es sollte aber auch nicht zu einer langen Hängepartie kommen. Wir brauchen Rechtssicherheit, damit die Gastronomie in Hoffnung auf Regelungen, die dann so nicht kommen, keine Fehlinvestitionen tätigt. Eine Initiative aus der Mitte des Parlaments und eine ausführliche Beratung im Gesundheitsausschuss kann der richtige Weg sein.

Es gibt zwei Optionen nach dem Urteil des Verfassungsgerichts: ein konsequentes Rauchverbot in der gesamten Gastronomie, wie es Bayern und das Saarland haben und wie es NRW jetzt auf den Weg bringen will – dann braucht man auch keine Ausnahmen für kleine Gaststätten, das gilt dann für alle –, oder die Einrichtung von Raucherräumen bei Gaststätten über 75 Quadratmetern wird erlaubt, und in Gaststätten unter 75 Quadratmetern darf geraucht werden, wenn Jugendliche keinen Zutritt haben und keine zubereiteten Speisen angeboten werden. Unter diesen beiden Optionen müssen wir wählen. Gesetzestechnisch ist das relativ überschaubar, aber inhaltlich sollte man sich ein paar Tage mehr Zeit nehmen, die Optionen zu durchdenken.

Bei allen Überlegungen ist das etwas ältere Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008 zu berücksichtigen, in dem die besondere Bedeutung des Gesundheitsschutzes und die Gefahr der Tabakexposition deutlich hervorgehoben wurden. Das Urteil hat bestätigt, dass der Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren, zu denen auch das Passivrauchen gehört, ein wichtiges Gemeinschaftsgut ist. Wenn ein Gesetzgeber aber Ausnahmen zulässt, dann nur in der Form, dass die Freiheit der Berufsausübung geschützt ist.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau!)

Deshalb kann eine zukünftige Regelung grundsätzlich auf Ausnahmetatbestände verzichten und ein generelles Rauchverbot aussprechen, oder es können im Sinne eines weniger strengen Schutzkonzeptes Ausnahmen zugelassen werden, diese aber dann so, dass sie auf die Belastungen der einzelnen Bereiche Rücksicht nehmen und gerecht ausgestaltet sind. Dabei muss deutlich werden und handlungsleitend sein, dass es um Fragen des Gesundheitsschutzes und nicht um Fragen der Toleranz oder Intoleranz von Rauchern oder Nichtrauchern geht. Es geht nicht um Freiheit, Reglementierung oder um eine Abwägung von Interessen zwischen Rauchern, Nichtrauchern und Wirten.

(Katja Suding FDP: Wird jetzt auch Alkohol verboten?)

Beim Gesundheitsschutz kann es keinen Kompromiss in diesem Sinne geben.

(Beifall bei der SPD und bei Heidrun Schmitt GAL)

Tabakrauch ist mit Abstand der gefährlichste Innenraumschadstoff und leicht vermeidbar. Jedes Jahr sterben durch Passivrauchen 260 Menschen an Lungenkrebs und über 2100 Menschen an koronaren Herzerkrankungen. Wer mit einem Raucher zusammenlebt oder am Arbeitsplatz ständig Tabakrauch ausgesetzt ist, hat ein um 25 bis 30 Prozent höheres Risiko für eine koronare Herzerkankung. Deshalb müssen im Zentrum der Überlegungen die Fragen stehen, welche Maßnahmen wir brauchen, um den Besuchern von Gaststätten ein vollkommen rauchfreies Umfeld zu garantieren und ob abgeschlossene Raucherräume dazu geeignet sind. Es gibt Studien, die man bei den Überlegungen heranziehen sollte. Ich halte es auch für erlaubt, dass man bei den Beratungen einen Gedanken an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Gastronomie verschwendet, auch wenn wir als Länder formal keine Gesetzgebungskompetenz im Arbeitsschutz haben und sich Regelungen damit nicht formal begründen lassen; daran denken darf man aber trotzdem. Natürlich muss man die Regelung rechtsfest machen und den Gleichheitsgrundsatz wahren, sodass sie bis in alle Ewigkeit Bestand hat.

(Kersten Artus)

Der Gesundheitsausschuss ist der richtige Ort, um darüber zu debattieren. Darum lege ich mich jetzt nicht weiter fest mit Ausnahme der Bemerkung, dass ich Präses der BGV bin und das G für Gesundheit steht und nicht für Gaststätten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heidrun Schmitt GAL)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! G steht für Gesundheit, F steht für Freiheit.

(Zurufe von der SPD, der GAL und der LIN- KEN: Oh! – Beifall bei der FDP)

D steht für Demokratie und P für Parteinahme für die Menschen- und Bürgerrechte. Das Bundesverfassungsgericht musste Ihrem Senat dazwischengrätschen. Wir werden in der jetzigen Debatte darauf achten, dass das nicht noch einmal erforderlich ist. P steht für eine Parteinahme für die Bürgerrechte: FDP.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schmitt, Sie haben gesagt, nach der Klage sei vor der Klage. Wenn wir das so begründen, wie Sie es eben ausgeführt haben, dann haben Sie recht. Sie haben maßgeblich, auch die Senatorin deutete das an, auf den Arbeitnehmerschutz abgestellt. Wie immer man zu dieser Frage steht, aber wenn Sie in die Begründung eines Gesetzes den Arbeitnehmerschutz – also den Schutz des Arbeitnehmers in Gaststätten – hineinschreiben, dann haben Sie die nächste Verfassungsklage an der Backe,

(Jan Quast SPD: Das haben wir jetzt schon festgestellt!)

denn Hamburg ist nicht zuständig für Arbeitnehmerschutz, das ist Bundessache. Ihr nächstes verfassungsrechtliches Problem konstruieren Sie sich damit selbst.

Frau Spethmann hat in dankenswerter Offenheit wörtlich gesagt, dass die Wirte für die CDU nicht an erster Stelle stehen. Vielen Dank für Transparenz und Offenheit.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP)

Das zeigt, auf welcher Seite Sie nicht stehen, auf der Seite von Tausenden von Kleinunternehmern, die ihr Leben in die eigene Hand nehmen, Steuern zahlen, Arbeitsplätze schaffen und zu Zeiten arbeiten, wo andere feiern. Wir stellen die Wirte nicht an die erste Stelle, aber sie haben ein Recht auf eine angemessene Beurteilung. Offenbar sind sie bei der CDU da nicht an der richtigen Adresse.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Reichen denn die Wirte für die 5 Pro- zent?)

Eine Steigerung hiervon sind die Ausfälle von Frau Artus. Ich könnte mich theoretisch darüber auslassen, wie die Rauchbelastung in den Kneipen der DDR war. Das wäre ungefähr Ihr Niveau, Frau Artus.

(Heiterkeit und Zurufe von der LINKEN)

Wir könnten auch fragen, ob der VW Golf oder der Trabbi umweltfreundlicher war, aber das lassen wir.

Meine Damen und Herren! Wir sind natürlich nicht der parlamentarische Arm der DEHOGA, aber der parlamentarische Arm derjenigen, die nicht automatisch einem scheinbaren Trend folgen. Wenn Sie Zeitung lesen, dann werden Sie feststellen, dass viele Menschen, auch in der Hamburger Presse, wesentlich differenziertere Ansichten haben, als CDU, Grüne oder Linkspartei es darstellen.

Ja zum Gesundheitsschutz und zum Kämpfen gegen die Rauchbelastung, aber Nein zu Scheuklappen, wie Sie sie vorgeführt haben. Die FDP ist für eine sorgfältige Abwägung, und die Bürgerrechte der Raucher und Nichtraucher, aber auch die der Gastwirte müssen gegeneinander abgewogen werden. Alles andere ist verfassungswidrig und unsinnig.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben recht, dass es eine erhebliche Korrelation zwischen Rauchen und Zahnproblemen gibt, wenn Sie mich schon danach fragen und das hier erwähnen.

(Kersten Artus DIE LINKE: Ich habe Sie nicht gefragt!)

Es geht dabei aber ums Rauchen und nicht ums Passivrauchen. Ich bin im Übrigen ziemlich sicher, dass ich in meiner Zahnarztpraxis wesentlich mehr gegen die Belastung und die zahnmedizinischen Folgen durch Rauchen tue, als Sie das je getan haben. Es gibt bei mir keinen Raucher als Patienten, der nicht darauf hingewiesen wird, dass Rauchen schädlich ist und nicht nur das Herzinfarktrisiko erhöht, sondern auch Dentalprobleme verursacht. Wenn Sie mich dabei unterstützen wollen, tun Sie das gerne, aber bitte nicht ganz so demagogisch.

Eine letzte Bemerkung zu dem Spruch von einigen anderen Rednern, dass es angeblich keine wirtschaftlichen Nachteile für Gastwirte gäbe. Das erzählen Sie, das Bundesverfassungsgericht sagt aber das Gegenteil. Ich zitiere das Urteil wörtlich, Randziffer 59:

"Mit Blick auf die Berufsfreiheit der Betreibenden von Speisewirtschaften besteht für

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

den Zeitraum bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zur Vermeidung weiterer erheblicher wirtschaftlicher Nachteile ein Bedürfnis nach einer Zwischenregelung durch das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage des § 35 BVerfGG."

Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht sieht Handlungsbedarf und hält es nicht für tragbar, einen Monat zu warten, bis der Gesetzgeber eine Regelung schafft. Einen besseren Beweis für das dringende Bedürfnis, die beruflichen Interessen der Gastwirte zu schützen, kann es gar nicht geben.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Sie wenden sich gegen eine Feststellung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn Sie es so machen, dann hatte Frau Schmitt recht: Vor der Klage ist nach der Klage. Die FDP ist nicht dogmatisch und zu Verhandlungen bereit, aber wir verweigern uns dieser primitiven Art und Weise, über das Thema zu reden.

Letzter Punkt, Herr Schäfer.

(Dr. Martin Schäfer SPD: Das war schon letztes Mal letzter Punkt!)

Sie können mit Ihrer Mehrheit tun und lassen, was Sie wollen, aber es ist kein guter Weg, erneut nur intern zu beraten und dann erst mit uns zu diskutieren. Machen Sie uns einen Vorschlag, Sie werden die FDP nicht ideologisch erleben, sondern wir werden uns konstruktiv mit Ihren Antworten auseinandersetzen. Das ist die demokratische Art und Weise im Parlament und nicht das Diktieren einer Fraktion, nachdem sie sich geeinigt hat. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Schäfer, Sie haben das Wort.