In der Clean Energy Partnership Act haben sich Technologie-, Mineralöl- und Energiekonzerne, Autohersteller sowie führende Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs zusammengeschlossen. Hier wird, das möchte ich ganz deutlich betonen, in vorbildlicher Weise technologisch auf diesem Gebiet zusammengearbeitet. Hamburg ist als Modellregion Elektromobilität schon jetzt sehr erfolgreich, das sei hier noch einmal ganz deutlich betont. In Hamburg fahren die meisten Elektrofahrzeuge in ganz Deutschland.
Wir haben alle Ziele, die wir uns als Modellregion gesetzt haben, fristgerecht erreicht oder übererfüllt. Das ist keiner anderen Modellregion in Deutschland gelungen und das hat uns auch auf Bundesebene große Anerkennung eingebracht. Dies spricht aber auch für die großen Potenziale, die derartige Verkehrslösungen gerade in einer Metropolregion wie Hamburg haben. Die Hamburger Unternehmen haben in beispielhafter Weise eine große Bereitschaft gezeigt, auch durch LOIs, an
diesem Projekt mitzuwirken. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich. Dieses unterstreicht, dass Elektromobilität auch bei den Wirtschaftsverkehren eine immer stärkere Rolle spielt und auch in Zukunft noch spielen wird.
So ist es nur folgerichtig, dass wir Anfang dieses Jahres unsere Bewerbung als sogenannte Schaufensterregion Elektromobilität beim Bund eingereicht haben. Und Hamburg hat einiges im wahrsten Sinne zur Schau zu stellen, nicht nur im Straßen- und Hafenverkehr, sondern auch in der Luftfahrtindustrie und in den Ansätzen, die wir in der Schifffahrt und der maritimen Wirtschaft erkennen. Für mich als Wirtschafts- und Verkehrssenator hat das gesamte Thema eine herausragende Bedeutung auf dem Weg hin zu Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit. Das gilt für die Wirtschaft wie auch für die Verkehrssituation und die Umweltpolitik. Dem werden wir als Senat, das versichere ich Ihnen hier, entsprechend Rechnung tragen.
Gleichzeitig, das möchte ich nicht versäumen, appelliere ich aber auch an alle politischen Kräfte, dieses insgesamt mitzutragen und mit uns gemeinsam daran zu arbeiten. Projekte dieser Tragweite sollten wir zum Wohle unserer Stadt unbedingt als eine gemeinsame Aufgabe verstehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Wird weiter das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, kommen wir zur Abstimmung.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/2996 federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien sowie mitberatend an den Umweltausschuss zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann sind diese Überweisungsbegehren einstimmig so beschlossen.
Wer möchte die Drucksache außerdem mitberatend an den Verkehrsausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist dieses Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wir kommen zu Punkt 57, Drucksache 20/3016, Antrag der SPD-Fraktion: Interkulturelle Kompetenz in den gesundheitlichen Versorgungsstrukturen Hamburgs.
[Antrag der SPD-Fraktion: Interkulturelle Kompetenz in den gesundheitlichen Versorgungsstrukturen Hamburgs – Drs 20/3016 –]
Hierzu liegen Ihnen mit den Drucksachen 20/3138, 20/3140 und 20/3153 Anträge der Fraktionen DIE LINKE, der FDP und der CDU vor.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Interkulturelle Kompetenz in den gesundheitlichen Versorgungsstrukturen Hamburgs – Drs 20/3138 –]
[Antrag der FDP-Fraktion: Interkulturelle Kompetenz in den gesundheitlichen Versorgungsstrukturen Hamburgs – Drs 20/3140 –]
[Antrag der CDU-Fraktion: Gesundheitliche Versorgungsstrukturen Hamburgs – Kompetenzen und Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund noch besser nutzen – Drs 20/3153 –]
Alle vier Drucksachen möchten die Fraktionen der FDP und der LINKEN an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Abaci, Sie haben es.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg ist eine Stadt des kulturellen gesellschaftlichen Wandels und der Vielfalt. Etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung besteht aus Zuwanderern und deren Nachkommen. Diese Hamburgerinnen und Hamburger kommen aus fast allen Teilen der Welt und haben entsprechend ihre eigene Identität und Kultur mitgebracht. Sie bereichern das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben und tragen zur Attraktivität unserer Stadt bei, und das ist gut so.
Sie stellen gleichzeitig das Gesundheitswesen vor große Herausforderungen. Zum einen sind sprachliche Barrieren zu überwinden, und zum anderen müssen kulturspezifische Wertvorstellungen und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitsverhalten, das Arzt-Patient-Verhältnis und die Therapieentscheidung angemessen berücksichtigt werden. Menschen mit Migrationshintergrund sind keine homogene Gruppe. Sie unterscheiden sich teilweise sehr nach ihrem Bildungshintergrund und ihrem sozialen Status. Wie weit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte überhaupt in das deutsche Gesundheitssystem integriert sind und an ihm partizipieren, ist eine Frage, die zurzeit niemand ausreichend beantworten kann. Die Datenlage über die Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist bislang unzureichend. Detaillierte Informationen, aufgeschlüsselt nach Herkunftsländern, Altersgruppen und Bildungsstand, fehlen für Migranten oft ganz. Die Lebensweise von Familien, sozioökonomischer Status sowie möglicherweise genetische Faktoren bestimmen
In Hamburg und Berlin wird derzeit ein Forschungsprojekt durchgeführt, welches erstmals in Deutschland die Gesundheitssituation von Menschen mit türkisch-kurdischem Hintergrund systematisch untersuchen soll. Das Forschungsprojekt wird am Universitätsklinikum Eppendorf und an der Charité durchgeführt, Kooperationspartner dieser Untersuchung ist die Marmara-Universität in Istanbul. Von Oktober 2011 bis März 2012 erhalten mehrere Tausend zufällig ausgewählte Haushalte in Hamburg einen Brief mit der Bitte, sich an einer Studie des Universitätsklinikums Eppendorf zu beteiligen. Mit den Ergebnissen wird im Herbst 2012 gerechnet.
Meine Damen und Herren! Insgesamt lassen einige der bisherigen Erhebungen den Schluss zu, dass Menschen mit Migrationshintergrund zu wenig oder gar keinen Gebrauch von Präventionsangeboten und ambulanten Hilfen machen und dafür verstärkt akute stationäre Behandlungsangebote und Nothilfeeinrichtungen in Anspruch nehmen.
Ein großes Problem ist die medizinische Versorgung von Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, die allzu häufig erst dann einen Arzt aufsuchen, wenn sie es gar nicht mehr vermeiden können und ihre Krankheit schon chronisch geworden ist. Nach der aktuellen Gesetzeslage ist es schwierig für Ärzte und Krankenhäuser, in solchen Fällen die Behandlung mit den Krankenkassen oder den Sozialämtern abzurechnen, und die Patienten selbst sind kaum in der Lage, ihre Rechnung privat zu begleichen.
Psychosomatische und psychische Störungen sind bei Menschen mit Migrationshintergrund möglicherweise öfter zu finden als in der übrigen Bevölkerung. Hier tritt erschwerend das Problem hinzu, dass seelische Probleme in der islamischen Tradition und Kultur weitgehend tabuisiert werden, weil sie als die Wirkung einer höheren Macht angesehen werden. Dies kann zu einem fatalistischen Umgang mit der Situation führen. Hinzu kommen kulturelle Barrieren, die den Gang in die Therapie erschweren können.
Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben zudem ein Sprachproblem. Wie groß das Problem sein kann, kann man vielleicht dann nachempfinden, wenn man sich vorstellt, auf Englisch einem Therapeuten über innere Vorgänge Auskunft geben zu müssen. Die sozialen Hilfsangebote in nichtdeutschen Sprachen sind in Hamburg nur unzureichend vorhanden. Das Angebot an fremdsprachlichen Therapeuten ist klein, obwohl der Bedarf sehr groß ist. Sprachliche Probleme gibt es aber auch im Klinikalltag. Nach einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von 1999 müssen sich Ärzte davon überzeugen, dass die Patienten und Patientinnen die Informationen über ihre
Krankheit verstanden haben. In der Praxis übersetzen aber eben nicht Dolmetscher in den Kliniken, sondern Familienangehörige. Das Verständnis der medizinischen Aufklärung dürfte durch diese Art der Patienteninformationspolitik erheblich beeinträchtigt sein.
Eine weitere offene Frage ist, warum die Selbstmordrate der jungen türkischstämmigen Frauen doppelt so hoch ist wie bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Das ist umso seltsamer, als die Selbsttötungsrate in der türkisch-kurdischen Bevölkerung insgesamt geringer ist als in der Gesamtbevölkerung. Erst wenn Erkenntnisse über die Gründe vorliegen, kann man entsprechend auch über präventive Maßnahmen diskutieren.
Nichtsdestotrotz muss bei der Frage der medizinischen Versorgung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte nicht bei null angefangen werden. Im Alltag haben die medizinischen Einrichtungen bei der Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund jahrelang Erfahrung gesammelt. Eine Bestandsanalyse bereits vorhandener interkultureller Ansätze in medizinischen Betreuungseinrichtungen liegt bisher nicht vor, könnte aber im Sinne der Förderung von Best-Practice-Ansätzen eine wichtige Grundlage für künftige gezielte Weiterbildungs- und Trainingsprogramme bilden.
Solche Beispiele auch aus anderen Ländern könnten zeigen, welche Herangehensweise hilfreich ist und welche nicht.
Wenn Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Durchschnitt schlechtere gesundheitliche Befunde aufweisen als die Mehrheitsbevölkerung, könnte dies zumindest teilweise auf ihre soziale Benachteiligung zurückzuführen sein, wie es innerhalb vergleichbarer sozialer Schichten der deutschen Bevölkerung ähnlich zu beobachten ist.
Inwieweit gesundheitliche Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund kulturell, migrationsbedingt oder sozial zu erklären sind, sollte ebenfalls weiter untersucht werden.
Meine Damen und Herren! Es freut uns sehr, dass fast alle Fraktionen in der Bürgerschaft, bis auf die GAL, die Wichtigkeit dieses Themas auch erkannt und ihre Zusatzanträge vorgelegt haben. Diese Zusatzanträge bringen aber qualitativ keine neuen Aspekte und beschäftigen sich mit den einzelnen Punkten, die durch unseren Antrag abgedeckt sind. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir im Ausschuss über die Ergebnisse ausführlich beraten. Daher werden wir die Zusatzanträge ablehnen. Ich bitte Sie um Unterstützung für unseren Antrag. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD, Sie legen ein inhaltlich extrem dünnes Prüfersuchen an den Senat vor und schreiben eine Pressemitteilung mit der Überschrift: "Medizinische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund verbessern!". Diese haben Sie auch noch teilweise vorgelesen, Herr Abaci. Und dann sagen Sie noch, dass Sie alle Zusatzanträge ablehnen. Ich frage mich, auf welcher inhaltlichen Basis Sie eigentlich arbeiten.
Es gibt sehr wohl zwei beachtliche Studien zu diesem Thema, einmal vom Robert-Koch-Institut und einmal von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die viele interessante Befunde vorweisen. Hätten Sie diese Studien auch gelesen, bevor Sie zusätzliche Daten anfordern, dann hätten Sie nicht zwei Fehler gemacht, vor denen in diesen Studien gewarnt wird.
Erstens: Es gibt nicht "die Migranten" als Sammelbegriff. Das ist eine extrem heterogene Gruppe von Menschen.
In Ihrem Antrag ist dies nicht thematisiert, obwohl es extrem wichtig ist, um zu verstehen, warum es Unterschiede gibt in Bezug auf die Gesamtbevölkerung und warum es Unterschiede gibt in der Gruppe der Zuwanderer als solche. In meinen Augen ist das ein großer Fehler, denn wir sprechen von verschiedenen Zuwanderergruppen.
Zweitens geht es um einen noch viel gewichtigeren Fehler. Für Sie ist "der Migrant" offensichtlich jemand, den Sie zunächst defizitär betrachten. Er bringt in Ihren Augen immer erst einmal Probleme mit. In Ihrem Antrag hat er gesundheitliche Risiken, in Ihrem Antrag hat er Sprachprobleme, und er hat psychische Probleme bis hin zur Suizidgefahr. Das ist nicht unser Bild und es ist auch nicht die Realität. Die Fachwelt spricht sogar vom sogenannten "Healthy Migrant Syndrome", auf Deutsch gesagt: das Syndrom des gesunden Migranten. Gemeint ist, dass zahlreiche Einwanderergruppen in Deutschland gesünder sind als der Durchschnitt der Bevölkerung, und sie sind auch gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung in deren Herkunftsländern. Für die Fachwelt ist die Frage so wichtig, dass sie gezielt untersucht wird; darüber sagen Sie nichts.
Wir wollen auch das Positive sehen, und deshalb haben wir einen Zusatzantrag gestellt, den Sie ablehnen. Sie wollen nämlich nicht das Positive sehen, Sie wollen den kleinen Migranten auf der einen Seite und den großen Staat auf der anderen Seite sehen, der sich um alles zu kümmern hat und immer um das Negative sehen kann.