Protocol of the Session on January 25, 2012

(Heike Sudmann)

[Antrag der GAL-Fraktion: Ausbau der ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) – Drs 20/2731 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 20/2951 und 20/2961 Anträge der Fraktionen der LINKEN und der CDU vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausbau der ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen (GBS) – Drs 20/2951 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Qualitätsverbesserungen bei der flächendeckenden Einführung von GBS – Akzeptanz bei den Eltern und Verbänden nicht aufs Spiel setzen! – Drs 20/2961 –]

Alle drei Drucksachen möchte die FDP-Fraktion an den Schulausschuss überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau Dr. von Berg, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als Grüne sind wir selbstverständlich für die Ganztagsbetreuung, dazu bekennen wir uns auch ganz klar. Deswegen verfolgen wir die Linie des Senats positiv, die letztendlich unsere Linie nur fortführt. Aber wir sind für Ganztagsschulen bei guter Qualität und nicht unter allen Bedingungen. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, den wir heute debattieren, und deswegen sind auch die anderen beiden Fraktionen mit Zusatzanträgen gekommen. Herr Senator Rabe hat in einem Interview bei 90,3 gesagt, dass unsere Forderungen völlig überzogen seien. Ist es völlig überzogen, wenn man die Betreuung von Kindern mit Behinderung angemessen ausstattet? Bisher hatten wir eine Ressourcierung von 5600 Euro pro Jahr, jetzt soll es auf 2000 Euro heruntergeregelt werden. Das ist für uns keine gute Betreuung.

(Beifall bei der GAL)

Und ich frage Sie auch, ob es eine überzogene Forderung darstellt, die Ergebnisse der Evaluation, die gerade läuft, offenzulegen? Ist es überzogen, den Übergang vom Hort in das GBS-System vernünftig zu steuern, sodass es nicht zu diesem wahnsinnigen Engpass kommt, auf den wir gerade zusteuern? Und ist es überzogen zu fordern, dass Vorschulkinder mit dem gleichen Schlüssel betreut werden wie in den Horten nachmittags? Das, meine Damen und Herren, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Eltern von Vorschulkindern, die zukünftig ihr Kind im GBS-System betreuen lassen, dasselbe zahlen wie derzeit im Hortsystem. Wir müssen das auch vor dem Hintergrund beurteilen,

dass die SOAL mit einem Rechtsgutachten bereits belegt hat, dass das rechtswidrig ist, weil es haftungsrechtlich nicht zulässig ist. Das sind vier zentrale Forderungen, und ich frage Sie, ob das überzogen ist.

Die SPD befindet sich in einem Dilemma. Sie ist mit dem Slogan "Freibier für alle" angetreten, so kommt es mir jedenfalls manchmal vor. Aber wir wissen alle, dass Qualität, auch die von Freibier, kostet. Das ist gerade das Problem der SPD, dass sie das Freibier irgendwie finanzieren muss und dass das Freibier auch allen schmecken muss. Gerade die sozial Schwachen, und das kritisieren wir als Grüne ganz besonders, müssen das Freibier für alle bezahlen.

(Beifall bei der GAL)

Das fängt bei dem schlechten Schlüssel in KESS 1 und 2 an und setzt sich beim Mittagessen fort. Es ist nicht hinnehmbar, dass Eltern – so ist im Moment die Planung, die aktuellen Zahlen liegen noch nicht vor – 3,50 Euro pro Mittagessen zahlen müssen. Das ist für Geringverdienerinnen und Geringverdiener viel Geld, wenn sie mehrere Kinder im System haben und selbst, wenn sie nur ein Kind im System haben. Die Kosten sind also noch nicht geklärt. Ein weiteres Problem, was sich um das Mittagessen rankt, ist die Ausgabe und die Produktion, und hier kritisieren wir, dass die Gestaltung des Mittagessens ohne Weitsicht erfolgt. Im Moment werden AGH-Kräfte abgebaut, und dadurch werden in nicht allzu ferner Zukunft viele Schulkantinen und viele Küchen nicht mehr arbeiten können.

(Dirk Kienscherf SPD: Wir wollen doch keine AGHs, wir wollen Normalbeschäftigte ha- ben!)

Das wird dazu führen, dass dieses sozial wichtige Mittagessen – es geht nicht nur um ein Abfüttern – nicht mehr durchgeführt werden kann, sondern die Kinder in Schichten essen müssen. Wenn man mit wirklicher Weitsicht darangehen würde, dann würden wir jetzt Räume fürs Essen schaffen und Produktionsküchen einrichten, sodass Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden, die sozialversicherungspflichtig sind, dass das Essen frisch zubereitet wird, dass Kinder sehen, dass das Essen nicht aus der Tüte kommt und dass alle gemeinsam essen können.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Diese Forderungen nehmen wir auf. Wir begleiten den Prozess hin zu Ganztagsschulen gerne mit und begrüßen ihn im Grundsatz. Ich lade Sie alle herzlich ein, mitzudiskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU)

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

Herr Czech, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem Abschluss der Vertragsverhandlungen zwischen Verbänden, Trägern und dem Hamburger Senat haben wir bessere Bildungschancen geschaffen als je zuvor. Das sollten wir erst einmal festhalten, bevor wir anfangen zu sagen, man hätte noch dieses und jenes tun können. Das ist klar, aber man muss immer noch sehen, welche Verbesserungen wir formuliert haben. Darauf würde ich gerne eingehen.

Ich freue mich, dass nach den intensiven Verhandlungen eine Grundlage für mindestens 10 000 neue Ganztagsplätze geschaffen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Dank gilt den Senatoren und ihren Behördenmitarbeitern, die das erarbeitet haben, aber vor allem den Trägern und Wohlfahrtsverbänden, die sich bewegt haben. Hier haben sich beide Seiten zum Wohle der Kinder unserer Stadt aufeinander zu bewegt. Da muss man manchmal Kompromisse machen und improvisieren, aber ich denke, das ist gut gelungen. Festzuhalten ist, dass wir unabhängig vom Beschäftigungsstand der Eltern allen Grundschulkindern, die es möchten, bis 16 Uhr eine kostenlose Betreuung geben können. Das gab es vorher noch nie.

(Olaf Ohlsen CDU: Zwangsbeglückung!)

10 000 neue Plätze – wodurch ist das möglich geworden?

(Roland Heintze CDU: Na, jetzt bin ich aber mal gespannt!)

Es gibt klare Verbesserungen im Gegensatz zum schwarz-grünen Modell. Es gibt den Kooperationszwang zwischen der Schule und den Erzieherinnen und Erziehern, die am Nachmittag arbeiten werden. Man kann sich darüber unterhalten, welche Stärken und Schwächen das Kind hat, wo man weiterhelfen kann und wie man ein gemeinsames Konzept erarbeiten kann. Schule und Hort werden voneinander profitieren. Ich bin selbst Lehrer, und ich hätte mich gefreut, wenn ich schon so hätte arbeiten können. Jetzt wird die Schule zu einem ganz neuen Ort, sie wird sich verändern. Die Schule ist natürlich weiterhin der Ort, wo Apfelblüte mit Kirschblüte verglichen wird, das Einmaleins gelehrt wird, wo man mal toben kann, aber es ist auch der Ort, wo immer jemand da ist, den man um Rat fragen kann, wo Multiprofessionalität herrscht, wo mit verschiedenen Blicken auf ein Kind gesehen wird. All das, dazu noch ein warmes, gutes Essen, ist eine zweite Heimat. Wenn das nicht die Paläste der Kinder sind, dann weiß ich nicht, welche das werden sollen.

(Beifall bei der SPD)

Das können wir Lehrerinnen und Lehrer nicht allein, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Wir brauchen die Kompetenz der Erzieherinnen und Erzieher aus dem Hortbereich, die Übungsleiterinnen, Trainer, Trainerinnen und Sozialarbeiterinnen aus der Jugendhilfe, all diese brauchen wir, diese Multiprofessionalität. Das wird durch das pädagogische Budget möglich, das wir geschaffen haben – auch eine Verbesserung gegenüber der alten Planung. Die Jugendhilfe wird zur dritten Säule.

(Beifall bei der SPD)

Es gab Unmut, das haben wir durchaus gehört, als es darum ging, dass die nachmittägliche Betreuung der Vorschülerinnen und Vorschüler nicht kostenlos ist. Das verwundert mich ein bisschen, denn das parallele Angebot von Kita und Vorschule ist in Hamburg bekannt, und genauso bekannt ist, dass es wettbewerbsneutral organisiert werden soll. So gibt es auch Kosten, und die Kosten werden genauso hoch sein wie im Kita-Bereich. Übrigens ist das nicht ganz neu. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage 20/1484 von Frau von Berg und Frau Blömeke findet man auf die Frage zur Gleichbehandlung von Elementarkindern folgende Antwort:

"Ab dem Schuljahr 2012/2013 soll für die Betreuung am GBS-Standort ein Entgelt in gleicher Höhe wie im Kita-Gutscheinsystem gezahlt werden."

Das war am 16. September, neu ist das nicht.

Zu dem Punkt, dass die Gruppengröße in der Vorschule zu groß sei. Allein dadurch, dass wir jetzt pädagogische Honorarmittel haben und dass nicht alle Kinder an allen Tagen dorthin gehen werden, werden wir faktisch eine Größe von 13 bis 15 Personen haben. Auch hier sind wir wettbewerbsneutral im Vergleich zur Kita.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ein Lobbyist!)

Wie bitte?

Eine Sache hat mich ehrlich gesagt etwas gestört in der Diskussion. Da ging es darum, dass die Vorschulkinder hier angeblich zu Versuchskaninchen werden. Herr Yildiz, das finde ich unredlich auch im Hinblick auf die intensiven Vertragsverhandlungen. So mit den Ängsten der Eltern der Vorschulkinder zu spielen, finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Zum Thema Inklusion. Auch hier haben wir die Mittel, das haben Sie richtig benannt, auf bis zu 2000 Euro erhöht. Die Schulen und Träger werden gemeinsam pädagogische Konzepte entwerfen. Die Öffnung der Schule in den Nachmittag braucht Mut, Offenheit und Entschlossenheit. Das sehen wir bei den Schulen. In 42 Schulen haben die Schulkonferenzen gemeinsam mit den Eltern beschlossen, in die GBS zu gehen, und gleichzeitig werden wir neue Ganztagsschulen installieren. Da

mit haben 60 Prozent der Schulen im nachmittäglichen Bereich geöffnet. Hier sehen Sie Entschlossenheit, Entschlossenheit aber auch im Regierungshandeln.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe selbst mit der Bildungspolitik angefangen, als es in Hamburg um die verlässliche Halbtagsgrundschule ging. Das ist nun schon einige Zeit her, jetzt ist sie Standard in Hamburg und in allen Bundesländern anerkannt. Peter Ulrich Meyer hat am Freitag daran erinnert. Er stellte im Zusammenhang dar, dass im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der Schulabgänger das Abitur bestanden hat und unsere Grundschulen in Vergleichsstudien mit anderen Bundesländern mithalten können. Mit der Öffnung der Schule in den Nachmittag über GBS oder als Ganztagsschule setzen wir diese erfolgreiche Entwicklung der Grundschulen fort. Wir schaffen gute Schulen für alle Kinder. Immer noch ist aber der Schulerfolg in großem Maße vom sozialen Hintergrund abhängig. Mit der Einführung der GBS, dem Abschaffen des Sitzenbleibens, dem Abschaffen des Abschulens und dem Aufbau einer starken Stadtteilschule, der Weiterentwicklung der Lehrerbildung und der inklusiven Bildung als Baustein machen wir die Schule hoffentlich ein bisschen gerechter. Und ich glaube, in zehn Jahren halten wir nicht nur mit, sondern sind ganz oben mit dabei. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Scheuerl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die Idee war gut und die Idee ist auch noch gut. Die Idee ist, allen Eltern in der Stadt, die das annehmen möchten oder annehmen müssen aus privaten, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen, eine kostenlose, verlässliche Nachmittagsbetreuung in der Grundschule anzubieten. Das ist eine gute Idee und sie muss, darauf haben alle Hamburger Eltern einen Anspruch, auch gut umgesetzt werden. Und hier kommen wir zu den eigentlichen Problemen.

Die Idee stammt aus der letzten Legislaturperiode vom damaligen Sozialsenator Wersich zusammen mit der damaligen Schulsenatorin Christa Goetsch. Sie ist in der Legislaturperiode nicht sehr weit fortgedrungen, weil die relativ schnell beendet war. Und heute erleben wir, wie schwierig und anspruchsvoll es für den jetzigen SPD-Senat ist, die Verzahnung der Systeme, nämlich Schulbehörde auf der einen Seite und Kinder- und Jugendhilfe auf der anderen Seite, so professionell herzustellen, dass am Ende für die Kinder und für die Familien, die darauf angewiesen sind, etwas Gutes herauskommt.

Herr Senator Scheele und Herr Senator Rabe drohen im Moment daran zu scheitern, das sieht man leider ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben inzwischen – manche von Ihnen kennen ihn vielleicht, ich habe ihn auch gelesen, Herr Czech offenbar noch nicht –