Protocol of the Session on December 15, 2011

Ich möchte Ihnen zum Schluss einen Auszug einer Presseerklärung der Stadtteilschulelternräte vorlesen. Da heißt es:

"Wenn der Schulleiter der Stadtteilschule Wilhelmsburg in der taz sagt, er habe keine Idee, wie er seine Schule für Kinder aus Eppendorf attraktiv machen könne, so ist ihm aus Elternsicht zu sagen,…"

so die Unterzeichner dieser Presseerklärung –

"…er möge vielleicht zunächst seine Schule für die Eltern aus Wilhelmsburg attraktiv machen. Wenn er das schafft und nicht alle Wilhelmsburger Schüler mit Gymnasialempfehlung auf das Gymnasium gehen, hat er auch nicht mehr die homogene Schülerschaft, die er in der taz beklagt."

Was denn nun? Gehen die Unterzeichner etwa davon aus, dass Wilhelmsburg ein sozial ausgeglichenes Pflaster mit vielen zu verteilenden Gymna

sialempfehlungen wäre? Welch eine arrogante Position.

Wir lehnen ganz einfach Ihre Anträge ab und lassen auch keine Ausschusszeit für folgenlose Fensterreden zu. Ich glaube, der Senator hat recht gehabt mit seiner Entscheidung. Über alles andere können wir dann bei anderer Gelegenheit unter einem neuen Stichwort reden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Heinemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Lein, Herr Holster wurde schon ganz nervös, als Sie geredet haben.

(Beifall bei Thomas Kreuzmann und Birgit Stöver, beide CDU)

Ich glaube, es gibt doch einen Unterschied zwischen der alten und der neuen SPD. Und ich freue mich, dass ich mehr mit der neuen SPD zusammenarbeiten muss.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es geht doch heute um eine ganz einfache Frage: Soll die Schulwahl für die weiterführende Schule rein nach dem Wohnort gehen oder geht es auch nach Neigung und Elternwillen? Die einfache Frage ist, ob ein Kind aus Jenfeld oder Steilshoop, das vielleicht Latein als erste Fremdsprache wählen möchte, künftig noch auf das Matthias-Claudius-Gymnasium gehen darf oder nicht. Oder dürfen nur noch die Kinder aus Marienthal dort hingehen? Diese Frage müssen wir doch beantworten.

Genauso müssen wir eine andere Frage beantworten. Es gibt in Berlin das Beispiel der Rütli-Schule, die sich zum Rütli-Campus gewandelt hat, die es geschafft hat, aufgrund ihres Profils auch viele Kinder aus besserstehenden Familien, aus anderen Stadtteilen in diese Schule zu bekommen. Die Rütli-Schule ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine solche Schule, die aufgrund ihres Profils auch andere Kinder anziehen kann, auch in einem sozial schwierigen Stadtteil erfolgreich sein kann. Die Frage ist, ob wir so etwas wollen oder nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Thomas- Sönke Kluth FDP)

Die Prozentsätze, die Sie genannt haben, sind zwar aktuell noch gültig, aber Sie wissen alle, dass die Schulen immer voller werden und von daher immer mehr Schulen das Problem haben, dass irgendwann nur noch die Eltern aus dem Umfeld ihre Kinder dort anmelden können und sie nicht mehr zur Verfügung stehen für Kinder aus anderen Stadtteilen.

Herr Rabe hat dieses Problem noch nicht erkannt. Er sprach auch noch sehr arrogant von der "re

(Gerhard Lein)

formpädagogischen Sau", die man nicht mehr durchs Dorf treiben wolle. Ich habe zwar noch nicht verstanden, was dieses Schulmodell oder Anwahlmodell überhaupt mit Reformpädagogik zu tun hat. Vielleicht kann er mir das erklären, aber er war länger Verlagsleiter als Pädagoge. Vor allem hat er hiermit aber Schulen tief getroffen. Eine Max-Brauer-Schule, Herr Lein, fanden Sie doch einmal toll. Auch die Max-Brauer-Schule ist tief getroffen von dieser Art und Weise,

(Lars Holster SPD: Welche denn noch?)

wie der Senator sich dieser Schule gegenüber geäußert hat. Vielleicht können Sie uns noch einmal eine entsprechende Nachhilfe geben, auch in Sachen Reformpädagogik.

Wenn Sie das Wohnortprinzip konsequent und allein umsetzen wollen, dann seien Sie auch so konsequent und sagen, wir schaffen die Schulprofile ab, die Sie einmal eingeführt haben, denn es wird sowieso jeder nur da zur Schule gehen, wo er wohnt. Seien Sie so konsequent und schaffen Sie auch die Broschüre "Den richtigen Weg wählen" ab, die braucht man nicht mehr, denn man geht da zur Schule, wo man hingehört. Veröffentlichen Sie auch nicht die Ergebnisse der Schulinspektion, das bringt auch nichts. Weshalb sollten sich die Eltern informieren, wenn sie sowieso keine Wahl haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich bin völlig bei Ihnen, wenn es um die Risiken und Nebenwirkungen geht. Sie sind in diesem Untersuchungsbericht noch nicht enthalten. Deshalb sollten wir einen Schritt weitergehen und die Risiken und Nebenwirkungen entsprechend untersuchen. Das steht auch in unserem Antrag. Von daher haben wir auch dafür plädiert, erst einmal nur 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach dem "Besonderen Anmeldeverfahren" auszusuchen. Wir haben auch ganz klar gesagt, dass das Thema der sozial heterogenen Mischung ein Ziel sein muss, damit keine reine Leistungsauslese der Allerbesten stattfindet, was Sie befürchtet haben. Ich glaube, unser Antrag ist sehr ausgewogen, er nimmt auch die Risiken und Befürchtungen auf und kann angenommen werden.

Schauen Sie aber bitte auch die Gefahren an, die das Landesinstitut sehr deutlich aufgezeigt hat für den Fall, dass man das "Besondere Anmeldeverfahren" nicht mehr ermöglicht. Es steht dort, dass dies gerade für die sozial schwierigeren Stadtteile eine große Gefahr darstellen kann. Folgen Sie dem ganz klaren Votum der Experten des Landesinstituts – das sind Ihre Experten, Herr Senator –, oder lösen Sie es auf, wenn Sie es nicht mehr brauchen.

(Beifall bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Ich war immer der Meinung, es sind die Experten, die Sie beraten. Folgen Sie dem Expertenrat, folgen Sie den Wünschen der Eltern und setzen Sie das um. Lassen Sie uns das gemeinsam evaluieren. Wir können uns dann in vier bis sechs Jahren gemeinsam die Ergebnisse anschauen,

(Dirk Kienscherf SPD: Was dann alles schiefgelaufen ist!)

wenn Sie es anders machen als bei der sechsjährigen Grundschule und auch einmal die wissenschaftliche Evaluation beauftragen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mich bei der Vorbereitung zu dieser Debatte gefragt, welche Erwartungen man eigentlich an einen Schulsenator hat. Von den vielen Erwartungen, die wir alle haben, ist mit Sicherheit eine, dass die Schulen dieser Stadt den Erfordernissen angepasst werden, und eine weitere, dass die Schulen in ihrer Schulentwicklung unterstützt werden. Einen Beitrag zur Schulentwicklung leisten ganz sicherlich die Schulversuche. Mit den Schulversuchen hat es Herr Rabe nicht so.

(Robert Heinemann CDU: Nee!)

Die einen werden erst gar nicht evaluiert, das wissen wir aus der Debatte neulich zur sechsjährigen Grundschule. Eine dieser Schulen ist übrigens gerade für den Deutschen Bildungspreis nominiert worden. Beim anderen Schulversuch, zu dem eine Evaluation vorliegt, wird sie schlicht und ergreifend missachtet. Auch hier ist eine dieser Schulen gerade für den Deutschen Bildungspreis nominiert worden.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU)

Wir haben uns die Ergebnisse dieser Evaluation sehr gründlich angeschaut. Herr Heinemann hat schon von den Risiken und Nebenwirkungen gesprochen. Auch die sehen wir durchaus. Aber was ganz entscheidend ist für diesen Antrag, ist das Thema "Erfordernisse in unserer Stadt", und das betrifft ganz klar die soziale Entwicklung und die steigenden sozialen Disparitäten, die wir in unserer Stadt haben, und zwar nicht nur zwischen den Stadtteilen, das glauben immer sehr viele, sondern innerhalb der Stadtteile entwickeln sich soziale Disparitäten. Und dem dürfen wir nicht weiter tatenlos zuschauen.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU)

(Robert Heinemann)

Ich möchte kurz aus der Evaluation zitieren, hier steht:

"Die regionale Öffnung der Stadtteilschulen, verbunden mit einem unverkennbaren Profil, ist eine Möglichkeit, Standorte in benachteiligten Stadtteilen stark zu machen. Gewinner sind nicht zuletzt die Schülerinnen und Schüler aus dem Einzugsbereich, die durch einen sozialen Mix und interessante Schulund Unterrichtsentwicklung profitieren."

Der Senator ignoriert das; das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Eines muss uns nämlich sehr klar sein: Schulpolitik ist auch Sozialpolitik und Schulpolitik ist auch Stadtentwicklungspolitik. Ich habe mir vorgestellt, wie es in zehn Jahren aussehen würde. Wenn es so weitergeht, wie die Schulpolitik momentan läuft, dann werden wir keine guten Stadtteilschulen haben, keine Leuchtturmschulen mehr, und wir werden auch keine guten Gymnasien mehr haben.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Na, super!)

Wir als GAL haben natürlich auch ein riesiges Interesse daran, auch wenn es immer anders kolportiert wird, richtig gute Gymnasien in unserer Stadt zu haben.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU und Anna-Elisabeth von Treuen- fels FDP)

Wir werden in zehn Jahren eine Verschärfung der sozialen Spaltung haben, und außerdem werden Schulen sich nicht mehr bewegen, denn wozu noch? Wozu sollen sie sich ein Profil geben, wozu sollen sie sich entwickeln, wenn es sowieso egal ist? Das Absurde an dem Ganzen ist, dass der Senator oder auch seine Fraktion jetzt die Schulinspektionsergebnisse veröffentlichen wollen. Wozu? Eine Anwahl ist doch egal, die Eltern können nicht mehr wählen, weil ihre Kinder nur in ihrem Zirkel zur Schule gehen dürfen.

Auch absurd ist, dass noch nicht einmal unsere Anträge – es sind drei Fraktionen – überwiesen werden. Sie werden einfach abgelehnt. Es wird noch nicht einmal darüber gesprochen. Das halte ich einmal wieder für die Arroganz der Macht, die hier spricht.

(Beifall bei der GAL, vereinzelt bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)