Gestatten Sie mir noch drei Bemerkungen, einmal das Stichwort parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Das wird in Berlin diskutiert und auch entschieden. Ich will nur den Hinweis geben – das ist kein Gegenargument –, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss auf Bundesebene keinerlei Zugriffsrechte auf Länderakten hat. Da wünsche ich dann den Kollegen in Berlin viel Erfolg, aus Thüringen die Akten heranzuziehen. Das
ist keine Selbstverständlichkeit und ein rechtliches Problem. Ich weiß auch nicht, ob ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in dieser Thematik im Vorfeld einer Bundestagswahl das richtige Instrument ist. Trotzdem glaube ich, dass man sich am Ende dafür entscheiden muss, ich hoffe, auch in Thüringen, denn es muss auch eine politische Aufarbeitung dieser Vorgänge geben und nicht nur eine strafrechtliche. Von daher glaube ich, dass wir zumindest in diesem Punkt, Frau Möller, einer Meinung sind.
Ein zweiter Punkt betrifft das, was Frau Schneider ansprach, diesen ominösen – mir fällt es schwer, das auszusprechen, deswegen ausdrücklich in Anführungszeichen – "Tag der deutschen Zukunft" am 2. Juni, der in Hamburg geplant ist. Ich werde jede noch so geringe rechtliche Möglichkeit nutzen, jedwedes Treiben zu untersagen, wenn ich nur die Chance habe, vor Gericht damit zu bestehen.
Ein Verbot, das vom Gericht einkassiert wird, ist, ähnlich wie bei dem anderen Verbotsverfahren, eine Blamage. Aber ich sage Ihnen heute vor diesem Parlament, dass ich jede rechtliche Notwendigkeit und jede Möglichkeit nutzen werde, hier Verbote auszusprechen. Ich sage auch deutlich, dass es mir eine wahre Freude wäre, dieses Treiben in Hamburg zu verbieten.
Abschließend noch ein Wort zu einer Bundesratsinitiative, die wir bereits am Dienstag in der Senatssitzung besprochen haben und die der Senat auf den Weg bringen wird. Wir werden eine Bundesratsinitiative ergreifen – gestern hat das entsprechend Herr Schünemann aus Niedersachsen übernommen, sodass es vielleicht zu einer Zusammenarbeit in Norddeutschland zwischen A- und B-Ländern kommen wird –, das Waffengesetz dahingehend zu ändern, dass in Zukunft bei der Erteilung waffenrechtlicher Genehmigungen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgt. Es kann und darf nicht sein, dass Rechtsextremisten in unserer Stadt und unserem Land legal – illegal ohnehin nicht – Waffen erhalten. Von daher wird der Senat auch hier eine Bundesratsinitiative ergreifen, um deutlich zu machen, dass wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln hart und konsequent alle Möglichkeiten ausnutzen werden, um Rechtsradikalen und Rechtsextremisten in Hamburg keinen Fuß breit Boden zu bieten. – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Zu der Problematik des Nicht-Wissen-Wollens möchte ich Ihnen ein Zitat von Herrn Fromm in aller Länge vorlesen. Ich lese jetzt nicht die ganzen sechs Seiten seines Aufsatzes vor, der übrigens wirklich lesenswert ist, aber ich möchte Ihnen zeigen, dass es ein Bewusstsein in den Behörden gibt. Ich war von dieser Rede angenehm überrascht, und man sollte sie sich zum Vorbild nehmen und ein bisschen offen sein. Herr Fromm sagt nämlich ausdrücklich:
"Wir haben die Dimension ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat. Die Ermordung von Menschen aus dem einzigen Grund, dass sie als 'fremdländisch' empfunden werden, passt in die Gedankenwelt der rassistischen Täter. Das wussten wir. Und wir konnten uns das als Bombenanschlag oder als Brandstiftung vorstellen, aber nicht als eine kaltblütige Exekution. Dabei hätte man es durchaus besser wissen können. Schließlich kennen wir die historischen Vorbilder dieser Leute. Wir wissen um die Skrupellosigkeit, mit der sie einen Völkermord begangen und einen Kontinent in Brand gesetzt haben."
Es wird auch von Herrn Leyendecker und vielen Leuten gesagt, dass die Behörden auf dem rechten Auge blind gewesen wären. Das heißt, es gab etwas zu sehen, aber man hat es nicht gesehen. Ich sage nicht, dass man sich das Auge zugehalten hat, aber man wollte es tatsächlich nicht sehen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Es war Ihr Senat, der gesagt hat, davon gehe doch keine Gefahr aus, wenn gesagt werde, man müsse mit kriminellen Ausländern kurzen Prozess machen. Heute wissen wir, davon geht eine Gefahr aus. Sie jedoch sagten, davon gehe keine Gefahr aus. Sie wollten nicht sehen, dass davon eine Gefahr ausgeht.
Ich komme zur Frage der Aufklärung. Herr Jarchow, wussten Sie, dass der Herr Worch, ein bekannter Ex-Hamburger Neonazi während der Zeit, als er noch in Hamburg war, mehrere gemeinsame Demonstrationen als Versammlungsleiter mit ei
nem stellvertretenden Versammlungsleiter namens Herr Wohllebe durchgeführt hat? Das heißt, es gab sehr enge Verbindungen, die beiden Herren kannten sich. Sie können mir nicht erzählen, dass die sich nur getroffen haben auf einer Versammlung – es ging dort gegen die Wehrmachtausstellung –, die sehr militant war. Es muss aufgeklärt werden,
welche Verbindungen es von Hamburger Neonazis – Herr Wulff und Herr Worch sind Beispiele – zu der gesamten Szene, auch der terroristischen Szene, gegeben hat. Ich denke, dass ein Aufklärungsinteresse besteht.
Die Behörden haben vieles nicht gesehen, aber das Problem ist ja nicht, dass es niemand gesehen hat, ein großer Teil der Gesellschaft hat es nicht gesehen. Ich sagte auch beim letzten Mal, dass es Morde von Rechtsterroristen waren und dass Menschen mit Migrationshintergrund getötet worden sind. Ich habe das, was später passiert ist, auch nicht so eingeordnet, das kann ich wirklich für mich sagen. Man schämt sich doch über sich selbst, wenn man so etwas nicht gesehen hat.
Aber es gibt viele Menschen, die es auch gesehen haben. Wenn Sie heute googeln, dann finden Sie sehr viel über die Verbindungen der Neonazis zu Gewalttätigkeiten. Da finden Sie mehr, als Sie in allen Verfassungsschutzberichten der Länder und des Bundes zusammen finden.
Hamburg ist ein völlig anderer Fall als Thüringen, was den Verfassungsschutz angeht. Ich bin auch Herrn Murk sehr dankbar, dass er in der Innenausschusssitzung selbstkritisch sagte, dass man sich in einer ganz anderen Weise hätte offenhalten müssen gegenüber der Problematik des Rechtsterrorismus.
Es muss tatsächlich aufgearbeitet werden, warum man nicht offen war, warum man die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat und warum man die Sprache der Nazis nicht ernst genommen hat. Sie haben es nämlich ernst gemeint. – Schönen Dank.
Ich mache es sehr kurz. Frau Schneider, Sie haben eben eine Chance verpasst, und ich finde es unglaublich, dass Sie nicht begreifen, welche Ungeheuerlichkeit in der Verwechslung des Wortes "können" mit "wol
len" steckt. Herr Neumann hat eben sehr ausführlich dargestellt, dass wir uns über all das streiten können. Sie können auch sagen, dass alle unfähig waren, das ist Ihr gutes Recht. Das alles können wir tun im weiteren Verfahren. Aber Sie unterstellen Vorsatz. Sie unterstellen denjenigen, die in diesem Lande für die Sicherheit ihr tägliches Leben riskieren, Vorsatz.
Das ist unglaublich. Sie haben diesen Menschen unbesehen unterstellt, dass sie es nicht wollten; das geht nicht.
Sie haben eingefordert, dass es Selbstkritik geben müsse. Ich denke, alle in diesem Hause haben deutlich gemacht, dass sie sich am Ende, wenn alles auf dem Tisch liegt, damit auseinandersetzen werden, und zwar in aller Offenheit. Und wenn es dort Dinge gegeben hat, die wirklich falsch gelaufen sind, dann ist es nicht nur unser Recht, darüber zu diskutieren, dann müssen wir es sogar, und das wollen wir auch. Aber nehmen Sie bitte die Ernsthaftigkeit aus dieser Debatte nicht heraus, indem Sie heute bereits das meinen zu wissen, was wir anderen vielleicht in wenigen Monaten aufgrund der Tatsachen beurteilen wollen. Das ist nicht angemessen.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/2455 an den Innenausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so überwiesen worden.
Punkt 66 der Tagesordnung, Drucksache 20/2357, Antrag der CDU-Fraktion: Flexibilität statt Zwang: Ganztagsschule als Angebot, nicht als Ideologie.
[Antrag der CDU-Fraktion: Flexibilität statt Zwang: Ganztagsschule als Angebot, nicht als Ideologie! – Drs 20/2357 –]
[Antrag der SPD-Fraktion: Gestaltung der Ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen – Drs 20/2585 –]