Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, ich weise darauf hin, dass Ihre Fraktion nur noch zwei Minuten Redezeit hat. – Bitte.
– Vielen Dank. Ich brauche sogar nur eine halbe Minute, denn ich komme zum Resümee meiner Rede über das Senatskonzept, das uns der Bürgermeister präsentiert hat.
Meine Damen und Herren! Seit Frau Kisseler Kultursenatorin ist haben Zitate in der Bürgerschaft Konjunktur. Mir fällt zu dem Energiekonzept des Senats eine indianische Redewendung ein, die lautet: Kleines Feuer, großer Rauch, oder auch die afrikanische Redewendung: Auch leere Tonnen geben großen Klang. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Dementsprechend werde ich versuchen, alle Argumente, die schon genannt wurden, noch einmal aufzuzählen, damit sie auch von mir genannt werden.
Ich werde auf drei Punkte hinweisen, die bisher nicht genannt wurden, und dabei lassen wir es heute bewenden.
Erstens: Ich möchte mich am heutigen Tag über etwas freuen, das für uns gar nicht so unwichtig ist, und zwar geht es um die Moorburg-Trasse. Wer von uns schon etwas länger Mitglied der Bürgerschaft ist, kann sich vielleicht noch an die Debatten zur Moorburg-Trasse in der letzten Legislaturperiode erinnern. Alle – besonders die GAL, was mich damals besonders geärgert hat – haben gesagt, das Ganze sei auf ewig festgelegt; wir hätten keine Chance, hier noch irgendetwas zu verändern, die Moorburg-Trasse komme auf jeden Fall. Heute können wir feststellen, dass die Moorburg-Trasse nicht kommt.
Die Initiative hat – gegen alle resignativen Stimmen, die behaupteten, man könne in dieser Welt sowieso nichts verändern – vielfältige Aktionen durchgeführt und gezeigt, dass ein solcher Widerstand wirklich etwas bewegen kann. Wir sollten uns als politische Menschen in dieser Stadt darüber freuen, dass hier gegen die Resignation etwas erreicht wurde und eine solche Initiative erfolgreich war. Das ist etwas, worüber ich mich an diesem Tag total freue.
Zweitens: Ich möchte mich noch einmal dem Argument widmen, das von der rechten Seite so gerne benutzt worden ist, der Gefahr der Verschwendung und wie viel Geld wir dafür ausgeben und so weiter. Wenn wir uns mit der Energiepolitik in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten auseinandersetzen und eine volkswirtschaftliche Bilanz ziehen, dann müssen wir feststellen, dass Hunderte von Milliarden Euro sinnlos verprasst worden sind.
Wir haben private – jedenfalls privat agierende – Energieunternehmen praktisch mit staatlich organisiertem privatem Geld gefüttert. Diese Mittel wurden dort über Jahre verschwendet, Hunderte von Milliarden Euro. Es sind dadurch riesige Unternehmen entstanden, die letztendlich staatlich organisiert sind und die praktisch dafür gesorgt haben, dass wir diesen Irrsinn der Atomindustrie mit unterstützt haben. Das hat zu einer zusätzlichen Verschwendung von unendlichen Milliarden Euro geführt und dazu, dass wir mit dem Atommüll auch dann immer noch leben müssen, wenn sich diese Unternehmen schon längst aus der Finanzierung der Lagerung herauskatapultiert haben. Generationen werden noch für den Atommüll bezahlen müssen, da ist eine Irrsinnsverschwendung passiert. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, dass die private Organisierung nicht das Allheilmittel sein kann. Und das haben wir in weiten Bereichen auch gelernt.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP: Der Staat hat die Subventionen gegeben! – Finn-Ole Ritter FDP: Was hat das mit den Netzen zu tun?)
Was ist jetzt wichtig in Bezug auf die Netze? Genau diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass die Sozialdemokratie völlig zu Recht – die wesentlichen Argumente dazu sind schon genannt worden – auf Bundesebene davon ausgeht, dass die Netze insgesamt ein entscheidendes Instrument sind. Warum sie das auf Bundesebene weiß und auf Hamburger Ebene nicht durchsetzt, bleibt ihr Geheimnis. Das sollten Sie uns erklären.
Herr Kluth hat eben versucht darzustellen, wie schwach die Finanzierungsgrundlage ist. Aber insgesamt hat auch er deutlich belegt, dass es zu finanzieren ist. Die Investitionen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro lassen sich über die Einnahmen finanzieren.
Das machen übrigens auch die privaten Anleger, die nicht nur in der Lage sind, die Netze zu finanzieren,
sondern im Gegensatz zu öffentlichen Bereichen auch noch zusätzliche Einnahmen erzielen möchten, weil jedes private Unternehmen natürlich 15 bis 20 Prozent dazu kalkuliert. Von daher geht es dort auch um zusätzliches Geld und insgesamt wird kein Geld verschwendet, sondern die Ausgaben sind über die Einnahmen finanzierbar. Sie selbst haben das in dieser Drucksache auch so dargestellt.
Drittens: Nach all unseren Erfahrungen – und das ist doch eigentlich sozialdemokratische Urerfahrung, da kommt das Stichwort HEW – kann man mit einem Anteil von 25,1 Prozent nichts bewirken.
Können Sie sich noch daran erinnern, wie das war? Die SPD hat uns seinerzeit gesagt, selbst wenn wir 75 Prozent haben, können wir die wesentlichen Dinge nicht entscheiden,
wir können noch nicht einmal in Bezug auf die Atomkraft entscheiden, dazu müssten wir 100 Prozent haben. Das ist doch eine ursozialdemokratische Erfahrung – und ich verstehe nicht, warum diese Erfahrung hier nicht berücksichtigt wird –, dass man nur mit 100 Prozent in der Lage ist, Einfluss zu nehmen.
Und das hat mich bei der Rede des Bürgermeisters wirklich skeptisch gemacht. Die meisten von meinen Vorrednern angeführten Kritikpunkte waren richtig, ich möchte aber noch einen zusätzlich nennen: Bevor die FDP-Fraktion wieder in der Bürgerschaft war, die eine andere Vorstellung hat, gab es unter uns einen Konsens darüber, dass die Privatisierung der HEW ein grober Fehler gewesen ist. Sowohl Ole von Beust – ich bin mir allerdings nicht so ganz sicher, ob die CDU heute immer noch dieser Ansicht ist – als auch SPD, die GAL und DIE LINKE hatten diese Erfahrung gemacht und stimmten darin überein. Diese Erfahrung mit der Privatisierung der HEW fehlte in der Regierungserklärung völlig. Dabei war das eine ganz entscheidende Erfahrung, die wir doch aufarbeiten müssten.
Meine Damen und Herren! Wollen Sie diese Erfahrungen, wo wir mit weinenden Augen dastanden und sagten, das ist jetzt verkauft, was sollen wir jetzt noch machen, mit der Beteiligung von nur 25 Prozent wiederholen? Auch hier hat die Sozialdemokratie ein kurzes Gedächtnis, das an diesem Punkt nicht zulässig ist und das wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Zum Schluss noch ein Punkt: Mit wem haben wir es da eigentlich zu tun, mit wem geht der Herr Bürgermeister diese Liaison so freudig ein? Wer ist denn Vattenfall eigentlich? Wir selbst haben in Bezug auf Krümmel erfahren können, wie unsäglich unglücklich und auch fahrlässig dieses Unternehmen agierte. Unabhängig von sonstigen Kritiken war Vattenfall auch als Unternehmen völlig unfähig.
Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt ein zweites Beispiel dafür in Hamburg. Es ist in den letzten Monaten etwas untergegangen, aber in Bezug auf die Fernwärme-Trasse werden Sie in der Presse gelesen haben, dass Vattenfall eigentlich vorgehabt hatte, diese Trasse unterhalb von Blohm + Voss zu bauen und dann nach Altona herüberzuziehen. Wer dazu aufmerksam die Zeitungen gelesen hat, konnte erfahren, dass Blohm + Voss dagegen Einspruch erhoben hatte. Blohm + Voss hat praktisch privat einen Gutachter dazu beauftragt und der hat festgestellt, dass die Trasse schlecht geplant worden war. In der Anhörung im letzten Monat bekamen wir noch einmal genau vor Augen geführt, zu welchem Ergebnis Blohm + Voss gekommen ist: Vattenfall war nicht in der Lage, eine einfache Fernwärme-Trasse vernünftig zu planen. Man hatte unter anderem einfach vergessen, dass dann, wenn man einen Tunnel baut, auch Unvorhergesehenes passieren und zum Beispiel Sand abrutschen kann. In diesem Fall wäre etwas Ähnliches wie in Köln beim Staatsarchiv passiert, diesmal beim Trockendock von Blohm + Voss. Mit diesem Unternehmen, das noch nicht einmal in der Lage ist, eine einfache Trasse unter der Elbe vernünftig zu planen, wollen wir nicht zusammenarbeiten.
Meine Damen und Herren! Wir haben keinen guten Tag, wir haben das Versprechen einer Energiewende, das nicht eingehalten wird. Alle historischen Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben, sprechen dagegen. Diese Energiewende wird leider so nicht stattfinden, sondern es wird die neue Liaison der Genossen mit den Bossen geben. Wir sind dagegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganz kurz: Wir sind kein Gemeinderat, sondern das Parlament eines Bundeslandes. Wir sollten die Diskussion auf die Energiewende konzentrieren. Wir haben eine bundesweite Energiewende beschlossen und diese muss in die
sem Land mit einer affenartigen Geschwindigkeit durchgeführt werden. Das bedeutet, dass wir Innovationen brauchen, und zwar in einem Bereich, in dem wir in Hamburg einen Vertrag haben zwischen zwei Energiekonzernen und der Stadt. Wir haben hier für kleine Unternehmen Wettbewerbsnachteile geschaffen, die eben die Innovationen, die wir brauchen, hervorbringen müssen.
Wenn wir schon Geld haben – ich glaube nicht, dass wir das Geld haben, das hier investiert werden soll –, dann müssen wir dieses Geld in Forschung und Technologie stecken. Wenn wir eine wirkliche Energiewende herbeiführen wollen und wenn Hamburg die Nummer eins im Bereich der Energietechnologien werden will, dann müssen wir in die Technische Universität, in die Wissenschaft und in das Cluster Erneuerbare Energien investieren und nicht darüber reden, 25,1 Prozent der Netze zu übernehmen. Das ist eine Diskussion, die vielleicht einem Gemeinderat angemessen ist, aber nicht einem Bundesland. – Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann rufe ich die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 4 auf, das sind die Drucksachen 20/2335, 20/2461 und 20/2463, Wahlen zu verschiedenen Gremien.
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 20/2335 –]
[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl eines Mitglieds für die Kommission für Stadtentwicklung – Drs 20/2461 –]