Protocol of the Session on November 10, 2011

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Bar- bara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Ich frage mich jedoch, warum diese Debatte stattfindet. Sie haben gerade, wie von der Bürgerschaftspräsidentin am 14. Oktober bekannt gegeben, gesagt, dass diese Flagge hängen wird. Von daher frage ich mich, warum wir jetzt noch eine Debatte darüber führen, vor allen Dingen eine Debatte, die noch nicht einmal auf einem Antrag von Ihnen gründet, sondern auf einem von der GAL.

(Gabi Dobusch SPD: Sie müssen das nicht thematisieren!)

Ist in Ordnung.

Vielleicht spricht das für die Ideen- oder Konzeptlosigkeit von Ihnen. Sie haben schon drei andere Debatten heute nicht angemeldet. Vielleicht haben Sie einfach keine Themen, über die Sie sprechen können, sodass Sie jetzt andere Anträge debattieren.

(Beifall bei der CDU und der GAL – Gabi Dobusch SPD: Uns ist das wichtig!)

Ich denke, dass politisches Handeln in diesem Bereich sehr viel wichtiger ist und den Betroffenen sehr viel mehr nützt, als hier symbolische Zeichen zu setzen. Sie sollten sich wieder dem Landesaktionsplan "Gewalt gegen Frauen" widmen und den vorantreiben. Damit helfen Sie sicher allen mehr und führen hier keine Phantomdebatten. – Danke.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Gabi Dobusch)

Das Wort bekommt Frau von Berg.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin ebenfalls verwundert. Ich habe gesehen, dass unser Antrag, über den bereits abgestimmt wurde, heute noch einmal auf der Bürgerschaftstagesordnung steht. Ich dachte, es sei schon alles durch, und jetzt habe ich eine Grundsatzdebatte zur Frauenpolitik gehört. Das finde ich wirklich verwunderlich, da kann ich mich Frau Wolff anschließen.

(Beifall bei der GAL)

Ich möchte etwas zu der Angriffslinie von Frau Dobusch sagen, dass wir vor zwei Jahren das Hissen der Fahne am Rathaus abgelehnt haben. Ich weiß noch, dass Frau Dobusch damals sagte – ich zitiere –: "Das finde ich richtig piefig." Worum ging es damals? Es gab den SPD-Antrag, am Rathaus zu hissen und eine Ausstellung im Rathaus mit dem Titel "Tatmotiv Ehre" zu machen. Unser Antrag richtete sich auch auf die Ausstellung "Tatmotiv Ehre" und auf das Hissen der Fahne an der Justizbehörde.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie haben es nicht durchgekriegt!)

Ich will Ihnen gern noch einmal erklären, warum wir das gemacht haben, weil nämlich dort das Handeln lag. Wir hatten damals die Arbeitsstelle Vielfalt eingerichtet.

(Dirk Kienscherf SPD: Wie beim CSD!)

Diese Arbeitsstelle hat sich mit Antidiskriminierung, Rechtsextremismus und Gleichstellung befasst. Dementsprechend lag dort das Handeln, und zwar niedrigschwellig. Was wir jetzt aber in der SPD erleben, ist nichts anderes als eine verbeamtete Frauenpolitik. Wir haben ein Referat.

(Beifall bei der GAL)

Zur Historie der Regenbogenfahne, wo Sie diese gerade anführen.

(Gabi Dobusch SPD: Die hing am Rathaus, obwohl die Stelle Vielfalt eingeführt war!)

Wenn Sie uns angreifen, wir wollten damals nicht am Rathaus hissen, dann erinnern Sie sich doch daran, dass Sie sich immer gegen die Regenbogenfahne am Rathaus gewehrt haben. Es war eine GAL-Senatorin, nämlich Frau Sager, die sich damals dafür eingesetzt hat, dass die Regenbogenfahne endlich gehisst wurde.

(Gabi Dobusch SPD: War das nicht Rot- Grün?)

Das zur Historie, aber das vergessen Sie gerne.

(Beifall bei der GAL)

Als Letztes möchte ich zur Sache kommen, nämlich zur Gewalt gegen Frauen. Es wurde bereits ausgeführt, dass wir auch in Hamburg ein massives Problem von Gewalt gegen Frauen haben. Mindestens jede dritte Frau erlebt Gewalt in ihrem Leben. Das diesjährige Thema ist Jungfräulichkeit, das auch in Hamburg wichtig ist, und dem wollen wir uns widmen. Ich würde mich freuen, wenn wir alle gemeinsam gegen Gewalt gegen Frauen vorgehen. Deswegen freue ich mich, dass die Fahne dieses Jahr nicht nur am Rathaus, sondern auch an den Bezirksämtern wehen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Gabi Dobusch SPD)

Das Wort bekommt Frau Kaesbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe mich den Vorrednern an. Man muss klar sagen, dass die Initiative von der GAL ausging. Auch wenn wir diese ablehnen, Frau Dobusch, ist es kein guter Stil, sich mit fremden Federn zu schmücken.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der GAL)

Ich stelle genau wie Frau Wolff fest, dass der SPD wohl die eigenen Ideen ausgehen.

(Gabi Dobusch SPD: Es ist einfach unser Antrag gewesen! – Beifall bei Katja Suding FDP)

Es gibt weltweit, aber auch in Hamburg immer noch viel zu viele Fälle von Gewalt gegen Mädchen und Frauen; das wurde bereits erwähnt. Die meisten werden sich noch an den Fall Morsal O. erinnern, der die Leidensgeschichte einer jungen Afghanin bekannt gemacht hat; ein schrecklicher Fall von Gewalt gegen eine junge Frau. Die meisten Fälle häuslicher Gewalt, bei denen hauptsächlich Frauen aus allen Schichten die Opfer sind, kommen aber nicht in die Presse und werden auch nicht von der unmittelbaren Umgebung wahrgenommen. Damit den Betroffenen geholfen werden kann, kommt es darauf an, sie zu erreichen. Es gibt in Hamburg viele Beratungsstellen und Frauenhäuser, die Hilfsangebote anbieten. Dennoch ist für einige Frauen die Hemmschwelle zu groß, sich Hilfe zu suchen. Oftmals wird die Gewalterfahrung auch gar nicht als Unrecht anerkannt.

Fraglich ist jedoch, ob den Frauen mit dem Hissen der Fahne geholfen ist und ob das der richtige Weg ist. Wichtiger sollte vielmehr sein, die Kinder und Frauen zum Beispiel in den Kindergärten, Schulen, bei der ARGE und am Arbeitsplatz mit den Beratungsangeboten und Hilfen zu informieren und sie für das Thema zu sensibilisieren.

(Beifall bei der FDP und bei Katharina Wolff CDU)

Der 25. November, aber auch alle anderen Tage im Jahr, sollte dazu genutzt werden, gegen Gewalt an Kindern und Frauen vorzugehen und sich entsprechend zu erklären. Das Hissen einer Flagge ist im Wesentlichen reine Symbolpolitik. Wir sind doch auch alle für die Einhaltung der Menschenrechte, Toleranz, Integration und das Wohlergehen der Behinderten. Dann müssten folgerichtig am 16. November, dem Internationalen Welttag der Toleranz, am 3. Dezember, dem Internationalen Tag der Behinderten, am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, und so weiter die Fahnen gehisst werden.

(Wolfgang Rose SPD: Das meinen wir doch!)

Das macht das Rathaus zwar bunter, aber je mehr Fahnen gehisst werden, desto mehr verliert das Hissen der Fahne an Wert. Viel wichtiger als Symbole sind nach wie vor die Handlungen, die den Betroffenen unmittelbar helfen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Dass die blaue Terredes-Femmes-Flagge künftig am 25. November am Rathaus gehisst wird, ist ein gutes Signal.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und ver- einzelt bei der GAL)

Es zeigt, dass Hamburg es mit einem wirksamen Opferschutz ernst meint und nicht gewillt ist, Gewalt gegen Frauen und Mädchen als Familienangelegenheit oder Privatsache zu dulden. Es kann in den nächsten Jahren gelingen, die Anzahl der Opfer häuslicher Gewalt zu senken. Das Thema muss aber aus der Scham-Ecke heraus, verehrte Abgeordnete, und dafür ist es sehr wohl notwendig, die blaue Flagge so häufig wie möglich in Hamburg zu hissen. Sie wird selbstverständlich, wie schon seit vielen Jahren, an den Büros der Fraktion der LINKEN gehisst werden, ebenso am Gewerkschaftshaus und auch bei vielen anderen Fraktionen.

(Gabi Dobusch SPD: SPD auch!)

Ich wünsche mir von den Medien, dass sie künftig nicht mehr von einem Familiendrama schreiben, wenn ein Mann eine Frau stalkt, schlägt, würgt oder erschießt, sondern von einem Verbrechen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der GAL)

Es ist noch nicht lange her, da haben wir im Eingabenausschuss eine Petition beraten, ob eine Frau

die ihr von Amts wegen weggenommenen Kinder zurückerhalten kann. Es stellte sich im Verlauf der Beratungen heraus, dass der Vater der Kinder gewalttätig gegen die Frau ist und sie misshandelt. Dennoch zieht sie, mittlerweile wieder schwanger, das Zusammenleben mit diesem Mann ihren Kindern vor.

Dieser Fall hat exemplarisch deutlich gemacht, wie komplex das Thema Gewalt gegen Frauen ist und wie schwierig es ist, sie zu bekämpfen. Bis Opfer Hilfe suchen und es schaffen, sich von ihrem Peiniger zu lösen, dauert es oft Jahre. Es muss daher Aufgabe der Politik sein, diese Phase drastisch zu verkürzen, verehrte Abgeordnete.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich möchte gern etwas intensiver auf das Thema Stalking eingehen. 87 Prozent der Stalker sind Männer, 78 Prozent der Opfer sind Frauen. Stalking wird erst seit 2007 bestraft. Die Frage ist, ob das etwas geholfen hat, denn wie so oft erreicht man mit dem Verschärfen von Gesetzen und mit repressivem Handeln nichts oder nur wenig. Wir müssen von mindestens 1000 Fällen jährlich in Hamburg ausgehen, die Dunkelziffer wird weitaus höher liegen. Ständiges Nachstellen, zum Beispiel durch Anrufe, durch SMS oder durch den Aufenthalt in der Nähe, führen beim Opfer zu schweren psychischen und physischen Reaktionen und zu ernsthaften Erkrankungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit. Wussten Sie, dass in etwa jedem fünftem Stalking-Fall nicht nur aufgelauert oder nachgestellt wird, sondern es auch zu körperlichen Attacken kommt? Verhängt die Polizei nämlich Auflagen gegen Stalker, dann eskaliert die Situation oft erst. Da fragt sich manche Frau, ob sie das Risiko eingehen soll.

Unter anderem ist eine nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit nötig, die Nachbarn, aber auch Arbeitgeber und Kollegen sensibilisiert und die Opfer erreicht. Wenn Unternehmen, aber auch Ämter und Behörden begreifen, dass sie nicht nur Mitarbeiterinnen, sondern auch potenzielle und tatsächliche Stalking-Opfer beschäftigen, ist ein guter Schritt getan. Es können zum Beispiel Auskunftsmaterialien bereitgelegt werden. Schwärzt ein Ex-Partner sein Opfer beim Arbeitgeber an, was nicht selten vorkommt, muss dies unmissverständlich zurückgewiesen werden.