Protocol of the Session on January 22, 2015

Liebe Kollegen von der SPD! Herr Dr. Duwe hat es schon gesagt, wir diskutieren dieses Thema bereits das dritte Mal. Ihr Vorgehen ist dabei immer dasselbe: Erst Verteidigung der eigenen Linie, dann Ablehnung von konstruktiven Vorschlägen,

(Dr. Monika Schaal)

und einige Wochen später vielleicht Einsicht und Umkehr. Meinen Sie ernsthaft, dass Sie das kompetent erscheinen lässt? Nehmen Sie so Ihre Verantwortung gegenüber den Bürgern wahr? Ich nenne diese Politik schwach.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Ein paar Worte zur Chronologie. Den Antrag zur Festsetzung der Überschwemmungsgebiete haben Sie abgelehnt, stattdessen gab es die Fristverlängerung für Einwendungen und einen Faktencheck. Da habe ich gedacht, die SPD ist auf dem richtigen Weg und hat die Lehren aus ihrem bisherigen Vorgehen gezogen. Das war nicht der Fall. Der nächste Antrag der FDP, ein integriertes Gesamtkonzept zu entwickeln und Lösungen für den Gewässerschutz zu finden, wurde ebenfalls abgelehnt und auf den Aktionsplan "Anpassung an den Klimawandel" verwiesen. Keine Überweisung an den Ausschuss, keine Befassung im Ausschuss, das nenne ich keine sachliche Politik. Hinzu kommt, dass man eine Anhörung im Ausschuss ebenfalls verweigert hat.

Zur Berner Au. In den letzten 100 Jahren ist dieses Flüsschen nicht einmal über die Ufer getreten. Das ist eine Posse, die es sogar bis ins ZDF geschafft hat. Ist die Neuausweisung, die jetzt kommt, ernst gemeint oder ein Wahlkampfgeschenk? Wie werden Sie diese Prüfung durchziehen? Neuberechnung schön und gut, aber das reicht nicht.

Natürlich kann der Senat Überschwemmungsgebiete festlegen. Er ist auch zu Hochwasserschutzmaßnahmen verpflichtet; das ist richtig.

(Dr. Monika Schaal SPD: Das hätten Sie auch schon machen können, Frau Stöver!)

Bei genauerem Hinsehen ist die Entscheidungsfindung bei Ihnen allerdings, gelinde gesagt, fraglich gelaufen. Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht. In Hamburg verschlammen Regenrückhaltebecken. Ufer- und Kanalflächen werden nicht gepflegt und sind in einem wirklich schlechten Zustand. Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer hat schon 2009 gefordert, die Wirkungsweisen der Rückhaltebecken zu optimieren. Nichts ist geschehen.

(Beifall bei der CDU – Sören Schumacher SPD: Bei Schwarz-Grün auch nicht!)

Seit Jahren, das möchte ich noch einmal wiederholen, wird die Pflege von Gräben und Uferrandstreifen von der Stadt vernachlässigt. Der Senat spart beim Gewässerschutz und bei der Grünpflege; Herr Dr. Duwe hat es schon gesagt. Das ist nicht richtig. Bevor man Überschwemmungsgebiete ausweist, müssen zuerst die Gründe sorgfältig analysiert werden – das ist nicht geschehen –, und erst am Ende der Kette darf die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten stehen. Dies geschieht

dann zu Recht zum Wohle der Allgemeinheit, darf aber erst nach reiflicher Abwägung erfolgen. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass die betroffenen Anwohner nachhaltig geschädigt, quasi enteignet werden. Ihr Grund und Boden ist dann nichts mehr wert.

Die Überweisung an den Ausschuss ist eine nette Geste der SPD. Ich frage noch einmal: Wahlgeschenk oder ernst gemeint? Wir müssen uns in der nächsten Legislaturperiode ernsthaft damit auseinandersetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Farid Müller GRÜNE und Finn-Ole Ritter FDP)

Das Wort bekommt Herr Bill von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in der Tat nicht die erste Debatte, die wir zu den Überschwemmungsgebieten führen, und es wird auch nicht die letzte sein; hoffentlich die letzte in dieser Legislaturperiode.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das können wir, glaube ich, zusagen!)

So kann man vielleicht schon einmal ein kleines Resümee der drei Debatten ziehen. Es begann mit einem Fehlstart und ging weiter mit einer grandiosen Salamitaktik gepaart mit einem Bumerang-Effekt. Das Ergebnis in der Bevölkerung ist totale Verunsicherung vor Ort, Ängste bei den Eigentümern und viele Proteste. Da hilft es auch nicht, Frau Dr. Schaal, wenn man die Rechtsprechung zitiert. Die Ängste sind real. Ob es nun formal eine Enteignung ist oder nicht, die Leute haben Auflagen, können nicht bauen und wissen nicht, was mit ihrem Eigentum geschieht.

Mich persönlich ärgert das, weil es der Sache schadet. Überschwemmungsgebiete werden nicht ausgewiesen, weil sich jemand gedacht hat, man müsse einmal ein schönes Überschwemmungsgebiet in den Plan zeichnen, sondern Überschwemmungsgebiete werden ausgewiesen, weil das europarechtliche und bundesrechtliche Vorgaben sind. Es ist richtig, Eigentum und Werte zu schützen und darauf zu schauen, wo das Wasser hingeht, wo Hochwassergefahren bestehen und wo man noch etwas tun muss. Allerdings, und das ärgert mich besonders, bekommt die BSU es einfach nicht hin, mit den Leuten vor Ort vernünftig zu besprechen, was sie tut, was sie plant und welche Auswirkungen das hat. Die BSU ist die Behörde in Hamburg, die zuständig ist für Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Das müsste eigentlich die Behörde sein, die am besten mit den Betroffenen vor Ort kommunizieren kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(Birgit Stöver)

Aber stattdessen macht sie heimlich – zur WM-Zeit und mitten in den Sommerferien – eine Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger und versucht, Fakten zu schaffen. Das bleibt natürlich dennoch nicht unbemerkt. Proteste und Verunsicherung sind die Folge. Das ist ein klassischer Fehlstart gewesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Birgit Stö- ver CDU)

Es war die rot-grüne Bezirksregierung, die gesagt hat, so kann es nicht gehen, wir müssen das auf die Tagesordnung setzen. Salamitaktik zum Ersten: Die BSU reagiert auf die Proteste vor Ort, setzt die vom Bezirk vorgeschlagene Anhörung an, veröffentlicht Informationsmaterialien endlich nicht mehr nur im Amtlichen Anzeiger, verlängert die Einwendungsfrist und hofft, die Kuh damit vom Eis zu bekommen. Doch der Bumerang-Effekt schlägt knallhart zu, die Proteste verstummen natürlich nicht.

Salamitaktik zum Zweiten: Im Ausschuss der Bürgerschaft wurde eine Debatte über dieses Thema kontinuierlich verhindert. Zu keinem Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode hatten wir die Chance, im Umweltausschuss über die Überschwemmungsgebiete zu diskutieren. Alle Anträge auf Anhörung wurden abgelehnt, obwohl in den Behörden schon längst neue Erkenntnisse vorlagen. Das Kalkül war, das Thema über die Wahl zur retten. Doch auch hier trat der Bumerang-Effekt ein. Es ging grandios schief, die Bürgerproteste vor Ort sind anhaltend und konstant.

Salamitaktik zum Dritten: die Ankündigung, neu zu vermessen, noch einmal neu zu planen. Das wurde erst über die Medien verbreitet und heute, pünktlich zur Debatte, dann auch offiziell vom Senat bestätigt. Ich finde das schon ganz schön dreist. Bisher hieß es immer, das Berechnungsverfahren sei anerkannt und die Berechnung alternativlos, und nun heißt es auf einmal, man könne doch noch einmal neu berechnen. Ich frage mich: Ist das ein Wahlkampftrick oder waren diese Berechnungen vielleicht schon immer nicht so eindeutig? Auf jeden Fall hilft auch das nicht, die Proteste zu befrieden.

Es wird – zum Antrag der FDP – auch nicht helfen, jetzt einfach die Bundesgesetze zu ändern. Eine Lex Hamburg hilft uns nicht weiter. Was wir brauchen, ist ein kompletter Neuanfang. Wir brauchen ein offenes, transparentes Verfahren, das zusammen mit den Betroffenen vor Ort die notwendigen Dinge regelt. Und wir brauchen Anstrengungen, die Überflutungsgefahren der Grundstücke zu minimieren. Neue Überflutungsgebiete müssen gefunden und ausgebaggert werden. Das steht sowieso im Gesetz. Damit könnte man jetzt schon anfangen und mit den Betroffenen zusammen konstruktiv daran arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Thilo Klei- bauer und Dennis Thering, beide CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es wichtig ist, aktiv vorzusorgen, um Hochwasserschäden zu minimieren, und die Prognosen aufgrund des Klimawandels erfordern das erst recht. Eine Voraussetzung dafür ist, die Gebiete zu ermitteln, die bei Hochwasser voraussichtlich überschwemmt werden. Die Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken sowie das Wasserhaushaltsgesetz verpflichten deshalb die Freie und Hansestadt Hamburg, die Überschwemmungsgebiete in Hamburg zu ermitteln und zu kartieren.

Im Sommer hat der Hamburger Senat elf neue Überschwemmungsgebiete vorläufig gesichert; Herr Bill hat auf die Umstände hingewiesen. Sie haben recht, Frau Dr. Schaal, damit haben Sie in der Tat einiges in Bewegung gebracht, es hat nämlich einen Riesenaufschrei gegeben. Nach den Diskussionen, die in den vergangenen Wochen und Monaten mit den Anwohnern der künftigen Überschwemmungsgebiete geführt wurden, gibt es nun erhebliche Bedenken an dem Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Überschwemmungsgebiete Berner Au, Lottbek, Kollau und Falkengraben.

DIE LINKE übt Kritik am bisherigen Verfahren bei der Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, da es intransparent und nicht nachvollziehbar ist. Dazu muss es Alternativen geben;

(Beifall bei der LINKEN)

es gibt übrigens immer Alternativen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch deshalb haben die Bezirksfraktionen von GRÜNEN und LINKEN in Harburg in dieser Woche in einem interfraktionellen Antrag die Aufhebung der Überschwemmungsgebiete Falkengraben/ Scheidebach durch die zuständige Fachbehörde gefordert. Wir finden, es ist verantwortungslos, ein Berechnungsmodell zur Ermittlung von Überschwemmungsgebieten anzuwenden, mit dem weder die in jüngster Vergangenheit noch die in den vergangenen Jahrzehnten aufgetretenen Wasserstände nachvollzogen werden können.

Nun hatten wir im Dezember, quasi über Weihnachten, ein Hochwasser. Ich habe das zum Anlass genommen, eine Schriftliche Kleine Anfrage zu stellen, und den Senat unter anderem gefragt:

(Martin Bill)

"Welche Kenntnisse hat der Senat über das Ausmaß der Schadenslagen infolge des Hochwassers im Dezember 2014 […]?"

Außerdem habe ich gefragt:

"In welchen Überschwemmungsgebieten beziehungsweise in welchen künftigen Überschwemmungsgebieten entstanden im Monat Dezember 2014 Schadenslagen durch Hochwasser?"

Und drittens:

"In welchen Nichtüberschwemmungsbereichen entstanden im Monat Dezember 2014 Schadenslagen durch Hochwasser?"

Zusammengefasst lauten die Antworten, erstens: Die Auswertungen der Schadenslagen dauern noch an.

Zweitens: Schäden in Nicht-Überschwemmungsgebieten, das heißt in Gebieten, die nicht als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen worden sind, sind nicht bekannt.

Das untermauert noch einmal, wie unzulänglich die Kriterien für die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten sind. Außerdem sind die Anwohner in den Entscheidungsprozess nicht genügend einbezogen worden. Inzwischen haben wir wahrgenommen – das wurde heute schon mehrfach gesagt –, dass die BSU zugesagt hat, die Überschwemmungsgebiete neu zu berechnen. Das begrüßen wir. Dafür soll die Topografie der Stadt neu vermessen und auf dieser Basis die Überschwemmungsgebiete neu berechnet werden. Diese sollen dann als Ausdehnungsflächen für Binnenhochwasser vorgehalten werden.

Offenkundig ist allerdings – und das teile ich mit einigen meiner Vorredner –, dass diese Ankündigung auch etwas mit Wahlkampf zu tun hat und mit den massiven Bürgerprotesten. Aber immerhin, es wird nun neu berechnet und im Grunde damit zugegeben, dass es echte Kriterien für die Ausweisung wohl nicht gegeben hat.

Ich will an dieser Stelle noch einmal betonen, dass es eine weitere Herausforderung gibt, nämlich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Es geht um die Verhältnismäßigkeit der Belastung der Grundeigentümer im Hinblick auf den gegebenenfalls zu erwartenden Schaden durch Überschwemmungen. Man kann das Problem Hochwasserschutz nicht in einer Weise aufziehen, dass Grundeigentümern, deren Grundstück sich in einem Überschwemmungsgebiet befindet, erhebliche Einschränkungen auferlegt werden, und zwar unabhängig davon, ob das hundertjährliche Hochwasser mehrfach oder nur einmal oder vielleicht gar nicht auftritt. Senat und Bürgerschaft müssen dafür sorgen, dass die Einschränkungen für die Anwohner möglichst gering gehalten werden, und diese Möglichkeit hat Hamburg, und zwar unabhängig von einer

Bundesratsinitiative, die viele Jahre dauern würde und den Anwohnern an der Berner Au, Lottbek, Kollau und am Falkengraben nichts bringen würde. Seit dem 1. März 2010 dürfen die Länder, außer bei stoff- und anlagenbezogenen Vorschriften, von den Regelungen des Bundes abweichen nach Artikel 72 Absatz 3 Nummer 5 des Grundgesetzes.

Der Titel des FDP-Antrags stellt sich für uns als liberale Ideologie dar; Frau Dr. Schaal hat schon etwas dazu gesagt. Die Nöte der Anwohnerinnen und Anwohner werden dadurch und auch durch Ihren Antrag in keiner Weise gemindert.

Hochwasserschutz ist sehr wichtig, das sieht die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger aus Erfahrung auch so, und im Wasserrecht sind infolge der Föderalismusreform landesrechtliche Regelungen möglich. Auch deshalb haben wir einen eigenen Antrag eingebracht, um hier einen machbaren und schnellen Weg zu unterbreiten. DIE LINKE fordert eine nachvollziehbare Ausweitung von Überschwemmungsgebieten, die die Verhältnismäßigkeit der Belastung der Grundeigentümer im Hinblick auf den gegebenenfalls zu erwartenden Schaden durch Überschwemmungen berücksichtigt. Wir freuen uns, dass er überwiesen wird und dass er dann im Umweltausschuss der nächsten Legislaturperiode auch behandelt wird.