Protocol of the Session on June 23, 2011

Dann komme ich aber auch schon zu dem, was uns trennt. Wir hätten uns bei dieser Gelegenheit – das haben wir auch hineingeschrieben – eine grundsätzliche Überarbeitung und Überprüfung der Beitragstabelle gewünscht, denn diese ist durchaus kritisch zu überprüfen. Im Bereich der Spitzeneinkommen gibt es keine Differenzierung, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass man schon ab einem für Hamburger Einkommensverhältnisse relativ normalen Einkommen diesen Höchstbeitrag zahlte.

(Gabi Dobusch SPD: Wer hat sich das denn ausgedacht? – Gegenruf von Dietrich Wer- sich CDU: Die SPD!)

Die Tatsache, dass jetzt die Beiträge abgesenkt werden, verändert das, aber sie ändert es in der Struktur nicht. Wir hätten uns eine Überprüfung gewünscht, das ist ausgeblieben und hier besteht für die Zukunft auch weiterer Handlungsbedarf.

(Beifall bei der CDU)

Dann komme ich zu dem Punkt, den wir auch schon immer angesprochen haben, die Abschaffung des Essensgeldes. Sie kostet den Hamburger Steuerzahler knapp 21 Millionen Euro. Auch wenn das die Umsetzung Ihrer Vereinbarung mit dem LEA sein mag, die der Bürgermeister Scholz schon vor seinem Amtsantritt getroffen hat, so macht es diesen Schritt nicht vernünftiger.

(Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen die Maßstäbe in Deutschland kurz einmal nennen. Wenn wir uns andere Großstädte anschauen, dann liegen selbst Berlin und Hannover mit 23 Euro und 30 Euro über dem Hamburger Niveau. In Heilbronn zahlt man bei sieben Stunden Betreuung sogar ein Essensgeld von 50 Euro

(Dr. Andreas Dressel SPD: Heilbronn ist vielleicht nicht unser Maßstab! Wie ist es denn mit Heidelberg? – Dietrich Wersich CDU: Heilbronn hat kostenlose Kitas!)

und in München, das in etwa vergleichbar ist – hören Sie gut zu –, zahlt man 3 Euro pro Tag. 3 Euro sind das Dreifache dessen, was in Hamburg bisher Stand war. Wir sind weiterhin der Meinung, dass ein Kostenbeitrag von 1 Euro, den Hamburger Eltern entrichten, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage, den Ihr Senator auch immer wieder betont, und vor dem Hintergrund, dass

Kinder hier eine vollwertige Ernährung erhalten, angemessen und auch erforderlich ist.

(Beifall bei der CDU)

In Wahrheit verteilen Sie nämlich an dieser Stelle kurzsichtig Wahlgeschenke für eine Kernaufgabe, die Eltern zu erfüllen haben. Ich erlaube mir nur einmal den Hinweis auf die Eltern, die ihre Kinder nicht in der Kindertagesbetreuung haben. Sie zahlen natürlich weiterhin das Mittagessen ihrer Kinder vollständig selbst und sie werden nicht in der Lage sein, für 1 Euro am Tag für ihre Kinder zu kochen, denn in Wahrheit wurde das Kita-Essen auch bisher schon zu zwei Dritteln bis drei Vierteln subventioniert. Auch vor diesem Hintergrund ist die Abschaffung des Essensgeldes falsch.

(Beifall bei der CDU und bei Katharina Fege- bank GAL)

Lassen Sie mich dazu noch einen Hinweis geben: Sie bedienen damit natürlich eine Anspruchshaltung, die ich für die Zukunft für gefährlich halte. Ich sage das auch als junger Familienvater – ein Kind in der Kindertagesbetreuung, das zweite wird in wenigen Monaten in die Krippe kommen –: Sie mögen mit dem LEA geredet haben und es mag diese Ansprüche geben, aber ich kenne keine Eltern im Normalverdienerbereich, die hier den Anspruch gehabt hätten, dass das Essen für ihre Kinder zukünftig kostenlos sein müsse. Das ist nicht notwendig gewesen und das sind 21 Millionen Euro, die uns an anderer Stelle fehlen.

(Beifall bei der CDU)

Zum zweiten Kritikpunkt: Bislang ist der Senat weit davon entfernt, den eigenen Anspruch einer soliden Gegenfinanzierung einzulösen. Nicht nur wir, sondern alle Fraktionen haben Herrn Senator Scheele im Familienausschuss mehrfach gefragt und er war entweder nicht willens oder nicht in der Lage, auf diese Frage einzugehen, jedenfalls ist nichts genannt worden. Nun ist der Haushaltsplan-Entwurf vorgelegt worden und die Katze ist aus dem Sack. Was wir dem entnehmen können, ist, dass globale Minderausgaben in Höhe von 80 Millionen Euro, die nach der Planung des alten Senats auslaufen sollten, nicht nur weiterlaufen, sondern Sie haben sie sogar noch um 56 Millionen Euro auf 136 Millionen Euro erhöht. Was bedeutet das aber? Das bedeutet, dass Sie dauerhafte Mehrausgaben im Kindertagesbereich – rund eine halbe Milliarde Euro in den nächsten zehn Jahren – durch globale Minderausgaben gegenfinanzieren. Sie haben strukturelle Mehrausgaben, aber keinerlei strukturelle Gegenfinanzierungsmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Ich halte an der Stelle fest, dass bei diesem vorrangigen Senatsvorhaben von solider Finanzierung

weit und breit keine Spur ist. Unsere Befürchtung ist, dass es den Eltern von Kita-Kindern bald ebenso ergeht wie den Studierenden der Hochschulen in Hamburg. Erst kommt die finanzielle Entlastung, für die Sie sich feiern lassen, und dann werden Angebot und Betreuungsqualität heruntergeschraubt und damit ein bleibender Schaden für die Attraktivität Hamburgs in Kauf genommen.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Dies wäre nicht nur unsolide, das wäre auch weit entfernt von ordentlichem Regieren. Das ist auch an dem deutlich geworden, was weiter angekündigt worden ist, ich will kurz die drei Punkte nennen: einmal der vorgezogene Rechtsanspruch ab zwei Jahre, die schrittweise Abschaffung jeglicher Gebühren für das fünfstündige Angebot und auch, was schon bald kommen soll, die Verringerung der Betreuungsrelation in KESS-1- und KESS-2-Gebieten. Wenn man sich diese Ankündigungen einmal anschaut, wird offenkundig, dass es an einer Gesamtfinanzierungsperspektive in Sachen KitaBetreuung bislang völlig fehlt.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe ausgeführt, dass es Positives und Negatives gibt. Wir werden uns enthalten. Gegen die Richtigstellung des Gesetzes ist nichts einzuwenden, aber auch da werden wir uns konsequenterweise enthalten. Wir werden auf jeden Fall in den nächsten Jahren mit Argusaugen darauf achten, dass der Qualitätsstandard, den wir in unserer Regierungszeit in der Kindertagesbetreuung in Hamburg aufgebaut haben, auch erhalten bleibt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist richtig mutig!)

Kurzsichtige Beitragsentlastungen wie beim Essensgeld dürfen Qualitätsverbesserungen und auch den weiteren Ausbau nicht gefährden. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke. – Das Wort hat Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für viele Eltern dieser Stadt ist heute ein guter Tag, weil mit der Verabschiedung des Kita-Sofortprogramms die Rücknahme der Gebührenerhöhung an erster Stelle steht und die finanzielle Belastung der Familien somit reduziert wird. Wir Grünen begrüßen die Rücknahme der Gebührenerhöhung ausdrücklich. Es ist für die Familien dieser Stadt ein gutes Signal, wenn politischer Wille dafür sorgt, dass die Kinderbetreuung zu den ersten Maßnahmen gehört, die ein Senat anpackt, und er somit auch der Kindertagesbetreu

(Christoph de Vries)

ung den Stellenwert gibt, den sie gesellschaftlich benötigt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Aus diesem Grund können wir den Weg des Sofortprogramms mitgehen, gerade weil es für die Familien dieser Stadt ein so wichtiges Signal ist.

Aber, meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, Eltern wollen auch der Qualität der Kindertagesbetreuung vertrauen und sie wollen, dass die frühkindliche Bildung und die Förderung in den Kitas wirklich stattfinden kann. Dazu braucht es noch mehr als die finanzielle Entlastung von Eltern. Hier sind Verbesserungen in der Betreuungsqualität gefragt. Das Kita-Sofortprogramm aber vernachlässigt gerade diese Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung. Es vermittelt den Eindruck, dass es ein vorrangiges Problem für die Eltern war, 1 Euro für das Mittagessen ihrer Kinder zu zahlen oder für ihre 14-jährigen Kinder keinen Hortplatz mehr zu erhalten. Tatsächlich aber war es ein vorrangiges Thema für viele Eltern und ist es immer noch, dass die Gruppen zu groß sind und ihre Kinder eben nicht immer diese Zuwendung und Förderung erhalten, die sie sich wünschen, und das nicht nur im sozialen Brennpunkt, sondern gerade auch im Krippenbereich. Genau hier besteht Handlungsbedarf. Viele Eltern und auch der Landeselternausschuss kritisieren zu Recht, dass zu wenig in die Ausbildung von Erziehern und Erzieherinnen investiert wird, und unterstützen uns Grüne in unserer Forderung nach einem höheren Anteil akademisch ausgebildeter Fachkräfte.

(Beifall bei der GAL)

Experten kritisieren, dass die Sprachförderung immer noch kein Kriterium für einen Ganztagesplatz ist. Auch das ist eine grüne Forderung und die wollen wir auch weiterverfolgen.

(Beifall bei der GAL)

Wo wir gerade bei dem Thema Ganztagesplätze sind, möchte ich eine Frage in den Raum stellen: Wäre es nicht vorrangiger, Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern einen ganztägigen Kita-Platz zu ermöglichen, bevor wir daran gehen, alle Eltern, auch Gutverdiener, vollständig von ihrem Anteil eines Mittagessens für ihre Kinder zu befreien und hierfür 20 Millionen Euro auszugeben?

(Beifall bei der GAL)

Meine Damen und Herren! Auch die temporär verbesserte Situation bei den Steuereinnahmen – der Finanzsenator sprach gestern von 600 Millionen Euro – ändert wenig daran, dass wir sorgsam mit dem Geld umgehen müssen. Die Ausgaben für Sozialleistungen steigen so schnell wie kein anderer Ausgabenblock, wobei sich das Tempo in den letzten Jahren noch kontinuierlich erhöht hat. Das ist auch kein Hamburger Phänomen, sondern eine bundesweite Entwicklung. Diese Kostensteigerung

schränkt den Spielraum für politisch gestaltbare freiwillige Leistungen weiterhin ein und genau deswegen müssen wir kritisch abwägen, wofür Geld ausgegeben wird. Wir Grünen glauben, dass wir zukünftig nicht den finanziellen Spielraum haben werden, um gleichzeitig umfangreiche Gebührenbefreiungen für die Eltern und ebenso die notwendigen umfangreichen Verbesserungen in der Betreuungsqualität erreichen zu können.

Wir tragen dennoch das Senatsprogramm mit, gerade weil es uns wichtig ist, ein Signal an die Eltern zu senden, die wirklich in den letzten anderthalb Jahren einem Wechselbad nach dem anderen ausgesetzt waren. Wir tragen das Senatsprogramm mit, weil es uns wichtig ist, die Gebührenerhöhung zurückzunehmen. Danach aber werden wir die SPD kritisch auf ihrem Weg begleiten und schauen,

(Dirk Kienscherf SPD: Wie ist es denn mit den Kann-Kindern gewesen, Frau Blöme- ke?)

ob und in welchem Umfang überhaupt die Qualität in der Kindertagesbetreuung verbessert wird. Erste Ankündigungen gab es, aber wir werden sehen, ob die SPD ihren Weg da vorwärts geht, und das werden wir kritisch begleiten.

(Beifall bei der GAL)

Herr Ritter hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor zwei Wochen haben wir uns in diesem Hause mit der Senatsmitteilung zur Rücknahme der Kita-Gebührenerhöhung und Streichung des Essensgeldes beschäftigt. Heute nun wird auf Antrag der SPD dieses Thema erneut vor dem Hintergrund des entsprechenden Berichts des Haushaltsausschusses debattiert.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Danke schön, Herr Dressel, richtig.

Da stellt sich natürlich zunächst die Frage, ob die Befassung des Haushaltsausschusses mit dem Kernproblem der mangelnden Gegenfinanzierung dieses SPD-Wahlgeschenks irgendwelche neuen Erkenntnisse oder sogar Lösungsansätze gebracht hat.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja!)