Protocol of the Session on July 10, 2008

Ich fasse zusammen: Das Büchergeld trägt zur sozialen Ausgrenzung von Kindern in den Schulen bei. Es belastet viele Familien, auch aus der Mittelschicht. Es be- und verhindert Chancengleichheit und es ist nicht zuletzt ein furchtbares, bürokratisches Monster.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Alles das, meine Damen und Herren von der GAL, wissen Sie. Sie können es nicht verdrängen und Sie haben jetzt die Chance, ganz konkret etwas für die Kinder und die Familien gegen ihre soziale Ausgrenzung zu tun. Sie haben jetzt die Chance, Ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten, indem Sie mit uns für die Abschaffung dieser Bildungsgebühren stimmen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass die GAL auf den zweiten Beitrag verzichtet, der erste war nämlich peinlich genug.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Ja!)

Es ist schon gesagt worden, dass eine breite Kritikbewegung in Bayern dazu geführt hat, dass die CSU das 2005 eingeführte Büchergeld zwar mit Zaudern und Hinhalten und so weiter, jetzt aber doch zum Schuljahr 2008/2009 abschafft. Warum soll in Hamburg nicht möglich sein, was in Bayern möglich ist?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Und warum erhebt das reiche Hamburg Büchergeld, während das arme Mecklenburg-Vorpommern darauf verzichtet?

Es gab auch in Hamburg eine breite Kritikbewegung und auch heute sind noch einmal jede Menge Argumente gegen das Büchergeld gekommen. Leider fällt den Regierungsparteien dazu wirklich nichts mehr ein.

Ich will auf die Resonanz verweisen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist gut!)

die der Armutsbericht vom Mai dieses Jahres hervorgerufen hat. Immer noch sind Familien mit Kindern ein Armutsrisiko. Kinder zu haben, ist ein Armutsrisiko. Man mag über die Tendenz streiten, aber es steht fest, dass für viele Familien ein Kind zu haben, ein Armutsrisiko ist.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist so!)

Zahlreiche Organisationen haben deshalb infolge dieses letzten Armutsberichts auch von der Bundesregierung konsequente Strategien gegen Kinderarmut gefordert. Das Deutsche Hilfswerk hat zum Beispiel einen Katalog vorgelegt, in dem es ein nationales Programm zur Bekämpfung von Kinderarmut, darunter den Ausbau des Kindergeldes zur Grundsicherung und – hierauf kommt es mir an – eine Bildungsoffensive gefordert hat. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat ebenfalls im Mai ein Dossier zum Thema Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland vorgelegt, indem es unter anderem auch auf Instrumente zur Armutsreduzierung und Prävention abgestellt hat.

Da ist von früher Förderung von Kindern, von Förderung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien und vom Nachteilsausgleich die Rede. Das allernaheliegendste Instrument in diesem Sinne ist die Abschaffung von Gebühren, die ausschließlich Familien mit Kindern belasten. Denn dieses Büchergeld betrifft tatsächlich nur Familien. Es betrifft nicht den Singlehaushalt, es betrifft nicht gut verdienende Ehepaare ohne Kinder, es betrifft ausnahmslos Familien mit schulpflichtigen Kindern. Es betrifft ganz besonders die nicht wohlhabenden Familien mit Kindern, es belastet besonders die armen Familien und es erschwert den Zugang zur Bildung sozial selektiv.

(Wilfried Buss)

Der Antrag der SPD, den wir unterstützen, kennzeichnet die sozial diskriminierende Wirkung des Büchergeldes zutreffend. Viel ist dem nicht mehr hinzuzufügen und deshalb sage ich auch nur noch eines.

(Olaf Ohlsen CDU: Ja, dann mach Schluss jetzt, komm!)

Sie können mich ruhig siezen.

Die UNICEF hat 2007 sechs Dimensionen von Armut in den reichen Industrieländern unterschieden, neben der materiellen Situation, der Gesundheit und anderem auch die Bildung. Sie von der Regierung sorgen dafür, dass die verschiedenen Dimensionen der Armut sich gegenseitig verstärken.

Ich gehöre einer Generation an, die die Abschaffung des Schulgeldes für das Gymnasium im Schuljahr – ich erinnere mich noch sehr gut – 1958/1959 erlebt hat. Mir hat die Abschaffung, die für mich damals gerade rechtzeitig kam, ermöglicht, auf das Gymnasium zu gehen. Wie vielen Kindern erschwert oder verwehrt das Büchergeld die weiterführende Schulausbildung bis zum Abitur? Haben Sie darüber nachgedacht?

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Gwosdz.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Der Präsident hatte Frau Schneider freundlicherweise den Vortritt vor mir gelassen, wir haben nicht auf einen zweiten Wortbeitrag verzichtet.

Herr Buss, Sie haben unseren Koalitionsvertrag offensichtlich nicht gelesen, wenn Sie sagen, wir hätten im Sozialbereich überhaupt nichts und keine weiteren Entlastungen für Familien erreicht. Ich möchte einmal drei Beispiele nennen: Wir haben die Wiedereinführung des Sozialtickets,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Was ist denn das für ein Sozialticket? Das ist doch kein Sozi- alticket!)

wir haben eine Härtefallregelung bei Kita-Gebühren, wir werden den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auf zwei Jahre absenken und was vor allem eine ganz wesentliche Entlastung für alle Familien mit Kindern ist, ist das gebührenfreie letzte KitaJahr.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das sind wesentliche Punkte, die die Familien entlasten, und zwar weitaus mehr als das Büchergeld.

(Carola Veit SPD: Wann denn?)

Ich möchte noch zwei Punkte ansprechen. Wenn die Bücherhändler für die Schulen die Bücher be

sorgen, dann ist das natürlich auch eine Verwaltungsentlastung für die Schulen.

Als letzten Punkt an Frau Heyenn gerichtet: Wenn die Volkspetition erfolgreich ist, dann werden wir natürlich die Diskussion im Schulausschuss führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ingo Egloff SPD: Sonst nicht, oder was?)

Das Wort erhält Herr Beuß.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Auch das noch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen als Lehrer – über zehn Jahre – im sozialen Brennpunkt St. Georg denke und daran denke, mit welch verheerenden Büchern und Unterrichtsmaterialien wir teilweise in der Zeit arbeiten mussten, dann, kann ich nur sagen, bin ich froh darüber, dass wir das Büchergeld eingeführt haben, damit die Schulen endlich in die Lage versetzt werden konnten, vernünftige und aktuelle Bücher zu bestellen, zu kaufen und den Schülern auch zu präsentieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Die Kollegen von der SPD tun so, als wenn wir damals alles irgendwie ganz toll und realistisch und gut übernommen hätten. Nein, so war es nicht. Die Bücher und Atlanten waren zu der Zeit veraltet, sie waren verschmutzt, sie waren zerfleddert und sie waren zu großen Teilen eine Zumutung und die Schulen hatten nicht das Geld, um neue Bücher anzuschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Büchergeld hat frisches Geld in die Schulen gebracht, was dazu geführt hat – egal, Herr Buss, ob nun über Bücherhandlungen oder wie auch immer –, dass Kinder mit gutem Unterrichtsmaterial arbeiten. Das ist eine Voraussetzung dafür, sie für das Leben fit zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Dann wird hier auch immer so viel von sozialer Benachteiligung geredet. Die hat es auch zu Ihrer Zeit schon zum Beispiel bei der Beantragung von Klassenfahrten gegeben. Ich finde es gut, dass wir eine soziale Abfederung für diejenigen haben, die nicht in der Lage sind, dieses Büchergeld selbst aufzubringen. Sie tun so, als wenn diese Menschen keine Bücher kaufen könnten. Das können sie sehr wohl und alle Schüler in Hamburg profitieren von dieser Regelung.

(Beifall bei der CDU)

(Christiane Schneider)

In Teilen hat mich diese Debatte wirklich befremdet. Rot-Rot nimmt langsam ganz kräftig Gestalt an und fängt hier an zu leben.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist doch schön! Wunderbar!)

Was hier an ideologischem Quaskram gesagt worden ist, ist teilweise wirklich unbeschreiblich. Da redet Herr Buss von der SPD in diesem Zusammenhang vom Ende der Demokratie. Er mahnt die Menschenrechte an. Ich glaube, es hätte nur noch gefehlt, Herr Buss, dass Sie das Ende des Abendlandes angemeldet hätten. Das sind keine Argumente, die Sie gebracht haben, weil Sie nämlich keine Argumente in diesen Fragen haben.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)