Protocol of the Session on July 10, 2008

geäußert im Schulausschuss 1990 zu Zeiten von Frau Rosemarie Raab.

(Wolfgang Beuß CDU: Das waren Zeiten! Unterirdisch waren die!)

Das waren tolle Zeiten. Da stimmen Sie doch mit mir überein.

Aber es geht natürlich auch ein bisschen aktueller. Sogar Ihre bayerische Schwesterpartei hat nach dem Willen des amtierenden Ministerpräsidenten Beckstein die Absicht, die in etwa zum gleichen Zeitpunkt umgesetzte Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Bayern wieder rückgängig zu machen.

(Wolfgang Beuß CDU: Seit wann gucken Sie nach Bayern? – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Nur bis zur Wahl!)

Manchmal lohnt sich der Blick über Ländergrenzen, Herr Beuß.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten auch einmal hinschauen können. In Bayern zahlen die in der Grundschule nämlich nur 20 Euro und am Gymnasium 40 Euro und nicht das, was wir in Hamburg zahlen.

Vielleicht sollten Sie noch einmal in die Koalitionsvereinbarungen hineinschauen, denn da haben Sie selbst Forderungen bezüglich der gleichen und gerechten Chancen für alle Kinder Hamburgs aufgestellt. Für den, der es nicht mehr weiß, auf Seite 7 steht:

"Wesentliches Ziel von Bildungspolitik ist es nach Auffassung der Koalitionspartner, Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft gleiche und gerechte Chancen […] zu ermöglichen."

(Wolfgang Beuß CDU: Aber nicht zum Bü- chergeld!)

Auch zum Büchergeld – Herr Beuß, Sie irren sich – hat man im Koalitionsvertrag etwas geschrieben. Das sollten Sie doch noch einmal nachlesen.

Lassen Sie es bitte nicht bei der halbherzigen Ankündigung lediglich einer gerechteren Lernmittelverordnung, indem Sie eine Neudefinition der Förderberechtigten anstreben. Das wäre zu kurz gegriffen.

Sie haben mit der Annahme des Antrags, den wir hier gestellt haben, darüber hinaus die Möglichkeit, den durch die momentan laufenden und noch angekündigten Schulreformen mehr als geforderten Lehrern, Eltern und sonstigen Mitarbeitern an den Schulen ein Stück bürokratische Entlastung wenigstens an diesem Punkte zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Sie können Punkte machen, meine Damen und Herren. Machen Sie mit, kehren Sie zurück zur

Lernmittelfreiheit, eine der wirklich großen Errungenschaften der Nachkriegszeit. Schaffen Sie das unsoziale und durch seinen bürokratischen Aufwand unsinnige Büchergeld wieder ab. Am einfachsten natürlich damit, dass Sie heute unserem Antrag aus der Drucksache 19/441 zustimmen. Wenn das aus den üblichen Gründen der Parlamentsroutine nicht geht, dann übernehmen Sie doch einfach unseren Antrag. Sie dürfen da sprachlich auch noch etwas verändern und unter Ihrem eigenen Namen einreichen, aber schaffen Sie dieses unselige Büchergeld wieder ab. – Danke.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Lemke.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Überschrift des SPDAntrags, den wir heute besprechen, lautet:

"Kein Büchergeld in Hamburg – Abschaffung der Lernmittelgebühren".

Eigentlich müsste die Überschrift "Wiedereinführung sozialdemokratischer Mangelverwaltung an Schulen" lauten.

(Beifall bei der CDU – Wilfried Buss SPD: Oh, oh!)

Herr Buss, nicht scharren, nicht murren, bitte einfach zuhören.

(Wolfgang Beuß CDU: Er kann nicht an- ders!)

Wir sind uns sicherlich einig, dass die Qualität und Leistungsfähigkeit von Schule nicht von der Schulstruktur allein abhängt, sondern auch von den Pädagogen und der Qualität der Lernmittel, also der Hilfsmittel, mit denen der Unterricht gestaltet wird, insbesondere auch vom Buch.

Als das Büchergeld eingeführt wurde, hatten wir die Situation – vielleicht erinnern Sie sich noch daran –, dass viele Bücher an den Schulen so hoffnungslos veraltet waren,

(Zuruf von Wilfried Buss SPD)

dass den Schülern teilweise zehn Jahre alte Bestände im Unterricht vorgesetzt wurden.

(Wilfried Buss SPD: Sind sie immer noch! – Ingo Egloff SPD: Meinen Sie, dass sich dar- an etwas geändert hat?)

Das muss man den Leuten auch einmal sagen. Ich schlage vor, dass Sie jetzt einmal die Augen schließen und sich in den Leser eines Schulbuches versetzen, welches 1996 geschrieben wurde, zum Beispiel über die Themen Globalisierung, Energieversorgung, Klima, Sicherheitspolitik, Ter

(Andrea Rugbarth)

rorismus. Dieses Buch wäre doch kalter Kaffee, völlig uninteressant, ganz zu schweigen von der fehlenden Interaktivität.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Vielleicht hätten Sie Ihre Rede neu schreiben sollen!)

Was wollen Sie damit im Unterricht machen? Wie wollen Sie die Liebe der Schulkinder zum Buch als Informationsträger und Unterhaltungsmedium wecken? Das funktioniert doch gar nicht.

Jetzt zum Thema Lernmittelfreiheit. Die SPD strickt hier an der politischen Legende, dass es bei der SPD eine richtige Lernmittelfreiheit gab. Aber die Realität sah doch ganz anders aus. Auch da mussten doch viele Schüler einzelne Bücher selber kaufen, zum Beispiel teure Atlanten. Es gab das Kopiergeld, das an vielen Schulen erhoben wurde. Wo ist denn da die Lernmittelfreiheit, die Sie als so sozialdemokratisch beschwören?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Ich glaube, es erübrigt sich der Hinweis, dass es auch einige sozialdemokratisch regierte Bundesländer mit Lernmittelgebühren gibt. Es ist wirklich die Frage, welche Anträge gestellt werden, wenn man in der Regierung oder in der Opposition ist.

Apropos Finanzen. Wo findet sich in Ihrem Antrag der Hinweis auf die Gegenfinanzierung dieser erforderlichen Ausgaben?

(Wolfgang Beuß CDU: Richtig!)

Da gibt es gar keine Gegenfinanzierung. Meine Damen und Herren, bei der SPD fällt das Geld einfach vom Himmel.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von Wilfried Buss SPD und Michael Gwosdz GAL)

Wir steigern die Zukunftschancen unserer Kinder nicht, wenn wir ihnen eine völlig überschuldete Stadt zurücklassen.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Jetzt fiel in Ihrem Antrag das Wort Chancengleichheit. Die SPD sieht durch das Büchergeld die Chancengleichheit gefährdet. Dem kann ich mich überhaupt nicht anschließen. Sie erreichen keine Chancengleichheit, wenn Schüler, die schon zuhause nicht mit Büchern leben, auch in der Schule nicht an das Buch herangeführt werden. Chancengleichheit erreichen Sie nur mit guter Bildungsqualität, die auch Defizite auffängt, die vielleicht zuhause bei den Schülern bestehen.

Natürlich ist das Büchergeld eine finanzielle Belastung der Eltern.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aha!)

Das ist völlig klar und dessen bin ich mir auch bewusst.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber Sie han- deln nicht!)

Aber das Geld ist nach unserer Auffassung sinnvoll und gut angelegt. Im Übrigen haben wir natürlich – darauf ist auch schon hingewiesen worden – die Möglichkeit der Förderberechtigung. Immerhin sind hier 2 Millionen Euro im Schuljahr 2006/2007 für Förderberechtigte ausgegeben worden.

Zum Thema bürokratisches Monstrum. Ich erinnere mich noch an die damalige Einführung des Büchergeldes. Es ist völlig richtig, dass es damals Schwierigkeiten mit dem Computerprogramm LITTERA. Ich glaube, ich habe selber an dieser Stelle gesagt, dass der Weg zum Altar lang ist, aber dass er sich lohnt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das völlig richtig ist. Ich höre auch, dass dieser bürokratische Aufwand an Schulen durch das Computerprogramm inzwischen auf ein notwendiges, vernünftiges Maß reduziert werden konnte. Von bürokratischem Monstrum kann hier gar nicht die Rede sein.