Protocol of the Session on November 24, 2010

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/7813 an den Kultur-, Kreativwirtschafts- und

(Dr. Dorothee Stapelfeldt)

Medienausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf, Drucksache 19/7759, Antrag der GAL-Fraktion: Zukunft der Rindermarkthalle in St. Pauli – Offene Räume und offenes Verfahren.

[Antrag der Fraktion der GAL: Zukunft der Rindermarkthalle in St. Pauli – Offene Räume und offenes Verfahren – Drs 19/7759 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/7917 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Areal Alter Rindermarkt St. Pauli – öffentlichen und ergebnisoffenen Planungsprozess fördern und unterstützen – Drs 19/7917 –]

Wer wünscht dazu das Wort? – Herr Becker wünscht das Wort, er hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor einigen Jahren hat der FC St. Pauli einen Werbeslogan benutzt, der lautete: Real kauft bei Ajax, wir kaufen bei Real. Aber seit Ende Mai dieses Jahres ist das nun überhaupt nicht mehr so, denn nach der Schließung des Marktes mussten neue Nutzungsüberlegungen angestellt werden für die Alte Rindermarkthalle. Das hat erst einmal für ein paar Verwerfungen gesorgt. Wir haben erlebt, dass durch Pressemitteilungen in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, die geplante Bürgerbeteiligung sei eine Farce, weil man den Eindruck bekam, dass die sogenannte Music Hall schon gesetzt gewesen wäre. Das hat zu den Protesten geführt und zu sehr viel Aufregung im Stadtteil. Wir haben das alle mehr oder weniger nahe mitverfolgt und kennen diesen Vorgang. Nun muss natürlich die Zukunft dieser Halle geplant werden.

Aber wir können nicht in eine Beteiligung gehen, wenn die Leute schon vorher denken müssen, dass das Ergebnis schon feststehe. Deswegen bringen wir heute eine Initiative ein, um einen Neustart in dieser Debatte zu machen. Ein Neustart bedeutet, dass im Stadtteil Diskussionen über die weitere Nutzung des Bereichs der Alten Rindermarkthalle und des ganzen Areals stattfinden, und zwar ohne Präjudize für eine derartige Nutzung.

Es ist bekannt, dass im Koalitionsvertrag die Music Hall erwähnt ist. Die Koalition ist der Meinung, dass im Bereich Konzerte und Veranstaltungen für eine Größenordnung zwischen 2000 und 4000 Besuchern ein Bedarf vorhanden ist. Niemand wird leugnen können, dass St. Pauli zu den Standorten

in Hamburg gehört, die sehr geeignet sind für die Ansiedlung einer solchen Einrichtung.

(Andy Grote SPD: So isses!)

So isses, genau, Herr Grote.

Aber wir müssen auch konstatieren, dass gerade dort viele Menschen wohnen, deren Belastung außerordentlich hoch ist. Wir haben festgestellt, dass dort überhaupt keine Bereitschaft war, ein derartiges Thema durchdeklinieren zu lassen. Deswegen gibt es unsere Initiative, der zugrunde liegt, dass die Music Hall nicht gesetzt ist. Es gibt kein Präjudiz für die weitere Nutzung in dieser Hinsicht, sondern wir wünschen uns ein Verfahren, in dem in erster Linie die Nahversorgung in St. Pauli wieder hergestellt wird durch eine Zwischennutzung. Wir wollen die derzeitig vorhandene Nutzung für diesen Zeitraum absichern und gegebenenfalls auch darüber hinaus. Es soll zudem ein Konzept entwickelt werden, was sonst noch an Mantelnutzungen stattfinden kann, ob das nun Sport ist oder etwas anderes. Das sollte offen bleiben und während dieses Prozesses breit diskutiert werden.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das bringt mich jetzt völlig aus dem Konzept. An dieser Stelle hatte ich das nicht eingeplant.

Wir haben erlebt, dass auch die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte einen Beschluss in diese Richtung gefasst hat. Erfreulicherweise ist der Beschluss unserem Antrag sehr ähnlich. Er ist in der Bezirksversammlung mit recht breiter Mehrheit abgestimmt worden. Auf eine ähnliche Unterstützung hoffen wir hier auch.

Zum Zusatzantrag der LINKEN sei noch kurz angemerkt: Sie wünschen sich ein Verfahren wie Pulp Fiction. Das ist ein Verfahren, was hohes Ansehen hat, wobei ich aber aus unserer Sicht sagen muss, dass es ein Verfahren war mit einer wenig komplexen Thematik mit nicht sehr großen Kontroversen, das aber außerordentlich lang gedauert hat. Hier geht es jedoch um ein außerordentlich komplexes Verfahren, das auch sehr kontrovers ist. Es darf aber nicht so lange dauern und deswegen werden wir Ihren Zusatzantrag ablehnen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort hat Herr Felskowsky.

(Andy Grote SPD: Red kein Scheiß, Felsi!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich ist dem nicht so viel hinzuzufügen, denn Herr Becker hat das Wesentliche schon gesagt. Nichtsdestotrotz will ich das eine oder andere Wort dazu noch verlieren. In den vergangenen Monaten ist über die Zukunft der

(Präsident Dr. Lutz Mohaupt)

Alten Rindermarkthalle auf St. Pauli viel spekuliert und mehr oder weniger sachlich diskutiert worden. Gleiches gilt für das Verfahren der Ideenfindung. Man mag trefflich darüber streiten, ob ein Wettbewerb mit Workshop-Charakter der Königsweg war. Auch über den Zeitpunkt der Bürgerbeteiligung kann man absolut verschiedener Meinung sein. Das weitere Vorgehen, vor allem aber die Zielsetzungen, die doch völlig klar auf der Hand liegen, werden Perspektiven und Planungssicherheit sein. Es kommt jetzt darauf an, zügig eine tragfähige Übergangslösung – und es geht im Moment wirklich nur darum – für die kommenden Jahre zu finden, die den Gegebenheiten und Anforderungen im Quartier Rechnung trägt.

Wir brauchen dort ein Lebensmittelangebot, das ausgelegt sein muss auf die verschiedenen Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger im Quartier. Es muss auch Planungssicherheit geben für die Moschee und die niedergelassenen Ärzte, die dort noch sind. Nicht zuletzt müssen wir den Parkraum, der ganz intensiv genutzt wird, für den Moment auch so erhalten, wie er dort ist. Es geht in erster Linie, aber nicht ausschließlich, um die Interessen im Stadtteil. So kommt es zum Beispiel auch darauf an, künftigen Zwischennutzern und insbesondere deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Perspektive an diesen Standorten zu öffnen und für alle Beteiligten Planungssicherheit zu schaffen.

Zum Verfahren selbst hat Herr Becker schon einiges ausgeführt. Dadurch, dass es im Bezirk einen großen Konsens darüber gibt, wie dort zu verfahren ist, wird es hier heute nicht anders aussehen.

Wir auf St. Pauli sagen Ja zu einem offenen Verfahren über die kurz-, mittel- und langfristige Nutzung in der Rindermarkthalle, vorausgesetzt, alle Beteiligten verschließen die Augen nicht vor der Realität und haben ein offenes Ohr für die wirklichen Bedürfnisse der Menschen im Stadtteil.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Herr Grote hat das Wort.

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen über die Alte Rindermarkthalle. Das ist ein sensibles Grundstück, ein 3,4 Hektar großes Areal, zentral und prominent gelegen. Man kann sagen, es ist eine städtebauliche Schnittstelle zwischen dem Heiligengeistfeld und den umliegenden Quartieren, dem Karo-Viertel, der Schanze, St. Pauli. Einerseits ist hier ein gesamtstädtisch relevantes Potenzial, andererseits hat es eine große Ausstrahlung und Bedeutung für die umliegenden Wohnquartiere.

Nach Bekanntwerden der Nutzungsaufgabe durch den Real-Markt, der dort vorher, neben anderen Marktbetreibern, die dominierende Nutzung hatte, hat es sehr viele Begehrlichkeiten gegeben. Fast jeder Immobilienentwickler Hamburgs hatte ein Auge darauf geworfen, weil es eine sehr attraktive Fläche ist. Deswegen hat die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte vor annähernd zwei Jahren einen einstimmigen Beschluss gefasst mit den Stimmen aller Fraktionen – übrigens auch der LINKEN –, ein bezirkliches Planungsverfahren einzuleiten, einen Workshop mit Wettbewerbsverfahren mit Bürgerbeteiligung.

Vorgeschlagen wurde eine Nutzungsmischung, die zwei mittelgroße Nutzungen beinhaltet mit einem wesentlichen Schwerpunkt im Bereich Einzelhandel, weil das für die Quartiere ein zentraler Bedarf ist – das hat Thomas Felskowsky richtig gesagt – und einer Musikhalle, weil es eine naheliegende Idee ist, denn eine solche Musikhalle hat natürlich Bezug zu St. Pauli. Es ist sinnvoll, das an diesem Standort zu machen, abgesehen natürlich von der Diskussionsbedürftigkeit des Vorschlags auf der anderen Seite. Es soll auch kleinere, ergänzende Nutzungen geben wie beispielsweise Handwerk, Gewerbenutzung, Wohnen, Sport, Freizeit, die wir in den umliegenden Wohnquartieren schlecht unterbringen können. Das ist eigentlich eine relativ ausgewogene Nutzung.

Medial ist der Schwerpunkt ganz deutlich von Anfang an auf die Musikhalle gelegt worden. Das hat in der Folgezeit auch die Diskussionen beherrscht, auch wenn diese Nutzung nur etwa 15 bis maximal 20 Prozent der Fläche ausmachen würde. Im Nachhinein wäre es wahrscheinlich klüger gewesen, nach dem Beschluss der Bezirksversammlung vor Ort Veranstaltungen dazu durchzuführen und die Diskussion über die einzelnen Elemente der Nutzung zu suchen. Man ist dann in den Wettbewerb gegangen mit eineinhalb Jahren Verzögerung, hat dann leider sehr kurzfristig zu einer öffentlichen Auftaktveranstaltung eingeladen. Das war auch sehr unglücklich, da hatte sich dann schon einiges an Unmut aufgestaut. Diejenigen, die dabei waren, können sich noch gut daran erinnern, dass diese Veranstaltung gesprengt wurde. Es gab erhebliche Emotionen und auch Aggressivität. Zum Teil ist das zumindest nachvollziehbar, weil sich viele vor vollendete Tatsachen gestellt gefühlt haben,

(Antje Möller GAL: Das ist doch alles Ge- schichte!)

aber auch mit durchaus tatkräftiger Unterstützung von außen. Seitdem haben wir eine emotional aufgeheizte Diskussion. Der Wettbewerb ist durchgeführt worden, auch mit Bürgerbeteiligung, aber in etwas eingeschränkter Form, mit einer Anmeldeerfordernis.

(Thomas Felskowsky)

Es hat zwei Entwürfe gegeben, die daraus hervorgegangen sind und auch eine ganz ordentliche Grundlage für eine weitere Diskussion bilden, die aber andererseits auch Gegenstand von Kritik sind. Die Kritik richtet sich gegen das Verfahren und gegen die Nutzung einer Music Hall. Man muss sehen, dass das nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern dass es einen Hintergrund gibt, über den wir auch an anderer Stelle schon diskutiert haben. Es gibt eine stark gestiegene Belastung im Stadtteil St. Pauli durch Events, Partygänger, Veranstaltungen und Tourismus. Es gibt tiefgreifende Veränderungsprozesse, die aus guten Gründen kritisch gesehen werden in der Bevölkerung. Es gibt Aufwertungsprozesse, Befürchtungen und Widerstand gegen Veränderungen. Und es gibt ein Misstrauen gegenüber behördlich und politisch geführten Planungsprozessen.

Vieles davon richtet sich dann auch gegen dieses Vorhaben und das konkrete Projekt dort, auch wenn es vielleicht mehr um grundsätzliche Fragen geht und gar nicht so sehr um die Sache. Trotzdem stehen wir da vor einer Herausforderung – und die trifft alle dort politisch Beteiligten –, eine richtige Form der Fortsetzung des Verfahrens zu finden und auch eine richtige Form der Bürgerbeteiligung.

In dem jetzt vorliegenden Antrag sind entscheidende Punkte hierzu genannt. Der Antrag ist relativ identisch mit dem, der von Rot-Grün im Bezirk eingebracht und beschlossen wurde, aber er ist noch etwas detaillierter. Kern des Ganzen ist ein offener Dialog, der die bisherigen Ergebnisse hinterfragt, überprüft, zur Disposition stellt und keine Vor-Festlegungen enthält, weder für noch gegen den einen oder anderen Bestandteil. Insofern begrüßen wir den hier vorliegenden Antrag, besonders auch, weil er offenbar das Ziel verfolgt, eine gemeinsame Verantwortung von Bezirk und Fachbehörden nach außen hin erkennbar zu machen. Bisher ist es so, dass alle Einzelheiten des Verfahrens abgestimmt worden sind, wir ein Einvernehmen mit der Finanzbehörde und der BSU hatten, nach außen hin aber das Verfahren vom Bezirk geführt wurde. Ich glaube, es ist richtig, dass in Zukunft die Stadt einheitlich und gemeinsam auftritt und sich die Organisation und auch die finanziellen Anforderungen des weiteren Verfahrens teilt.

(Zuruf von der CDU: Drei Minuten gesabbelt und nichts gesagt!)

Ihr habt das Thema zur Debatte angemeldet, dann müsst ihr das auch aushalten. Wenn es euch nicht interessiert, dann solltet ihr es nicht anmelden.

In diesem Verfahren wird man auch darüber sprechen müssen, ob die Music Hall an dem Standort funktioniert oder nicht. Falls es berechtigte Bedenken gibt, wird man sagen müssen, dass es dort nicht funktioniert. Meiner Einschätzung nach sind

Konzertbesucher nicht das größte Problem auf St. Pauli und sprengt diese Live-Musik-Halle nicht alle Dimensionen.

(Antje Möller GAL: Wohnt er da selber?)

Frau Möller, halten Sie sich einmal einen Augenblick zurück. Ich muss Ihnen auch häufig genug zuhören.

(Antje Möller GAL: Nee, es reizt mich aber jetzt, mich nicht zurückzuhalten!)

Wenn man wie die GAL so etwas in einen Koalitionsvertrag hineinschreibt und sagt, man hielte eine solche Halle für erforderlich, dann wird man natürlich irgendwann auch die Frage nach dem Standort beantworten müssen und, wie Horst Becker dankenswerterweise gesagt hat, sich darüber Rechenschaft ablegen, wo die Musik spielt, wo die Klubkultur zu Hause ist, wo das Reeperbahn-Festival stattfindet und wo in Hamburg moderne Musik mit internationaler Ausstrahlung gespielt wird. Das ist eben nicht in Stellingen oder in der HafenCity, sondern auf St. Pauli. Insofern ist dieser Standort sehr plausibel. Wenn man die Halle ernsthaft will, dann kann und muss man diesen Standort ernsthaft und kritisch diskutieren. Aber wenn man sagt, man wolle ihn dort nicht, dann muss man auch eine Alternative anbieten. Insofern wäre es schön, wenn Sie auch einmal einen Beitrag zur Förderung und Realisierung dieses Projekts, das Sie sich auf die Fahnen geschrieben haben, liefern würden.

Zum Antrag der LINKEN nur so viel: So einfach kann man es sich nicht machen. Im Grunde genommen entspricht es weitgehend dem, was wir auf den Flugblättern der Initiative gegen eine Music Hall in diesem Stadtteil lesen können. Diesen Text haben Sie mit dem Logo der LINKEN versehen und im Grunde genommen eins zu eins übernommen. Das funktioniert so nicht. Wenn man das von allen händeringend benötigte Einzelhandelsangebot, das jetzt auch in der bezirklichen Planung sehr prominent in Form eines entsprechenden Supermarktes und einer St. Pauli-Markthalle enthalten ist, als Shopping Hall diffamiert, trägt das nicht zu einer sachlichen Diskussion bei und bringt im Ergebnis nichts. Ich hoffe, dass uns in einem Workshop-Verfahren eine sachliche Diskussion gelingt, und bin gespannt, ob alle, die sich lebhaft an dieser Debatte beteiligt haben, das in Zukunft auch in diesem Workshop-Verfahren tun. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Stephan Müller CDU: Oh Gott, war das langweilig!)