Protocol of the Session on September 29, 2010

Auch in Bayern hat die CSU sehr lange mit der direkten Demokratie ihre Regierung halten können. Vor diesem Hintergrund glaube ich, dass Ihre Einschätzung, werter Kollege, da nicht ganz greift.

Es gibt aber auch noch einen zweiten Punkt, den wir Grüne nach vorne bringen wollen in diesem Zusammenhang. Sie hatten das eben ein wenig polemisch Großprojekte genannt. Sie haben völlig recht, es gibt durchaus sinkende Wahlbeteiligung in den Ländern und im Bund. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Parteiendemokratie nicht mehr die Akzeptanz hat wie vielleicht vor zehn oder 20 Jahren. Daraus folgernd sagen wir aber im

(Olaf Steinbiß)

Gegensatz zu Ihnen nicht, dass wir unser Regierungsselbstverständnis so definieren wollen, dass wir das Gemeinwesen verwalten und nur die Schritte mitgehen an Veränderungen in der Gesellschaft, die auf möglichst wenig Widerstand stoßen. Wir Grüne haben ein dahingehendes politisches Selbstverständnis, dass wir in der repräsentativen Demokratie die Schritte nach vorne gehen wollen, um zukunftssichernd bestimmte Veränderungen auf den Weg zu bringen. Uns ist durchaus bewusst, dass diese Veränderungen am Anfang nicht immer auf einer Zweidrittelmehrheit und möglicherweise noch nicht einmal auf einer gesellschaftlichen Mehrheit fußen.

Nun kann man sagen, wenn dies so ist, dann lässt man lieber die Finger davon und macht nur das, worüber keiner schreit. Das kann man so machen, aber ob dann die Akzeptanz der Parteien wächst, wage ich allerdings zu bezweifeln, denn irgendwann wird der Reformstau auch den letzten Bürgerinnen und Bürgern bewusst werden. Wir werden auch dafür gewählt, mutige Sachen anzupacken, die sich im Nachhinein vielleicht einer breiteren Bevölkerung erst in der Einsicht zeigen. Dazu braucht man manchmal etwas mehr als vier Jahre. Man muss auch einmal sagen können, dass vielleicht nicht 60 oder 80 Prozent anfangs dafür waren, es aber der richtige Weg war und wir innerhalb einer Regierungszeit auch beweisen konnten, dass wir den richtigen Weg gegangen sind. Am Ende steht dann auch ein wenig mehr Akzeptanz für bestimmte politische Reformvorhaben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Mag sein, dass Ihnen das fremd ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Wenn wir aber über Glaubwürdigkeit in der Politik sprechen, ist das ein zentraler Punkt in einer schwieriger werdenden Gesellschaft, die von den Interessen her sehr auseinanderdriftet, sodass wir eigentlich mehr Zeit brauchen, um bestimmte Dinge auf den Weg zu bringen.

(Carola Veit SPD: Das hat man bei der Schulreform gesehen!)

Das ist bei Ihnen momentan offenbar noch nicht mehrheitsfähig. Ich finde deswegen den Vorschlag der CDU gut, dies erst einmal an den Verfassungsausschuss zu überweisen.

(Carola Veit SPD: Was soll man denn sonst machen!)

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir dort noch weiter im Gespräch bleiben. Ich denke, dass wir über kurz oder lang dieses Thema in diesem Hause lösen werden müssen. Sie haben von Herrn Heinemann die Zahlen gehört, was uns in naher Zukunft hinsichtlich der Wahlkämpfe droht. Wir müssen darauf jetzt verantwortungsvoll reagieren. Ich würde mich freuen, wenn wir dazu im Verfas

sungsausschuss weitere Gespräche führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich bin etwas verschnupft, hoffe aber durchzukommen.

(Zuruf von der LINKEN: Wir auch!)

Wir werden der Verfassungsänderung nicht zustimmen, und zwar aus folgenden Gründen: Das Hauptargument der Regierungsfraktionen für die Verlängerung der Wahlperiode lautet, dass eine fünfjährige Regierungszeit die Handlungsfähigkeit der Bürgerschaft und des Senats erhöhen könne. Das Argument sticht nicht, es ist angesichts der Handlungsunfähigkeit dieses Senats eher peinlich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Glauben Sie wirklich, Sie könnten Ihre Handlungsfähigkeit steigern, wenn Sie fünf Jahre Zeit bekämen statt der bisherigen vier?

(Michael Neumann SPD: Könnten Sie noch mal einen Bürgermeister auswechseln!)

Mir fällt es schwer, mir vorzustellen, dass dieses Elend noch ein Jahr verlängert würde.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Was die Handlungsfähigkeit der Bürgerschaft betrifft, da spreche ich die größte Fraktion an, nämlich die CDU: Glauben Sie wirklich, der CDU als größter Fraktion fiele dann mehr ein, was sie zur Debatte anmelden könnte?

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wenn die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert würde, vielleicht in der Quantität,

(Hans-Detlef Roock CDU: Was ist denn das für ein merkwürdiger Beitrag!)

aber ich glaube und befürchte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der CDU in den fünf Jahren noch weniger einfällt als in vier Jahren, doch ziemlich groß ist.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Glocke)

Frau Kollegin Schneider, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung?

– Ich bin froh, so durchzukommen, Herr Müller, wir können uns

(Farid Müller)

hinterher austauschen oder vielleicht in der nächsten Runde.

Das Argument, man brauche mehr Zeit für eine kontinuierliche Arbeit für die Umsetzung politischer Ziele, die einen längeren Atem brauchen, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Was aber vor allem nötig ist – Herr Müller, das sage ich an Ihre Adresse –, und zwar unabhängig von der Länge der Wahlperiode, ist mehr Argumentation, mehr Kommunikation, mehr Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Was Sie jedoch wollen, ist mehr Ruhe vor dem Wahlvolk. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Kai Voet van Vormizeele CDU: Sehen die in Berlin ganz genauso!)

Gegen die Verlängerung der Wahlperiode gibt es in unseren Augen auch prinzipielle Einwände. Ich weiß, dass es in der LINKEN unterschiedliche Positionen gibt, ich gebe den Stand der Willens- und Meinungsbildung in unserer Fraktion wieder. Auch wenn Hamburg neben Bremen das letzte Landesparlament mit einer vierjährigen Wahlperiode ist, entspricht eine kürzere Wahlperiode dem demokratischen Prinzip in unseren Augen mehr als eine längere. Die Verlängerung der Wahlperiode bedeutet eine Einschränkung der Einflussmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler. Wir finden es ungut, dass ein solcher Antrag in Zeiten gestellt wird, in denen wir alle darum kämpfen müssen, dass Politikverdrossenheit und ein generelles Misstrauen in die Politik und in die Demokratie nicht weiter wuchern. Wir sollten alles unterlassen, was das demokratische Prinzip, was die Kontrolle des Parlaments durch die Wählerinnen und Wähler schwächt. Sonst könnte sich die Vertrauenskrise zu einer Legitimationskrise auswachsen.

(Glocke)

Herr Heinemann, Frau Schneider hat schon zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, Ihnen eine Zwischenfrage zu gestatten. Bitte.

– Danke für diese Gnade.

Frau Schneider, wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet "Mehr Demokratie!" dafür gekämpft und erfolgreich eine Volksinitiative durchgesetzt hat, um die Wahlperiode der Bezirksversammlungen von vier auf fünf Jahre zu verlängern, wenn das so schädlich ist für das demokratische Miteinander?

Ich habe mich mit "Mehr Demokratie!" auseinandergesetzt und stelle gerade fest, dass es in Bremen dieselbe Diskussion gibt. In Bremen zum Beispiel hat sich "Mehr Demokratie!" vollständig positioniert gegen die Verlängerung.

(Zurufe von der LINKEN und der SPD – Fa- rid Müller GAL: Das geht nicht in Hamburg! – Jens Kerstan GAL: Geht nicht!)

Da zählen für mich Argumente. Wenn ich einmal mit "Mehr Demokratie!" oder mit Herrn Brandt in einem Punkt nicht übereinstimme, finde ich das nicht schlimm, wir tauschen einfach Argumente aus.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Dass die Wahlperiode verlängert werden kann, weil die Volksgesetzgebung gestärkt wurde, vor einer solchen Argumentation, Herr Müller, sollten wir uns hüten. Es geht doch insgesamt um die Stärkung des demokratischen Einflusses der Wählerinnen und Wähler und nicht darum, auf der einen Seite das wegzustreichen, was auf der anderen Seite zugewachsen ist. Wenn Sie der Meinung sind, die Wahlperiode sollte unbedingt verlängert werden, gibt es unseres Erachtens nur einen Weg. Legen Sie einen solchen Antrag dem Wahlvolk zur Abstimmung vor. In eigener Sache zu entscheiden ist immer problematisch und ist eine Art von Selbstermächtigung, an der wir von der LINKEN uns nicht beteiligen wollen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/7130 an den Verfassungs- und Bezirksausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so beschlossen.

Bevor ich nun die Tagesordnungspunkte 9 und 50 aufrufe, gebe ich Ihnen die Wahlergebnisse bekannt. Zunächst das Wahlergebnis der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Inneres. Vorgeschlagen war Herr Dieter Grützmacher.

Bei 105 abgegebenen Stimmzetteln erhielt Herr Grützmacher 82 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen und 13 Stimmenthaltungen.

Das Wahlergebnis der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wirtschaft und Arbeit sieht wie folgt aus. Vorgeschlagen ist Herr Manfred Frick.

Abgegebene Stimmzettel 104. Herr Frick erhielt 82 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen bei 13 Stimmenthaltungen.