Dass man nicht das Einkommen von ganz Deutschland zugrunde legen könne. Der relative Armutsbegriff heißt doch, wir reden nicht über absolutes Elend und Armut, so etwas gibt es in der Form nur noch sehr selten.
Sie sagen dann, Sie nähmen einen Begriff, bei dem man nur Hamburg zugrunde legt. Dann haben Sie natürlich in einem Stadtstaat, der wirtschaftlich floriert, der auf Wachstum setzt, in dem die Menschen insgesamt viel verdienen, einen höheren relativen Armutsbegriff als in einer Stadt, die am Boden liegt. Es ist aber für mich kein überzeugendes Konzept, sozialdemokratisch zu sagen, wir schaffen den Wohlstand ab, weil wir dann nämlich auch relativ gesehen weniger Arme haben, da der Durchschnittsverdienst schlecht ist.
Wir haben gesagt, dass wir die wachsende Stadt wollen. Es ist angeklungen bei Herrn von Frankenberg. 2005 sind wir bedingungslos gewachsen – das ist das neue Motto –,
aber Herr von Frankenberg hat zu Recht gesagt, dass der wichtigste Punkt einer Sozialpolitik eine überzeugende Wirtschaftspolitik ist. Die Wirtschaftskraft Hamburgs ist der entscheidende Punkt, ob wir Armut bewältigen können,
und deshalb sind die Wirtschaftskompetenz und die wirtschaftliche Leistungskraft, auch einer Regierung, der entscheidende Punkt. Wenn Sie auf Bremen und Berlin hinweisen und sagen, da sei die Wirtschaftskraft viel geringer, dann sind dort Regierungen, die das mit der Wirtschaft nicht so gut im Griff haben wie die CDU in Hamburg in den vergangenen neun Jahren.
Hamburg gehört mit zu den wenigen Bundesländern, die zu keinem Zeitpunkt der Krise einen Beschäftigungsabbau im Vergleich zum Vorjahr hatten. Während fast die gesamte Bundesrepublik bei der Beschäftigung in den Minusbereich rutschte, ist Hamburg auf Wachstumskurs geblieben.
Deshalb ist die Wirtschaftspolitik und das, was Wirtschaftskraft schafft, das Wichtigste, aber es geht natürlich auch darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um Arbeit aufzunehmen. Auch da zeigt die Große Anfrage viele Dinge auf. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Kinderbetreuung, die Wiedereingliederung in den Beruf, zum Beispiel nach Familienpausen, aber auch die Berücksichtigung von Behinderten, Älteren und anderen Zielgruppen – all das findet in Hamburg statt. Natürlich ist eine der Schlüsselkompetenzen die Bildung und auch da setzt die Koalition mit unserer Schulverbesserung wirklich bundesweit Maßstäbe.
Die Große Anfrage zeigt, welche immensen Mittel wir zur Abfederung von Armut in der Stadt aufwenden – 2,7 Milliarden Euro jährlich. Aber sie zeigt auch die vielfältigen Maßnahmen, die seit 2005 zur Überwindung von Armut ergriffen wurden unter der Zielsetzung, die Menschen wieder auf die eigenen Füße zu stellen, heraus aus der Abhängigkeit, um wieder für sich und andere Verantwortung übernehmen zu können. Diese Arbeit ist längst nicht vollendet. Insbesondere die Situation in den Familien, bei denen zwar die Zeit der Eltern für die Kinder vorhanden ist, weil sie zum Teil vielleicht arbeitslos sind, wo aber die Kompetenzen der Eltern nicht vorhanden sind, erfüllen uns alle mit großer Sorge. Aber Hamburg kann selbstbewusst auf die Fortschritte und Erfolge der letzten Jahre zurückblicken. Hamburg ist auf dem richtigen Weg.
Wir brauchen nicht zu schönen Sprüchen wie "arm aber sexy" zu greifen, um das Problem der Armut zu bemänteln, sondern Hamburg ist nicht nur schön, Hamburg ist auch besser.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator, das sind fast schon Durchhalteparolen, die Sie hier abgeben, eine Endzeitstimmung, die sich breitmacht. Ich habe teilweise bei Ihrer Rede den Eindruck gehabt, dass Sie ein wenig überfordert sind.
Wenn wir einmal auf die Seite des Statistischen Bundesamtes gehen, gibt es dort zwei Armutsgefährdungsquoten, die ganz normal erläutert werden. Bei der einen zieht man das Durchschnittseinkommen auf Bundesebene heran, bei der anderen ist es das Durchschnittseinkommen der Region und der Bundesländer, was insbesondere interessant ist, wenn es um das Thema soziale Spaltung und Ausgrenzung geht. Wir sind uns doch alle darüber einig, dass wir letztendlich die Lage in Billstedt eher mit der Lage in Harvestehude als mit der in Saarlouis vergleichen,
weil es um die soziale Spaltung unserer Stadt geht. Dies wird dort ganz normal aufgeführt, Herr Senator. Sie weisen bei Ihrem Hintergrundgespräch, aber auch bei Ihrer Beantwortung der Großen Anfrage nicht einmal darauf hin, dass es zwei Quoten gibt. Sie weisen nicht einmal darauf
hin, dass sich für bestimmte Gruppen in dieser Stadt die Lage eher verschlechtert hat. Das werfen Ihnen die Bürger zu Recht vor, das hat nichts mit Offenheit und Wahrheit zu tun.
Es klang schon teilweise so, als ob Sie in der Tat den Ausstieg langsam vorbereiten. Was Sie mit Ihren goldenen Regeln schon einmal angedeutet haben, wollen Sie vielleicht doch irgendwann einmal hier vollziehen, denn wie anders kann es sein, dass Sie als Sozialsenator schon vor Monaten auf die Idee kamen, Menschen von der Inanspruchnahme gesetzlicher Leistungen letztendlich auszunehmen. Das gehört sich für einen Sozialsenator nicht.
Und wenn Sie auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt hinweisen, dann müssen Sie sich als Sozialsenator mit dem Thema befassen, dass gerade in den Boomjahren bestimmte Stadtteile und bestimmte Gruppen davon nicht profitiert haben; Herr Lieven hat das auch angesprochen. Auch da sagt das Statistikamt Nord, dass es einen Armutsgürtel gäbe, der sich von Jenfeld über Billstedt, Horn, Veddel, Rothenburgsort bis nach Harburg erstrecke. Das müssen wir doch einmal akzeptieren, bei Ihnen muss doch die Bereitschaft vorhanden sein, sich dieses Problems anzunehmen und es nicht wegzudiskutieren.
Von daher war es auch ein Fehler, dass Sie sich wie Ihre Vorgängerin jahrelang geweigert haben, den von uns immer wieder geforderten Lebenslagenbericht und die Evaluation aller sozialpolitischen Maßnahmen durchzuführen. Das rächt sich jetzt, Sie haben keinen Plan, Sie haben keine soziale Strategie,
wie man an bestimmte Bevölkerungsgruppen herankommen kann. Deswegen ist es völlig unangebracht, im Rahmen des Europäischen Jahres gerade jetzt zu sagen, alles sei gut, alles sei wunderbar. In dieser Stadt sieht es leider anders aus, aber um die Menschen und um diese Realität müssen wir uns kümmern. Das ist die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, diese beiden genannten Indizes aufzuklären, nämlich zum einen die Armutsgefährdungsquote im Bundesvergleich und zum anderen die regional bezogene Messung der Ein
kommensungleichheit. Dabei machen Sie einen Fehler, denn es geht nicht um Durchschnittswerte, sondern um den Median; das ist etwas anderes. Die Durchschnittswerte verzerren die Einkommensrealität in Hamburg sehr stark. Hamburg ist eine Stadt mit hohen Einkommen, auch mit einzelnen extrem hohen Einkommen. Wenn Sie diese mit hineinrechnen, dann kommen Sie bei einem ziemlich hohen Durchschnitt an, der jedoch nicht der Einkommensrealität in dieser Stadt entspricht. Die Einkommensrealität in Hamburg, exklusive der extrem hohen Einkommen, liegt deutlich unter diesem Durchschnitt. Es kommt auf die Kaufkraft an und die Kaufkraft bei Lidl in Hamburg ist dieselbe wie in Erlangen oder sonst wo.
Grosso modo ist es so. Daraufhin können Sie die ganze Bundesrepublik Deutschland überprüfen, ohne das widerlegen zu können. Das zum einen.
Es gibt zweifelsohne auch Dinge, an denen sich die Kaufkraft in einer Großstadt von anderen, peripheren Regionen unterscheidet. Aber Sie sollten auch bedenken, dass Hamburg ein öffentliches Wohnungsunternehmen mit 130 000 Wohnungen hat und nach wie vor jährlich 120 Millionen Euro in eine soziale Wohnraumförderung investiert. Beides ist bundesweit einmalig und ein wichtiger Faktor bei dem Thema, was man sich kaufen kann, wie zum Beispiel Wohnen in dieser Stadt. Ich will damit nicht sagen, dass das deswegen problemlos ist.
Herr Joithe hatte die HVV-Kostensteigerung angesprochen. Das wieder eingeführte Sozialticket, ein sehr substanzielles Angebot für Mobilität, gibt es für ursprünglich 34 000 kalkulierte Nutzer inzwischen für 49 000 Nutzer. Wenn Sie im Kontext des Europäischen Jahres denken, in dem es um Chancengerechtigkeit geht, dann können Sie nicht wegreden oder bestreiten, dass diese Koalition auch beim Thema Kita und Schule im Sinne einer nachhaltigen chancengerechten Entwicklung für diese Stadt substanziell draufgesattelt hat.
Noch eine Anmerkung: Es geht auch nicht allein um den Kampf gegen die Armut, der nie gewonnen werden kann, ohne dass Investitionen, Aufwendungen nicht mehr nötig wären. Es geht um die Sicherung von Teilhabe, um die Ermöglichung von Chancengerechtigkeit, und auch diese wird zukünftig hohe Anstrengungen erfordern. Ich hatte vorhin versucht, dies mit dem Thema Migrationshintergrund – Integration, Zugang zu Bildung – zu verdeutlichen. Das ist eine Mammutaufgabe, aber die Maßnahmen dieses Senats zeigen durchaus, dass man sich ihr stellt. – Vielen Dank.