Protocol of the Session on May 28, 2008

all Ihre Versprechen und eindeutigen Absagen an die Linkspartei brechen? Muss Ihnen das nicht wehtun?

(Ingo Egloff SPD: Wieso, haben wir doch eingehalten! Was reden Sie denn?)

Man spürt es geradezu körperlich, wie sich führende Sozialdemokraten

(Zurufe von der SPD)

ja, weil die auch betroffen sind – von Ihren Positionen mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit abwenden? Noch vor wenigen Wochen, Herr Neumann, haben Sie, als die LINKE in kalter kommunistischer Kadersprache die Menschenrechtsverletzungen in Tibet relativierte, effekthascherisch den Plenarsaal mit großem Getöse verlassen und jetzt denken Sie anscheinend jeden Tag über neue Konstellationen, über Koalitionen mit den LINKEN nach. Ich finde das sehr, sehr scheinheilig.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker und Dr. Eva Gümbel, beide GAL)

Ich sage das, weil es natürlich auch immer einen Zusammenhang mit Hamburg gibt. Es schreckt Sie noch nicht einmal das abschreckende Beispiel aus Berlin vor einer Woche im Bundesrat, als der regierende Bürgermeister der SPD, Wowereit – anscheinend ist er in der Geiselhaft der LINKEN –,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und Sie sind in der Geiselhaft der GAL!)

deutlich machen musste, dass Berlin nicht imstande war, dem EU-Vertrag im Bundesrat mit zuzustimmen. Das muss man sich einmal vorstellen. Die SPD und Wowereit haben Berlin nationalen und internationalen Schaden zugeführt und so kommt es, wenn man solche Bündnisse eingeht.

(Michael Neumann SPD: Schill, Schill!)

Was für ein Unterschied zu unserer Stadt, was für ein Unterschied zu unserem Bürgermeister.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt muss es auch dem Letzten klar sein, dass das herauskommt, wenn man nicht auf seine eigene Stärke vertraut und solche Bündnisse eingeht. Die Mahner und Warner in der SPD, wie Altbürgermeister von Dohnanyi und jetzt auch Sie, Herr Dr.

Naumann, werden nicht mehr ernst genommen. Sie stehen geradezu auf tragische Weise einsam da.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir haben in Hamburg verlässliche Verhältnisse, wir haben geordnete Verhältnisse und wir werden eine starke und gute Regierung in den nächsten vier Jahren in Hamburg bilden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorab: Herzlichen Glückwunsch, Michael Neumann, zur neu gefundenen Rolle als Entertainer.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Als Einstieg in eine ernsthafte Debatte über die Zukunft dieser Stadt war deine Rede in weiten Teilen nicht geeignet.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Bildung der ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene in Deutschland folgt nicht den üblichen politischen Mustern, wie wir sie gewöhnt sind. Gängigerweise schließen sich Parteien zusammen, die eine möglichst große Schnittmenge in ihrem Programm aufweisen. Die gesellschaftspolitische Wirkung einer so gebildeten Koalition ist in der Regel auf die Anhänger der eigenen politischen Lager beschränkt, die sich seit vielen Jahren in Deutschland gegenüberstehen.

(Dr. Michael Naumann SPD: Geht es auch ein bisschen konkreter?)

Der Erfolg des einen Lagers gilt dann automatisch als die Niederlage des anderen.

Die schwarz-grüne Koalition folgt nicht dieser Logik. Hier haben sich zwei Parteien aus unterschiedlichen politischen Lagern zusammengeschlossen. Es liegt in der Natur der Sache, dass auch bei Sachentscheidungen keine der beiden Seiten einen eindeutigen Sieg davontragen kann, wenn es darum geht, dass keiner der beiden Partner sich selbst und seine Identität verleugnen soll.

Es geht vielmehr um die Beschreitung neuer Wege und nicht um die Zuspitzung von Unterschiedlichkeiten zu Unvereinbarkeiten. Es geht darum, Gemeinsamkeiten zu suchen. Herauskommen tun dabei pragmatische Schritte, pragmatische Lösungen für dringende Probleme und Herausforderungen. Das mag für stramme Ideologen ein Nachteil sein, für praktische Politik, in der es doch darum gehen muss, das Beste zum Wohle aller zu finden, kann dieses aber auch eine große Chance sein.

(Beifall bei der GAL)

Das gilt insbesondere auch in Deutschland, wo wir in der politischen Debatte doch allzu häufig den Untergang des Abendlandes an die Wand malen, wenn es darum geht, eine Lösung einzuführen, wie sie in fast allen anderen europäischen Ländern der Standard und üblich ist. Die Einführung einer sechsjährigen Primarschule ist ein gutes Beispiel dafür.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die potenzielle Wirkung eines solchen lagerübergreifenden Bündnisses in die Gesellschaft hinein kann auch breiter sein. Das mag es vielleicht auch erleichtern, notwendige Veränderungen anzugehen und Weichenstellungen voranzutreiben, ohne dass sich dann ein Teil der Gesellschaft automatisch als Verlierer fühlt und heftigen Widerstand leistet. Veränderung tut not, gerade in Hamburg wird das deutlich. Vielleicht gerade deshalb, weil Hamburg so erfolgreich ist. Es gibt wahrscheinlich keine andere Stadt in Deutschland, die von der Globalisierung so profitiert wie Hamburg.

Aber trotz dieser guten wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen haben wir in Hamburg die Massenarbeitslosigkeit noch nicht besiegt. Viel zu viele Menschen leben am Rande der Gesellschaft, ohne eine Chance auf ein erfülltes Leben und geben ihre soziale Benachteiligung viel zu oft an ihre Kinder weiter.

Es gibt massive Belastungen durch Lärm, Schadstoff und Verkehrstrassen, die mit der wachsenden Mobilität, aber auch mit den wachsenden Containermengen im Hafen verbunden sind und auch ein Grund für unseren wachsenden Wohlstand sind. Hamburg ist – so wie überall in den entwickelten Industrieländern – von einem verschwenderischen Lebensstil zulasten nachfolgender Generationen und der Menschen in sich entwickelnden Ländern geprägt. Diese Koalition ist sich einig, drängende Probleme und Herausforderungen in den Bereichen Ökologie, Soziales und Wirtschaft anzugehen. Auch wenn es demnächst im Rio-Prozess eigentlich so sein sollte, dass diese drei Prinzipien gleichrangig verfolgt werden sollen, sind globale Umweltprobleme häufig der Treiber für notwendige Veränderungen. Hamburg als Stadt am Wasser hat ein existenzielles Interesse daran, den Klimawandel zu begrenzen, damit der Meeresspiegel nicht beginnt, unkontrollierbar zu steigen.

Wir haben vereinbart, den CO2-Ausstoß Hamburgs bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Um dieses zu bewerkstelligen, haben wir das Klimaschutzprogramm des Vorgängersenats um entscheidende Punkte verbessert. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Gebäudesanierung, denn das ist der Bereich, auf den man den größten Schwer

(Frank Schira)

punkt setzen muss, wenn man den Klimawandel begrenzen will. Niedrigenergiehäuser werden in Zukunft schrittweise zum Standard in Hamburg. Auch der Altbaubestand wird stufenweise energetisch modernisiert werden und die Pflicht zur Nutzung von solarer Wärme wird bei der Modernisierung von Heizungsanlagen vorgeschrieben, ebenso wie das Verbot von Nachtspeicherheizungen. Man kann über Klimaschutz und auch über Maßnahmen streiten, aber ich kenne keine Millionenmetropole auf dieser Welt, die ein so ehrgeiziges und anspruchsvolles Klimaschutzprogramm vereinbart hat.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Um den Klimawandel wirklich wirksam zu begrenzen, kommt dem Energiesektor eine entscheidende Rolle zu. Hamburg wird daher den Konzessionsvertrag mit Vattenfall für das Wärmenetz nicht verlängern, sondern unter Erfüllung hoher ökologischer Standards das Wärmenetz neu ausschreiben, zusammen mit einem grundlastfähigen Gaskraftwerk. Hamburg setzt damit ein Zeichen, dass der Staat im Sinne eines wirksamen Klimaschutzes wieder eine aktivere Rolle setzen muss und das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Kohlekraftwerk Moorburg war im Wahlkampf sehr umstritten. Unabhängig von der politischen Bewertung – die der GAL ist bekannt, deshalb muss ich sie auch nicht wiederholen – habe ich immer gesagt, dass dieses Kraftwerk die Elbe so enorm schädigen wird, dass es aus wasserrechtlicher Sicht eigentlich gar nicht genehmigungsfähig ist. Ich habe seitdem auch in den Koalitionsverhandlungen und im Kontakt mit den Behörden nichts gehört, was mich zu der Auffassung bringen sollte, diese Meinung zu ändern. Deshalb bin ich auch ganz gelassen, wenn wir schlicht und einfach vereinbart haben, dass die zuständige Behörde das Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz abwickeln wird.

Im Wahlkampf wähnten wir die SPD im Kampf gegen das Kohlekraftwerk Moorburg noch auf unserer Seite. Eigentlich erstaunlich, da es der einzige Landesverband dieser doch so kohlefreundlichen Partei ist, der sich so eindeutig gegen ein Kohlekraftwerk positioniert hat.

(Dr. Michael Naumann SPD: Und wo sind Sie denn jetzt?)

Jetzt, nach der Wahl, Herr Egloff, haben Sie ganz schnell die Position gewechselt. Jetzt sprechen Sie angeblich von einem vorhandenen Genehmigungsanspruch von Vattenfall. Sie befördern damit nicht das Wohl Hamburgs. Sie agieren damit einzig und allein im finanziellen Interesse des internationalen Multis Vattenfall.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Sie bewegen sich damit in einer unguten Tradition bei der SPD, in der eine Vielzahl Ihrer ehemaligen Spitzenpolitiker den Ausklang ihres Berufslebens im Sold der großen Energiemonopolisten fristen.

(Ingo Egloff SPD: Das haben sie mir leider nicht angeboten!)

Aber nicht überall ist es uns gelungen, der Ökologie zu ihrem Recht zu verhelfen. Die geplante Elbvertiefung wird den ökologischen Zustand der Elbe weiter verschlechtern. Diese Schlacht haben wir eindeutig verloren. Da gibt es nichts zu beschönigen. Leider ist das nichts Neues. Das war auch schon 1997 in der Koalition mit der SPD so. Aber damals war mit der Entscheidung für eine weitere Elbvertiefung auch schon Schluss der Debatte. Heute ist es uns gelungen, eine Stiftung für die Elbe zu etablieren,

(Dr. Michael Naumann SPD: Das dürfte die Gymnasien ruinieren! Lauter schöne Po- sten!)

die in Zukunft an der Verbesserung der ökologischen Situation der Elbe arbeiten soll, gespeist aus Entgelten der Verursacher, aus der Wirtschaft. Das hätten wir gerne auch mit Ihnen von der SPD vereinbart. Das ist leider nie gelungen. Wir haben es jetzt mit der CDU vereinbart.