Aber mit solchen Erklärungen ist es nicht getan. Wenn sich herausstellen sollte, dass doch gentechnisch veränderte Ware im Regal liegt, obwohl das ausgeschlossen wurde, drohen den Lieferanten letztlich hohe Schadensersatzforderungen, Ersatzansprüche für Kosten zur Analyse, Rückholung und Entsorgung der Waren, vor allem aber die Auslistung bei den Ketten und das Lieferverbot an den Großhandel. Den Schaden übernimmt keine Versicherung. Gentechnik in der Gemüsekiste ist das Aus für jeden Gemüsebauern oder für jeden anderen Erzeuger, der versprochen hat, gentechnikfreie Ware zu liefern.
Wirklich sicher vor Schadensersatzansprüchen kann ein Landwirt nur dann sein, wenn auch die Nachbarn ihre Felder und Pflanzen von gentechnisch veränderten Organismen frei halten. Die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung von Samen oder Pollen, wir haben es eben schon gehört, ist groß, das gilt natürlich auch bei gentechnisch veränderten Pflanzen. Versuchen Sie einmal, einer
Biene zu erklären, dass sie nur 300 Meter weit fliegen darf, um keine genveränderten Pollen aufzunehmen.
Das Gleiche gilt für den Wind, der seinen Teil dazu beiträgt. Eine Koexistenz von Grüner Gentechnik auf dem einen Acker und gentechnikfreiem Anbau nebenan funktioniert nicht.
Darum finden wir es bedauerlich, dass CDU und GAL noch nicht bereit waren, wenigstens vom Senat prüfen zu lassen, inwieweit über Klauseln in Pachtverträgen über städtische Flächen sichergestellt werden kann, dass auf den gepachteten Flächen nur gentechnikfrei gearbeitet werden darf. Das hatte die SPD-Fraktion in ihrem Antrag, dem ersten der drei Anträge, vorgeschlagen und das würde für Landwirte, die gentechnikfrei arbeiten wollen, noch größere Sicherheit schaffen. Warum es nicht möglich sein soll, diesen Punkt wenigstens zu prüfen, ist uns unverständlich.
Es scheint mir, dass sich die CDU hier noch ein Schlupfloch offenhalten will. Die Aussagen von Herrn Capeletti hörten sich auch ganz danach an.
Die CDU steht der Gentechnik ohnehin etwas wohlwollender gegenüber. Die Bundesforschungsministerin Annette Schavan befürwortet die Gentechnik und lässt gerade eine Strategie zur Förderung der Gentechnik in Forschung und Anwendung erarbeiten. Das heißt für uns im Klartext, dass die CDU auf Bundesebene aus Steuergeldern das Lobbykonzept für Agrogentechnik bezahlt, die von der Bevölkerung abgelehnt wird. Darum will man sich aus Gründen der Koalitionsräson in Hamburg auch nicht allzu stark gegen die Grüne Gentechnik positionieren.
Aber ich möchte in dem Zusammenhang noch einmal an das erinnern, was wir in der Expertenanhörung gehört haben. In den USA und in Kanada gibt es praktisch keine gentechnisch freien landwirtschaftlichen Produkte mehr, weil sich künstlich verändertes Genmaterial überall ausgebreitet hat. Das gilt für Mais, Raps, Soja, aber auch Baumwolle. Landwirte und Verbraucher haben dort keine Wahl mehr. Das wollen wir hier nicht und auch die Verbraucher und Landwirte wollen das mehrheitlich nicht.
In unserer Region ist die Landwirtschaft eng verbunden mit dem Tourismus. Und auch in diesem Zusammenhang gilt die Bezeichnung "gentechnikfrei" schon als Prädikat; das wollen wir nutzen und nicht zerstören. Insofern finden wir es auch bedauerlich und verwunderlich, dass nur wir als Bürgerschaft alle Wirtschaftsbeteiligten ermutigen, sich freiwillig zu einem Verzicht auf den Einsatz von
gentechnisch veränderten Produkten zu verpflichten. Der Senat wollte sich offenbar nicht auffordern lassen, selbst aktiv für eine entsprechende freiwillige Selbstverpflichtung zu einer gentechnikfreien Metropolregion zu werben. Auch das war eine Forderung im von der SPD-Fraktion zuallererst vorgelegten Antrag.
Meine Damen und Herren! Wir fanden einen Konsens wichtig und deshalb haben wir einige unserer Forderungen nicht aufgegeben, aber zurückgestellt. Sie können aber sicher sein, dass die SPDFraktion darauf achten wird, dass der Senat diesen breiten bürgerschaftlichen Konsens in die Tat umsetzt und nicht etwa heimlich unterläuft. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Norbert Hackbusch hat vorhin gesagt, er fühle sich wie in einem juristischen Seminar. Ich glaube, wir haben eben drei exzellente Vorlesungen in Sachen Gentechnik gehört. Ich werde das jetzt nicht wiederholen.
Dieser interfraktionelle Antrag zur Gentechnik ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine außerparlamentarische Initiative dazu geführt hat, dass wir Parteien uns zusammengesetzt haben, im Ausschuss eine Expertenanhörung durchgeführt haben, miteinander gerungen haben, welche Punkte wichtig sind und welche nicht und worauf wir uns einigen können. Herr Capeletti hat schon darauf hingewiesen, dass es auch ein paar Gesichtspunkte gibt, auf die wir im Sinne eines interfraktionellen Antrags verzichtet haben. Es ist auch nicht so, dass wir uns jetzt nur auf freiwillige und auf motivierende Lösungen geeinigt haben. Es ist durchaus auch in dem Antrag enthalten, dass zum Beispiel im Rahmen der Internationalen Bauausstellung und der internationalen Gartenschau die Vertragspartner vertraglich verpflichtet werden sollen, gentechnikfreie Waren anzubieten und vorzustellen. Insofern ist dieser interfraktionelle Antrag zur gentechnikfreien Metropolregion Hamburg aus meiner Sicht ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Wir werden beobachten, wie sich das alles entwickelt.
Bei dieser ganzen Diskussion, die sehr sachlich verlief, ist eines ein bisschen untergegangen; Herr Capeletti hat es angedeutet. Wir haben es im Ausschuss erlebt, dass das Thema Gentechnik, ähnlich wie andere Themen, die wir heute behandelt
haben, hochemotional ist. Da geht es auch um so etwas wie Glaubensfragen. Für die einen ist Gentechnik das Teufelszeug schlechthin und der Sündenfall der Menschheit – zu denen gehöre ich – und zu den zweiten gehört Herr Capeletti, der eben meinte, dass das die Rettung der Menschheit sei, dass die Überbevölkerung nur mit Gentechnik gerettet werden könne. Dazwischen liegen ganz viele Kompromisslinien und die haben wir gefunden. Die Arbeit hat sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, das Ganze wird sich in die Richtung bewegen, wie es sich die Initiative für eine gentechnikfreie Metropolregion Hamburg vorstellt. Wir werden sehen, an welcher Stelle wir in einigen Jahren sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Viele Aspekte wurden von meinen Vorrednern bereits genannt und ich möchte betonen, dass auch ich mich sehr freue, dass bei diesem Thema, abgesehen von den kleinen Differenzen, die schon deutlich wurden, alle Fraktionen an einem Strang ziehen, um die Gentechnikfreiheit in Hamburg wirklich voranzubringen.
Ich möchte in meiner Rede die Perspektive noch einmal auf das Thema des Verbraucherschutzes lenken, denn wenn man sich die Umfragen anschaut, dann sieht man, dass forsa im Mai 2009 erfragt hat, dass 78 Prozent aller Bundesbürger, das sind mehr als drei Viertel der Bevölkerung, gentechnisch veränderte Lebensmittel komplett ablehnen, und das sogar dann, wenn sie billiger sind als herkömmliche Lebensmittel. Noch etwas mehr, nämlich sogar 85 Prozent, lehnen es ab, Tiere mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu füttern und dann dieses Fleisch zu essen oder die Milchprodukte zu konsumieren.
Diese Zahl ist aus Verbraucherschutzsicht noch einmal besonders interessant, denn Verbraucherschutz heißt Transparenz herstellen, und gerade Fleisch- und Milchprodukte von Tieren, die mit Gentechnik gefüttert wurden, bedürfen bisher keiner Kennzeichnung. Das bedeutet, dass der Verbraucher in der Praxis bis jetzt nicht die freie Wahl bei seiner Nahrungsaufnahme hat, und das ist bedauerlich. Umso wichtiger ist es, dass wir gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Hamburg keinen Raum bieten, sodass jeder sicher sein kann, dass Lebensmittel aus dieser Region wirklich gentechnikfrei sind.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir heute mit unserem Antrag ein deutlich anderes Signal setzen, als es die Bundespolitik in diesem Punkt gemacht hat. Wenn man sich den Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP im Bund ansieht, dann ist dort ein sehr offenes Verhältnis zur Gentechnik erkennbar. Es geht sogar so weit, dass man bestimmte, schon bestehende EU-Bestimmungen gern wieder aufweichen würde. Besonders interessant ist, dass die Förderung des Anbaus der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora noch speziell erwähnt wird. Als ich das las, habe ich mich gefragt, wie viel die Züchter der FDP gespendet haben mögen, um diesen Absatz in den Koalitionsvertrag zu bekommen, oder ob die FDP in Zukunft möglicherweise kostenlose Kartoffelchips auf ihren Parteitagen bekommt.
Der Grund, warum gentechnisch veränderte Lebensmittel von uns und so vielen Verbrauchern abgelehnt werden, hat sehr viele Faktoren. Ein Faktor ist, dass die Gentechnik beziehungsweise ihre Auswirkungen bisher sehr wenig erforscht sind. Die erste erfolgreiche gentechnische Veränderung erfolgte 1980, die ersten gentechnisch veränderten Tomaten kamen jedoch erst 1994 auf den Markt. Das heißt, Langzeitstudien, die Risiken und Auswirkungen aufzeigen, gibt es bis jetzt nicht. Ich finde das sehr interessant und würde mich freuen, wenn Sie diesem Thema etwas mehr Ihre Aufmerksamkeit widmen könnten.
Wenn man über gentechnisch veränderte Lebensmittel spricht, ist sicher, dass bestimmte gentechnisch veränderte Lebensmittel zu Antibiotikaresistenzen führen können. Auch hierfür ist die von mir erwähnte FDP-Kartoffel ein schönes Beispiel.
Außerdem kann jedes neue Protein, das sich in gentechnisch veränderten Pflanzen bildet, zu Allergien führen. Daher dürfen wir die gesundheitlichen Gefahren und Risiken von Gentechnik nicht unterschätzen. In Anbetracht dessen ist das wichtigste Argument gegen die Gentechnik, dass wir sie überhaupt nicht brauchen.
Wir könnten als Politiker und Wissenschaftler wie die Apotheker vor Risiken und Nebenwirkungen warnen, aber das ist irrelevant, wenn es uns ohne Medikamente genauso gut geht wie mit.
Gentechnisch veränderte Lebensmittel, das muss man noch einmal betonen, sind nicht billiger, nicht gesünder, nicht schmackhafter und auch nicht hübscher als normale Lebensmittel. Normales Obst und Gemüse, am besten aus Bioanbau, ist
Deshalb betone ich noch einmal zum Schluss: Wenn man die verbraucherschutzpolitische Sicht betrachtet, dann stärken gentechnikfreie Regionen, wie wir sie in Hamburg anstreben, ganz deutlich den Verbraucherwillen, wenn gentechnisch veränderte Produkte nicht nachgefragt werden.
Je deutlicher sich daher Hamburg gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ausspricht und danach handelt, umso mehr Sicherheit bekommen wir hier für den Verbraucher und deshalb ist es wichtig, dass wir alle an einem Strang ziehen, um diesen vorliegenden Antrag zum Erfolg zu führen. – Vielen Dank.
Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wer möchte Ziffer 2 der Ausschussempfehlungen folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dies einstimmig angenommen.
Wir kommen noch einmal zu Punkt 2 der Tagesordnung, dem Wahlergebnis der Wahl eines ehrenamtlichen Mitglieds der Kommission für Bodenordnung, das ich hiermit verkünde.