Protocol of the Session on December 10, 2009

ist das Thema Rechtsverordnung.

Das Gesetz allein ist in vielen Bereichen nur eine Hülle. Die konkreten Umsetzungen, was letztendlich bei den Themen Qualität, Prüfung und Bewertungskriterien passiert, aber auch später bei der Veröffentlichung der entsprechenden Prüfungsberichte oder auch beim Thema Fachkräftequote,

(Egbert von Frankenberg)

wird in den Rechtsverordnungen geregelt. Da ermächtigen wir beziehungsweise Sie den Senat, diese konkreten Regelungen auszuführen. Wir haben ein etwas anderes Verhältnis zum Senat und hätten uns gewünscht, das eine oder andere hier im Parlament zu regeln. Das wäre der Sache dienlicher gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Die Rechtsverordnungen müssen noch erarbeitet werden. Das heißt, das Gesetz wird erst in einigen Monaten seine volle Wirkung entfalten können. Damit sind wir beim Thema Zeit und beim Thema Senator Wersich. Nun muss ich doch noch ein, zwei kritische Anmerkungen machen, das wird Sie nicht weiter verwundern.

Wir alle wissen, dass die Föderalismusreform I, auf der das Vorhaben letztendlich fußt, im September 2006 in Kraft getreten ist, vor mehr als drei Jahren. Der eine oder andere weiß auch noch, dass Sie, Herr Senator, am 21. Juni 2008 in einem schönen Artikel im "Hamburger Abendblatt" gesagt haben, dass Hamburg ein neues Heimgesetz bekomme. Ich zitiere:

"Das angekündigte Heimgesetz liege 'quasi fertig' in der Schublade [und werde] 'hoffentlich noch in diesem Jahr' verabschiedet."

Nun müssen wir und auch die Menschen, die letztendlich von diesem Gesetz profitieren sollen, leider feststellen, dass das im Jahre 2008 nicht geschehen ist und auch nicht in den ersten Monaten des Jahres 2009, sondern dass Sie erst im Frühsommer 2009 eine externe Abstimmung mit den Verbänden gemacht haben, drei Jahre, nachdem die Föderalismusreform in Kraft getreten ist, und den Verbänden ganze vier Wochen eingeräumt haben, um sich zu äußern. Das hat natürlich für großen Protest gesorgt und wie in anderen Gesetzesvorhaben ist es auch in diesem Fall so gewesen, dass Sie es lange Zeit haben schleifen lassen und dann überstürzt handeln wollten. Das war kein gutes Verfahren, Herr Senator, da wünschen wir uns zukünftig ein anderes Vorgehen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben die Frist dann verlängert, das war auch gut so, und wir alle gemeinsam haben nach den Gesprächen, die die Fraktionen mit den Verbänden geführt haben, mit den Änderungsanträgen ein gutes Gesetz hinbekommen.

Wir haben es aber nicht hinbekommen, damit die massiven Probleme in der Pflege, wie zum Beispiel den Personalmangel, zu lösen, auch wenn das Gesetz ein Schritt zu mehr Qualität und Transparenz ist. Auch wenn Sie heute in Ihrer Pressemitteilung darauf hinweisen, dass wir mehr Beschäftigte im Bereich der Pflege haben, so haben wir im Gesundheitsbereich weiterhin 500 offene Stellen und der Arbeitsagentur sind alleine im Pflegebe

reich 200 offene Stellen gemeldet. Das Thema Fachkräftemangel ist also nach wie vor akut und dort wird immer noch zu wenig in dieser Stadt getan. Hier müssen Sie verstärkt handeln, Herr Senator.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Wir werden das Thema Pflege nur lösen, wenn wir uns um das Thema Personalbemessung und Bezahlung kümmern. Ich kann Landespastorin Stoltenberg nur unterstützen, die sagt, dass Ihr Hinweis nach dem Motto, wir müssen die Tarife oder die Löhne senken oder mit der Personalbemessung anders umgehen, nicht für die Pflege gelten kann. In der Pflege darf nicht gekürzt werden. Wir müssen in der Pflege besser werden und das heißt, wir müssen auch mehr Geld für die Pflege bereitstellen.

(Beifall bei der SPD)

Alles in allem hofft die SPD-Fraktion, dass wir die Themen Personalmangel, Personalbemessung und Fachkräftemangel mit den Regierungsfraktionen in den Ausschussberatungen in den nächsten Monaten beraten können. Wenn wir alle gemeinsam auftreten, dann können wir eine ganze Menge erreichen. Dieses Gesetz, das heute von allen gemeinsam verabschiedet wird, ist ein erster, wichtiger Schritt zu mehr Qualität. Weitere Schritte müssen folgen. Wir als SPD-Fraktion stehen für eine konstruktive Diskussion mit Ihnen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute findet wirklich eine besondere Debatte statt. Es ist für das Parlament, für die Besucherinnen und Besucher vielleicht keine spannende Debatte, weil nicht gestritten wird und keine Fetzen fliegen, aber das wäre der Sache auch nicht angemessen, denn die Verabschiedung des Gesetzes heute ist eine besondere, eine sehr gute Sache, die Hamburg eine Vorzeigerolle in der gesamten Bundesrepublik verschafft. Herr Kienscherf wäre aber nicht Herr Kienscherf, wenn er nicht doch noch in einigen Punkten etwas finden würde. Es ist gut, Herr Kienscherf, dass Sie sich immer für die Pflege einsetzen und natürlich die gesamte Pflegediskussion wieder aufmachen. Ich gehe nicht auf die einzelnen Pflegepunkte ein, die diskutieren wir an vielen anderen Stellen weiter.

Lassen Sie mich aber einen Punkt zur Rechtsverordnung ansprechen. Das haben wir im Ausschuss besprochen und es ist durchaus positiv, dass die vom Senat angekündigte Rechtsverordnung unter Trägerbeteiligung erarbeitet wird, das heißt, die Träger mit hinzugezogen werden. Ganz viele von

(Dirk Kienscherf)

Ihren kritischen Punkten sind dadurch zumindest gemäßigt, denn wenn die Träger mitreden dürfen, ist das schon einmal ein positiver Punkt. Da Sie mir nicht widersprechen, stimmen Sie mir jetzt auf jeden Fall auch zu.

Lassen Sie mich inhaltlich zum Gesetz kommen. Als im Jahr 2006 der Entwurf der Föderalismusreform vorgelegt wurde, hat unsere Fraktion davor gewarnt, die Zuständigkeit vom Bund an die Länder zu übertragen. In unserem damaligen Bürgerschaftsantrag befürchteten wir einen Verlust an Transparenz, den Abbau des damaligen Schutzniveaus, einen Qualitätsabbau und vieles mehr. Wir haben aber damals auch gesagt, wenn es ein Landesgesetz geben solle, dann müsse es den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Es müsse neue Wohn-, Betreuungs- und Pflegeformen zulassen und vor allen Dingen den Verbraucherschutz und die Mitbestimmung stärken. Wenn ich mir heute das neue Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz ansehe, dann kann ich nur feststellen, dass wir die Chancen, die uns die Föderalismusreform 2006 gegeben hat, genutzt haben, und zwar im Interesse der Pflege und der Betreuungsbedürftigen.

Auf einige Punkte, die den Grünen an diesem Gesetz besonders wichtig sind, möchte ich noch gezielt eingehen. Da ist einmal die Pflege, die der Teilhabesicherung dient. Das ist uns ganz wichtig, denn die Zufriedenheit älterer und pflegebedürftiger Menschen hängt in einem hohen Maße davon ab, wie selbstbestimmt sie ihr Leben führen können und wie selbstbestimmt sie ihr Leben empfinden können. Dazu gehört der Wunsch nach sozialer Einbindung oder der Gestaltung eigener Häuslichkeit. Darum entscheiden sich immer mehr Menschen für Wohngemeinschaften, für Service-Wohnanlagen oder eben für ambulante Dienste im eigenen häuslichen Rahmen. Umso wichtiger war und ist es aber auch, dass wir genau diesen Anwendungsbereich des neuen Gesetzes auf diese Wohn- und Betreuungsformen ausgedehnt haben. Das gab es bislang noch nicht, vor allen Dingen, dass die ambulanten Dienste mit einbezogen sind in dieses Gesetz. Da ist Hamburg wirklich in einer Vorreiterrolle, das gibt es in ganz Deutschland nicht.

Die Einhaltung der Mindestanforderungen ist uns in diesem Zusammenhang ganz wichtig. Auch diese sind in das Gesetz hineingekommen und werden zukünftig auch bei den alternativen Wohnformen anlassbezogen und stichprobenartig überprüft. Während des Beratungsprozesses gab es von verschiedenen Verbänden die Forderung, das Service-Wohnen nicht in das Gesetz mit hineinzunehmen, aber wir haben bewusst anders entschieden, und zwar durch alle Fraktionen hindurch. Nicht zuletzt nach dem tragischen Tod eines Rentners – Sie erinnern sich vielleicht noch an den Fall in der Wohnanlage Eißendorf – war klar, dass wir

genau in diesem Bereich mehr Transparenz und Information für die Betreuungsbedürftigen brauchen. Alle Menschen, die einen Platz in einem betreuten Wohnen suchen, müssen darüber informiert sein, welche Leistungen angeboten werden, in welchem Umfang sie angeboten werden und auch, und das ist ganz wichtig, wo die Grenzen des Angebotes liegen. Genau diese Transparenz stellen wir mit dem neuen Gesetz her, nämlich dadurch, dass die Mindestanforderungen für Service-Wohnanlagen jetzt definiert sind und die Anbieter verpflichtet werden, vor Vertragsabschluss die pflegebedürftigen oder behinderten Menschen ausführlich über die Angebote zu informieren, die es dort gibt. Der Hausnotruf stand dabei oft im Zentrum der Diskussion. Mit dem neuen Wohnund Betreuungsqualitätsgesetz wird es keine Pflicht zur Einrichtung eines Notrufes geben, was vielfach für Diskussionen gesorgt hat. Stattdessen wird geregelt, dass die technischen Voraussetzungen für einen Notruf bestehen. Wir überlassen es den Bewohnerinnen und Bewohnern, selbst zu entscheiden, ob sie diese Möglichkeit nutzen möchten oder nicht. Wir machen aber zur Pflicht, dass die Betreiber der Wohnanlagen die Senioren über diese Wahlleistung informieren und bei der Entscheidung beraten. Gerade der Notruf ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir einerseits das selbstbestimmte Wohnen im Alter ermöglichen, gleichzeitig die Überreglementierung vermeiden und den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner durch bessere und verständliche Information und Beratung erhöhen.

Lassen Sie mich zu guter Letzt noch auf einen nicht weniger wichtigen Aspekt eingehen. Wir verpflichten mit dem Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz die Pflegedienste dazu, auch kulturell bedingte Gewohnheiten der Betreuungsbedürftigen in der Pflege und der Einsatzplanung zu berücksichtigen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt gerade für alle die, die mit dem Thema Migrationspolitik beschäftigt sind. In der Begründung des Gesetzes heißt es dazu:

"Der Pflegedienst hat insbesondere dem Wunsch nach einer gleichgeschlechtlichen Pflegekraft […] sowie der Sprache der Nutzerinnen und Nutzer Rechnung zu tragen."

Wir erkennen damit die Vielfalt Hamburgs auch in der Pflege an. Das ist wichtig, zumal die Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund, die auf Unterstützung und Pflege angewiesen sind, in den nächsten Jahren deutlich ansteigen wird. Das Fazit der grünen Fraktion lautet: Mit dem Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz vollziehen wir einen echten Paradigmenwechsel. Wir heben die strikte Trennung zwischen stationär und ambulant, zwischen Heim und selbstverantworteten Wohn- und Betreuungsformen auf und gehen hin zu einer Versorgung, die sich am Alltag und den Bedürfnissen

älterer oder pflegebedürftiger Menschen orientiert und vor allen Dingen ihre Teilhabe stärkt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das ist eine gute Nachricht für die über 40 000 Hamburgerinnen und Hamburger, die zurzeit auf die Pflege angewiesen sind.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Die Fraktion DIE LINKE wird diesem Gesetz ebenfalls zustimmen und ich möchte einige Ausführungen machen, warum wir dies tun.

Aufgabe dieses Gesetzes ist es, die Rechte der Betroffenen, die Pflichten der Einrichtungen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu definieren. Erstmals werden nun Service-Wohnanlagen und Wohngemeinschaften definiert, um Verbraucherrechte zu stärken. Die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft begrüßt das neue Gesetz, auch wenn unsere Änderungsvorschläge nur zum Teil berücksichtigt wurden, aber es war schon bemerkenswert, dass ich diesmal bei einer Expertinnen- und Expertenanhörung den Eindruck hatte, dass die Anmerkungen und Vorschläge dieser Expertinnen und Experten auch wirklich ernst- und angenommen wurden.

Dieses heute zu beschließende Gesetz wird aber fortgeschrieben werden müssen und eines muss ganz deutlich gesagt werden: Die Barrierefreiheit muss zur Pflicht werden, eine Fachkraftquote muss erhalten bleiben und natürlich muss es ein Recht auf ein Einzelzimmer und Privatsphäre geben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ksenija Be- keris und Arno Münster, beide SPD)

Wir berufen uns auf die Verwirklichung der Menschenrechte, wenn Frauen und Männer alt, behindert oder auf Pflege angewiesen sind. Diese sind bereits aufgrund der UN-Behindertenrechtskonvention, zu der der Sozialausschuss in der letzten Woche eine Anhörung hatte, unabdingbare Voraussetzungen. Auf diese haben die auf Hilfe angewiesenen Menschen ein klares Recht; auch das muss man hier noch einmal ganz deutlich sagen.

Wir kritisieren, wie sich die Hamburgische Pflegegesellschaft und auch der Verband der Norddeutschen Wohnungsunternehmer in die Beratungen eingebracht haben. Die Pflegegesellschaft bemängelte erstens, dass der Freien und Hansestadt Hamburg die Gesetzgebungskompetenz fehle und die jetzigen Regelungsvorschriften zu bürokratisch seien und zweitens die vorgesehenen Befragungen der Beschäftigten zudem eine Einschränkung der Berufsfreiheit bedeuten würden. Immerhin, den

Vorwurf der fehlenden Gesetzgebungskompetenz hat sie schnell wieder fallen lassen, nachdem sie juristische Nachhilfe erhalten hatte. Aber die Kritik wegen der Beschäftigtenbefragung hält sie immer noch aufrecht mit der Begründung, die Verfahren zur Messung der Lebensqualität seien nicht einheitlich. Und dann drohen sie auch noch, dass die Kosten über Lohneinsparungen wettgemacht würden. Vielen Dank, liebe Pflegegesellschaft, ich dachte immer, dass Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband sozialere Leitbilder hätten.

(Beifall bei der LINKEN und bei Arno Mün- ster SPD)

Diese Positionen sind der beste Beweis dafür, welche Folgen die Privatisierung der Pflege hat. Es wird rein betriebswirtschaftlich gedacht und nicht mehr zugunsten der Menschen. Der behinderte, zu pflegende oder alte Mensch ist nur noch ein Kostenfaktor. Wir lassen uns nicht erpressen und werden auch nicht die Interessen der zu Pflegenden und die Interessen der Arbeitnehmerinnen gegeneinander ausspielen lassen. Man könnte diese Androhung durchaus auch als Missachtung der Menschenrechte Behinderter betrachten. Es wäre durchaus überlegenswert, diese Argumentation dem Europäischen Gerichtshof der Menschenrechte vorzutragen.

Die Vertreter der Wohnungsbauunternehmer kündigten recht unverhohlen an, dass Bauvorhaben für Servicewohnanlagen für ältere oder behinderte Menschen aufgrund der bald bestehenden gesetzlichen Anforderungen vielleicht nicht realisiert werden könnten, weil die gesetzlichen Voraussetzungen sie zu teuer machten. Konkret werden künftig auch die Betreiber und Betreiberinnen von Servicewohnanlagen – Christiane Blömeke erwähnte dies ebenfalls – verpflichtet, mindestens folgende Dienstleistungen anzubieten: Regelmäßige, vor Ort erreichbare Betreuungspersonen, Information und Beratung, Unterstützung in Krisensituationen, Angebote zur Freizeitgestaltung, Vermittlung von Kontakten in die Stadtteile hinein, die technische Voraussetzung für Notrufanlagen und ein Beschwerdemanagement. Das ist nicht zu viel verlangt. Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat dies auch ohne Baustopp geschafft und dies sind, ehrlich gesagt, unverzichtbare Aspekte eines selbstbestimmten Lebens.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke GAL)

Meine sehr geehrten Herren und Damen! Zudem handelt es sich finanziell für die Stadt um ein Nullsummenspiel. Wir von der LINKEN betonen aber immer wieder, dass wir das Soziale und den Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik stellen müssen. Übrigens habe ich mich in dem Zusammenhang wirklich gefreut, dies in der Drucksache im Wortlaut genauso zu finden. Gesundheit darf keine Ware werden und genauso wenig darf ein

(Christiane Blömeke)

selbstbestimmtes Leben vom Menschenrecht zum Konsumartikel mutieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden als Linksfraktion die Umsetzung des Gesetzes deswegen genau beobachten und Nachbesserungen einfordern, wenn hier zulasten der Betroffenen am Geld geknausert wird. – Schönen Dank!