Protocol of the Session on December 9, 2009

Das Wort hat Herr Lemke.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte gibt uns ein gutes Beispiel dafür, wie Gesetzgebung zukünftig in Deutschland und natürlich in anderen europäischen Ländern mehr und mehr aussehen wird. Der nationale oder der Landesgesetzgeber wird zunehmend Ausführungsorgan von Festsetzungen, die längst auf europäischer Ebene gelaufen sind. Genauso ist es auch in diesem Fall und wir müssen jetzt die EU-Dienstleistungsrichtlinie umsetzen. Wenn man sie sich genau ansieht, dann sieht man, dass die wesentlichen Punkte natürlich schon geregelt sind, aber trotzdem noch ein bisschen Umsetzungsspielraum besteht, den wir ausfüllen müssen. Wir müssen uns einfach vergegenwärtigen – Frau Badde, das ist wichtig und das haben Sie eben nicht gesagt –, worum es eigentlich bei dieser Dienstleistungsrichtlinie geht. Es geht nämlich um die Ermöglichung, Vereinfachung und Verbesserung des grenzüberschreitenden Handels mit Dienstleistungen.

(Wolfgang Rose SPD: Das wissen wir!)

Adressat dieser Regelungen sind die Unternehmen, für die Handelhemmnisse beseitigt werden sollen. Das ist eigentlich das Ziel des Gesetzes; wir kommen darauf gleich noch zurück. Wie Sie richtig gesagt haben, hat dieses Gesetz einen Gesetzeskern und das ist dieser "Einheitliche Ansprechpartner". Das ist eigentlich so eine revolutionäre Sache, dass es wichtig ist, uns einmal zu vergegenwärtigen, worum es da geht. Dass es in der öffentlichen Verwaltung für ein Unternehmen einen Ansprechpartner gibt, mit dem sämtliche Antragsstellungen abgewickelt und über den auch die wesentlichen Rechtsvorschriften erfragt werden können, ist eine großartige und revolutionäre Vorstellung, die vielleicht zukünftig die Verwaltungskultur ein bisschen prägen wird.

Ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland Dienstleistung anbieten will, kann also in sehr ökonomischer Weise mit der staatlichen Bürokratie umgehen. Das ist zumindest ein Punkt, Frau Badde, in dem wir übereinstimmen. Einen weiteren wichtigen Punkt haben Sie nicht erwähnt, nämlich die Inländergleichbehandlung. Die Vorzüge dieses "Einheitlichen Ansprechpartners" können natürlich auch die inländischen Unternehmen nutzen. Und auch wenn es eine Binsenweisheit ist, muss man trotzdem immer wieder sagen, dass die Vorteile für ausländische Unternehmen im Binnenmarkt nicht zu einer Inländerbenachteiligung führen dürfen. Das ist in dem Gesetzesentwurf wirklich sehr gut umgesetzt. Jedes Unternehmen, auch in Deutsch

(Elke Badde)

land, hat die Möglichkeit, diesen "Einheitlichen Ansprechpartner" anzusprechen.

Nun gibt die EU-Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, wo der "Einheitliche Ansprechpartner" angesiedelt und wie er organisiert werden soll und das ist hier der Hauptstreitpunkt. Es gibt verschiedene rechtlich zulässige Möglichkeiten

(Dirk Kienscherf SPD: Wie bei Nonnenma- cher, rechtlich zulässig!)

und die Bundesländer haben diese auch sehr unterschiedlich genutzt. In Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern sind zum Beispiel die Kammern beauftragt worden. In Berlin wird die Aufgabe von der Landesverwaltung wahrgenommen und in Schleswig-Holstein gibt es Mischformen. Hamburg geht den Weg, die Handelskammer mit dieser staatlichen Aufgabe zu beleihen, so lautet der Fachausdruck. Das ist auf jeden Fall der richtige Weg und die vehemente Kritik, die gegen diese Kammerlösung vorgebracht wird, kann ich in keiner Form nachvollziehen. Wenn wir uns die Sachverständigenanhörungen ansehen, die es im Haushaltsausschuss gab, dann hat Herr Dr. Ramsauer es doch glasklar auf den Punkt gebracht.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Professor! Mensch, Herr Lemke!)

Er hat gesagt, der Vorteil liege darin, dass die Kammer üblicherweise Beratungserfahrung habe, und genau darum geht es beim "Einheitlichen Ansprechpartner": Er soll beraten. Beratung, Information und Verfahrensdirektion sind doch die entscheidenden Punkte.

(Wilfried Buss SPD: Was wollen Sie uns da- mit eigentlich sagen?)

Es ist richtig, dass einige Sachverständige Bedenken angemeldet haben, auch Herr Dr. Ramsauer.

(Dr. Monika Schaal SPD: Professor Ram- sauer!)

Im Wesentlichen geht es um das Argument, die Kammer könne nicht einerseits für ihre Mitglieder da sein und andererseits ausländische Unternehmen beraten, die mit ihren Dienstleistungen auf den deutschen Markt gehen möchten. Das wäre ein Widerspruch und das ist das Hauptargument, das hier vorgebracht wird. Diese Kritik trägt doch überhaupt nicht.

Ich habe das aktuelle Handelskammermagazin mitgebracht.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Sehr interessant. Wenn Sie da hineinschauen, dann finden Sie sogar einen Sonderteil Existenzgründung und Beratung von Existenzgründungen. Das heißt, die Handelskammer beschäftigt sich intensiv mit Start-up-Unternehmen, feuert damit den

Wettbewerb an und das ist doch völlig richtig. Da hat auch noch nie jemand Kritik geäußert, dass das vielleicht gegen die Klientel der Handelskammer sprechen könnte. Also ich sehe wirklich überhaupt keinen Widerspruch darin, dass die Handelskammer für ihre Mitglieder da ist und mit einer staatlichen Aufgabe beliehen wird. Das finde ich sogar recht naheliegend.

Frau Badde, wenn Sie behaupten, dass der Senat Furcht vor den Argumenten gegen das Kammermodell hätte, bin ich absolut sprachlos. Das ist wirklich sprachliche Inkontinenz, was Sie hier bringen.

(Zurufe von der SPD)

Dann wurde gefordert, der "Einheitliche Ansprechpartner" müsse auch die Beratung von Arbeitnehmern über ihre Rechte übernehmen. Da sprechen Sie natürlich die soziale Dimension des europäischen Binnenmarktes an. Ich frage Sie, Frau Badde, ob Ihre Partei eigentlich im Europäischen Parlament, das hier die Vorgaben gemacht hat, eine entsprechende Forderung gestellt hat. Das habe ich bisher nicht gehört. Sie betreiben eine vordergründige, populistische Klientelpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Sie wollen das Gesetz so lange verbiegen, bis sich zum Schluss eine scheinbar sozialpolitische Komponente findet.

Ich komme zurück auf die Zielrichtung. Wenn es darum geht, die Dienstleistungsfreiheit in Europa herzustellen, dann soll der "Einheitliche Ansprechpartner" doch ein Mittler zwischen Unternehmen und Behörden sein.

(Wolfgang Rose SPD: Arbeitnehmern!)

Ich sehe einfach keinen Anknüpfungspunkt für eine Arbeitnehmerberatung. Die müsste in der Regel ja Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bearbeiten. Es besteht also gar kein Sachzusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie. Wenn Sie so eine Forderung stellen, dann sind Sie einfach auf dem falschen Dampfer. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Herr Kerstan.

(Wolfgang Rose SPD: Herr Kerstan als Al- leinunterhalter!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist die Dienstleistungsrichtlinie – Frau Badde hat es richtig dargestellt – nicht ganz jüngeren Datums. Es gibt allerdings eine Vereinbarung zwischen Senat und den Kammern, nämlich die Mittelstandsvereinbarung, wo einer der ersten Punkte war, dass der "Einheitliche Ansprechpartner" bei den Kammern angesiedelt

(Dittmar Lemke)

sein sollte. Das ist eine Vereinbarung aus der letzten Legislaturperiode. Es hat ein Weilchen gedauert, bevor das in diesem Jahr konkretisiert wurde; da haben Sie sicher recht. Wenn Sie aber schauen, womit wir in diesem Jahr alles zu tun hatten, dann kann man vielleicht auch das eine oder andere Argument finden, warum diese Richtlinie angesichts von mehreren Konjunkturprogrammen und anderen Problemen, Hapag-Lloyd und ähnlichen Dingen, nicht unmittelbare Priorität hatte, so dass die Vorlage relativ spät kommt.

Wenn man sich unsere Sachverständigenanhörung ansieht, dann gibt es in der Tat viele Punkte, über die man nachdenken müsste. Insofern bin ich froh, dass wir das, was Frau Badde vehement einfordert, auch wirklich vorhaben. Die Lösung – anders als in den meisten anderen Bundesländern –, nach drei Jahren zu evaluieren, ist in dieser Vorlage schon angelegt. Das wird auch der Zeitpunkt sein, um zu überprüfen, ob die kritischen Anmerkungen der Sachverständigen ihren Niederschlag in der Realität gefunden haben. Vielleicht sind wir in dem Punkt nicht so weit auseinander. In der Tat gäbe es, selbst wenn wir wollten, nicht mehr so viele Möglichkeiten, grundlegende Änderungen an dem vorgelegten Gesetz vorzunehmen, weil es nämlich am 1. Januar in Kraft treten muss. Insofern sind wir – das sage ich auch für meine Fraktion – sehr gespannt darauf, was die Evaluierung dieses Gesetzes ergeben wird, um dann zu sehen, ob man unter Umständen das eine oder andere noch verändern muss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Wolf- gang Rose SPD: Das war ja eine bemer- kenswerte Rede!)

Das Wort hat Frau Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Den Ausführungen von Frau Badde ist nicht viel hinzuzufügen. Sie hat alle Kritikpunkte angesprochen. Der Senat ist eigentlich viel zu spät aus dem Knick gekommen. Wir hätten uns all diese leidigen Diskussionen ersparen können, wenn wir rechtzeitig angefangen hätten, genau wie nach dem Berliner Beispiel, Projektgruppen zu gründen, wo der DGB mit eingebunden ist, wo die Kammern mit dabei sind und auch die Personalvertreter der öffentlichen Hand. Es kann doch nicht angehen, dass Gesetze von null bis jetzt ohne Beteiligung der Betroffenen umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

In Bezug auf die Arbeitnehmer wurde bisher immer nur davon gesprochen, was denn die Dienstleistungsrichtlinie mit Arbeitnehmern zu tun hätte. Selbstverständlich hat diese Dienstleistungsrichtlinie mit Arbeitnehmern zu tun, nämlich nicht nur mit

den Arbeitnehmern, die von außen hereinkommen, sondern auch mit den Arbeitnehmern, die bereits hier im Land arbeiten. Diese "Einheitlichen Ansprechpartner" sollen schließlich von allen genutzt werden können. Dazu gehört, dass der DGB auf jeden Fall im Kooperationsvertrag mit beteiligt wird und das vermisse ich einfach.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

In der Drucksache wurde erwähnt, dass 42 Verbände, Gewerkschaften und Institutionen darum gebeten worden sind, Stellungnahmen abzugeben. Bis auf die Aussagen der Dolmetscherverbände habe ich kaum irgendetwas gelesen. Das fehlt mir auch, um mir ein umfassendes Bild davon zu machen, wen es in Zukunft überhaupt alles betrifft und betreffen kann.

Es ist doch keine Frage, dass wir nicht darum herum kommen, diese "Einheitlichen Ansprechpartner" einzurichten. Aber das Wie und die Vorbereitung darauf hätten wesentlich besser ausgeklügelt werden können und müssen. Wir werden aus den genannten Gründen dieser Drucksache nicht zustimmen und ich lobe den Antrag der SPD, dem wir selbstverständlich zustimmen werden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich hoffe, dass der DGB und auch sonstige Verbände in Zukunft rechtzeitig mit einbezogen werden, damit diese Diskussionen um Für und Wider endlich aufhören.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort hat Herr Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unverständlich, dass es der Senat angesichts der Vorgeschichte der Dienstleistungsrichtlinie in den letzten drei Jahren nicht vermocht hat, das Parlament damit zu befassen, und das nun fünf Minuten vor Toresschluss macht. Wenn wir uns zurückerinnern, war die Dienstleistungsrichtlinie doch höchst umstritten und ist vom Europäischen Parlament unter tätiger Mithilfe der Sozialdemokraten, Herr Lemke, noch verändert worden, und zwar zu Gunsten der Arbeitnehmer. Es standen ganz andere Dinge drin. Da sollte dann nämlich der Arbeitnehmer, der hier arbeitet und aus Litauen kommt, wie in Litauen bezahlt werden. Lohndumping war angesetzt und Sie stellen sich hin und fragen, was die Dienstleistungsrichtlinie eigentlich mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerrechten zu tun habe. Sie haben da etwas nicht begriffen, Herr Lemke.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Warum wird das hier so schlank einfach den Kammern zugeschoben nach dem Motto, die werden das schon irgendwie regeln für die Stadt? Im Bun