Protocol of the Session on November 18, 2009

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben als

Grundlage der Beratung heute den Bericht des Stadtentwicklungsausschusses und ich bin mit der festen Absicht in diese Sitzung gegangen – so hatte die Fraktion das auch diskutiert –, diesem Projekt so, wie es begründet worden ist, nicht zuzustimmen.

(Olaf Ohlsen CDU: Aber?)

Frau Gregersen betont immer wieder, hier würde doch alles drinstehen. Wenn Sie sich die Seite 4 anschauen, dann steht da, dass im Frühjahr 2010 im Rahmen einer standardisierten Bewertung eine umfassende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die erste Linie durchgeführt werde. Dann gehe das weiter und erst dann haben wir verlässliche Zahlen. Im Stadtentwicklungsausschuss haben wir uns beispielsweise gerade mit dem Drama um den ZOB Bergedorf beschäftigt, wo man einfach angefangen hat zu bauen, wo sich die Kosten verdoppelt haben und es hoffentlich eine genaue Analyse des Rechnungshofs geben wird.

Meiner Meinung nach – Herr Grote hat das auch sehr deutlich gesagt – ist diese Vorlage nicht beschlussreif. Mit der Option bin ich in die Ausschussberatungen gegangen. Und dann will ich Ihnen sagen, warum es eine bestimmte Veränderung gibt; Herr Lafrenz hat einen Punkt angesprochen. Es geht erstens darum, dass Hamburg keinen gültigen Verkehrsentwicklungsplan hat beziehungsweise da noch eine alte U-Bahn-Linie drin ist. Man hatte nicht die Zeit und auch nicht den politischen Willen, diesen Verkehrsentwicklungsplan zu verändern. Man braucht aber, wenn man überhaupt die nächste Planungsstufe ansteuert und auch eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung machen will, Frau Gregersen, einen rechtsverbindlichen Beschluss; das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Wenn Sie dann eine Strecke genauer planen wollen, Planfeststellungsverfahren et cetera, dann brauchen Sie auch da eine bestimmte rechtliche Rückbindung.

Drittens, das hat Herr Lafrenz vorhin gesagt, gehen wir einer EU-Veränderungsrichtlinie entgegen, die auch bestimmte Sachen einschränkt.

Das sind die drei wichtigen Gründe, warum gesagt wurde, wir müssen das jetzt machen. Frau Hajduk hat gesagt, der politische Wille dahinter sei, dieses Projekt – ich sage es einmal in meiner Interpretation – nicht wieder auf die lange Zeitschiene zu schieben, sondern Druck dahinter zu machen. Insofern muss man jetzt ein Sonderverfahren wählen, was mit den Ausgangsbedingungen zu tun hat.

Eines ist aber ganz wichtig – ich sage das hier auch, weil wir das in der Fraktion erörtert haben und damit weiche ich als jemand, der für die Finanzen zuständig ist, von dem Verfahren ab, was ich mir zur Grundlage machen will –: Solche Sachen müssen einigermaßen sicher ausgewiesen sein,

(Andy Grote)

bevor wir zustimmen. In diesem Punkt weichen wir ausdrücklich davon ab und verlassen uns auf die Zusage, dass wir im Frühjahr eine ausführlich begründete Kosten- und Wirtschaftlichkeitsanalyse bekommen und wir nicht hinterher sagen müssen, jetzt haben sie uns doch in einer schwachen Minute erwischt und wir haben ihnen einen Blankoscheck ausgestellt.

Das werden wir uns in dem Fall noch einmal anschauen und ich sage das deswegen, damit Sie sich daran halten, denn alle Fraktionen wollen dieses Projekt. Wir wollen auch, dass es vertretbare Kosten sind, und wir wollen auch einen Blick darauf werfen, was die Wirtschaftlichkeit angeht, weil es natürlich im Detail noch Probleme bei der Streckenführung gibt. Das kann man aber erst wirklich verhandeln, wenn wir eine Grundlage haben.

Ein letzter Punkt, der nicht unerheblich ist: Hamburg – das sei auch allen gesagt, die meinen, das komme nie – finanziert das Ding Gott sei Dank nicht alleine, sondern es gibt einen Kofinanzierungsfaktor aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz et cetera. Auch das ist Bestandteil einer solchen Kostenrechnung und ich appelliere an Sie, dieses Entgegenkommen von meiner Fraktion aufzugreifen und uns rechtzeitig eine vernünftige Drucksache vorzulegen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU und der GAL – Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist sel- ten, dass wir bei Ihnen klatschen! Das kommt nie wieder vor!)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Senatorin Hajduk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hamburg braucht eine Stadtbahn. Da muss man sich auch noch einmal die Frage stellen, warum eigentlich? Wir halten die Stadtbahn für die beste Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrssystems in Hamburg. Und da wir einen öffentlichen Nahverkehr haben, dessen Fahrgastzahlen weiter steigen – das ist in diesen Zeiten nicht überall eine Selbstverständlichkeit –, wird auch in Zukunft, da bin ich sicher, die Nachfrage weiter steigen und damit brauchen wir auch eine Antwort darauf, wie es denn weitergehen soll, wenn diese gestiegene Nachfrage zum Beispiel durch Busse nicht mehr überall bewältigt werden kann. Dann ist die Stadtbahn vor dem Hintergrund der Nachfrage die richtige Antwort, insbesondere deshalb, weil man wirtschaftlich einen so intensiven Ausbau, wie wir ihn mit der Stadtbahn planen, als Erweiterung des S- und U-Bahn-Netzes nicht darstellen kann. Wenn man die letzten Jahre oder meinetwegen Jahrzehnte Revue passieren lässt und sich einmal überlegt, wie viele Kilometer

Erweiterung S- und U-Bahn wir denn hinbekommen haben, dann fällt die Antwort nicht so schwer. Wenn man eine Intensivierung des öffentlichen Nahverkehrs auf der Schiene vorantreiben will, dann ist die Stadtbahn nicht nur auf die Nachfrage bezogen, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit bezogen die Lösung, die man wirklich realistisch finanzieren kann, und das ist auch ein wichtiger Gesichtspunkt bei dieser Entscheidung.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich bin Herrn Lafrenz auch sehr dankbar für seine sehr grundsätzlichen Einlassungen zu dem Thema. Natürlich ist die Stadtbahnentscheidung auch eine, die den Maßstab anlegt, wie wir denn die Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs im Sinne eines ökologisch nachhaltigen Nahverkehrssystems haben wollen. Da ist natürlich ein elektromobiles System auch eines, das wichtig und richtig ist, und die Einführung zu diesem Zeitpunkt ist von daher sinnvoll.

Ich möchte nicht so sehr eingehen auf die Fakten, darüber haben wir im Ausschuss diskutiert und auch schon informiert, was das Zielnetz und den ersten Bauabschnitt angeht, aber ich möchte noch einmal kurz Stellung zu einer Kritik von Ihnen, Herr Grote, nehmen. Wir haben im Ausschuss sehr ausführlich vorgetragen und auch die Zahlen und die Untersuchungszahlen nachgeliefert. Deswegen finde ich Ihre Kritik hier ein bisschen harsch,

(Jörn Frommann CDU: Das kennen wir nicht anders!)

denn mir ist nicht bekannt, welche Fragen gegebenenfalls nicht beantwortet worden wären. Wir haben die Zahlen auch zu den Personenfahrten, die gerade zu der Auswahlentscheidung zwischen der einen oder anderen Strecke geführt haben, dargelegt. Wir haben ausführlich Stellung genommen, das halte ich auch für richtig, weil auch ausführliche Untersuchungen zu dieser Entscheidung geführt haben.

Eine Zahl will ich hier noch einmal nennen. Mit unserem Zielnetz verfolgen wir das Ziel, 100 000 Menschen auch einen Schienenanschluss in Hamburg zu ermöglichen und das ist eine beachtliche Zahl trotz des vorhandenen U- und S-Bahnund Bussystems, das ja keinesfalls schlecht ist.

Wichtig ist mir auch zu sagen, dass wir jetzt dabei sind, das Planfeststellungsverfahren vorzubereiten. Wir haben die Diskussionen mit den Trägern öffentlicher Belange und uns ist bei der Einführung dieses Systems wichtig, viel Transparenz herzustellen. Das habe ich auch den Oppositionsfraktionen zugesichert, wir bleiben da keine Information irgendwie schuldig, denn ich habe ein Interesse daran, dass alle hier im Hause, aber auch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger bestmögliche Informationen über unsere Planungen erhalten. Das

(Dr. Joachim Bischoff)

zeigt auch die Veranstaltung, die wir zum Beispiel mit Einzelhändlern und Betroffenen im Bereich Winterhude gemacht haben. Man kann nämlich heute auch an Stellen, wo es eng scheint, tragfähige Lösungen darstellen, wie ein solches System eingeführt werden kann, wie man sich den engen Straßenraum sinnvoll teilen kann. Da bin ich ganz zuversichtlich, dass wir Lösungen finden werden, die auf Akzeptanz stoßen, und insgesamt ist die Stadtbahn auch ein System, das unter dem Gesichtspunkt der Stadtentwicklung und des Stadtbildes sehr attraktive Lösungen zulässt.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich möchte noch einmal eingehen auf die Drucksache und den Beschluss, denn das ist mir schon wichtig, dass zwischen Senat und Bürgerschaft klare Regeln herrschen. Da bitten wir um Zustimmung, denn mein Verständnis ist, dass ich eine Befassung der Bürgerschaft haben möchte, bevor man als Exekutive weitermacht. Dazu haben wir auch im Ausschuss sehr deutlich Stellung genommen und das hat auch dazu geführt, dass die LINKE ihre Zustimmung oder ihr Abstimmungsverhalten neu bedacht hat und anders gefasst, nämlich zugestimmt hat; dazu hat auch Herr Bischoff etwas gesagt.

Dieser Grundsatzbeschluss der Bürgerschaft ist sinnvoll und auch diese Befassung für die Opposition ist sinnvoll, Herr Grote, weil in Hamburg die Bürgerschaft das öffentliche Verkehrsinteresse definiert, was bei Genehmigungen zu beachten ist. Weil das so ist, ist es mein Verständnis, dass ich die Bürgerschaft dann damit befasse, wenn wir solche Planungen anstreben für ein neues Verkehrssystem, was im alten Verkehrsentwicklungsplan natürlicherweise nicht enthalten ist. Das ist mein Verständnis von Zusammenarbeit zwischen Senat und Bürgerschaft und ich war ganz froh, dass einige Mitglieder Ihrer Fraktion das im Ausschuss goutiert haben; die haben das nur heute leider nicht vorgetragen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wir brauchen also diese Beratung in der Bürgerschaft, um die Rechtssicherheit auch für das Genehmigungsverfahren zur Linienführung zu erhöhen. Es ist dargestellt worden, dass es auch wegen der neuen EU-rechtlichen Regelungen sinnvoll ist, diese Beschlussfassung zu diesem Zeitpunkt hier zu suchen.

Es ist richtig, dass ich noch einmal ausdrücklich zu Protokoll gegeben habe, dass so ein Grundsatzbeschluss über das Zielnetz weiterhin die Möglichkeit eröffnet, dass wir, wenn weitere vertiefte Planungen dazu führen sollten, Varianten der Trassenführung neu zu bewerten, dann auch diese Flexibilität haben. Es ist sinnvoll, wenn man konkrete Planungen macht und zu neuen Erkenntnissen kommt, Planungen dann auch noch beeinflussen zu kön

nen. Herr Grote, ich kann Ihre Kritik überhaupt nicht verstehen, ich finde sie sachlich schlicht falsch.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Insofern frage ich mich jetzt auch, wie viel eigentlich Ihre Unterstützung wert ist, Herr Grote,

(Ekkehart Wersich CDU: Nix! Trümmertrup- pe!)

Eingangs Ihrer Rede erklären Sie für die SPD, wir stehen hinter der Stadtbahn, und dann kommen Sie hier mit einer solch dürftigen Begründung,

(Andy Grote SPD: Dürftig ist ja wohl etwas anderes!)

zwar heftig im Ton vorgetragen, hier würde noch nicht die richtige Kostenschätzung vorliegen.

(Andy Grote SPD: In der Drucksache steht fast gar nichts drin!)

Ich will Ihnen jetzt einmal Folgendes sagen, dafür bin ich lange genug Haushaltspolitikerin gewesen: Es gibt notwendige Voraussetzungen für seriöse Kostenunterlagen und es gibt notwendige Voraussetzungen, sich eine Finanzierungszusage beim Parlament zu holen. Und ich halte mich daran, ich möchte Ihnen seriöse Zahlen vorlegen und keine politischen Zahlen, das wundert Sie vielleicht.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Ekkehart Wersich CDU: Das begreift Herr Grote aber nicht!)

Deswegen – das sage ich auch ausdrücklich an Herrn Bischoff – ist das selbstverständlich kein Blankoscheck, den ich hier heute entgegennehme, weil ich nämlich überhaupt nicht die Zusage von der Bürgerschaft zur Finanzierung der Stadtbahn bekomme und das ist auf der Grundlage dieser Drucksache auch berechtigt, aber ich bitte Sie auch gar nicht darum. Man muss doch auch einer Oppositionsfraktion einmal die Differenzierung zumuten können, einen Grundsatzbeschluss mit Blick auf höhere Planungssicherheit für ein Planfeststellungsverfahren gewinnen zu wollen, wo eine Definitionszuständigkeit der Bürgerschaft vorliegt, und dass das zu trennen ist von einem Beschluss, der die Finanzierung beinhaltet. Ich kann das öffentliche Interesse an den Kosten für die Stadtbahn verstehen und bevor sich die Stadt bindet und festlegt, muss auch sicher sein, wie man das finanzieren will. Das ist alles in Ordnung, aber ich habe jetzt auch bei Diskussionen um so manche Projekte, die sich deutlich verteuert haben, große Bauprojekte der öffentlichen Hand, viel Post von verdienten Sozialdemokraten bekommen, die einmal in bestimmten Ämtern waren, die mich bitten und darauf hinweisen, doch bitte Kostenschätzungen so seriös vorzunehmen und die Bürgerschaft erst dann zu befassen, wenn sie auch vorliegen, und

(Senatorin Anja Hajduk)

diese Sozialdemokraten haben in diesem Punkt recht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Deswegen ist es richtig, dass wir die Stadtbahn sehr entschlossen vorantreiben. Wenn man nach anderthalb Jahren Regierungszeit ein Zielnetz definiert und einen Bauabschnitt identifiziert hat, das Planfeststellungsverfahren zügig vorbereitet, viel Öffentlichkeitsarbeit leistet und weiter bereit ist zu leisten, dann sehen Sie, wie ernsthaft wir dieses Projekt gemeinsam vorantreiben. Machen Sie sich keine Sorgen, das haben die Worte aus der CDU-Fraktion sehr deutlich gemacht.

(Zuruf von der SPD: Ja, das war total über- zeugend!)

Machen Sie sich keine Sorgen, auch die GAL-Fraktion wird genau auf die Finanzierung schauen. Wir sind überzeugt, dass die Stadtbahn ein sinnvolles Projekt ist, und ich fände es schön, wenn man nach einer Debatte einmal wieder den Eindruck haben könnte, die grundsätzliche Unterstützung einer SPD-Fraktion sei auch eine Unterstützung in der Sache. Das ist heute sehr unklar geblieben.