Protocol of the Session on May 7, 2008

(Senator Dr. Michael Freytag)

Herr Freytag, Sie reiten mit Ihrer Rhetorik und mit diesem massiven strukturellen Defizit, über das der Rechnungshof redet, auf einer großen konjunkturellen Welle. Wenn die abbricht, dann werden Sie hart aufs Pflaster schlagen, dann werden Sie Ihre Rhetorik umstellen und von Haushaltsnotlage sprechen – das befürchten wir – und dann wird es schmerzhafte Einschnitte geben.

Welche Bürgerinnen und Bürger diese schmerzhaften Einschnitte zu spüren bekommen werden, das wage ich vorherzusagen. Ich will es einmal so formulieren: Der Rechnungshof ist eine politisch neutrale und unabhängige Einrichtung, die sich dafür einsetzt, dass Einnahmen und Ausgaben ins Lot kommen. Für die Bürgerinnen und Bürger ist aber eine zweite Frage wichtig, die über die Gesamtbilanz des Haushalts hinausgeht. Es geht nämlich darum, für welche Interessen Geld ausgegeben wird und wer am Ende die Kosten trägt und da besteht in der Finanzpolitik der CDU eine Tendenz, die uns nicht gefällt. Die CDU lobt sich gerne, sie könne selbst am besten mit Geld umgehen.

(Harald Krüger CDU: Stimmt!)

Sie gehen vor allem mit dem Geld derjenigen, die wenig haben, routiniert um und das haben wir erlebt.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben den SAGA-Mietern mal eben 500 Millionen Euro aus der Tasche gezogen, Familien mit Kindern zur Kasse gebeten mit Gebühren für Kitas, Vorschule, Büchergeld, pädagogischem Mittagstisch, Studiengebühren.

(Robert Heinemann CDU: Unsinn!)

Wenn es um ein HVV-Sozialticket geht oder um Kuren für chronisch kranke Kinder, dann rechnen Sie mit spitzem Bleistift. Mit Millionensummen für Fehlkalkulationen und Nachforderungen bei Prestigeprojekten gehen Sie locker und spontan um. Das ist bei uns anders und das werden wir auch in den kommenden Haushaltsberatungen deutlich machen.

Herr Freytag, Sie haben in der Debatte wiederholt, Sie hätten kein Defizit, so steht es auf Seite 15 Ihres Wahlprogramms.

(Dr. Michael Naumann SPD: Gespenstisch! – Uwe Grund SPD: Manchmal glaubt er es selber!)

Bis vor Kurzem hat die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Bund-Länder-Finanzbeziehung auf eine Antwort aus Hamburg gewartet, wie sich denn die Finanzsituation in Hamburg darstelle. Alle haben geantwortet, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, aber von Hamburg keine Angaben. Dann geht es weiter zur nächsten Tabelle. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen haben geantwortet,

von Hamburg keine Angaben für die Kommission zur Bund-Länder-Finanzbeziehung.

Dann kam der 24. Februar, der Tag der Wahl, und am 25. Februar ist der Finanzbehörde aufgefallen, dass sie ein Defizit hat. Am 26. Februar ging ein Schreiben der Finanzbehörde an die Kommission zur Abfrage der Entwicklung der öffentlichen Verschuldung, in der sie um Entschuldigung für die Verzögerung bat und da stellte sich heraus, dass das Finanzierungsdefizit der Freien und Hansestadt Hamburg 266 Millionen Euro betrug. Das gab die Finanzbehörde zwei Tage nach der HamburgWahl zu, ein Schreiben, Herr Freytag, aus Ihrer Behörde.

(Dr. Michael Naumann SPD: Die werden alle entlassen! – Gegenruf von Kai Voet van Vormizeele CDU: Die Naumannsche Haus- haltspolitik!)

Bevor ich es vergesse, darf ich noch etwas richtigstellen. Die 250 Millionen Euro, Herr Kerstan, die wir im Wahlkampf thematisiert haben, waren für vier Jahre gerechnet. Wenn Sie uns jetzt darlegen, dass Ihr schwarz-grüner Koalitionsvertrag ein Schnäppchen mit 100 Millionen Euro sei, dann macht es die Haushaltsberatungen vielleicht leichter.

Ich möchte aber noch zu einem letzten Punkt kommen, auf den Herr Freytag wieder nicht eingegangen ist. Herr Freytag, Sie haben im Rechnungshofsbericht – nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis und antworten Sie darauf – gesagt bekommen, dass Sie im Jahr 2006 eine Haushaltsmanipulation vorgenommen haben mit einem unnötigen Kredit von 500 Millionen Euro, um dies in der allgemeinen Rücklage zu parken und daraus im Vorwahljahr 2007 Ihre unsolide Finanzpolitik gegenüber den Wählern zu verschleiern. Die Zinszahlungen hierfür betragen nach Angabe des Rechnungshofs – das denken wir uns doch nicht aus – allein 20 Millionen Euro pro Jahr. Sie werden sagen, später hätten wir den Kredit sowieso gebraucht, so defizitär, wie unsere Haushalte sich weiter entwickeln. Aber allein die vorgezogene Kreditaufnahme kostet den Steuerzahler 20 Millionen Euro. Selbst wenn man die Erträge aus dieser allgemeinen Rücklage noch gegenrechnet – Zinserträge aus kurzfristigen Geldanlagen und was auch immer – und wenn diese Erträge die Ausgangskreditzinsen auch nur um 0,5 Prozent unterschreiten, dann ergeben sich immer noch Kosten von 2,5 Millionen Euro, die der Steuerzahler exklusiv für Ihren Wahlkampf aufbringen muss. Vielleicht zahlen Sie das Geld aus Ihren Parteikassen einfach zurück an den Hamburger Haushalt oder an eine karitative Vereinigung, damit überhaupt jemand außer Ihnen und den Banken etwas von dem Geld hat.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Senator Freytag.

(Uwe Grund SPD: Märchenstunde, zweiter Teil!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun beschweren Sie sich doch nicht, Herr Naumann oder Herr Neumann, wer auch immer,

(Dr. Michael Naumann SPD: Ach, Herr Don- nerstag!)

dass ich auf die Rede Ihres Finanzsprechers antworte. Das ist doch Ausdruck des Respekts des Senats gegenüber dem Parlament und das können Sie doch nicht schlecht finden.

Ich nenne nun einmal die Fakten, Herr Tschentscher, wir haben kein Haushaltsloch. Ein Finanzierungssaldo ist kein Haushaltsloch. Wenn man aus eigenen Mitteln den Finanzierungssaldo ausgleichen kann und das können wir, dann hat man kein Haushaltsloch, sondern einen ausgeglichenen Haushalt, und zwar ohne neue Schulden und das ist das, was der Rechnungshof ausdrücklich würdigt. Der Rechnungshof möchte nur, dass am Ende die Überschüsse im Betriebshaushalt so hoch sind, dass wir sämtliche Investitionen damit ohne Rücklagen finanzieren können. Das wollen wir auch und das werden wir am Ende der mittelfristigen Finanzplanung erreichen.

Wir haben Rücklagen gebildet, wir haben aus Grundstücksveräußerungen Gelder eingestellt und werden damit den Haushalt mit eigenen Mitteln ohne neue Schulden ausgleichen. Wissen Sie, welche Finanzierungssalden Sie hatten? Allein zwischen 1990 und 1997 – ich habe aus Gründen der Höflichkeit nur SPD-Alleinregierungszeiten genommen – hatten Sie ein Finanzierungsdefizit von 9,5 Milliarden Euro. Dass Sie sich bei unserem relativ kleinen Finanzierungssaldo, den wir noch aus eigener Kraft wuppen können, hier hinstellen und großspurig die SPD-Finanzpolitik preisen, ist ein Realitätsverlust, der prompt in die Opposition geführt hat. Da gehören Sie nämlich auch hin, und zwar auf Dauer.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das scheint Sie ja getroffen zu haben, Herr Donnerstag!)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Herr Dr. Tschentscher noch einmal.

Wenn es jetzt der letzte Wortbeitrag ist, dann ist es doch erträglich.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Zuru- fe)

Herr Freytag, der letzte nach den Angaben des Rechnungshofsberichts im Finanzierungssaldo ausgeglichene Haushalt ist, wenn ich das richtig erinnere, 1989 unter einem sozialdemokratischen Bürgermeister vorgelegt worden; das waren nicht Sie. Sie haben 2003 das absolute Rekordhoch in der Nachkriegszeit mit 1,9 Milliarden Euro erreicht. Ich will mich aber auf diesem Niveau nicht weiter mit Ihnen streiten.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Nee, das verstehe ich! Verantwortung wollen Sie näm- lich nicht übernehmen, Herr Tschentscher!)

Weil Sie den Rechnungshofsbericht nicht ernst nehmen, weil Sie an der Kernfrage gezielt vorbeiargumentieren.

Herr Kerstan, da hätte ich auch einen Wortbeitrag von der GAL erwartet, denn Herr Dr. Maier hat 2007 in einem gemeinsamen Antrag von SPD- und GAL-Fraktion immer mit vertreten, dass wir Herrn Freytag nicht damit durchkommen lassen, dass er nur über die Schuldenseite redet, sondern auch die Vermögenserlöse und die Abschreibung der Vermögenswerte mit in die Gesamtkalkulation einbezieht. Das war bisher jedenfalls auch Position der GAL-Fraktion und das sollten Sie im schwarzgrünen Senat Herrn Freytag nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bischoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Freytag, ich will Ihnen gerne folgen, dass Sie das für dieses Jahr mit dem Rückgriff in die Rücklagen durch die Vermögensmobilisierung hinbekommen. Laut Bericht des Landesrechnungshofs, den wir zu diskutieren haben, ist aber darauf hingewiesen worden, dass damit am Ende dieses Haushaltsjahres Schluss ist, dass Sie dann nicht weiter hineingreifen können. Sie schütteln jetzt den Kopf, aber ein Teil dieser Diskussion basiert darauf, dass Ihr Bericht aus dem November 2007 mindestens lückenhaft ist; daran kann es keinen Zweifel geben.

Zweitens haben Sie bislang nicht eine Nachbesserung in Aussicht gestellt, sondern führen die alte Auseinandersetzung des Wahlkampfs weiter. Wir wollen aber demnächst die Diskussion darüber, wie Sie das finanzieren wollen, was im Koalitionsvertrag steht. Wir wollen wissen, wie Sie mittelfristig diese Finanzen in Ordnung bringen und – ich will das ausdrücklich noch einmal sagen – wir wollen auf gar keinen Fall, dass die Konsolidierungspolitik zulasten der unteren sozialen Schichten fortgeführt wird. Und wenn Sie jetzt sagen, so und so wird das sein, dann sind wir ganz gespannt darauf, demnächst eine belastbare Vorlage zu erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat der Abgeordnete Kerstan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute eine merkwürdige Anmeldung vonseiten der SPD, denn letztendlich haben wir heute einen Senat gewählt, der die Politik der nächsten vier Jahre bestimmen wird.

(Dr. Michael Naumann SPD: Ihr habt den gewählt! – Michael Neumann SPD: Das ist doch euer Bürgermeister jetzt!)

Sie führen gerade eine Debatte, in der Sie die Haushaltsführung des alten, mit absoluter Mehrheit regierenden CDU-Senats, bewerten. Da haben Sie diverse Male auf die Ausführungen von Herrn Maier hingewiesen und aus meiner Sicht kann ich nur sagen, dass es richtig ist, was Herr Maier damals zu den letzten vier Jahren gesagt hat, da gibt es nichts hinzuzufügen. Sie haben das offenkundig auch gelesen, also brauche ich es hier nicht zu wiederholen.

Worüber ich mich gerne in Zukunft mit Ihnen auseinandersetzen werde, ist die Finanzpolitik des jetzt gewählten Senats und dann ganz konkret am nächsten Haushalt. Ich lasse mich auch gerne von Ihnen in die Pflicht nehmen, dann zu verteidigen, was gemeinsam verabschiedet wird. Ich lasse mich auch gerne von Ihnen prügeln, wenn Sie meinen, das sei falsch. Aber glauben Sie nicht, dass ich mich jetzt hier hinstelle und eine Verteidigungsrede für die Finanzpolitik des abgewählten,

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

nicht abgewählten, aber des letzten Senats halte.

Insofern verstehe ich Ihre Aufregung überhaupt nicht. Was wir zu den alten Haushalten der letzten vier Jahre gesagt haben, was Herr Maier gesagt hat, bleibt bestehen und wir werden jetzt einen gemeinsamen neuen Haushalt vorlegen. Dann werden auch die Prioritäten des neuen Senats deutlich und dann freue ich mich auf die inhaltliche Auseinandersetzung. Diese rückwärtige Debatte halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sonderlich ergiebig, denn das haben wir in den letzten vier Jahren wirklich mehr als genug getan. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 19/13 Kenntnis genommen hat.

Dann kommen wir zu den Berichten des Eingabenausschusses.

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/138 –]

[Bericht des Eingabenausschusses: Eingaben – Drs 19/139 –]