ne Provokation. Er ist eine Kriegserklärung an die arbeitenden Menschen und an solche, die ihre Arbeit verloren haben, jene, die gern Arbeit hätten, aber nach der Schule keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, und jene, deren Qualifikation nicht anerkannt wird, weil sie ihre Ausbildung in einem anderen Land als in Deutschland gemacht haben.
Der Naziaufmarsch am 1. Mai war der teilweise geglückte Versuch, Rechte einzufordern, die Volksverhetzer nicht zustehen. Die Neonazis wollen Rechte, die ich unter anderem gerade aufgezählt habe, aber nur für Deutsche. Sie wollen sie zudem nur für männliche Deutsche. Sie sind mittlerweile bereit, ihre Forderungen mit erheblicher Gewaltanwendung zu vertreten, denn sonst hätte es diese Eskalation in Barmbek nicht gegeben.
Zerstörung ist nicht zu rechtfertigen, egal, wer sie verursacht. Niemandem darf etwas geschehen, nur weil er oder sie mitdemonstriert oder zufällig dort wohnt, wo demonstriert wird, weil zufällig das eigene Auto dort steht, weil zufällig der eigene kleine Betrieb dort angesiedelt ist. Aber ich warne davor, einen abgefackelten Müllcontainer sofort in die eigene ideologische Schublade zu stecken. Ich kann nicht sagen, was konkret jemanden motiviert, einen Müllcontainer oder ein Auto anzuzünden. Vielleicht war es auch eine bewusst bezahlte Provokation, die Mitläufer animieren sollte. Ich zitiere:
"Im weiteren Straßenverlauf wurden immer wieder große Plastikmüllcontainer in Brand gesetzt, die noch qualmten, als der Marschzug vorbeiging. Die Atmosphäre hätte kaum besser sein können."
Im Übrigen finde ich es aber völlig unglaubwürdig, wenn gesagt wird, dass die klare Aggression der Neonazis so nicht vorherzusehen war und dass es nicht möglich war, die verschiedenen Gruppen konsequent voneinander zu trennen. Die Menschen, die in diese Situation, in diese direkte Konfrontation hineingerieten, ob bewusst oder nur zufällig, waren in akuter Gefahr und das hätte verhindert werden müssen.
Ich möchte diesem Plenum noch einen Gedanken mitgeben, den Sie ernst nehmen sollten. Gewalt entsteht nie nur so. Gewalt ist immer ein Ventil für Frust, für Wut, für Unterdrückung, für Demütigung. Die Jugendkrawalle in Frankreich haben viele Menschen in Deutschland nicht verstanden. Dieses Land muss damit rechnen, dass die Gewalt auf der Straße insgesamt und nicht nur am 1. Mai zunehmen wird, wenn weiterhin von der Politik falsche Weichenstellungen in zentralen Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Demokratie gestellt werden, sodass weiterhin junge Leute perspektivlos sind, dass Zukunftsängste herrschen, dass
Menschen aufhören, an die Demokratie zu glauben. Wie Sie Ende Februar wieder gesehen haben, sinkt die Wahlbeteiligung immer weiter, weil sich immer mehr Menschen nur noch verarscht fühlen von Politikerinnen und Politikern,
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Frau Artus, ich möchte Sie bitten, unbedingt zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzufinden.
… nicht einmal gelingt – Sie haben 4,6 Prozent verloren, Sie haben 2,7 Prozent verloren –, klare Ansagen in einen Koalitionsvertrag hineinzuschreiben, aus dem kalkulierbar für die Menschen hervorgeht, wann es ihnen wieder besser gehen wird. Suchen Sie bitte, wenn Sie schon Ursachen für die Gewalt suchen, ganz nah bei sich und sorgen Sie endlich dafür, dass Nazis nicht mehr auf unseren Straßen demonstrieren werden und dass die NPD endlich verboten wird.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dressel, ich möchte noch einmal auf eine Bemerkung von Ihnen zurückkommen. Sie hatten gesagt, es gebe keinen gemeinsamen Kompass von Schwarz-Grün und hatten uns eine politische Einflussnahme vorgeworfen, zumindest der Koalitionsvertrag habe schon politischen Einfluss auf die Polizei genommen. Das empfinde ich als ein sonderbares Verständnis dafür,
in welch einem vorauseilenden Gehorsam die Hamburger Polizei offenbar in Ihrem Bild urteilt. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist.
Jedenfalls möchte ich kurz bewerten, was Sie da gesagt haben. Ich schätze das so ein, dass das ein ziemlich untauglicher Versuch gewesen ist, hier einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen zu treiben.
Das ist Ihnen aber heute nicht gelungen und ich kann Ihnen versprechen, dass Ihnen das auch die nächsten vier Jahre nicht gelingen wird.
Es gibt keinen Dissens. Es gibt Einigkeit, wenn es darum geht, den Schutz der Demonstrationsfreiheit zu gewähren. Ich denke im Übrigen, dass es sinnvoll wäre, wenn diese Einigkeit auch mit der SPDFraktion bestünde, denn Sie haben durchaus auch leichte Kritik anklingen lassen, dass jetzt im Koalitionsvertrag Dinge zur Demonstrationsfreiheit stehen würden. Aber es ist doch so, dass in dem Koalitionsvertrag Dinge stehen, die ganz klar auf dem Boden dieser Verfassung und auf der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruhen. Da wünsche ich mir, dass wir hier einen gemeinsamen Konsens haben, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auch in Hamburger Demonstrationen zur Anwendung kommt.
Es gibt auch keinen Dissens, wenn es darum geht, dass unsere Demokratie gegen Nazis zu schützen ist. Wir sind uns auch einig, dass wir alles dafür tun müssen, um Gewalt auf Demonstrationen zu unterbinden, egal, welche ideologische Einstellung Gewalttäter haben, denn jeder Steinwurf auf einer Demonstration ist nicht nur eine Gefährdung von Menschen, er ist auch ein Anschlag auf das Demonstrationsrecht derer, die friedlich demonstrieren wollen.
Es gibt auch Einigkeit darüber, dass der Senat eine Pflicht hat, die hamburgischen Beamtinnen und Beamten in ihrem Dienst zu schützen und zu unterstützen. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
(Beifall bei der GAL und der CDU – Michael Neumann SPD: Das steht so aber nicht im Koalitionsvertrag!)
Deswegen möchte ich auch an Sie eine Bitte richten, denn, ich glaube, auch Sie müssten sich einmal entscheiden, wo Sie eigentlich stehen, wenn Sie uns vorwerfen, wir hätten keinen inneren gemeinsamen Kompass. Frau Möller hatte das in einem Nebensatz erwähnt. Ich möchte das noch einmal kritisch aufgreifen, Herr Dressel. Am 2. Mai, als die Medien sehr kritisch gegenüber der Entscheidung des Hamburger Oberverwaltungsgerichts waren, hat sich die SPD dieser Kritik angeschlossen und, Herr Dressel, Sie haben von einer fragwürdigen OVG-Entscheidung gesprochen. Später, als sich das Gericht dann mit Argumenten gewehrt hat und auch die Medien diese Argumente als plausibel aufgegriffen haben, haben Sie, die sich an dieser Justizschelte beteiligt haben, Herrn Nagel wiederum kritisiert, er würde eine Justizschelte betreiben.
Herr Dressel, ich glaube, genau das ist das Problem: Sie wissen nicht, wo Sie stehen und Sie haben nicht den inneren Kompass.
Dann möchte ich noch zu einem Punkt Stellung nehmen, und zwar zu der Gefahrenprognose der Polizei und auch der Gerichte. Das ist sowohl von Herrn Jäger als auch von Herrn Dressel und anderen Rednern angesprochen worden. Ich denke, wir haben das in aller Ruhe und Unaufgeregtheit zu analysieren, denn das wäre angemessen. Wir haben zu analysieren, ob die Gerichte, aber auch, ob die Polizei Fehler bei den Einschätzungen gemacht hat. Ich glaube im Übrigen nicht, dass wir da heute voreilige Schlüsse ziehen sollten, denn man muss auch festhalten, dass die Gewalt nicht auf der Demonstration, sondern abseits der Demonstration stattgefunden hat und das ist durchaus kritisch zu analysieren.
Wir werden auch zu analysieren haben, ob es im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe bei der polizeilichen Vorbereitung von Demonstrationen und im Hinblick auf die Gewährung von Rechtsschutz einen Optimierungsbedarf gibt, denn auch da ist es selbstverständlich, dass die Gerichte in der Lage sein müssen, mit ausreichend Zeit über Demonstrationsauflagen zu urteilen, denn das ist die Gewährung von Rechtsschutz wie wir ihn in dieser Stadt haben wollen.
Lassen Sie uns deswegen darüber diskutieren, was wir für die Zukunft ändern können. Lassen Sie uns über die Lehren diskutieren, die wir aus diesen Vorfällen ziehen müssen. Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie wir auch die politische Bildung stärken können, um Rechtsextremismus zu unterbinden und wie wir Aussteigerprogramme aus der rechten Szene stärken können. Lassen Sie uns auch darüber diskutieren, wie wir das Demonstrationsrecht vor Gewalt schützen können. Lassen Sie uns aber auch darüber diskutieren – das ist eine kritische Anmerkung an Herrn Rose und auch an die LINKE –, ob wir es uns wirklich leisten wollen, dass wir bestimmte Demonstrationen, weil sie von rechts kommen, vorneweg verbieten wollen. Demonstrationsfreiheit und unsere Demokratie bedeuten auch den Schutz der Andersdenkenden. Das tut manchmal weh, aber das ist auch der Schutz der Demokratie.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Anmerkungen zu dem machen, was
vielleicht auch aus der Sicht der Menschen, die in Barmbek wohnen, leben und dort demonstriert haben, wichtig ist.
Wir haben in der letzten dreiviertel Stunde teilweise hitzig über Krawalle bei der Kundgebung zum 1. Mai debattiert. Ich glaube, dass es wichtig ist, noch einmal festzustellen, dass es an diesem Tag in diesem Stadtteil eine große Menge von Menschen gab, die gemeinsam, couragiert demonstrieren wollten, um den Nazis deutlich zu zeigen, dass sie hier nicht erwünscht sind. Diese Menschen haben mit ihrem friedlichen Protest deutlich gemacht, was sie wollen und wurden dann von gewalttätigen Rechts- und Linksextremisten missbraucht und das können und dürfen wir nicht akzeptieren.
Die Absicht aller demokratischen Kräfte an diesem Tag war es, mit friedlichem Protest ein Zeichen zu setzen, dass Nazis mit ihrer menschenverachtenden Ideologie in diesem Stadtteil nicht erwünscht sind und auch nirgendwo anders in Hamburg akzeptiert werden. Wir müssen allerdings rückblickend feststellen, dass diese kriminellen Gewalttäter mit ihrer Gewaltbereitschaft, die sie häufig mit vermeintlich politischen Überzeugungen tarnen, diesen demokratischen Protest zu einem sehr großen Teil entwertet haben. Es ist diesen Kriminellen – das sage ich ganz deutlich – gelungen, dass wir über den 1. Mai nicht mehr als große Demonstration gegen Nazis reden, sondern nur noch über Krawalle reden. Ich finde, das haben die Menschen, die dort friedlich demonstriert haben, nicht verdient.
Ich bedauere sehr, dass wir in Hamburg leider nicht in der Lage gewesen sind, das zu tun, was die Menschen in Nürnberg geschafft haben. Nürnberg hat eine weitestgehend friedliche Demonstration erlebt. Nürnberg hat den Nazis dort sehr deutlich gezeigt, was man von ihnen hält und dass der rechte Mob in dieser Stadt nicht erwünscht war. Ich finde es schade, dass wir es nicht geschafft haben, diese Art hier gemeinsam hinzubekommen. Lassen Sie mich noch einmal ganz deutlich sagen, Frau Schneider, …
Wo ich war? Ich war auf der Demonstration, Herr Hackbusch. Ich weiß nicht, wo Sie gewesen sind. Ich war dabei und habe dort mit vielen anderen Kollegen gemeinsam für Demokratie, für friedlichen Protest gestanden.