Protocol of the Session on November 4, 2009

(Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Amen!)

die Identität unserer schönen, lieben, Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Petersen, in die Zukunft zu bringen. Das bekommen wir nur hin durch Innovation.

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Sie haben es noch nicht begriffen, das ist klar, Herr Kienscherf.

Wer Identität durch Stillstand bewahren will, braucht Innovation, sonst verfällt sie und bleibt allenfalls noch museal. Das bringt das Erfordernis mit sich, Geld zu investieren. Innovationen sind teuer. Mein Finanzsenator sagt immer zu mir, er habe kein Geld, das sagt jeder Finanzminister heute. Darum brauchen wir Investoren, da kann man Glück oder Pech und gute oder weniger gute Investoren haben, da kann es gut gehen oder nicht gut gehen. Aber das Gegeneinanderausspielen von Geld und Bewahrung von Identität ist falsch. Wir müssen Identität durch Innovation bewahren. Das ist die große Aufgabe auch im Gängeviertel.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Eines geht allerdings nicht, lieber Herr Hackbusch, Sie haben es vielleicht gar nicht so gemeint, als Sie davon sprachen, man sollte den ursprünglichen Zustand des Ensembles wiederherstellen wollen. Das geht natürlich nicht. Der ursprüngliche Zustand war ein einziges Gängeviertel von der Neustadt bis an den Wallring. Die Zustände in diesem Viertel bewegten Johann Hinrich Wichern dazu, die Innere Mission zu gründen, so schlimm war das. Das kann niemand wollen. Aber wir wollen wenigstens das in die Zukunft retten, was noch an Merkmalen der Identität dieser Stadt geblieben ist, und das sind ein paar Häuser in einem kleinen Teil des Gängeviertels. Darum brauchen wir eben Investoren. Wenn es nicht der richtige ist, dann ist das schade, dann haben sich einige Leute auf verschiedenen Posten und in verschiedenen Parteien geirrt, das kann sein, aber der Weg ist im Prinzip richtig. Es gibt keinen anderen Weg, die Identität unserer Freien und Hansestadt Hamburg auch in der Zukunft zu bewahren.

Sie sollten sich das alle miteinander ab und zu einmal vergegenwärtigen, damit die Leute nicht wieder sagen, das sei im Grunde nur parteipolitisches Gezänk, denn diese Aufgabe übergreift alle Fraktionen und Parteien und sie übergreift auch Legislaturperioden. Dessen sollten wir uns ab und zu einmal bewusst sein.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

(Antje Möller)

Das Wort bekommt Herr Grote.

(Rolf Harlinghausen CDU: Hoffentlich hat er zugehört!)

– Auch wenn's schwerfiel, das kann ich Ihnen sagen.

Herr Mohaupt, ich kann es nicht mehr hören, wenn Sie von Identität reden, von der schönen Stadt, wie das alles erhalten bleiben müsse. Ihre Politik krempelt die Stadt um, durch Ihre Politik geht Identität verloren. Schauen Sie sich an, was passiert.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin dankbar, dass noch einmal die Politik im Bezirk angesprochen wurde und wie da so die Rollen verteilt waren.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich kann verstehen, dass Sie in dieser Situation die Verantwortung gerne auf möglichst viele Schultern verteilen wollen, das würde ich an Ihrer Stelle auch probieren. Ich kann Ihnen aber auch Folgendes sagen: Der Bezirk ist mit einer Verkaufsentscheidung konfrontiert gewesen, die er in keiner Weise beeinflusst hat. Es war eine Senatsentscheidung, dass verkauft wird, dass zu diesem sehr hohen Preis verkauft wird und das an einen unseriösen Investor. Man hat damals vielleicht nicht gewusst, dass an einen im Nachhinein unseriösen Investor verkauft wurde. Das war eine reine Senatsentscheidung und das war der eigentliche Sündenfall. Natürlich muss im Bezirk dann mit Bauanträgen und einem Bauvorhaben umgegangen werden. Sie können nicht erwarten, dass, wenn der Senat verkauft, der Bezirk anschließend verhindert, dass da gebaut wird.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Sie wissen auch ganz genau, wie eng die Spielräume im Baugenehmigungsverfahren sind. Herr Hamann, wir haben zum Teil gemeinsam bei diesen Dingen verhandelt und Sie wissen ganz genau, wie schwierig, zäh und kräfteraubend es war, mit diesem Investor irgendetwas hinzubekommen, wie um jedes Dach, jedes Geschoss und jedes einzelne Haus gekämpft wurde und das ganze Gängeviertel scheibchenweise dem immer mehr zum Opfer fallen sollte. 2007 oder 2006 hat der Bezirk gesagt, das gehe so nicht, man komme mit diesem Investor nicht weiter, wir müssten aus diesem Vertrag heraus. Dann wurde festgestellt, dass man aus diesem Vertrag nicht herauskommt. Der Vertrag, den die Stadt abgeschlossen hatte – das Immobilienmanagement der Finanzbehörde war damals alleiniger Vertragspartner, ohne Bezirk –, lässt überhaupt keine Möglichkeiten. Dann ist auf Druck des Bezirks, übrigens aller Parteien aus dem Bezirk, auch der GAL und der CDU, dieser neue städtebauliche Vertrag abgeschlossen wor

den. Ich bin stolz darauf, dass wir den haben. Daran habe ich gerne mitverhandelt, denn er bietet überhaupt erst Ausstiegsszenarien und Möglichkeiten, aus der Sache herauszukommen. Sonst hätten wir jahrelang dagesessen, ohne dass etwas vonseiten des Investors hätte passieren müssen und ohne dass man überhaupt ein Ausstiegsszenario hat. Insofern war das positiv.

Natürlich steht man noch immer unter dem Druck, ob überhaupt etwas passieren wird oder ob die Häuser von Jahr zu Jahr immer mehr verfallen. Als es dann so aussah, als würden die Baumaßnahmen beginnen und als hätten wir einen Weg, war das natürlich gegenüber einem sich endlos dahinschleichenden Verfall des Gängeviertels eine Rettung und ein Vorteil. Nur gab es zu diesem Zeitpunkt keine Alternative zu dem damaligen Investor; das ist der große Unterschied. Jetzt gibt es die und jetzt erwarte ich, dass diese Alternative auch wahrgenommen wird. Sie müssen sich einmal einen Ruck geben und nicht erklären, es werde in alle Richtungen sondiert und das städtebauliche Konzept überarbeitet. Wenn man das wirklich will, dann muss man auch sagen, dass das mit diesem Investor nicht geht, und das wissen Sie in Wahrheit auch. Sie wissen, dass dieser Investor es nicht machen wird, und Sie verhandeln auch mit einem dritten Investor. Nur deswegen macht es Sinn, das überhaupt zu überarbeiten. Allerdings muss man irgendwann einmal zu dem Punkt kommen zu sagen, es funktioniert nicht mit dem Investor, auch nicht mit einem dritten. Wir machen das nicht noch ein drittes Mal, sondern wir bekennen uns zu unserer Verantwortung und sagen, es ist eine städtische Verantwortung und wir müssen das dann auch in städtischer Regie machen. Wir müssen unsere Fehler korrigieren und es in die eigenen Hände nehmen. Das wäre eine klare Position und das muss man von Ihnen erwarten können.

(Beifall bei der SPD)

Frau Hajduk, wenn Sie sagen, Sie hätten in der Senatspolitik gelernt und würden jetzt vom Höchstpreisgebot heruntergehen, das wäre alles ganz wichtig und Sie würden die Weichen neu stellen, dann sage ich Ihnen ehrlich, dass ich das nicht sehe. In der Wohnungsbaupolitik wollen Sie jetzt die dritte Wohnungsbauoffensive an den Start bringen. Das war das einzige Instrument, bei dem Sie tatsächlich mit vergünstigten Flächen der Stadt gearbeitet haben.

Jetzt sagt Ihnen die Finanzbehörde, dass das nicht mehr stattfindet, sondern zum Höchstpreisgebot erfolgen soll. Da gibt es einen klaren Streit zwischen den Behörden. Insofern ist nicht alles einheitlich und harmonisch, sondern in Wahrheit droht es an genau der Frage zu scheitern, ob man Abstriche beim Kaufpreis macht.

(Jens Kerstan GAL: Sie sind immer dabei, Herr Grote! Sie müssen es wissen!)

Sie sind da keinen Schritt weiter, sondern gehen einen Schritt zurück.

Auch zu den anderen wichtigen Fragen – die Themen Verdrängung und Gentrifizierung in der westlichen inneren Stadt sind angesprochen worden – haben Sie keine Lösung. Sie haben ein 80 Seiten umfassendes Rahmenprogramm zur integrierten Stadtentwicklung vorgelegt, in dem aber nicht ein Satz zu dieser Thematik steht. Wir haben jetzt auf Bezirksebene soziale Erhaltungsverordnungen auf den Weg gebracht. Man hört von der GAL, sie sei dafür, die CDU ist radikal dagegen und hat das auf allen Ebenen geäußert. Ich bin sehr gespannt, ob Sie dort etwas hinbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Bischoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine wichtige Schlussfolgerung aus der Debatte wäre schon einmal, dass wir darin übereinstimmen, dass die Auseinandersetzung um das Gängeviertel zurzeit exemplarisch ist in der Stadt. Das kann man vielleicht über die Parteigrenzen hinweg feststellen. Damit soll überhaupt keine Relativierung der Auseinandersetzung im Gängeviertel verknüpft sein, aber wir müssen sehen, dass die Unruhe wesentlich breiter ist und es Initiativen gibt, die sich gegen bestimmte Entwicklungstendenzen wehren. Ich habe bereits vorhin gesagt, dass niemand bestreitet, dass die Lage im Gängeviertel relativ kompliziert ist. Aber Sie können nicht einfach einen Blankoscheck von uns verlangen und sagen, wir brauchen möglichst die Zustimmung aller Parteien, nur dann können wir wirklich verhandeln. Sie müssen – der Zwischenruf von Herrn Grote war vorhin zu Recht – auch einmal sagen, was Sie in dem Punkt wollen, und Sie müssen Ihre Zielsetzung auch gegenüber den Initiativen, also in dem Fall den Kunstschaffenden im Gängeviertel zur Diskussion stellen und kommunizieren, sonst wird das nichts.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Frau Hajduk, eine Sache ärgert mich jetzt doch, weil sie immer wieder bei verschiedenen Punkten in der Diskussion auftaucht. Wir haben mehr als ein Dutzend Initiativen und ich habe nicht den Anspruch, das alles über einen Leisten zu schlagen. Man muss sich die städtebauliche Entwicklung in jedem konkreten Fall anschauen. Es ist sicherlich ein Fortschritt, dass wir heute solche Rahmenbedingungen haben, dass sich die betroffene Bevölkerung dort zu Wort meldet und sagt, wir wollen ein Stück mitreden. In dem Punkt sind wir uns auch so weit einig. Frau Hajduk, Sie sagen zwar immer wieder, dass wir Ihre Politik nicht mögen, erwecken aber dann den Anschein, als würden wir

uns auf jede Initiative draufsetzen und keine eigenen Vorstellungen haben.

(Egbert von Frankenberg CDU: So ist das doch auch!)

Danke, Herr Frankenberg.

Diesen Vorwurf haben Sie vorhin wieder erhoben und das möchte ich eindeutig zurückweisen. Unsere Differenzen bestehen doch darin, ob Sie bei einer Initiative – egal ob das jetzt IKEA, Wilhelmsburg oder A7-Deckel ist – beständig versuchen, soweit das geht, präsent zu sein, um für bestimmte Lösungen zu kämpfen. Unsere Differenzen zeigen sich zum Beispiel in Wilhelmsburg. Sie können nicht dort eine Bürgerbeteiligung wollen, aber ab einem bestimmten, nicht einmal willkürlichen, Punkt ist der Druck da und Sie erklären, jetzt müsse aber entschieden werden.

(Jörn Frommann CDU: Da haben Sie einmal wieder nicht zugehört!)

Das ist der entscheidende Punkt in der Auseinandersetzung und deswegen bin ich sehr skeptisch, ob Sie diesen Konflikt im Gängeviertel und andere Konflikte in der Stadt richtig einschätzen.

Auf einen letzten Punkt will ich noch hinweisen: Am Elbhang soll es sozialen Wohnungsbau geben. Darüber müssten wir noch einmal im Detail reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus unserer Sicht besteht bei diesem Wohnungsbauprogramm ein Ungleichgewicht zwischen Eigentumswohnungen und sozialem Wohnungsbau.

(Beifall bei der LINKEN)

Was es da an sozialem Wohnungsbau gibt – das werden Ihnen jedenfalls viele Leute sagen –, ist für uns nicht sozial. Das hat etwas mit Stadtentwicklung und das hat auch etwas mit dem Gängeviertel zu tun. Sie können die Leute nicht ködern und sagen, ihr bekommt preisgünstige Ateliers et cetera. Die sehen sehr wohl, dass in der Stadt einiges schief läuft, und das hat etwas mit Mieten und Flächenangeboten insgesamt zu tun. In dieser Hinsicht muss meines Erachtens ein Umsteuern in der Stadt passieren, denn sonst werden wir wachsende Protestpotenziale haben.

Letzte Bemerkung: Wir hatten im Stadtentwicklungsausschuss eine Anhörung über RISE, also das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung. Der Kollege aus München erklärte, man habe dort 14 soziale Erhaltungsverordnungen; wir haben gerade eine. Wenn man jedoch sieht, welche Mühe es macht, so etwas durchzubekommen, dann wird deutlich, dass man andere Politik machen kann. Das ist auch in dem Rahmen möglich, aber Sie wollen das nicht.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

(Andy Grote)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, Herr Bischoff, die Situation ist schwierig im Gängeviertel und wir erwarten da überhaupt keinen Blankoscheck. Wenn gesagt wird, dass in vielerlei Hinsicht verhandelt werde, dann ist eine Option auch die Rückabwicklung. Die wird etwas kosten, weil der Investor ein Recht hat, und das will er sich abkaufen lassen.

(Andy Grote SPD: Ja!)

Wenn Sie sich hier hinstellen, Herr Grote, und sagen, die Stadt müsse jetzt ohne Wenn und Aber eine Entscheidung treffen, dann müssen Sie einmal überlegen, wessen Geschäft Sie hier gerade betreiben.