Protocol of the Session on October 8, 2009

(Glocke)

Herr Abgeordneter Langhein, lesen bildet zwar, aber ich wäre Ihnen sehr dankbar… – Danke schön, fahren Sie bitte fort.

– Ich glaube, das ist so ein Kollege, der gern mit in die Schule möchte. Kann das sein?

Dann habe ich abschließend gefragt:

"Was ist geplant, um im Zuge der beabsichtigten Novellierung des Arbeitszeitmodells die Belastung älterer Lehrer zu reduzieren?

Wann wird die im Herbst 2008 für 'in Kürze' angekündigte Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Novellierung des Arbeitszeitmodells ihre Arbeit aufnehmen?"

Die Antwort war:

"Eine behördeninterne Arbeitsgruppe wurde bereits eingesetzt. Im Übrigen sind die Planungen der zuständigen Behörde noch nicht abgeschlossen."

Aus dem Grunde finden wir den Antrag der SPD, unseren Antrag an den Schulausschuss zu überweisen, sehr vernünftig. Wir haben zwar Vorschläge gemacht, aber wir würden das gern im Schulausschuss diskutieren, wir würden es auch gern im Zusammenhang mit der Novellierung des Arbeitszeitmodells diskutieren. Von daher würde ich Sie bitten, diesem Überweisungsantrag für unseren Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Wilfried Buss SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Freistedt.

(Wolfgang Beuß CDU: Noch ein Betroffe- ner!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Antrag der Fraktion DIE LINKE stellt zunächst einmal eine sehr populistisch klingende Forderung

(Dora Heyenn)

nach Entlastung für ältere Lehrerinnen und Lehrer auf. Wer solch einen Antrag stellt und die daraus resultierenden Mehrkosten mit dem Hinweis auf eine Gegenfinanzierung durch – ich zitiere –

"… Rückführung der Schülerkostensätze auf das Niveau von 2004 …"

finanzieren will, zeigt sehr deutlich seine Ahnungslosigkeit gegenüber Finanz- und Haushaltsansätzen bei staatlichen Schulen, aber auch bei Privatschulträgern.

(Beifall bei der CDU)

Schlimmer noch, gestern forderte DIE LINKE die Lehr- und Lernmittelfreiheit für alle Schüler. Sie ist sich nicht zu schade, der SPD eine unsoziale Politik vorzuwerfen. Und heute schreibt sie in dem Antrag, sie wolle eine Rückführung der Schülerkostensätze im Endeffekt bei Freien Trägern erzwingen.

Das ist nichts anderes als eine Absenkung der Schülerkostensätze bei Freien Trägern.

(Lydia Fischer CDU: Hände weg von den Privatschulen!)

Ich frage natürlich, sind die Schülerinnen und Schüler bei Freien Trägern in Hamburg nicht auch Hamburger Schülerinnen und Schüler? Warum machen Sie einen Unterschied zwischen Schülern auf staatlichen Schulen und Schülern in Privatschulen?

(Beifall bei der CDU)

Ich will noch einmal betonen, dass jeder Schüler einer Privatschule, einer Schule in freier Trägerschaft dem Staat circa 20 Prozent an Kosten erspart, weil das nämlich der Eigenanteil des privaten Schulträgers ist. Also wenn Sie Privatschulträger dazu zwingen, Schüler abzugeben oder gar ihre Existenz aufzugeben, dann bedeutet das gleichzeitig bei gleicher Schülerzahl, dass die Kosten für den Staat um 20 Prozent steigen. Gestern haben Sie der neuen Schulgesetzgebung Ihre Zustimmung verweigert, inhaltlich aber der Umwandlung und damit den deutlich steigenden Mehrkosten im Schulbereich zugestimmt. Heute, keine 24 Stunden später, legen Sie einen Antrag vor, der genau im Endeffekt für die Privatschulträger das Gegenteil beschließt. Das ist ein Taschenspielertrick und den wollen wir hier nicht durchführen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Sie führen die Zuhörer und die Bürger in die Irre, wenn Sie einen Tag theatralisch eine Steigerung der Schulausgaben befürworten, am nächsten Tag dieses wieder einsammeln und zu einer Sparrunde aufrufen,

(Olaf Ohlsen CDU: Das ist unglaublich!)

im gleichen Atemzug aber für die Finanzierung der Altersteilzeit wieder Kosten einfordern. Das ist kei

ne seriöse Politik, schlimmer noch, Sie tragen dies auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler und der vielen Lehrerinnen und Lehrer aus.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Eigentlich könnte ich den Antrag mit diesen Hinweisen zurückweisen. Ich möchte aber nicht wegen der Partei der LINKEN, sondern wegen der vielen älteren Kolleginnen und Kollegen im Schuldienst eine seriösere Behandlung des Themas einfordern. Es stimmt, dass ältere Lehrkräfte seit ungefähr 15 Jahren bundesweit und auch in Hamburg einer stärkeren Berufsbelastung ausgesetzt sind. Zum einen sind die pädagogischen Aufgaben gewachsen. Das Anspruchsdenken der Eltern ist höher geworden, es gibt höhere Leistungsanforderungen an Schülerinnen und Schüler sowie an Lehrer. Es gibt eine andere Mitsprachekultur, die wir auch fördern, und eine andere Haltung zur Schule als Bildungs- und Erziehungsinstitution ist in der heutigen Gesellschaft festzustellen.

Gestern haben wir deshalb zu Recht eine neue Form des Lernens und des Förderns beschlossen. Diesen Herausforderungen müssen sich jetzt alle Lehrkräfte stellen und das ist bemerkenswert. Es sind Lehrkräfte, die in Zukunft mehr als sechs Lebensjahrzehnte von ihren Schülern getrennt sind. Wir haben dann 66-jährige Lehrerinnen und Lehrer im Schuldienst und die treffen auf fünfeinhalb- oder sechsjährige Primarschüler, das sind sechs Lebensjahrzehnte. Das hat es in der gesamten Geschichte noch nicht gegeben.

Die Arbeitszeiten von Lehrern haben sich auch gewaltig geändert und das ist auch gut so, das wollen wir. Gab es früher noch die Arbeitszeit von acht bis 13 Uhr – Sie kennen alle den Kalauer: Morgens hat der Lehrer recht und nachmittags Freizeit –, weil er um 13.30 Uhr nach Hause gehen konnte und dort anschließend Zeit zum Korrigieren oder zur Vorbereitung seines Unterrichts hatte. So werden im Zuge der Ganztagsschulentwicklung, die wir fordern und auch fördern, immer häufiger Lehrer einen ganzen Tag in der Schule sein, nicht nur unterrichten, sondern sie werden in Springstunden auch in der Schule sein, Vertretungsstunden machen. Aber wichtig ist, dass sie keine eigentliche Freizeit oder Ruhezeit mehr haben.

Durch die neue Lern- und Beratungskultur, die wir gestern beschlossen haben, werden Lehrer mehrmals in der Woche, teilweise auch noch am Abend, zu Beratungsgesprächen mit Eltern und Schülern gezwungen. Wir wollen das, weil Eltern, die berufstätig sind, auch erst nach 17 oder 18 Uhr mit ihren Klassenlehrern oder mit ihren Fachlehrern sprechen können.

Meine Damen und Herren! Es gilt nach wie vor der preußische Tugendsatz und die preußische Fürsorgeverpflichtung: Jeder neuen Belastung muss eine Entlastung entsprechen. Ich verweise aber

auch auf die unterschiedlichen ärztlichen Studien und möchte insbesondere die Schaarschmidt-Studie erwähnen, die sehr eindrucksvoll mitteilt, dass die Belastungssituation von Lehrerinnen und Lehrern, insbesondere von älteren Lehrern, zugenommen hat, und die von unterschiedlichen Bundesländern zum Anlass genommen wurde, über faktische Entschleunigungen oder Vereinfachungen und Anreize für ein gesünderes Leben von Lehrern nachzudenken.

Es ist richtig, so zu handeln. Trotz des von mir eben skizzierten inhaltlichen Populismus Ihres Antrags, der für mich zudem widersprüchlich ist, ist es richtig, dieses Thema im Schulausschuss einer gründlichen, fachlichen und sachgerechten Diskussion zu unterziehen. Eine Überweisung ist demzufolge angemessen. Die CDU wird dieses beantragen und auch durchsetzen mit Ihrer Unterstützung. Wir sollten auch deutlich machen, dass angesichts der Haushaltsverschuldung der Spielraum für finanzielle Füllhörner kaum vorhanden ist. Vielleicht ist die Reform des Lehrerarbeitsmodells ein guter Einstieg – das führt uns in diesem Punkt zusammen –, aber zu viel Hoffnung können wir uns sicherlich nicht machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Lein.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich anders anfangen, aber, lieber Kollege Freistedt, wenn Sie der Linksfraktion Ignoranz und Ahnungslosigkeit vorwerfen, dann frage ich mich, ob mit Ignoranz nicht eher die erste Hälfte Ihres Beitrags zu beschreiben ist. Im gesamten ersten Teil reden Sie nämlich nicht über das Problem Arbeitszeit, sondern philosophieren über völlig andere Themen. Das halte ich für ein Stück weit ignorant.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Welch ein Glück, dass wir heute mit Gelassenheit reagieren, wenn Lehrern der Kragen platzt und demzufolge möglicherweise etwas Unterricht ausfällt wie beim Streik der über Fünfzigjährigen am 24. September. Ich erinnere mich noch an ganz andere Zeiten, als es auch sinnvoll war, der Regierung sehr deutlich zu sagen, dass man mit Lehrern nicht alles machen könne. Damals hat der Staat anders darauf reagiert und ich freue mich, dass die Senatorin gelassen bleibt.

Doch der Anlass für den Protest der Lehrkräfte war keineswegs marginal, sondern offenbarte ein schwerwiegendes Versäumnis dieser Regierung und ihrer Vorgängerregierungen. Die Arbeitszeit der Lehrer wurde von der ersten Von-Beust-Koalition stark und ungerecht erhöht und von der zweiten, bei absoluter Mehrheit im Parlament und nach

dem Motto, große Klassen hätten noch keinem geschadet, zusätzlich erschwert. Die dritte VonBeust-Regierung, jetzt mit den Grünen, scheint die notwendige und durch die Behler-Kommission vorbereitete Überarbeitung aussitzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund stellt die besonders hohe Belastung gerade älterer Lehrerinnen und Lehrer ein großes Problem dar und es ist gut, dass der Antrag der LINKEN im Ausschuss erörtert werden soll.

Angesichts der komplexen Tagesordnung des Schulausschusses warnen wir davor, dieses dringende Thema auf die lange Bank zu schieben. Nicht nur die betroffenen Lehrkräfte erwarten eine zügige Behandlung, sondern auch die Stadt schaut auf das ambitionierte Innovationsprogramm für den Schulunterricht und die -strukturen von Senatorin Goetsch. Da können wir uns aufgrund von Enttäuschung unmotivierte Lehrer nicht leisten.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die seinerzeit geltende Arbeitsentlastung für Lehrer lief im Sommer 2000 aus und wurde durch die Altersteilzeit für alle Beamtinnen und Beamten auf Antrag von SPD und GAL ersetzt. Zu diesem Thema gab es eine Debatte in der Bürgerschaft und aus dem entsprechenden Plenarprotokoll geht hervor, dass alle Fraktionen dafür waren, wobei die CDU noch bessere Regelungen gewünscht hatte. Die heutige Senatorin Hajduk sagte damals als Abgeordnete, es gäbe gerade unter den Lehrern ein großes Bedürfnis nach Altersteilzeit und man müsse sich vergegenwärtigen, dass die bestehende Altersentlastung im Sommer ausliefe. Deswegen sei sie froh, dass man ab dem Sommer auch ein anderes Angebot in der Lehrerschaft haben würde.

Die befristete Altersteilzeit von Beamten lief im Sommer 2004 allerdings aus und Frau Goetsch hat in einer Kleinen Anfrage seinerzeit noch einmal nachgefragt. Sie war zunehmend beliebter geworden

(Wolfgang Rose SPD: Frau Goetsch? – Brit- ta Ernst SPD: Frau Goetsch?)

und hat Anerkennung gefunden und man hätte die Altersteilzeit verlängern können, doch keiner hatte den entsprechenden Antrag gestellt. Ich gebe zu, er wurde auch nicht von der Opposition gestellt, aber schon gar nicht von der Regierung, die eine besondere Fürsorge für ihre Lehrer hätte zeigen können. Somit hatten die Lehrer die Altersteilzeitmöglichkeiten und die Altersermäßigung verloren, die sie bis 2000 hatten.

Zum Antrag der LINKEN. Früher gab es entweder Altersteilzeit oder Altersentlastung, niemals beides gleichzeitig. Wir wissen, dass auch andere Bundesländer über eine Reduzierung der Altersentlastung nachdenken. Es ist völlig klar, dass etwas geschehen muss, und es stellt sich die Frage, ob wir wieder eine Altersteilzeitregelung für alle Beamte oder eine Sonderregelung für Lehrer haben