Gerhard Lein

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Manche von uns haben wohl schon einmal Begegnungen mit Menschen gehabt – oft aus den GUSStaaten, Afghanistan, Afrika oder Nahost –, die in ihrer Heimat als Lehrer gearbeitet hatten und hier in ihrem Beruf nicht Fuß fassen können. In meinem früheren Berufsleben stand ich jedenfalls manchmal ein wenig hilflos vor Eltern meiner Schüler, die zum Beispiel aus Afghanistan als Lehrer zu uns gekommen waren und hier überhaupt keine Chance hatten. Nach dem gesunden Menschenverstand müsste doch eigentlich solches Personal auch hier im Schulwesen einsetzbar sein, zumal wir Kinder aus außereuropäischen Herkunftsländern in unseren Schulen haben und Lehrer aus ihren Herkunftsländern ihnen möglicherweise wichtige Hilfestellungen in ihrer Bildungs- und Persönlichkeitsentwicklung angedeihen lassen könnten.
Ich will für einen Moment nicht auf die Gehaltsstrukturen eingehen, die Frau Heyenn sehr wohltuend ins Spiel gebracht hat, sondern auf die Frage der Hürden. Wir leben, und das merken wir zu oft, in einem Staat des Berechtigungswesens. Es spielt nicht nur eine Rolle, was jemand wirklich kann oder leistet, sondern auf welche Art die Ausbildung erworben wurde, welche Examina vorliegen und hinter den zu Recht zu erwartenden Leistungen stehen. Da gibt es oft eine Barriere, die keiner plausibel machen kann; sie ist eben schlicht und einfach da.
Wir sind aber nun einmal ein Einwanderungsland, auch wenn diese Vorstellung sehr langsam gewachsen und immer noch nicht überall akzeptiert ist, und Einwanderer bringen die unserem System kompatiblen Zertifizierungen häufig nicht mit. Wir können zwar stolz darauf sein, dass wir europaweit die Hürden abgebaut haben oder zumindest dabei sind, sie weitgehend abzubauen und auf ein einheitliches Berechtigungswesen hinzusteuern. Wir haben in unserem Land aber auch Zuwanderer
von außerhalb Europas und zunehmend begreifen wir, dass auch sie uns willkommen sein sollten.
Die LINKE hat ihren begrüßenswerten Antrag und die fast zeitgleiche Schriftliche Kleine Anfrage der Kollegin Heyenn mit Daten unterlegt. Daran wird deutlich, dass wir eine nennenswerte Zahl von Lehrern mit einer Staatsangehörigkeit der Türkei, der Balkanstaaten oder sogar Russlands haben. Von den in der Antwort des Senats benannten 160 Personen hat sich in den Jahren 2004 bis 2007 die Zahl der russischen Lehrer von einem auf sieben erhöht. Das ist übrigens die einzige feststellbare Erhöhung, ansonsten ist es über die genannten Jahre bei 155 bis 160 Personen geblieben; die Entwicklungsquote liegt also im Grunde genommen bei null. Zudem ist die Zahlenangabe zu den russischen Staatsbürgern nicht belastbar, denn ein überwiegender Teil der Menschen, die in Russland Examina gemacht haben, hat längst die deutsche Staatsangehörigkeit und wird daher – Sie wiesen darauf hin – gar nicht mehr gezählt.
Unklar bleibt, ob die genannten Zahlen dem Bedarf der Schulen mit ihren Zuwandererkindern entsprechen. Bei 161 Lehrern mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf insgesamt gut 16 000 Hamburger Lehrer, also 1 Prozent, habe ich meine Zweifel, ob es hinreichend begründbar ist, dass diese Zahl so gering ist.
Unklar ist auch, ob es eine höhere Nachfrage gäbe, wenn die Hürden leichter zu bewältigen wären. Die höchste Hürde, die Beherrschung der deutschen Sprache, ist jedenfalls nicht durch Anerkennung fremder Examina zu erreichen, sondern nur durch praktische Prüfung und frühzeitige Hilfestellung. Wenn diese Hürde leichter zu überspringen wäre, dann wäre eine Senkung der sonstigen Berechtigungshürden tatsächlich ein Angebot für Menschen in dieser Stadt, die gerne ihren Lehrerberuf ausüben würden, wenn sie es denn dürften. Ich persönlich kenne eine ganze Reihe von Menschen, die diesen Ball sofort aufnehmen würden.
Der Antrag ist schon deshalb als gut zu bewerten, weil er uns auf ein bisher wenig beackertes Arbeitsfeld für den Regierungsslogan "Eine kluge Stadt braucht alle Talente" hinweist. Und gut ist das Signal aus allen Fraktionen, ihn im Schulausschuss beraten zu wollen. Wir sind gespannt, ob eine neue Beweglichkeit dieser Koalition erkennbar wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich anders anfangen, aber, lieber Kollege Freistedt, wenn Sie der Linksfraktion Ignoranz und Ahnungslosigkeit vorwerfen, dann frage ich mich, ob mit Ignoranz nicht eher die erste Hälfte Ihres Beitrags zu beschreiben ist. Im gesamten ersten Teil reden Sie nämlich nicht über das Problem Arbeitszeit, sondern philosophieren über völlig andere Themen. Das halte ich für ein Stück weit ignorant.
Welch ein Glück, dass wir heute mit Gelassenheit reagieren, wenn Lehrern der Kragen platzt und demzufolge möglicherweise etwas Unterricht ausfällt wie beim Streik der über Fünfzigjährigen am 24. September. Ich erinnere mich noch an ganz andere Zeiten, als es auch sinnvoll war, der Regierung sehr deutlich zu sagen, dass man mit Lehrern nicht alles machen könne. Damals hat der Staat anders darauf reagiert und ich freue mich, dass die Senatorin gelassen bleibt.
Doch der Anlass für den Protest der Lehrkräfte war keineswegs marginal, sondern offenbarte ein schwerwiegendes Versäumnis dieser Regierung und ihrer Vorgängerregierungen. Die Arbeitszeit der Lehrer wurde von der ersten Von-Beust-Koalition stark und ungerecht erhöht und von der zweiten, bei absoluter Mehrheit im Parlament und nach
dem Motto, große Klassen hätten noch keinem geschadet, zusätzlich erschwert. Die dritte VonBeust-Regierung, jetzt mit den Grünen, scheint die notwendige und durch die Behler-Kommission vorbereitete Überarbeitung aussitzen zu wollen. Vor diesem Hintergrund stellt die besonders hohe Belastung gerade älterer Lehrerinnen und Lehrer ein großes Problem dar und es ist gut, dass der Antrag der LINKEN im Ausschuss erörtert werden soll.
Angesichts der komplexen Tagesordnung des Schulausschusses warnen wir davor, dieses dringende Thema auf die lange Bank zu schieben. Nicht nur die betroffenen Lehrkräfte erwarten eine zügige Behandlung, sondern auch die Stadt schaut auf das ambitionierte Innovationsprogramm für den Schulunterricht und die -strukturen von Senatorin Goetsch. Da können wir uns aufgrund von Enttäuschung unmotivierte Lehrer nicht leisten.
Die seinerzeit geltende Arbeitsentlastung für Lehrer lief im Sommer 2000 aus und wurde durch die Altersteilzeit für alle Beamtinnen und Beamten auf Antrag von SPD und GAL ersetzt. Zu diesem Thema gab es eine Debatte in der Bürgerschaft und aus dem entsprechenden Plenarprotokoll geht hervor, dass alle Fraktionen dafür waren, wobei die CDU noch bessere Regelungen gewünscht hatte. Die heutige Senatorin Hajduk sagte damals als Abgeordnete, es gäbe gerade unter den Lehrern ein großes Bedürfnis nach Altersteilzeit und man müsse sich vergegenwärtigen, dass die bestehende Altersentlastung im Sommer ausliefe. Deswegen sei sie froh, dass man ab dem Sommer auch ein anderes Angebot in der Lehrerschaft haben würde.
Die befristete Altersteilzeit von Beamten lief im Sommer 2004 allerdings aus und Frau Goetsch hat in einer Kleinen Anfrage seinerzeit noch einmal nachgefragt. Sie war zunehmend beliebter geworden
und hat Anerkennung gefunden und man hätte die Altersteilzeit verlängern können, doch keiner hatte den entsprechenden Antrag gestellt. Ich gebe zu, er wurde auch nicht von der Opposition gestellt, aber schon gar nicht von der Regierung, die eine besondere Fürsorge für ihre Lehrer hätte zeigen können. Somit hatten die Lehrer die Altersteilzeitmöglichkeiten und die Altersermäßigung verloren, die sie bis 2000 hatten.
Zum Antrag der LINKEN. Früher gab es entweder Altersteilzeit oder Altersentlastung, niemals beides gleichzeitig. Wir wissen, dass auch andere Bundesländer über eine Reduzierung der Altersentlastung nachdenken. Es ist völlig klar, dass etwas geschehen muss, und es stellt sich die Frage, ob wir wieder eine Altersteilzeitregelung für alle Beamte oder eine Sonderregelung für Lehrer haben
wollen. Es ist gut, dass wir dies am richtigen Ort, nämlich im Schulausschuss erörtern.
Arbeitsteilzeitregelungen sind zwar bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage sinnvoll, doch ich glaube, dass die Unterrichtsentlastung für Lehrer schneller zu realisieren wäre. Außerdem befürchte ich, dass die Senatorin denkt, man könne zur Vermeidung von Mehrausgaben die jüngeren Lehrer noch ein bisschen mehr arbeiten lassen, dafür die älteren etwas weniger. Davor wollen wir allerdings warnen, denn das Ganze wird sich aus meiner Sicht nicht aufkommensneutral lösen lassen. Ich bin gespannt auf die Diskussion im Schulausschuss. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Hamburg wurde in den Siebzigerjahren und danach Vorreiter der Integration Behinderter in das allgemeinbildende Schulwesen. Darauf war Hamburg im Ländervergleich immer ein wenig stolz und wurde von Eltern aus anderen Bundesländern beneidet. Anderenorts konnte man sich zuweilen kaum vorstellen, dass nach der Grundschulzeit eine weitere Schule für alle – also die Gesamtschule, jedenfalls in der Vergangenheit – allen Fähigkeiten der Schüler gerecht werden könnte, geschweige denn einschließlich derer mit Behinderungen. Das war vielerorts den Horizont sprengend.
Was allerdings in Hamburg mit Schwung begann, die Einrichtung von Integrationsklassen in Grundschulen, später die Fortsetzung in den weiterführenden Schulen, was bald ergänzt wurde durch die integrativen Regelklassen, kam Ende der Neunzigerjahre doch arg ins Stocken. An der Ausweitung der integrativen Regelschule zerbrach sogar die Schulbehördenadministration der ersten Beust-Regierung kläglich. Der Senator erklärte sie für nicht finanzierbar, das heißt auf Deutsch, nicht gewollt. Da ging Frau Knipper dann lieber wieder in den Ruhestand zurück, aus dem man sie unter anderem zu diesem Zweck nun gerade reaktiviert hatte.
Etliche Schulen haben nun also in Hamburg eine Ausstattung, die Grundlage für eine Ziel- und Leistungsvereinbarung "Keine Abschulung aus der Grundschule in eine Förderschule" ist. Andere hätten sie gerne, erhalten sie indes nicht, weil die notwendige Personalausstattung fehlt. Die Regierung fand ein neues Modell der Förderzentren, was aber den sehr vielen Schülern nicht hilft, die weder in integrativen Regelschulen, noch in den Schulversuch Förderzentrum eingebunden sind. Und Integrationsklassen? Seit sechs Jahren Fehlanzeige.
Mehr als 7 200 von 9 000 Schülerinnen und Schülern mit festgestelltem Förderbedarf gehen in unserer Stadt immer noch auf eine Sonderschule; das sind 80 Prozent. In skandinavischen Ländern werden mehr als 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Regelschulen unterrichtet. Die Umkehrung der bestehenden Verhältnisse in Deutschland und Hamburg ist also möglich. Es muss der Normalfall werden, dass Kinder mit Behinderungen in ganz normale Schulen gehen. Man muss es nur wollen. Leider wollten und wollen die Hamburger Regierungen es seit 2001 nicht mehr so recht.
Seit Deutschland Ende 2008 die UN-Behindertenkonvention ratifiziert hat, ist die Einbeziehung von behinderten Kindern in das Regelschulsystem aber keine Frage von Wollen oder eben Nicht-Wollen durch den Staat, diese Kinder haben jetzt einen rechtlichen Anspruch. Der letzte Versuch des Nicht-so-richtig-Wollens war der Behördenentwurf der Schulgesetznovelle im Paragrafen 12, der noch einen Ressourcenvorbehalt enthielt, der jetzt zum Glück durch Druck der öffentlichen Meinung, aber auch in der Deputation gestrichen worden ist, was wir sehr begrüßen.
Die Zeit der Integration ist jetzt vorbei, es beginnt die Zeit der Inklusion. Niemand gewährt mehr einigen behinderten Kindern ein Recht, alle Kinder haben jetzt ein Recht
auf nichtaussondernde Beschulung, Beginn nicht irgendwann, sondern jetzt und in dieser Legislaturperiode, und zügige Umsetzung.
Gerade weil es ein Verfassungsverstoß ist, der Kollege Grund wies in seiner Formulierung darauf hin, wenn wir keinen klaren Zeitplan für inklusive Umgestaltung des Schulwesens vorlegen, muss es unsere erste Forderung sein, ein verbindliches Aktionsprogramm zu entwickeln. Hier würde der Begriff Offensive, den ich eigentlich so nicht mag, einmal richtig gut passen, eine Inklusionsoffensive für Hamburg.
In unserem Antrag stehen Forderungen, die nicht in den Bereich der Utopie gehören, sondern Teil eines solchen Aktionsprogramms sein könnten. Da ich sicher bin, dass wir diesen Antrag im Ausschuss beraten werden, will ich hier unsere einzelnen Punkte nicht gesondert erwähnen. Klar ist, wir können nicht warten, klar ist, wir dürfen nicht verzögern, klar ist, wir müssen klare Perspektiven für Schüler, deren Eltern und die Hamburger Schulen entwickeln. Gerade in diesen Zeiten des tiefgreifenden Strukturumbruchs an Hamburger Schulen
durch die Koalition ist es notwendig, innerhalb dieses Prozesses zu agieren und nicht hinterher.
Lassen Sie mich allerdings persönlich auch sagen: Inklusion in gegliederten Schulen ist für mich schwer vorstellbar. Nicht ohne Grund hat das Ganze an Grundschulen begonnen. Sich vorzustellen, wie Inklusion in nach Leistung sortierenden Schulen erfolgen soll, gelingt mir noch nicht. Als Sozialdemokrat werde ich nicht müde zu sagen, Inklusion gelingt nur wirklich in der einen Schule für alle mit langem gemeinsamem Lernen. Auch wenn der Weg zu dieser Schule in unserem Land noch weit sein könnte, sie bleibt das Ziel. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will mir einmal ersparen, auf die Anmerkungen von Herrn Gwosdz einzugehen. Ich finde, ein Freischwimmer ist gut. In einer Rede so zu schwimmen, macht es sehr schwer, auf wirkliche harte Kerne einzugehen. Da ist mir bei Herrn Freistedts Rede von der Aussage her schon wohler, der sagt, dass er die Langformen im Prinzip einer neuen Reform opfern möchte und das auch positiv begründen möchte.
Ich will Sie erinnern, Herr Freistedt. Unter Ihrer Regierungszeit – absolute Mehrheit – ist die Reformschule Winterhude ausdrücklich zur Langform gemacht worden. Sie haben die Zeichen der Zeit damals erkannt und gesagt, Langformen seien ein pädagogisch wertvolles Instrument zur Kontinuität. Wollen Sie sich die Entscheidung in der Vergangenheit als Fehler anrechnen lassen? Ich glaube, Langformen sind etwas sehr Wichtiges und etwas sehr Notwendiges.
Und es ist auch keine Frage des pädagogischen Stillstands, wenn man eine vorhandene Form inhaltlich pädagogisch weiterentwickelt, Herr Freistedt. Da machen Sie es sich zu leicht.
Diese Debatte ist keine Randdebatte der Schuloffensive des Senats, sondern tatsächlich berührt sie einen Kernpunkt. Die Regierung nimmt es in Kauf – ich will sogar sagen, sie macht es kalten Blutes –, eine bestehende und erfolgreich arbeitende Schulstruktur aus ideologischen Gründen abzuschaffen. Das ist vorwerfbar und ärgerlich. Dem kleinen grünen Koalitionspartner muss es in der Tat – das einmal zur Geschichte dieses Beschlusses – sehr schwer gefallen sein, von der "Neunmalklugphase" ihrer Wahlaussagen auf den harten Boden der Koalitionsrealität zu kommen. Es bleibt eben nur "sechsmalklug" übrig und das ist nicht viel. Frau Goetsch schluckt mit ihrer Partei das, was sie noch in der Enquete-Kommission aufs Schärfste abgelehnt hatte, die Versäulung des Schulsystems.
Das soll der Preis dafür sein, dass die CDU einer Verlängerung gemeinsamen Lernens über die bisherige Grundschulzeit hinaus zustimmt. Warum tut sie das, wird man sich fragen dürfen. Warum werden so gute Argumente der sogenannten Langformschulen so kategorisch beiseite gewischt? Warum werden sowohl begründete Schreiben von Elternräten – Schulen sind zuhauf genannt worden, sind hier im Hause auch bekannt –, die ihre
Langform erhalten wissen wollen, zurückgewiesen? Dahinter steht Angst vor Ausnahmen, die das ehrgeizige Vorhaben der grünen Senatorin insgesamt ins Wanken bringen könnten. Zu einer Drohgebärde hatte sich immerhin am Abschluss der Koalitionsverhandlungen der Parteivorsitzende der CDU, Herr Freytag, aufgeplustert. Unmittelbar nach den Koalitionsverhandlungen sagte er in "WELT ONLINE" am 29. April – ich zitiere –:
"Die meisten Vorschläge kamen im Bereich der Bildung. Da haben wir sehr deutlich Hand angelegt, zum Beispiel mit der Langform des Gymnasiums, die wir den Grünen abgerungen haben."
Markige Worte. Wenn man jetzt von den Grünen erwartet, dass sie sagen, wie wollen wir unsere Primarschule retten, dann nur, indem man Tabula rasa macht und sagt, aus Prinzip und ideologischen Gründen keine Ausnahme zulassen, weil man ein Ventil öffnen könnte, aber wider allen pädagogischen Verstand.
Wenn man die Gymnasien betrachtet, dann sind Gymnasien eine Schulform, die nicht alle Schüler behalten können und dürfen. Eine Stadtteilschule mit vorgelagerter Primarschule – oder bisher Grundschule als Langform – hat selbstverständlich die Möglichkeit, alle Schüler, sofern sie wollen, in dieser Schule behalten zu dürfen. Insofern ist es völlig klar, dass eine Langform im Gymnasium in sich inkohärent ist, gehört sich nicht und wird verständlicherweise von den meisten Bildungspolitikern, auch in diesem Hause, abgelehnt.
Aber warum dann die Langformschule der Stadtteilschule nicht erhalten wissen wollen, das erschließt sich mir nicht. Für Schüler: Sie müssen die Schulen wechseln. Für Lehrer: Es ist gut, wenn man nicht immer über lange Entfernungen kooperieren muss. Kooperation ist im Stadtteil etwas sehr Wichtiges. Aber wo es nicht nötig ist zu kooperieren und parallele Strukturen aufrechtzuerhalten, da muss man sie nicht künstlich schaffen. Für Eltern, die mit Recht Sorge davor haben, dass mitten in der Pubertätszeit ein Schulwechsel für ihre Kinder nun nicht zum Segen dient.
Wahr ist – das muss man dazu sagen –, dass es in Hamburg immer eigenständige Grundschulen gegeben hat. Das hat auch seinen Grund gehabt. Kurze Beine, kurze Wege, das ist ein Argument. Wenn man kleine Grundschulen zulassen will und sie nicht zu Großsystemen machen möchte, dann muss man kleine Grundschulen und zukünftig vielleicht auch Primarschulen zulassen. Aber mit dem Verweis darauf, es gebe auch kleine eigenständige Grundschulen oder Primarschulen und jetzt zu sagen, es müssen alle sein, das ist mir Ideologie zu viel.
Herr Gwosdz kommt mit seinem Argument, die regionalen Schulkonferenzen richten es dann schon.
Von wegen. Die regionalen Schulkonferenzen sind auf dem Gebiet natürlich Spielwiese, weil das Ganze vorher entschieden ist. Da können Vorschläge zuhauf kommen und man kann gute Argumente bringen zur Erhaltung von Langformschulen, trotzdem wird das im 16. Stock der Schulbehörde mit einem Federstrich weggestrichen, weil das nicht in die Koalitionsdisziplin passt. Insofern kann man nicht dafür stimmen.
Schulen – wird gesagt – sollten eine bestimmte Größe haben. Dann wird gesagt, wenn sie eine bestimmte Zügigkeit haben, dann seien sie groß genug. Primar- und Stadtteilschulen sollten möglichst drei- oder vierzügig sein. Ich würde der Zügigkeit lieber Mindestgröße vorziehen. Wenn eine Mindestgröße von vielleicht 600 oder 800 Schülern gut ist, dann ist sie in der Langform allemal besser zu erreichen als in einer segmentierten Primar- oder Stadtteilschule. Wir Sozialdemokraten sagen klipp und klar: Schulen, die von allen Kindern besucht werden müssen oder können, sollten sehr wohl Langformschule sein, das heißt Stadtteilschulen können Langformschulen sein. Ich persönlich gehe einen Schritt weiter und sage, dass das auch ein Ziel der Entwicklung sein könnte. Schulen, auf die man nur mit einer besonderen Berechtigung gehen darf, also Gymnasien, können auf keinen Fall eine vorgeschaltete Primarschule haben und das auch als klare Ansage in Richtung CDU, so etwas wie das, was Sie den Grünen abgerungen haben wollen, wollen wir nicht: Wir wollen keine Vorschulen an Gymnasien.
Herr Rabe hat schon eine kleine Anmerkung gemacht hinsichtlich der vielen Gespräche, die in der Lobby geführt werden und auch wenn man sich gegenseitig in den Reihen besucht. Es gibt in Ihren Reihen eine Vielzahl von Kollegen, die sagen, eigentlich finden wir die Sache mit den Langformschulen auch ein Problem, aber wir haben einen Koalitionsvertrag. Herr Rabe sagte das schon. Geben Sie sich einen Ruck. Ich glaube, die Schulen werden es Ihnen sehr danken.