Protocol of the Session on July 9, 2009

Ich rufe dann Punkt 13 der Tagesordnung auf, Drucksache 19/3179, Große Anfrage der CDUFraktion: Bilanz nach zwei Jahren Schulinspektion.

(Wolfgang Joithe-von Krosigk)

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Bilanz nach zwei Jahren Schulinspektion – Drs 19/3179 –]

Die SPD-Fraktion möchte diese Drucksache an den Schulausschuss überweisen. – Wer wünscht das Wort? Herr Freistedt, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen hier in der Bürgerschaft! Vor Jahren gab es den Film "Hurra, die Schule brennt". Das war auch eine Art Selbstevaluation,

(Ties Rabe SPD: Das war eine Voraussage!)

skurril, spaßig und kinoreif. Wir haben es allerdings nach drei Jahrzehnten mit einer anderen Situation zu tun. Das Instrument der Schulinspektion, von der CDU-Regierung im Jahr 2006 eingeführt, ist ein Mittel zur flächendeckenden Analyse und Bewertung der Hamburger Schulen. In einem dreimonatigen Prozess haben sich die Schulen in umfangreicher Vor- und Nachbereitung dieser Aufgabe gestellt. Stärken, aber auch Schwächen sind dabei herausgearbeitet worden. Neben einem statistischen Werkzeug für die Bildungsbehörde ist hiermit auch ein Mittel zur Selbstreflexion der Schulen geschaffen worden.

Auf der einen Seite kann die Schulverwaltung Schlüsse aus den Entwicklungen der Schulen insgesamt ziehen und bei besonderen Ergebnissen gezielt steuern. Auf der anderen Seite legen wir an die Schulen auch den Qualitätsanspruch an, der für die Schüler schon lange gilt. Es wird sich der Überprüfung gestellt. Diese vergleichende Darstellung öffnete schon vielen, ob Schülern, Lehrern oder den Schulen, die Augen und wird auch in Zukunft sicherlich nicht ihre Wirkung verfehlen.

Mit den Ergebnissen der Schulinspektion wird den Schulen ein Spiegel vorgehalten. Dabei, und das ist wichtig, steht nicht die Kritik als solches im Vordergrund, sondern die Beratung und die Hilfestellung. Jede Schule muss sich den Ergebnissen der Inspektion aussetzen, sich damit auseinandersetzen und Maßnahmen und Handlungsschritte zur Veränderung präsentieren. Dies ist im Bildungsbereich übrigens nichts Neues, denn wir kennen es bereits aus dem Hochschulbereich. Auch jeder Studiengang wird in diesen Jahren akkreditiert. So weit gehen wir hier nicht, aber wir sagen wohl, dass eine Schule mit den Ergebnissen einer Schulinspektion gut für sich werben kann, dass sie attraktiv sein kann und Schulleitungen – Schulleiter, Schulen, Eltern – sich durch gute Arbeit mit den gegebenen Ressourcen empfehlen.

(Beifall bei der CDU)

Auf jeden Fall wird in einem Response-Bogen, also in einer Art Rückmeldung, festgehalten, mit welchen Maßnahmen und Konsequenzen den Befun

den der Inspektion begegnet werden soll. Die Bewertung von Schulen durch Dritte führt tatsächlich ein Element des objektiven Wettbewerbs ein, welches in heutiger Zeit die Lehrerinnen und Lehrer und die Schülerinnen und Schüler zu guten Leistungen und Ergebnissen anhält. Dabei ist allerdings zunächst darauf zu achten, dass jetzt in der ersten Runde kein Gesamtergebnis der Schule vorgelegt werden soll, sondern einzelne Bereiche als solches inspiziert und bewertet werden. Das Hamburger Schulsystem kann durch diese Schulinspektion nur gewinnen.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)

Die ersten Ergebnisse, die vorliegen, zeigen, dass dieses auch schon geschieht. Ich will hier noch auf einen Befund der Schulinspektion, so wie es im Jahresbericht niedergelegt ist, eingehen. Entwicklungsbedarf wird an vielen Schulen im Bereich der Leistungsbeurteilung, bei der Binnendifferenzierung und bei dem Punkt Prozesse evaluieren gesehen. Diese Bereiche sind und bleiben auch Aufgaben der Lehreraus- und -fortbildung und zeigen gleichzeitig den richtigen Ansatz, den diese Koalition auch im Bereich der Kompetenzorientierung als Ergänzung zum traditionellen Notenbild bei Prüfungen anstrebt. Wir sind auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Der Blick in andere Bundesländer, zum Beispiel nach Hessen, Bayern, Niedersachsen, Berlin oder Nordrhein-Westfalen, zeigt, dass wir seit 2007 eine erfolgreiche Arbeit im Bereich der Qualitätssicherung und -entwicklung betrieben haben. Dabei haben wir als Instrumentarium diese Ausgangsanalyse – und das unterscheidet uns deutlich von den anderen Schulinspektionsteams in den Bundesländern – den durch KESS erhobenen Sozialindex mit in die Analyse einfließen lassen. Dies ist ein wichtiger Meilenstein unsererseits für die individualisierte Gestaltung künftiger Bildungsprozesse in den Schulen.

Die CDU-Fraktion dankt den Schulen, die sich beim ersten Durchgang freiwillig gemeldet haben und sich zunächst in eine für sie sicherlich ungewisse, aber dennoch professionelle Bewertungssituation hineinversetzen mussten. Anerkennung sprechen wir auch den Inspektorenteams aus, die mit großem Engagement, aber auch mit Feingefühl die ersten Schritte sehr erfolgreich durchgeführt haben.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Wir regen an, in mittelfristiger Zukunft auch den Bereich des Shadowing, zum Beispiel mit benachbarten Bundesländern als Inspektionsteam-Begleitern, aufzunehmen und im Austausch mit bewährten länderübergreifenden Verfahren Erkenntnisse auszutauschen. Von einem Ranking, wie vielfach gefordert, raten wir ab.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Dieses würde in den nächsten Jahren, in denen noch nicht alle Schulen inspiziert werden können, und im Hinblick auf die Schulreform zu Verzerrungen und wenig validen Schlussfolgerungen führen. Es zeigt sich, dass sich die Reformen der letzten Jahre als wirksames Mittel zur Qualitätsentwicklung und zur Schaffung von Schultransparenz erweisen. Der Senat und die Regierungsfraktionen sind hier auf dem richtigen Weg. Wir regen an, dass Schulen noch intensiver als bisher ihren Schulkonferenzen oder auch der Schulöffentlichkeit Daten und Anregungen aus dem Bericht der Inspektoren zur Verfügung stellen. Die CDU steht positiv zu den Erfolgen der Schulinspektion und empfiehlt die Überweisung des Berichts an den Schulausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Buss.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die SPD nimmt positiv zur Kenntnis, dass es hier im Rahmen dieser Großen Anfrage erste Erkenntnisse zu dem Thema "selbstverantwortete Schule" gibt. Insbesondere können wir das deshalb so selbstbewusst sagen, weil wir diejenigen waren, die vor jetzt fast sechs Jahren genau dieses Instrument als einen Teil der Qualitätsverbesserung an Schulen einführen wollten

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden über- nimmt den Vorsitz.)

und leider von Ihrer Fraktion, Herr Freistedt, damals daran gehindert wurden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist und bleibt Realität. Natürlich war zu erwarten, dass Sie versuchen wollten, mit den Ergebnissen dieser Großen Anfrage eben das zu sagen, was Sie gegen Ende Ihres Beitrags ausgedrückt haben, dass die eingeleiteten Reformen, die Frau Dinges-Dierig damals teilweise überhastest durchgezogen hat,

(Zuruf von der SPD: Ziemlich durchsichtig!)

hier als erfolgreiche Maßnahmen belegt würden. Trotzdem freue ich mich erst einmal darüber, dass die Schulbehörde jetzt von jemandem geleitet wird, der Ahnung von der Schulwirklichkeit hat, und dass die Schulbehörde unterstützt wird von einem Staatsrat, der Ahnung davon hat, wie man empirische Daten bewertet und wie vorsichtig man mit ihnen umzugehen hat. Denn genau das, was Sie offensichtlich mit Ihrer Großen Anfrage vorgehabt

haben, ist Ihnen nun eben in der Auswertung dieser Großen Anfrage nicht möglich gewesen,

(Wolfgang Beuß CDU: Das ist doch Blöd- sinn!)

weil man nämlich sehr vorsichtig damit umgehen muss, und das ist auch deutlich herauszulesen. Wenn es immer wieder heißt, welche Erfolge man feststellen kann und ob sich da Rückschlüsse zur Verbesserung der Qualität ziehen lassen, dann sagen Sie, ja, die sind alle da. Antwort des Senats: Nein. Bitte schön, das ist doch der beste Beweis dafür, dass es nicht so ist. Woanders heißt es, dass eben die Datenmenge noch gar nicht ausreiche, um entsprechend valide Aussagen machen zu können.

Es bleibt festzuhalten und da sind wir uns einig, dass diese Schulinspektion, wenn man so will, der Schlussstein im Rahmen der empirischen Wende ist, die die SPD damals in den neunziger Jahren unter Schulsenatorin Rosemarie Raab hier eingeführt hat mit dem Ziel, über empirische Daten endlich dazu zu kommen, dass man Qualität in der Schule anschauen und bemessen kann

(Wolfgang Beuß CDU: PISA!)

vor PISA, mein Lieber –, damit man dies entsprechend bewerten und auch schulintern so anfassen kann, dass für alle Beteiligten, insbesondere aber für die Schüler und ihre Eltern, eine entsprechend positive Reaktion möglich sein wird.

Ich frage mich, Herr Freistedt, wie Sie denn zu der These kommen, die Schulen könnten mit den Erfolgen der Inspektion werben. Wie soll das denn gehen? Wenn Sie auf der einen Seite wie wir auch ein Ranking ablehnen und auf der anderen Seite klar in der Großen Anfrage steht, dass die Ergebnisse schulintern bleiben, also schulöffentlich sind, was wir auch richtig finden, dann kann ich damit doch nicht bei den Eltern herumgehen und sagen, man hätte wunderbar abgeschnitten. Genau das passt doch nicht zusammen.

Um das auch noch einmal anzusprechen; zur Qualität gehört, dass man sich Gedanken macht, wie denn die Bedingungen der Arbeit an der Schule sind. Das ist das, was Sie vier Jahre lang vernachlässigt haben, die Frage der Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer in der Schule selbst oder zum Beispiel die Frage der Klassenfrequenzen, die Sie erst jetzt im Rahmen dieser neuen Koalition angehen.

(Wolfgang Beuß CDU: Nicht so rückwärtsge- wandt, gucken Sie mal nach vorne!)

Wenn ich nach vorne schaue, dann sage ich nur: Es gibt inzwischen zum Glück immer mehr Schulen, die die Ergebnisse so aufgreifen, wie wir Sozialdemokraten es uns vorstellen, nämlich dass sie Konzeptgruppen einrichten oder Qualitätszirkel, wie auch immer man das nennen will, auf der Ebe

(Marino Freistedt)

ne der Schulkonferenz einführen und versuchen, gemeinsam zu einer Bewertung, Bearbeitung und Auswertung der positiven aber auch negativen Ergebnisse an ihrer jeweiligen Schule zu kommen, um diese dann auch entsprechend auswerten und verbessern zu können.

(Glocke)

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Buss, gestatten Sie ein Zwischenfrage von Herrn Freistedt?

– Bitte.

Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Freistedt, bitte.

Herr Kollege, würden Sie uns vielleicht bekanntgeben, wer in der letzten Legislaturperiode bei den KESSI- und -II-Schulen die Klassenfrequenzen von 24 auf 18 Schüler gesenkt hat?

(Dr. Monika Schaal SPD: Aber für jede Klas- se einzeln!)

Herr Kollege, ich kann dazu ganz klar sagen: Wer hat denn erst die Klassenfrequenzen angehoben – das haben wir woanders auch schon wieder gehabt – und hat dann geglaubt, dass die Größe der Schulklasse keinen Einfluss auf die Qualität der Schule hat? Und als man merkte, dass man damit nicht durchkam und ein Eigentor geschossen hat, hat man kurz vor den Wahlen schnell die Notbremse gezogen und hat in der Tat für KESS I und KESS II den richtigen Schritt gemacht. So ist es doch gelaufen.

(Beifall bei der SPD)