Protocol of the Session on June 24, 2009

(Beifall bei der SPD, bei Kersten Artus und bei Elisabeth Baum, beide DIE LINKE)

Das Wort bekommt Herr Wankum.

(Michael Neumann SPD: Herr Wankum re- det heute so viel wie seit Jahren nicht. Sie können dankbar für unsere Anmeldungen sein!)

– Aller guten Dinge sind drei. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Grund, es freut mich, dass Sie die Antworten des Senats zu Ihrer durchaus berechtigten und wertvollen Anfrage als genauso kompetent und der Komplexität der Themen angemessen ansehen, wie ich es tue.

Der Senat hat hier durchaus deutlich gemacht, dass er den Anforderungen der Wissensgesellschaft aus heutiger Sicht auch in diesem Bereich, soweit es möglich ist, gerecht wird.

(Uwe Grund SPD: Werden will! Werden will!)

Allerdings tut der Senat dies nicht nur, um sich zu profilieren, sondern weil er weiß, dass im Zusammenhang mit dem heute hier bereits Diskutierten dieses eines der wichtigsten Themen ist. Nirgendwo ist der Ausdruck lebenslanges Lernen so angebracht wie im Bereich der Medienkompetenzförderung, des Medienkompetenzlernens. Das, was wir heute lernen, kann morgen schon veraltet sein. Es betrifft nicht nur unsere Kinder, es betrifft auch uns. Es betrifft – das haben wir bei dem Thema des Schutzes geistigen Eigentums und wie damit umzugehen ist, eben in der vorherigen Debatte gemeinsam besprochen – auch durchaus die Manager und die Handelnden im Bereich der Medienindustrie.

Meine Damen und Herren! Ich vergleiche den Bereich der Medien und des Erlernens von Medienkompetenz manchmal mit dem Autofahren. Ich muss meinen Führerschein machen, ich muss Auto fahren lernen, damit ich andere und mich nicht gefährde. Ich kann aber die Komplexität insgesamt nicht erfassen. Ich stimme Ihnen zu, lieber Herr Kollege Grund, dass dieses Thema uns auch zukünftig dauerhaft beschäftigen wird. Das ist richtig und wichtig; ich stimme Ihnen auch ansonsten im

meisten zu, was Sie gesagt haben, und dabei will ich es angesichts der vorgerückten Stunde belassen.

(Thomas Böwer SPD: Wie großzügig! – Wolfgang Beuß CDU: Sehr gut!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Farid Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Grund, erst einmal vielen Dank für diese Anfrage. Wir haben alle gesehen, dass hier in Hamburg ein richtiges Füllhorn in Sachen Medienkompetenz vorgelegt wird. Wir waren auch alle etwas überrascht, was es für eine Fülle gibt, und wir haben uns auch gefreut, weil natürlich oft die These vorgetragen wird, dass mehr passieren muss. Unser Eindruck ist, dass ein Mehr qualitativ gesehen nicht unbedingt ein besseres Ergebnis bringt, und wir freuen uns deshalb – Sie haben es schon erwähnt –, dass die Medienanstalt in dem neuen gemeinsamen Mediengesetz erheblich besser für das Thema Medienkompetenz ausgestattet wird und dass sie dadurch eine koordinierende Aufgabe erhält. Und wir sind uns sicher, dass sie diese Aufgabe mit dem Direktor, den sie hat, richtig ausfüllen wird.

Es wurde auch gefragt, wie es mit den Leitprojekten des Senats aussähe. Dazu gab es ebenfalls eine Ansage, sie sind momentan noch bei der Bestandsaufnahme. Das ist eine vernünftige Sache, wenn man sich anschaut, was für eine Fülle in Hamburg von den verschiedenen Akteuren geboten wird. Das soll bis ins Jahr 2010 dauern. Ich möchte da nicht weiter drängeln, ich möchte eine vernünftige Bestandsaufnahme, damit wir dann als Ergebnis gute Leitprojekte bekommen, die die Stadt braucht, und nicht die, die wir längst haben. Das Ganze soll ja in die Zukunft gerichtet sein.

Ich finde allerdings das Ziel, Hauptstadt der Medienkompetenz werden zu wollen, etwas seltsam. Ich habe das Gefühl, wir sind schon recht weit vorn. Es fehlt vielleicht ein bisschen die Linie, die zusammenfassende Klammer. Ich bin sicher, dass die Medienanstalt in beiden Ländern helfen wird, dem Ziel näher zu kommen. Es ist auch sinnvoll, dass wir hier zusammenarbeiten. Ein solcher Titel, wenn wir wieder Medienhauptstadt werden und bleiben wollen in allen Bereichen, wäre für uns schon einmal gut, Hauptstadt der Medienkompetenz – damit kann ich momentan nicht so viel anfangen.

Ich finde Ihre Vorschläge bisher noch ein bisschen dünn. Die Idee des Führerscheins und dass Lehrer die Uni mit Medienausbildung verlassen sollen, das finden wir gut. Ihr Vorschlag, dass Sie noch

(Uwe Grund)

konkretere Punkte, die daraus folgen, ins Parlament einbringen, ist der richtige Weg. Wir beteiligen uns auch gern an dieser Debatte, ich glaube, da kann man noch vieles machen. Man kann auch viel gemeinsam machen, das ist keine Frage von Parteien-Hin-oder-Her. Ich bin insgesamt erst einmal sehr zufrieden, dass so viel passiert und dass der Senat hierfür entschieden Geld ausgibt. Eine Anmerkung zum Schluss: Wir dürfen Medienkompetenz nicht allein mit Internet gleichsetzen. Es ist richtig und wichtig, dass die anderen Medien wie Fernsehen und auch das geschriebene Wort weiterhin bei der Medienkompetenz eine Rolle spielen, ich nenne hier die Stichwörter Patenschaft für Abos sowie Fernsehen und Gewalt. Daran sollten wir genauso denken, wenn es um Medienkompetenz geht, und nicht das Internet als allein seligmachenden Glücksbringer ansehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Artus.

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Wir haben es hier mit einer sehr wichtigen Thematik zu tun. Sie ist auch deswegen wichtig, weil sie in mehrere politische Themenfelder greift. Es handelt sich bei dieser Drucksache um eine der wichtigsten, die wir bislang in der 19. Legislaturperiode erhalten haben.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Daher beantragt meine Fraktion, diese Drucksache an die Ausschüsse zu überweisen, deren Themen darin zur Sprache kommen.

(Zuruf von der GAL)

Ja genau. Es geht um Medien, um pädagogische Fragen und um die Arbeitswelt. Gesundheitliche Fragen, nämlich die der Online-Sucht, und Verbraucherschutzaspekte werden angesprochen. Es sind datenschutzrechtliche Punkte angesprochen worden und Aspekte der Elternverantwortung gegenüber ihren Kindern. Außerdem geht es in der Großen Anfrage auch um geschlechtsspezifische Sichtweisen und um die Integration von Migranten und Migrantinnen. Wir müssen die Debatte dazu unbedingt vielfältig vertiefen, denn es sind in dieser Drucksache zentrale kulturelle, zivilgesellschaftliche Fragen angesprochen, die bereits unser Leben und Denken verändert haben und die es künftig noch maßgeblich verändern werden.

Wir müssten eigentlich fast jeden einzelnen Abschnitt dieser Großen Anfrage zu einem eigenen Thema machen und kritisch hinterfragen, ob die bisherigen Bewältigungsstrategien immer so richtig gewesen sind. Jeder andere Umgang wäre ein Negieren des gesellschaftlichen Umbruchs, den wir derzeit erleben, der uns in Unsicherheit stürzt, uns

in Teilen ratlos und hilflos macht, der die Generationen spaltet und die Tradition der Kommunikation und des Miteinanders über Bord wirft und auch wieder neu erschafft.

Ich will mich aber auf sieben Bemerkungen beschränken.

(Thomas Böwer SPD: Sieben?)

Sieben. Die erste Bemerkung: Was mich nach der ganzen Negativdebatte um die Gebührenfinanzierung und die Beschneidung der Präsenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet gefreut hat, ist hier das klare Bekenntnis in den Antworten und die Hervorhebung der kulturellen Bedeutung und des gesellschaftlichen Auftrags der öffentlichrechtlichen Strukturen.

(Beifall bei Michael Gwosdz GAL)

Es ist eine Ohrfeige für diejenigen, die gern so tun, als müssten die Rundfunkgebühren abgeschafft werden.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Zweite Bemerkung: In die Tonne treten muss der Senat angesichts seiner eigenen Antworten umgehend sein umgesetztes Konzept zur Schließung der Bücherhallen. Seit Jahren müssen die Hamburger und Hamburgerinnen hinnehmen, dass Bücherhallenstandorte geschlossen und zusammengelegt werden. Ihre eigenen Antworten strafen Sie hier ab, sehr geehrte Herren und Damen des Senats. Zwischen 1996 und 2004 wurden 19 Bücherhallen zugemacht, sieben neue kamen durch Zusammenlegungen hinzu. 130 Stellen wurden abgebaut. Der CDU-Senat zwang die Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen durch Kürzung ihres Etats im Doppelhaushalt 2005/2006 um 900 000 Euro zu weiteren Schließungen.

(Farid Müller GAL: Das ist Geschichte!)

Aus der Geschichte lernen wir, liebe GAL. Dem fielen unter anderem die Bücherhallen in Dulsberg und Lurup damals zum Opfer. Erinnern möchte ich auch noch einmal an die Schließung der Kibi am Grindel. Der Hamburger Senat hatte im Juni 2007 den Ausbau der Zentralbibliothek am Hühnerposten beschlossen. Vorgeblich um die Attraktivität für Familien zu erhöhen, musste die Kinderbibliothek am Grindel in die Zentralbibliothek umziehen. Aber wie kann es für die Mütter und Väter attraktiv sein, statt eines kürzeren Fußwegs eine Anfahrt zum Hauptbahnhof mit anschließendem Fußmarsch zum neuen Standort einplanen zu müssen? Der ersatzlose Wegzug der Kinderbibliothek am Grindel führt alle Absichtserklärungen zu Bildungs- und Medienkompetenzförderung ad absurdum.

(Beifall bei Thomas Böwer SPD)

Statt der Schließung wäre eine Erweiterung der lokalen Kapazitäten richtig gewesen. Wenn Sie so,

(Farid Müller)

wie Sie auf die Fragen der SPD antworten, Medienkompetenzförderung ernsthaft weiterverfolgen wollen, dann müssen Sie umkehren und die flächendeckende Versorgung von öffentlich zugänglichen Bibliotheken wiederherstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritte Bemerkung:

(Egbert von Frankenberg CDU: Wie viele kommen denn da noch?)

Ein ziemliches Wischiwaschi finde ich die Stellungnahme zur Gewaltförderung durch Medien. Es ist wirklich an der Zeit, mit diesem modernen Mythos zu brechen. Erst Anfang April stellten die Teilnehmenden einer Tagung empirisch arbeitender Psychologen und Psychologinnen in Jena fest, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gibt. Hier scheint es nach wie vor immer noch mehr um Glaubens- als um Wissensfragen zu gehen. Für Gewalt, das sagen alle Experten und Expertinnen, braucht es zum Beispiel Frustration und die geht immer voraus. Da kann das Computerspiel nicht zum Verursacher gemacht werden. Das lenkt von den tatsächlichen Ursachen ab, wie die Debatte über Gewalt gegen Frauen vorhin gezeigt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Anstatt Online-Computerspiele zum Sündenbock für eine verfehlte Arbeitsmarkt-, Familien-, Jugendschutz- und Bildungspolitik zu machen, sollten Bürgerschaft und Senat sich darauf verständigen, Online-Spiele und soziale Plattformen als integrative Modelle zu begreifen, und sie als Spiegel realer Welten ernst nehmen. Sie sind transnational, sie unterliegen ökonomischen Gesetzen, sie sind organisiert. Um Ihnen einen Einblick in diese neuen Realitäten zu geben: World of Warcraft hat eine Population, die sich mit der Einwohnergröße von Belgien oder Portugal vergleichen lässt. Second Life entspricht der Einwohnerzahl von Australien.

Gleiches gilt für die angebliche Computersucht. Wir müssen doch unterscheiden zwischen Glücksspielsucht und der Identifikation mit einer virtuellen Gemeinschaft, sonst kommt man unweigerlich auf die Frage, ob man denn auch kirchengemeindensüchtig werden kann oder süchtig nach dem Kegelklub oder nach der freiwilligen Feuerwehr.

(Karin Timmermann SPD: Das gibt es!)

Vierte Bemerkung:

(Glocke)