Protocol of the Session on June 11, 2009

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

(Dr. Monika Schaal)

In vielen Stadtteilen leben viele Kinder in Armut. Größere Kita-Gruppen, Erzieher und Erzieherinnen müssen wegen der gescheiterten Kinder- und Jugendpolitik des Senats immer mehr aushalten. Ein Kind, das ohne Frühstück und schlecht versorgt in die Kita kommt, bedarf mehr Zuwendung. Das sind hohe psychische Belastungen, mit denen die Erzieher und Erzieherinnen zu kämpfen haben, und das alles bei einem sehr niedrigen Lohn. Es ist nicht mehr hinzunehmen, dass Sie auf Kosten unserer Kinder weiterhin Einsparungen an den Erziehern und Erzieherinnen vornehmen,

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

aber gleichzeitig für Ihr Prestigeprojekt Elbphilharmonie 400 Millionen Euro hinauswerfen. Wir, die Fraktion der LINKEN, haben und werden weiterhin die Tarifauseinandersetzung der Gewerkschaft unterstützen. Wir fordern, dass die Personalpauschalierung aufgehoben wird und gleichzeitig, wenn die Tarifauseinandersetzung beendet sein wird, dass auch die Kolleginnen und Kollegen vernünftig ausbezahlt werden.– Dankeschön!

(Beifall bei der LINKEN und bei Wolfgang Rose SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Müller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, lieber Herr Yildiz. Zunächst einmal haben Sie sehr am Thema vorbei gesprochen, ich habe mich gestern schon gefragt, was Sie unter Ihrer Themenanmeldung verstehen mögen und jetzt haben Sie für mich nur über Geld gesprochen, dabei haben Sie angemeldet: "Erzieherinnen brauchen einen Rechtsanspruch auf Gesundheitsförderung - Was fehlt, sind die räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen für gute Erziehung." Über Geld steht da nichts, insofern überraschen Sie mich ein wenig.

Was den Verdienst angeht, so ist es unumstritten, dass im Augenblick arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen stattfinden zwischen ver.di und dem Arbeitgeberverband. Ich fände es aus unserer Sicht, was die Legislative angeht, zum jetzigen Zeitpunkt eher angemessen, sich zu dem Thema nicht zu äußern beziehungsweise sich zurückzuhalten. Was nicht bedeutet, dass wir uns dafür nicht interessieren sollten oder es möglicherweise im Nachgang auch noch bewerten. Es hatte jetzt ein wenig einen störenden Charakter, gerade weil die Verhandlungen in einer entscheidenden Phase sind.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Übrigens bin ich es leid, wie wahrscheinlich sehr viele im Haus, dass immer, wenn Sie über soziale Themen sprechen, die Elbphilharmonie hier angeführt wird,

(Michael Neumann SPD: Das kann ich mir vorstellen!)

möglicherweise auch noch das Konjunkturprogramm. Werden Sie sich endlich einmal bewusst, kommen Sie von diesem hohen Ross herunter, dass auch dieses für die Menschen, die Sie speziell als Zielgruppe erkannt haben, sehr viel Nutzen haben und sehr viel bringen wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Interessant finde ich auch, dass Sie Kita-Trägern vorwerfen, sie würden Gewinne machen. Es hört sich an als würden Kita-Träger Millionengewinne erwirtschaften und sich Geschäftsführergehälter auszahlen, dass einem ganz schwarz vor den Augen wird. Wenn Sie sich einmal die rechtlichen Konstellationen anschauen, würden Sie wissen, dass dort keine Gewinne erwirtschaftet werden können.

Lassen Sie mich zu den Kitas selbst noch etwas sagen. Ich meine, dass in den Hamburger Kitas durchweg sehr gute Arbeit geleistet wird und das ist auch sicher ein sehr harter Job. Und weil das so ist, gehört zu dieser Arbeit auch eine angemessene Bezahlung und, was jetzt auch diskutiert wird, der Gesundheitsschutz, ist für die Mitarbeiter sicherlich ein Thema. Das ist auch vom Arbeitgeberverband vollkommen unstrittig, denn auch der Arbeitgeberverband hält diese Forderung nach Gesundheitsschutz für ein berechtigtes Anliegen und hat hier einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet.

Im Augenblick war die Auseinandersetzung über die Besetzung der Kommission Dreh- und Angelpunkt, die, ich schaue in Ihre Richtung, Herr Rose, dann später für die Gefährdungsanalysen und die Konsequenzen beziehungsweise die Umsetzung dann mit zuständig sein soll. Hier gibt es eben auch ganz unterschiedliche Auffassungen und in diesem Punkt wird man sich sicherlich noch einigen können und auch einigen müssen.

Psychische und physische Belastungen sind sicherlich etwas sehr Individuelles. Gruppengrößen, die Sie eben angesprochen haben, Personalschlüssel et cetera, danach richtet sich das, können je nach Besetzung dieser Gruppe sehr groß oder auch vollkommen okay sein.

(Carola Veit SPD: Das ist doch Tüdelkram!)

Anders gesagt – das ist nicht Tüdelkram, Frau Veit, wenn Sie zuhören – eine E5-Gruppe in Lurup kann ganz andere Arbeit oder Belastung bedeuten als eine E5Gruppe in den Walddörfern. Das werden Sie sicherlich nicht abstreiten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

(Mehmet Yildiz)

Wenn Sie die ganzen Debatten, die wir nahezu einmal im Monat über diese Thematik führen, interessiert verfolgt hätten, hätten Sie feststellen können, dass wir dies immer eingeräumt haben. Eins darf man aber in diesem Zusammenhang bitte auch nicht ignorieren, dass wir zwischen aktuell mit über 400 Millionen Euro so viel Geld in die Kitas dieser Stadt stecken wie noch nie zuvor. Und das doch nicht nur in die Quantität, sondern eben auch in die Qualität der Kitas und deren Ausstattung.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Eines würde ich mir auch wünschen. Dass einmal langsam realisiert wird – insbesondere in Richtung LINKS-Partei – dass wir uns eben zurzeit in einer großen Wirtschaftskrise befinden.

(Michael Neumann SPD: Das zählt aber für die HafenCity nicht!)

Das bedeutet einbrechende Steuereinnahmen und das in einem ganz erheblichen Maß.

(Michael Neumann SPD: Wenn man das po- litisch will, dann macht man es!)

Und trotzdem hält diese Koalition an ihren ambitionierten, aber eben auch an sehr teuren Maßnahmen in diesem Bereich fest. Das, meine Damen und Herren von der LINKS-Fraktion, kommt letzten Endes auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kitas zu Gute, denn Ausbau bedeutet auch mehr Arbeitsplätze, bedeutet mehr Nachfrage nach gutem, qualifizierten Personal. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Veit.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wissen Sie eigentlich, was ein Krippenknie ist?

(Wolfgang Beuß CDU: Ein was?)

Nein? Das habe ich mir gedacht. Ein Krippenknie ist eine Berufskrankheit bei älteren Krippenerzieherinnen, die mit über 50 Jahren noch immer in viel zu großen Krippengruppen den ganzen Tag auf dem Fußboden herumkriechen müssen und sich dabei schwerwiegende gesundheitliche Schäden zuziehen.

Sie haben in den vergangenen Jahren den notwendigen Ausbau der Kinderbetreuung in hohem Maße zu Lasten der Qualitätsstandards und der Arbeitsbedingungen in den Kitas betrieben. Die Zahl der Kinder im Betreuungssystem ist gestiegen, aber die Zahl der Beschäftigten in Vollzeit bei weitem nicht im gleichen Maße. Erzieherinnen müssen sich heute um deutlich mehr Kinder kümmern als noch vor zehn Jahren. Da steigen Lärm

pegel und Stress, da steigt sogar die Zahl der Grippeinfektionen, Burn-out, Tinnitus, Hörstürze, psychische Erkrankungen, Muskel- und Skeletterkrankungen, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Der hohe Krankenstand in diesem Beruf spricht für sich und das trotz der hohen Teilzeitbeschäftigungsquote. Sie, Her Senator Wersich, kümmern sich dabei viel zu wenig um die Gesundheit der Menschen, für deren engagierte Arbeit Sie sich doch hinterher feiern lassen. Und Sie vernachlässigen an dieser Stelle Ihre Fürsorgepflicht.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn dann die Beschäftigten mit den Gewerkschaften versuchen, Verbesserungen zu erreichen, verweigern Sie erst die Verhandlung, dann gehen Sie schließlich spitzfindig gerichtlich dagegen vor, wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Ihrem Streikrecht Gebrauch machen. Das finden wir eher schäbig, Herr Senator.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Denn, und das muss ganz deutlich gesagt werden, Herr Senator Wersich und die CDU stehen für Kita-Ausbau auf Kosten der Arbeitsbedingungen und der Qualität. Sie stehen für Masse statt Klasse und dass in unseren Kitas dennoch gute und engagierte Arbeit geleistet wird, das ist allein dem Engagement der Erzieherinnen und Erzieher zu verdanken, was die SPD-Fraktion an dieser Stelle auch noch einmal ausdrücklich tut.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Dabei, das betonen auch Sie gelegentlich ganz gerne, allerdings nur in Ihren Sonntagsreden,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Besser als Ihre Donnerstagsrede!)

ist frühkindliche Bildung mitentscheidend für den Erfolg, den Kinder im Leben haben. Wenn Sie die Kinder mit zwei, drei, vier Kindern in zu große und schlecht ausgestattete Kita-Gruppen schicken, Herr Senator, dann nehmen Sie ihnen Chancen auf Chancengleichheit, und zwar fürs Leben. Denn wie wir wissen, werden Bildungsunterschiede in den Schulen oftmals gar nicht mehr aufgeholt. Und das ist das genaue Gegenteil dessen, wofür wir Sie hier vereidigt haben.

Meine Fraktion hat bei den Haushaltsberatungen beantragt, wenigstens für Kinder in sozial benachteiligten Gebieten kleinere Gruppen zu schaffen, und Herr Müller hat eben angesprochen, dass das eigentlich ein wichtiges Thema ist. Die Bildungsbehörde macht das so. In den KESS-1 und KESS2-Gebieten sind die Klassenfrequenzen in den Grundschulen deutlich niedriger. Dort leistet man sich im Interesse einer größeren Chancengleichheit viele teure Lehrerstunden. Und Sie haben für die Kitas nicht einmal ein paar preisgünstige Erzie

(Stephan Müller)

herinnenstunden übrig. Sie machen eben keine Unterschiede zwischen Lurup und Volksdorf.

(Beifall bei der SPD)

Im Bürgerschaftswahlkampf hat der Bürgermeister noch gesagt, die soziale Spaltung der Stadt sei eine Erfindung der SPD. Jetzt hat diese Aussage eine Variation bekommen: Wir würden ja gerne, aber die Wirtschaftskrise. Wir regen an, einmal nicht so platt von der Hand in den Mund, sondern stattdessen an Wachsen mit Weitsicht zu denken.

Das Ihrer Partei durchaus nahe stehende Institut der Deutschen Wirtschaft hat schon einmal versucht, Ihnen das Denken abzunehmen. Das IW plädiert vehement für verstärkte frühkindliche Förderung, außerdem für eine weitergehende Qualifizierung der Beschäftigten und errechnet dafür eine langfristige Rendite von acht Prozent. Damit auch wir Nicht-Ökonomen dies verstehen, sage ich es noch einmal schlichter. Wer eine gute Kita hat, schafft die Schule besser, findet leichter einen Job, ist weniger von Arbeitslosigkeit betroffen und liegt dem Staat später weniger auf der Tasche. Das ist nicht alleine im Interesse des Erzieherpersonals, das ist im Sinne unserer Kinder, ihrer Eltern und es sollte in unser aller Interesse sein. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)