Protocol of the Session on June 11, 2009

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Blömeke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrte Kollegin Veit! Es fällt wirklich manchmal schwer, ruhig zu bleiben bei Ihrer Rede.

(Beifall bei der CDU)

Das liegt daran, weil Sie krampfhaft versuchen, und das fällt natürlich auch langsam auf, irgendwie dem Senator die Schuld zu geben. Ich möchte einen Punkt herausgreifen. Die Fürsorgepflicht hat meiner Ansicht nach immer noch der Arbeitgeber, das ist der direkte Weg, nicht die Behörde und schon gar nicht der Senator.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Ein Krippenknie, Frau Veit, erhält man auch, wenn man nur mit drei Kindern immer auf dem Boden herumrutscht, das hat überhaupt nichts mit der Gruppengröße zu tun. Obgleich, Sie haben natürlich recht, das ist ein wichtiger Punkt der Gesundheitsschutz, um den geht es letztendlich in der Diskussion.

Das Zweite, warum es mir manchmal schwer fällt, ruhig zu bleiben, ist, warum reden Sie unter dem Deckmantel von Gesundheitsschutz, was eigentlich angemeldet ist? Schon Herr Yildiz hat als anmeldende Partei sein Thema verfehlt, auch Sie ha

ben es verfehlt. Sie fangen an, uns die frühkindliche Bildung unterzuschieben …

(Zwischenruf)

Dann melden Sie das doch bitte auch an.

(Ingo Egloff SPD: Jetzt hören Sie doch mal mit dieser Lehrerattitüde auf! Das ist ja uner- träglich!)

Hier geht es um Gesundheitsschutz und um die Erzieherinnen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Es ist unbestritten, Herr Yildiz, und damit stehen die Erzieherinnen und Erzieher nicht alleine, dass wirklich Idealismus vorausgesetzt wird, wenn man Erzieher wird, denn die Bezahlung ist nicht gerecht der Leistung angemessen. Ich kann Ihnen noch zig andere Berufe im sozialen Bereich nennen, wo es genau so ist, von den Altenpflegern über die ganzen medizinischen Berufe, da haben Sie völlig recht.

Worum geht es denn bei diesem Streik? Es geht letztendlich darum, dass es einen Wechsel in den Tarifverträgen gab und dass die Erzieherinnen und Erzieher sich im Moment in einer Übergangsphase befinden. In der Tat erhalten die Neueinstellungen in diesem Überleitungsvertrag nicht dieselbe Chance wie früher, auf das gleiche Gehaltslevel zu kommen. Hier muss klar nachgebessert werden. Das haben meines Wissens die Arbeitgeber auch erkannt und aus diesem Grund wird es eine – wir als Grüne wünschen uns das sehr – einvernehmliche Lösung am Verhandlungstisch geben. Was den Streik anbelangt, so ist er immer zunächst eine Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften oder Arbeitnehmern.

Es ist nicht Aufgabe der Politik und da irren Sie sich, Herr Yildiz, sich in Verhandlungen einzumischen. Beide Seiten haben berechtigte Positionen. Wir Grüne würden uns wie gesagt wünschen, dass am Verhandlungstisch ein guter Kompromiss erzielt wird, aber hier reden wir über den Gesundheitsschutz und den wollen wir doch ins Zentrum stellen. Natürlich betreuen Erzieherinnen und Erzieher jeden Tag unsere Kinder und machen sich Gedanken um deren Wohlbefinden und Gesundheit; ihre eigene Gesundheit stellen sie dabei meistens in den Schatten. Hauptbelastungsfaktoren sind in der Tat Lärm und das unangemessene Mobiliar, aber hauptsächlich sind es die Kinder selbst, die mit ihrem Rufen, Lachen, Weinen und Schreien den Lärm produzieren. Das gehört auch dorthin und es gehört letztendlich in den Alltag der Erzieherinnen. Es darf aber keine Normalität werden und genau da müssen wir ansetzen.

Es existieren in Hamburg auch bereits gute Ansätze. Vielleicht ist es Ihnen nicht bekannt, Herr Yildiz, aber es gab ein dreijähriges Modellprojekt namens Kitas fit für die Zukunft, das im Jahr 2006 von der

(Carola Veit)

Hamburger Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung ins Leben gerufen wurde. Acht Kitas in Hamburg haben mitgemacht und sehr viele Maßnahmen entwickelt, die Vorbildcharakter für alle Kitas haben sollten. Und die, das sehe ich als Aufgabe der Politik, müssen wir herausfinden, positiv begleiten, stärken und dann sollten wir sie in andere Kitas implementieren. Zum Beispiel gab es von pädagogischer Seite Schallexperimente mit Kindern, um sie erst einmal für Lärm zu sensibilisieren. Natürlich gibt es auch die bauliche Seite, Lärmschutzdecken und Schall absorbierende Maßnahmen. Es wurde umstrukturiert, damit Mitarbeiterinnen Räume für eine Pause haben, in denen sie sich zurückziehen und auf entsprechendem Mobiliar sitzen können.

(Carola Veit SPD: Das gehört zum Stan- dard!)

Das alles sind Möglichkeiten, den Gesundheitsschutz der Erzieherinnen und Erzieher anzugehen.

(Carola Veit SPD: Die müssen finanziert werden, die Räume!)

Ich gebe Ihnen recht, ich stehe diesem Streik sogar positiv gegenüber, denn er macht auf die öffentliche Situation aufmerksam. Ganz ehrlich, wer von Ihnen hat sich denn schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie es ist, den ganzen Tag auf einem Kinderstuhl zu sitzen oder in der Krippengruppe herumzurutschen? Natürlich muss da eingegriffen werden. Ich glaube aber, dass beide Parteien auf einem guten Weg sind, sich einander anzunähern und auch zu einem Ziel zu kommen. Politisch sehe ich es als meine Aufgabe, zum Beispiel diese Möglichkeiten, die das Modellprojekt herausgebracht hat, in die Bürgerschaft zu tragen und zu überlegen, was wir davon denn für eine weitere Umsetzung anregen können.

Es ist ein falscher Ansatz, wenn wir unter dem Thema Gesundheitsschutz wieder den allgemeinen Rundumschlag über die frühkindliche Bildung machen und den verkürzten Weg nehmen, es läge an der Gruppengröße. Ob nun die Gruppengröße 25 oder 20 Kinder beträgt, ist für die Lärmbelastung einer Kindertagesstätte irrelevant.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das ist nicht zu fassen. Völlig praxisfremd!)

Die Menge der Kinder in einer Kita macht es, die für die Erzieherinnen und Erzieher den Lärm bedeutet. Genau da müssen wir ansetzen, völlig richtig. Wir nehmen die Gesundheitsmaßnahmen ernst und das andere – ja, Herr Lein, wenn Sie über Gruppengröße reden wollen, das wollen wir auch.

(Glocke)

Das ist eine Frage der Qualität in den Kitas, die ich

(Glocke)

aber erst einmal nicht primär

(Glocke)

in den Gesundheitszusammenhang stelle.

Frau Abgeordnete, ist Ihnen die Bedeutung des rot blinkenden Lichts bekannt?

Deswegen bin ich jetzt auch fertig und das Thema Gesundheitsschutz werden wir weiter angehen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Senator Wersich.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst ein paar Stichworte zum Thema Personal. Wir haben in Hamburg im Bundesvergleich in den unterschiedlichen Angebotsbereichen Krippe, Elementar, Hort durchschnittliche Werte im Ländervergleich, was die Erzieher-Kind-Relationen angeht. Das Personal gewährleistet eine gute und verlässliche Betreuung, Erziehung und Bildung in den Kitas. Wir haben im letzten Jahr eine Kampagne der Kitas erlebt, „Kita – weil wir's wissen wollen!“, in der sie sehr selbstbewusst ihre Qualität der Bildung unter Beweis gestellt haben; dass sie das in Hamburg können und tun. Ich weiß, dass es Forderungen nach mehr Personal gibt. Dass weiß Frau Blömeke, das weiß Frau Veit, das wissen alle im Saal und dennoch ist die Haushaltslage so, dass wir nicht versprechen können, dass wir die Erzieher-Kind-Schlüssel wesentlich verbessern können. Ich will noch einmal an diese Summe erinnern, dass wir die Ausgaben von 296 Millionen in 2002 auf heute über 400 Millionen erhöht haben, nächstes Jahr werden es wahrscheinlich 440 Millionen sein.

Zur Elbphilharmonie: Da bauen wir in 50 Jahren eine Elbphilharmonie. Im Kita-Etat käme ich damit in einem Jahr nicht einmal bis zu den Herbstferien, denn wir geben dort sehr viel mehr aus und das jedes Jahr.

Wir haben eine räumliche Situation in den Hamburger Kitas, die ebenfalls gut ist. Alle, die in den letzten Jahren einmal durch die Kitas gegangen sind, sehen, dass es sehr großzügige, sehr moderne, sehr exzellente und super ausgestattete Räumlichkeiten gibt. Es ist auch so, dass bereits viele Kitas Maßnahmen für den Gesundheitsschutz ergriffen haben, gerade die Vereinigung, mit Schallschutzwänden, mit entsprechender Rückenschonung, mit ergonomischen Sitzmöbeln und so weiter. Die Arbeitgeber haben selbst ein großes Interesse daran, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht krankheitsbedingt ausfallen. Da sitzen Gewerkschaften, Mitarbeiter und die Betreiber der Kitas in absolut einem Boot und wollen dasselbe.

(Christiane Blömeke)

Ich finde es bedenklich, Frau Veit und auch Herr Yildiz, wenn Sie sich hinstellen und sagen, in Hamburg sei die Bezahlung und die Ausstattung mit Personal ein Skandal und was das alles für Folgen habe. Da hilft der Blick nach Berlin.

In Berlin regieren SPD und die LINKS-Partei bekanntlich gemeinsam. Die Menschen sind dort biologisch ähnlich gebaut, die Kinder sind ähnlich und dann schauen wir doch einmal, was Rot-Rot in Berlin realisiert. Im Elementarbereich der Kita, im Ganztagsbereich, sind die Schlüssel dort zwischen sechs und zwölf Prozent schlechter als in Hamburg. Im Krippenbereich gibt es im rot-rot regierten Berlin sogar zwischen sieben und zwanzig Prozent weniger Personal als in Hamburg. Bei den Leitungskräften, die die Arbeit mit den Eltern, die Regularien, all diese Arbeit zu machen haben, die aber auch aushelfen müssen, ist der Personalschlüssel in Berlin sogar um über 50 Prozent schlechter als in Hamburg.

(Zwischenrufe CDU: Hört, hört!)

Insofern ist das, was Sie in Hamburg als Skandal bezeichnen, nicht nur besser als in Berlin, sondern das, was sie in Berlin machen, ist die Politik, von der Sie glauben, dass sie hier auf Kosten der Mitarbeiter geht.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Ganz interessant, Herr Yildiz, wird es auch beim Thema Geld. In Berlin ist es ähnlich wie in Hamburg so, dass wir gar nicht direkt an den Tarifverhandlungen beteiligt sind. In Berlin waren für heute die Tarifverhandlungen angesagt, der rot-rote Senat hat sie gestern mit der Begründung abgesagt, der Tarifvertrag laufe noch bis Ende 2010 und sie hätten kein Geld, sie könnten im Moment nicht über den Tarif verhandeln. Und dann stellen Sie sich hier hin und drücken auf die Krokodilstränendrüse.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Sie können nicht jedes Mal moralisch triefend den Untergang des Abendlandes verkünden. Wenn Sie sich mit der Realität im Rest der Republik auseinandersetzen, dann müssen Sie feststellen, dass Ihre Parteigenossen, Ihre Regierung viel weniger für das Thema frühkindliche Bildung und Kitas tun, als es der schwarz-grüne Senat macht.

Ein Letztes möchte ich noch zu dem Streik sagen. Ich habe nichts gegen Tarifauseinandersetzungen, aber es hat heute ein erneutes Urteil gegeben und ver.di benutzt mit seiner Streikpolitik die berechtigten Interessen der Mitarbeiter, aber auch die Sympathie der Bevölkerung, um mit rechtswidrigen Streikmaßnahmen am Ende auf dem Rücken von Eltern und Kindern diesen Arbeitskampf zu führen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)