Protocol of the Session on April 16, 2008

Wirtschaftspolitik auf Die Linke Tour: Enteignung statt Stärkung des Wirtschaftsstandortes

Ich rufe als Erstes das von der SPD angemeldete Thema auf. Wird das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Tschentscher hat es.

Meine Damen und Herren! Sie würden dem Präsidium bei der Namensfindung sehr helfen, wenn Sie sich in der ersten Zeit auf den Plätzen befinden, die Ihnen zugewiesen worden sind. – Vielen Dank. Herr Tschentscher, Sie haben das Wort.

Entschuldigen Sie, Herr Präsident! Trotzdem vielen Dank, meine Damen und Herren, dass Sie uns die Gelegenheit geben, aktuell einige Anmerkungen zum Verlauf der Verhandlungen zwischen CDU und GAL zu ma

chen, denn Vieles, das man hört, haben wir und die staunende Öffentlichkeit vor der Wahl anders verstanden. Zum Beispiel ist die Verunsicherung der Eltern, Schüler und Lehrer über den künftigen Kurs in der Bildungspolitik groß, und wir wollen darüber nun mit Ihnen in der Aktuellen Stunde sprechen.

(Olaf Ohlsen CDU: Aha!)

Ich möchte aber zunächst ein anderes Thema benennen, nämlich das Kohlekraftwerk Moorburg. Der Vorwurf richtet sich in diesem Punkt gegen die CDU, denn es geht um Ihren von Wahlterminen abhängigen fahrlässigen Umgang mit wichtigen Standortfaktoren einer menschlichen Metropole oder – um Ihre Sprache zu verwenden – einer wachsenden und neuerdings auch einer kreativen Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Die CDU-Entscheidung für ein Kohlekraftwerk in Moorburg, ein Kraftwerk mit erheblicher zusätzlicher Belastung durch Feinstaubstickoxide und anderer gesundheitsgefährdender Immissionen an dieser Stelle – Hauptwindrichtung Wilhelmsburg –, war und ist verantwortungslos gegenüber dem Standortfaktor Umwelt und Gesundheit. Das haben wir vor der Wahl gesagt und wir sagen es auch jetzt.

(Beifall bei der SPD und Zurufe von der GAL)

Obwohl Sie wussten, liebe CDU, dass der Wahltermin kommt und Sie für Ihre Position keine Mehrheit haben, hat der Senat gegenüber Vattenfall bekräftigt: Hamburg will diese Investition, bauen Sie nicht halb, bauen Sie doppelt so groß. Sie haben Vorabgenehmigungen erteilt, um möglichst bald Fakten zu schaffen und jetzt, wo die Bagger rollen und die Wahl gelaufen ist, heißt es: Pech gehabt, eigenes Risiko. Wir wissen nicht, meine Damen und Herren von der CDU, was Sie unter Wirtschaftsförderung verstehen. Wir halten dieses für einen fahrlässigen Umgang mit dem Standortfaktor Investitionssicherheit und für verantwortungslos gegenüber Wirtschaft und Arbeitsplätzen, die wir dringend benötigen.

(Beifall bei der SPD – Kai Voet van Vormi- zeele CDU: Nun entscheiden Sie mal, was Sie möchten!)

Nächster Punkt zur rechtlichen Situation. Ich will das vorsichtig formulieren. Es gibt Hinweise, dass Vattenfall durch das gesamte Handeln des Senats einen Rechtsanspruch auf eine Genehmigung haben oder konstruieren könnte. Wir möchten darüber Klarheit haben im Parlament und werden deshalb die Vorlage aller Akten beantragen, die im Zusammenhang mit dem Bau dieses Kraftwerkes stehen. Sollten Sie, lieber Senat, ein zweites Mal die Aktenvorlage verweigern, weil Staatswohl gefähr

det sei, dann werden wir antworten: Wenn ein schwedischer Staatskonzern in aller Öffentlichkeit ankündigt, die Stadt Hamburg auf Schadensersatz in einer Höhe von 1,3 Milliarden Euro zu verklagen, und wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass eine solche Klage am Ende erfolgreich sein könnte, dann ist in der Tat Staatswohl gefährdet. Deshalb nennen wir Ihr Vorgehen auch in diesem Punkt verantwortungslos gegenüber den finanziellen Grundlagen unseres Gemeinwesens.

(Beifall bei der SPD)

Liebe CDU, Sie haben vor der Wahl betont, Hamburg sei bei Ihnen in guten Händen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das ist wohl wahr!)

Jetzt erfahren wir, dass der Bürgermeister die Stadt in eine kritische Lage manövriert hat,

(Harald Krüger CDU: Ach Gott!)

aus der wir vermutlich in diesem Punkt ohne größeren Schaden nicht mehr herauskommen. Die Stadt ist bei einer Partei, die – abhängig von Wahlterminen – mit den Standortfaktoren Umwelt und Gesundheit, Wirtschaft, Arbeit und Finanzen derart beliebig und verantwortungslos umgeht, nicht in guten Händen.

(Beifall bei der SPD)

Darauf hat unser Landesvorsitzender in den letzten Tagen zu Recht hingewiesen

(Harald Krüger CDU: Ach, das reicht als Be- gründung aus!)

und das sollte jede Partei beachten, die in Zukunft – in welcher Konstellation auch immer – im Senat Verantwortung übernehmen will.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Nach der Wahl ist vor der Wahl", diese Aussage ist richtig. "Hamburgs Zukunft steht auf dem Spiel", diese Aussage ist falsch, denn Hamburg ist bei uns in guten Händen.

(Beifall bei der CDU)

Diese Aussage wäre nur richtig, wenn die Zukunft Hamburgs in den Händen der SPD liegen würde.

(Beifall bei der CDU)

Das ist aber – Gott sei Dank – nicht der Fall, weil bei der SPD kein klarer Kurs erkennbar ist.

(Viviane Spethmann CDU: Genau!)

Den politischen Eiertanz und Zickzackkurs will ich an zwei Beispielen deutlich machen. Herr Tschent

scher hat mir zwei Stichwörter gegeben: Moorburg und Schulpolitik.

Erstens: Moorburg. Vor der Wahl: Die SPD lehnt den Bau des Kraftwerkes ab. Der Bundesparteitag der SPD in Hamburg beschließt den Bau von Steinkohlekraftwerken.

(Viviane Spethmann CDU: Hört, hört!)

Ein klarer Widerspruch, der erklärungsbedürftig ist, weil ihn keiner versteht.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Das können sie auch nicht erklären!)

Nach der Wahl: Die SPD-Fraktion lehnt das Kraftwerk weiterhin ab. Der Landesvorsitzende der SPD, Herr Egloff, gibt bekannt, dass die SPD in einer großen Koalition dem Kraftwerkbau zustimmen würde.

(Zuruf: So sind sie halt!)

Auch die Berliner SPD-Größen, wie zum Beispiel der Umweltminister Gabriel, fordern den Bau des Kraftwerkes. Auch das ist erklärungsbedürftig, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall bei der CDU)

Was denn nun? Wohin will die SPD eigentlich? Wo bleibt denn die viel beschworene Glaubwürdigkeit der SPD?

Zweitens: Schulpolitik. Vor der Wahl: Die SPDFraktion heillos zerstritten

(Barbara Duden SPD: Was?)

in der Frage des Zwei-Säulen-Modells oder der Einheitsschule. Wir haben die Debatte hier geführt. Was in Ihrer Fraktion los war, ist uns natürlich nicht verborgen geblieben.

(Dr. Michael Naumann SPD: Wo ist denn das Zwei-Säulen-Modell geblieben?)

Solche Beispiele ließen sich in fast allen Politikfeldern fortsetzen.

Jetzt kommt die spannende Frage: Was sagt uns das?

(Wilfried Buss SPD: Nein, was sagt die CDU dazu?)

Uns sagt es zumindest, dass Sie unter diesen Bedingungen weit davon entfernt sind, Regierungsverantwortung für diese Stadt mit zu übernehmen.