Protocol of the Session on May 13, 2009

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr van Vormizeele.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dressel, Sie haben Ihre Rede beendet mit den Erwartungen, die die Bürger bei dieser schwierigen Frage an uns alle haben. Ich gebe Ihnen voll und ganz recht, die Bürger erwarten kein Parteiengezänk, die Bürger erwarten aber auch nicht, dass Politiker nach jedem tragischen und schlimmen Ereignis sofort Patentrezepte bereithalten, sich selbst auf die Brust schlagen und sagen, das hätten sie schon immer gesagt, und im Übrigen holen sie dann gleich ganz schnell ihren Antrag heraus, den sie vor zwei Jahren bereits gestellt haben.

Genau das macht mir manchmal Angst. Wir alle sind in der Pflicht, nach solch tragischen Ereignissen, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt haben, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen man ziehen kann und muss. Aber wir alle haben auch die Pflicht, das mit einer gewissen Besonnenheit zu tun. Hektischer Aktionismus bringt weder dem Thema etwas noch bringt er irgendeine Lösung für diese neue Bedrohung, die bei uns in den letzten Jahren mehr und mehr aufgetaucht ist. Es ist deutlich tiefgreifender, Herr Dr. Dressel, als sich hinzustellen und zu sagen, man hätte es schon immer besser gewusst, seht einmal her, das sind unsere Anträge von damals, wenn man die damals beschlossen hätte, dann wäre es nicht so gekommen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das habe ich gar nicht gesagt!)

Das ist grundfalsch und nebenbei finde ich es auch noch moralisch ausgesprochen fragwürdig.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich will Ihnen deutlich machen, warum wir jetzt auf Bundesebene, nachdem vorher eine Arbeitsgruppe der Bundesländer mit dem Bund gemeinsam Vorbereitungen getroffen hat, eine ganze Reihe von Maßnahmen beschließen werden, Maßnahmen, die, das gebe ich zu, manchmal im ersten Moment ein bisschen technisch klingen. In der Tat ist das Waffenrecht keine Materie, die sich für martialische Anträge geeignet hat, sondern es ist eine Materie, die sehr feinteilig ist und genau durchdacht werden muss. Dass heute ein Kompromiss, der in der Tat vielleicht in dem einen oder anderen Punkt noch hätte weiter gehen können, das gebe ich zu, in Berlin in der Großen Koalition getroffen worden ist, ist deshalb gut, weil es heißt, dass wir in diesen Dingen noch vor der Bundestagswahl eine neue gesetzliche Regelung bekommen.

Wenn Sie heute glauben, wir fangen einmal mit einem Antrag an, der den Bundesrat auffordert, Anhörungen im Innenausschuss des Bundesrats durchzuführen, dann werden wir alle diese Regelungen in dieser Amtsperiode und, ich wage zu behaupten, auch in den nächsten zwei Jahren nicht bekommen. Ich sage Ihnen ganz offen, wenn ich das bedenke und abwäge, dann bin ich eher bereit, die heute beschlossenen Regelungen in Berlin trotz des einen oder anderen kleinen Makels, den sie haben, zu akzeptieren, weil wir dann bestimmte Lücken, die wir alle gemeinsam gesehen haben, schnell schließen.

(Wilfried Buss SPD: Sagen Sie doch mal was zu unserem Antrag!)

Ich bin doch gerade dabei, Herr Buss. Regen Sie sich doch nicht so auf, ich komme doch zu Ihrem Antrag, seien Sie ganz sicher.

Herr Dressel sagte, man erwarte bei den Bürgern kein Parteiengezänk. Wenn man sich aber einmal den Vorspann Ihres Antrags, Ihre sogenannte Analyse durchliest, ist die nur davon geprägt, möglichst viel auf Dinge von früher einzuschlagen und Behauptungen aufzustellen, die zum Teil nachweislich falsch sind. Deshalb will ich mir einmal zwei, drei von diesen Behauptungen herausnehmen.

Es fängt mit der ersten Behauptung an, dass die Waffenverbotszonen, als sie in Hamburg eingeführt wurden, unerklärlich lange haben auf sich warten lassen müssen, der Senat hätte gezögert und gezaudert.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der war sogar erst dagegen!)

Ich will Ihnen das einmal genau vorlesen. 14 Tage nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 9. November 2007 sind diese Bestimmungen in Kraft getreten. Was passierte? Am 12. Dezem

(Dr. Andreas Dressel)

ber 2007 wurde die entsprechende Verordnung in Hamburg in Kraft gesetzt. Viel schneller, verehrter Kollege Dressel, kann man gar nicht handeln.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Gehen wir einmal weiter. Eben kam Ihre Aussage, es war ganz nett, aber es hätte so lange gedauert. Dieses System in Hamburg in Kraft zu setzen und die vielen zehntausend Akten durchzuarbeiten und es hinzubekommen, das das System funktioniert, ist eine hervorragende Leistung, für die man all den Beamten, die das getan haben, nur dankbar sein kann. Jeder Ihrer sozialdemokratischen Parteifreunde, die in ihren Ländern Verantwortung als Innenminister oder Innensenator tragen, wäre froh und dankbar, über ein solches System so schnell verfügen zu können, Sie haben das nicht geschafft, wir haben es geschafft.

Kommen wir zum nächsten Punkt, den ich auch sehr interessant fand. Sie fangen mit der Grundbehauptung an, die Delikte in Hamburg wären im Jahre 2008 bei der PKS enorm angestiegen, was die Waffendelikte angeht. Um die Zahlen noch einmal ganz kurz zu nennen, im Jahre 2008 hatten wir Delikte, bei denen Waffen gebraucht worden sind, in einer Anzahl von 492. Nun mag man darüber streiten, ob das zu viele oder zu wenige sind, es sind definitiv mehr als im Jahr vorher, denn da hatten wir 456.

Das sind Zahlen, die wir uns alle gerne niedriger wünschen, aber, verehrter Herr Kollege Dressel, vielleicht sollten Sie einmal auf die Zahlen schauen, die wir zum Beispiel im Jahre 2000 gehabt haben; diese Zahlen hatte noch ein anderer Innensenator zu verantworten. Im Jahre 2000 lagen wir bei 1530 Delikten mit Waffen.

(Viviane Spethmann CDU: Hört, hört!)

Seitdem diese Regierung von dem jetzigen Senat geführt wird, haben wir diese Zahl reduziert auf einen Wert von jetzt unter 500. Das ist immer noch zu viel, das gebe ich unzweifelhaft zu, jeder von uns möchte hier gerne eine Null stehen haben. Dennoch wissen wir, dass das nicht erreichbar sein wird. Nur, so zu tun, als wäre in den letzten Wochen und Monaten und im letzten Jahr die Kriminalität mit Waffen sprunghaft angestiegen, ist grundfalsch und ist eben nur der Versuch, durch Parteiengezänk und Hader eine neue Schärfe hineinzubringen.

Ich will noch einmal auf Ihren Vorwurf eingehen, wir müssten ganz schnell weitere Waffenverbotszonen umsetzen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das steht in Ih- rem Koalitionsvertrag!)

In der Tat steht im Koalitionsvertrag – das haben Sie übrigens sehr schön und auch sehr genau zitiert –, dass es dort, wo es rechtlich geboten ist, gemacht werden kann. Das heißt, die Vorausset

zung dafür, dass Waffenverbotszonen eingerichtet werden, ist eine rechtliche Handhabe. Es ist nicht so, dass der Innensenator, der Polizeipräsident oder wer auch immer losgehen und sagen, die Ecke da vorne war schon immer in meinem Visier, ab morgen ist das eine Waffenverbotszone. Was wir brauchen, ist eine klare rechtliche Grundlage, das heißt, ein klares Lagebild. Dieses Lagebild haben wir zurzeit in Hamburg nur für zwei Zonen, nämlich den Hansaplatz und den Kiez. Wenn sich dieses Lagebild, was wir alle nicht hoffen, in bestimmten anderen Bereichen verschlechtern wird, dann wird dieser Senat sofort handeln und natürlich mit den gebotenen rechtlichen Möglichkeiten auch weitere Waffenverbotszonen einrichten.

Ein letzter Punkt, Ihr Vorwurf, hinsichtlich der Aussage im Koalitionsvertrag, wir würden mit einer Kampagne an die Schulen und dort an Jugendliche und Kinder herangehen, wäre nichts passiert. Ich weiß nicht, wie schnell Sie meinen, solches Lehrmaterial erarbeiten zu können. Fakt ist aber auch, dass die Schulbehörde inzwischen solche Arbeitsmaterialien für Lehrer erstellt hat und diese Arbeitshilfen für Lehrer jetzt in absehbarer Zeit in den Unterricht einfließen werden.

Das kann man, ehrlich gesagt, nicht einmal in drei Wochen machen, denn ein solches Thema muss vernünftig gemacht werden. Ich finde es richtig und gut, dass wir nicht nur irgendeine Infobroschüre machen oder irgendein Plakat aufhängen, sondern dass wir diejenigen, die damit tagtäglich zu tun haben, Lehrer, Pädagogen, in die Verantwortung setzen können, mit Schülern gemeinsam eine solche Aufklärungsstrategie zu fahren. Das haben wir getan, es geht jetzt in die Umsetzung, also auch dort sind wir voll und ganz im Plan unseres Koalitionsvertrags.

Sehr deutlich wird bei diesen wenigen Punkten aus Ihrem Vorspann schon, dass Ihr Antrag nicht darauf abzielt, wirklich etwas zu bewegen. Sie wollen keine ernsthaften Veränderungen im Waffenrecht, Sie möchten gerne wie so häufig einen Schnellschuss aus der Hüfte wagen, Sie möchten einmal wieder für sich selbst reklamieren, dass Sie die einzig Wahren sind, die solche Probleme lösen können. Ich sage Ihnen noch einmal ganz offen: Wer bei diesem schlimmen und teilweise schrecklichen Thema meint, er könne mit populistischen Schnellschüssen arbeiten, der muss begreifen, dass wir in dieser Stadt so etwas ernster nehmen. Wir wollen an dem Thema arbeiten, wir werden auch an dem Thema der Prävention viel mehr arbeiten müssen, aber was wir nicht brauchen, sind noch mehr Politiker,

(Dr. Monika Schaal SPD: Was machen Sie denn? Sagen Sie doch mal, was Sie ma- chen!)

die mit Schnellschüssen und Klopfen auf die eigene Brust meinen, Probleme ansprechen zu können. Das ist gar nichts.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Frau Möller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal redet man zu einem Thema, das zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort von den Kolleginnen und Kollegen der SPD angemeldet wurde, stellt dann aber fest, dass wir trotz der eigentlich noch ganz guten Arbeitszeit für die Kolleginnen und Kollegen der Medien, aber auch für Menschen, die an den Debatten interessiert sind, vor leeren Hallen zu einem Thema reden, das eigentlich die ganze Gesellschaft bewegen müsste, nicht nur aufgrund des letzten Amoklaufs in Winnenden, sondern zum Beispiel auch aufgrund der Tatsache, dass auf Bundesebene seit Tagen versucht wird, sich über eine Änderung beziehungsweise Verschärfung des gesamten Themas des Waffenrechts zu verständigen.

Die Frage ist, woran es eigentlich liegt, dass uns auch in relativ überschaubarer Zahl das Thema interessiert, aber die Jugendlichen, die zum Beispiel noch der Aktuellen Stunde gefolgt sind, gegangen sind und auch sonst die Hallen relativ leer sind. Sind wir als Politikerinnen und Politiker nicht glaubwürdig genug mit dem Ansatz, tatsächlich etwas tun zu wollen bei der sich immer weiter zuspitzenden Situation, die wir in Bezug auf eine Bewaffnung innerhalb der Gesellschaft haben, oder liegt das daran, dass das Thema in der Gesellschaft gar keines ist und alle so sehr an Waffen gewöhnt sind, dass wir uns Filme anschauen, in denen es um das Töten mit Waffen geht, dass wir uns Computerspiele und Vergnügung jeder Art im Freizeitbereich leisten, die alle etwas damit zu tun haben, dass es eine Selbstverständlichkeit geworden ist, sich mit einer Waffe in der Hand oder zumindest in der Tasche durch die Gesellschaft und durch den Alltag zu bewegen? Es sind zu viele Waffen im Umlauf.

(Beifall bei der GAL, bei Viviane Spethmann CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben einerseits eine Gewöhnung an Waffen. Das ist zumindest für die deutsche Gesellschaft ein bisschen ungewöhnlich, denn wir haben eine andere Konstellation als in den USA, wo es quasi zu den Grundrechten gehört, dass man eine Waffe tragen darf, wir haben aber auch eine erschreckende Zahl von Morden im Bereich der organisierten Kriminalität. Wer sich dafür interessiert, kann den Prozess verfolgen, der wegen der Morde in Sittensen gerade läuft.

Wir haben eine erschreckende Zahl von Morden im Familienverband, egal ob aus Verzweiflung, wie es dann heißt, aufgrund einer desolaten finanziellen Situation der Familienvater den Rest der Familie tötet oder ob möglicherweise mit Bezug auf den kulturellen Hintergrund der Bruder seine Schwester tötet, Sie wissen, was ich meine. Die Vielzahl der Motive ist groß, aber vor allem ist die Zahl der Taten groß und das ist etwas, bei dem wir auf keinen Fall den Hintergrund aus den Augen verlieren dürfen.

Herr Dressel hat gesagt, wir müssen uns über Prävention unterhalten. Wenn ich es jetzt ein bisschen zuspitze, dann muss ich sagen, erst in der Neufassung Ihres Antrags ist der Absatz mit der Prävention enthalten; vielleicht ist er vorher vergessen worden, vielleicht sind Sie auch erst später darauf gekommen.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Auf jeden Fall ist er drin und Sie haben auch Ihre Rede mit dem Thema begonnnen.

Das Interessante im Bereich Prävention ist auch, dass sich möglicherweise die Rezepte, die man versucht hat zu entwickeln, um Amokläufen an Schulen vorzubeugen und um ein Täterprofil zu erstellen, durch die Ereignisse in den letzten Tagen gerade zerschlagen. Wir haben zum ersten Mal eine junge Frau, die sich vielleicht mit der Waffe ihr Recht verschaffen wollte, sodass die alte Annahme, es gibt ein festes Täterprofil und wir wissen, wie wir präventiv arbeiten können, möglicherweise nicht mehr gilt.

Das heißt also, wir müssen auf der einen Seite die Motivation hinterfragen, wir brauchen wissenschaftliche, fachliche Beratung, wie können wir Prävention erfolgreicher gestalten, aber wir brauchen natürlich auch eine Strategie der Entwaffnung. Das SPD-Patent liegt nicht auf dem Wort. Es geht um eine Entwaffnungsstrategie und die kann man auch nicht anders bezeichnen.

Das Interessante ist natürlich, dass sich die Vorschlagskataloge, die es im Moment bundesweit, aber auch in Hamburg gibt, im Ansatz unterscheiden. Ich habe mir erlaubt, eine kleine Synopse zu erstellen, bevor Herr Buss wieder sagt, kommen Sie doch einmal zum Antrag, eine Vorlage für die Innenministerkonferenz und der kleine, aber feine bundesgrüne Ansatz zu dem Thema.

Es gibt schlicht und einfach eine Diskrepanz bei der Frage, wo man anfängt. Verbietet man gefährliche Schusswaffen in Privatbesitz oder ist eher das Problem, dass möglicherweise nicht die Besitzer von Schusswaffen problematisch sind, sondern dass der Waffenschrank schlicht und einfach nicht verschlossen ist.

Das ist die eine politische Debatte, die man führen muss. Da ist man sich auf Bundesebene nicht einig

(Kai Voet van Vormizeele)

und da sind wir uns hier auch nicht einig. Die Vorschläge zur besseren Kontrolle der im Umlauf befindlichen Waffen sind tatsächlich vielfältig und auch teilweise ziemlich spekulativ. Ob zum Beispiel, wie in den Vorbereitungen zur Innenministerkonferenz auf Bundesebene debattiert wird, diese biometrischen Blockiersysteme hilfreich sind – ich will nicht auf alle Vorschläge eingehen, aber das ist auch ein Teil des Vorschlags in dem SPD-Antrag –, habe ich große Zweifel. Das gibt es noch nicht, das muss man technisch ausprobieren. Es gilt nur für neue Waffen, was soll denn mit den alten passieren, sollen wir die umtauschen? Für die alte gibt es eine neue und die enthält dann den Chip; das kann es auch nicht sein.

Die Gewährleistung der sicheren Aufbewahrung, auch da ist das Entscheidende, dass es eine Tür gibt, hinter der die Waffe verschlossen ist. Die SPD sagt, es soll eine Begrenzung der Anzahl der Waffen geben. Ich meine, jede Waffe im Privathaushalt ist schlicht und einfach eine zuviel.

(Beifall bei der GAL und der SPD)