Protocol of the Session on May 13, 2009

Steuerschätzung – Die Krise darf nicht zu weniger Bildung, weniger sozialer Infrastruktur und mehr sozialer Unsicherheit führen

von der CDU-Fraktion

Kita, Schule, Hort – Hamburg schafft gute Bedingungen für Kinder

von der SPD-Fraktion

LBK-Verkauf an Asklepios – und die Stadt Hamburg zahlt weiter?

und von der GAL-Fraktion

Entlastung für Familien – Hamburg verbessert Kinderbetreuung

Die Fraktionen sind übereingekommen, das zweite und das vierte Thema gemeinsam zu debattieren.

Ich rufe nun das erste Thema auf. Die Abgeordnete Heyenn bekommt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! CDU und GAL haben in ihrem Antrag Landstrom für Hamburg heute folgende Aussage: Container-Verkehr und Stückgut-Umschlag bewegen sich auf hohem Niveau.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dora, das ist die falsche Rede!)

Ich bin beim Thema. Dieser Antrag ist datiert auf den 29. April 2009. Apropos hohes Niveau: Ich hatte gestern ein Gespräch bei der Hapag-Llyod. Von hohem Niveau kann überhaupt nicht die Rede sein.

(Zurufe von der CDU)

Ich frage Sie von den Regierungsparteien, wovon Sie eigentlich nachts träumen. Wovon Angela Merkel träumt, das konnten wir heute lesen: vom Dreiklang. Die CDU will in den nächsten Monaten Schuldentilgung bewerkstelligen, das heißt, die Staatsschulden senken. Sie will Investitionen in Innovation und Bildung vornehmen und sie will steuerliche Entlastung umsetzen, allerdings nur für die Leistungsträger, wie sie es ausdrückt. Im selben Atemzug behauptet die CDU allerdings, dass man heute nicht sagen kann, was in der nächsten Legislaturperiode machbar ist, da wir den Verlauf der Krise nicht kennen. Dem Letzteren stimmen wir zu, aber Gedanken muss man sich trotzdem darüber machen.

DIE LINKE hat dieses Thema heute für die Aktuelle Stunde angemeldet, weil gestern der Arbeitskreis Steuerschätzungen in Bad Kreuznach zusammengekommen ist. Morgen soll das Ergebnis der Maischätzung bekannt gegeben werden, doch jetzt sind bereits in der Presse Zahlen veröffentlicht, und wahrscheinlich werden diese morgen nur noch bestätigt. Unsere nächste Sitzung findet in vier Wochen statt und für Hamburg hängt eine Menge davon ab, wie sich die Steueraufkommen in dieser Stadt entwickeln. Und wir hoffen, dass Finanzsenator Freytag hier heute auch Stellung dazu bezieht, welche Vorkehrungen der Senat für welche Szenarien getroffen hat.

(Michael Neumann SPD: Trifft ihn ja nicht mehr!)

Und nach allem, was man bisher hört, ist mit dem stärksten Einbruch bei den Steuereinnahmen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen. Für Hamburg werden Zahlen zwischen 500 und 700 Millionen Euro als realistisch angesehen. Bei der Beratung des Haushalts haben es die Spatzen bereits von den Dächern gepfiffen: Der Haushalt war Makulatur. Die Frage ist, wie der Senat diese Mindereinnahmen kompensieren will. Oder anders gefragt: Wird der Nachtragshaushalt lediglich eine Kreditaufnahme oder auch Vorschläge für Einsparungen beinhalten? Wie will der Senat gegen die Auswirkungen der Krise gegensteuern? Das Wort von der Haushaltssperre macht bereits in der Stadt die Runde. Wir haben ein Konjunkturprogramm beschlossen, aber überall ist zu lesen, dass bisher kaum Geld geflossen ist. Hauptursache soll sein, dass die Behörden nicht in der Lage sind, zügig Planungen zu verabschieden, die

umgesetzt werden können. Sie reden immer so viel von Verantwortung. Was Sie machen beziehungsweise nicht machen in der jetzigen Situation, ist verantwortungslos. 60 Prozent des Gesamtsteueraufkommens leisten abhängig Beschäftigte über ihre Lohnsteuer. In Hamburg hat die Zahl der Kurzarbeiter rasant zugenommen und sie nimmt weiter zu. Aus zurzeit über 40 000 Kurzarbeitern können ganz schnell Erwerbslose werden. Auch der Einzelhandel ist betroffen. Erst kürzlich haben Betriebsräte von Karstadt alle Fraktionen im Rathaus besucht und in drei Tagen 800 Unterschriften gesammelt, damit ihr Einzelhandelsstandort Hamburg erhalten bleibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Betrieb Tarifverträge einhält und seiner Sozialversicherungspflicht für alle Mitarbeiter nachkommt. Es muss verhindert werden, dass eine hohe Anzahl von Erwerbslosen in dieser Stadt kreiert wird.

(Beifall bei der LINKEN und bei Wolfgang Rose SPD)

Zum anderen kann es nicht angehen, dass die, die die Krise nicht verursacht haben, dafür bezahlen.

(Wilfried Buss SPD: Richtig!)

Die Haupteinkommensteuerquelle versiegt noch weiter. In der neuesten OECD-Studie kann man nachlesen, dass Spitzenverdiener in Deutschland im Verhältnis zu ihrem Einkommen am wenigsten zum Steueraufkommen beitragen. So viel zu den Leistungsträgern, von denen die Kanzlerin so gerne spricht.

Wir erwarten, dass die CDU/GAL ihren Beschluss vom Dezember letzten Jahres revidiert und verstärkt Steuerprüfungen bei Einkommensmillionären vornimmt.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir erwarten, dass das Konjunkturprogramm zum Laufen gebracht wird, und wir erwarten, dass Sie verstärkt in Bildung investieren und zwar nicht nur in Beton, sondern in Lehrerstellen.

(Beifall bei Elisabeth Baum DIE LINKE)

Die Lage in Hamburg stellt sich folgendermaßen dar: Wir haben es zu tun mit einem Steuerrückgang, Mittel für Konjunkturprogramm, Finanzspritze für die Bürger …

(Glocke)

Die fünf Minuten sind jetzt um, Frau Heyenn.

– Ja.

Wenn jetzt auch noch von der Univerlagerung mit Kosten in Höhe von 3 Milliarden Euro die Rede ist, wollen wir wissen, wie Sie dies finanzieren wollen, und schließen uns den Worten von Herrn Schäuble

an, der gefordert hat, den Bürgern reinen Wein einzuschenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kruse.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgesehen davon, dass die Debatte über dieses Thema tatsächlich erst nächste Woche zu eröffnen wäre, frage ich mich, ob dieser Beitrag eben eine Form von Präventivrhetorik war.

Wir wissen alle, dass es zu Steuermindereinnahmen kommt. Nun gingen Sie davon aus, der Senat würde eine entsprechende Kürzung herbeiführen, worauf es allerdings keinerlei Hinweis gibt. Dann nehmen Sie den sich vorgestellten Betrag, also wie Sie sagen 500 oder 700 Millionen, gehen einmal den Haushalt durch

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist nicht un- sere, sondern Ihre Aufgabe!)

und gucken, was alles wegfiele, wenn man diesen Betrag komplett streichen würde. Das beanstanden Sie dann und verlangen, dass das nicht wegfallen darf. Als ob das Ihr Ziel ist. Damit erreichen Sie vielleicht eine Verunsicherung bei einzelnen Bürgern,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die sind schon so verunsichert!)

aber wahrscheinlich nicht einmal das, weil der Verlauf der gesamten Debatte zur Wirtschaftspolitik nicht gerade Wasser auf Ihre Mühlen gießt; und zwar deshalb, weil die Menschen wissen, dass die einfachen Rezepte der LINKEN nicht greifen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Und ich könnte verstehen, dass Sie diese Debatte so führen, falls bei der nächsten Debatte der Senat ans Pult treten würde und zu dem Thema bessere Betreuung und Bildungsangebote für Kinder in Hamburg sagen würde: Tut uns leid, wollten wir eigentlich, streichen wir. Dazu wird es aber ebenso wenig kommen wie zur Streichung unseres Klimaschutzprogramms.

(Michael Neumann SPD: Das kommt noch!)

Und es kommt auch nicht dazu, dass wir unser Konjunkturprogramm nicht umsetzen.

(Michael Neumann SPD: So wie es auch keine Schulden mehr geben wird!)

Ja, das ist der Punkt, das müssen wir ganz ehrlich sagen, das haben wir auch immer ehrlich gesagt. In diesem Fall wird es zu unserem Missfallen einen Nachtragshaushalt geben müssen. Wir werden in dieser Krise das tun müssen, was Sie in

(Dora Heyenn)

Nicht-Krisenzeiten all die Jahre immer gemacht haben. Das ist ein erheblicher Unterschied. Und das Spannende ist, dass Sie uns jetzt vorwerfen, möglicherweise Kürzungen herbeizuführen, was nie passieren dürfte. Und wenn wir unseren Nachtragshaushalt einbringen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Was steht da drin?)

werden Sie uns vorwerfen, wir könnten nicht mit Geld umgehen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE und Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist Tatsache!)