Protocol of the Session on April 22, 2009

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Der Runde Tisch ist ein entscheidender Schritt, um das in die richtige Richtung voranzubringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Koop.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind auch froh, dass nach langer, aber sorgfältiger Vorbereitung nun die Arbeit aufgenommen worden ist und dass auch signalisiert worden ist, dass der Runde Tisch nicht nur in langen Abständen zu tagen gedenkt, sondern auch noch vier- bis fünfmal in diesem Jahr. Ich glaube, dass das eine gute Voraussetzung dafür ist, dass eine kontinuierliche Arbeit geleistet wird.

Die Erwartungen sind natürlich groß. Frau Heitmann hat es schon gesagt, dass die Verbesserung der Lage von Menschen, die sich prostituieren, in dieser Stadt dringend notwendig ist, wissen wir. Es kommt auch auf die Entkriminalisierung an. Und auch die Akzeptanz einer Berufsausübung, so ambivalent vielleicht auch die Beurteilung ist, ist von Wichtigkeit. Kurz: Es geht um die Umsetzung des Prostituiertengesetzes. Allerdings muss man dazu natürlich noch eine Konzeption erarbeiten und ich denke, dass das mit dem Publikum, das sich dort trifft, sicherlich auch sehr schnell funktionieren wird.

Aber man muss die Problematik natürlich auch noch weiter fassen. Das, was das Prostitutionsgesetz umfasst, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Problematik. Wir erfahren nichts über den Minderjährigenschutz, der Umgang mit hier illegal weilenden Ausländerinnen und Ausländern ist dort nicht behandelt und der Schutz vor Menschenhandel ist ein so weites Feld, dass man das hier in der kurzen Zeit auch gar nicht ganz umreißen kann.

Natürlich verbinden sich damit auch Befürchtungen. Da die Prostitution in der Bevölkerung meist mit Not, Elend, Gewalt, mit Drogen und mit Drangsal wahrgenommen wird, ist es natürlich auch eine Frage der instinktiven oder der unmittelbaren Ablehnung. Sie haben davon gesprochen, Frau Heitmann: Bordelle ja, aber bitte nicht bei mir um die Ecke und nicht bei mir im Haus. Diese Frage der Doppelmoral, wie Sie das in Ihrer Anmeldung auch gesagt haben, hat natürlich auch etwas mit der Faszination des Milieus zu tun, dass man das auf der einen Seite ganz interessant findet, auf der anderen Seite aber auch Ablehnung vorhanden ist.

Aber das ist nicht unsere Aufgabe und auch nicht Aufgabe des Runden Tisches, das heißt, der Staat hat nicht die Aufgabe, moralische Verhaltensstandards durchzusetzen, sondern wir sollen uns um Fehlentwicklungen bemühen und wir sollen diese, wenngleich auch schwierige, Gratwanderung natürlich mit Würde bestehen.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob sich die Prostituierten denn auch alle vom Gesetzgeber beglücken lassen möchten. Die Grauzone – ich habe gerade vom Reiz des Verbotenen gesprochen – macht natürlich auch einen Teil des Geschäfts aus. Rechtliche Rahmenbedingungen, soweit sie dann formuliert werden, sind auch immer mit Pflichten verbunden. Diese betreffen nicht nur die Prostituierten, sondern sie betreffen auch die Bordellbetreiber, die beispielsweise für einen sicheren Arbeitsplatz und für hygienische Grundstandards zu sorgen haben, und dies muss natürlich auch kontrolliert werden. Welcher Teil der Staatsgewalt soll das kontrollieren? Braucht eventuell die Polizei einen Zugang zum Milieu oder braucht sie ihn nicht? Es muss ja nicht immer unbedingt das Strafrecht sein, das hier zum Tragen kommt, es könnte auch das Gaststättenrecht sein, es könnte das Baurecht sein, aufgrund dessen man Ausbeutung vermeiden kann und darum geht es uns. Man kann diese Ausbeutung natürlich auch vermeiden, indem man Verträge überprüft, indem man Bücher durchsieht und ökonomische Zusammenhänge aufstellt. Das setzt natürlich voraus, dass diese Verträge auch geschlossen werden.

Da liegen meine Bedenken, wie weit wird dort tatsächlich das an Wohltaten umgesetzt, was wir uns vorstellen. Ausstiegsangebote muss es geben, das wissen wir auch, auch Präventionsmaßnahmen kosten Geld. Inwieweit wollen wir da Gelder zur Verfügung stellen? Ich halte das für sinnvoll, um es gleich vorweg zu sagen, aber es ist eben auch eine Frage der Ökonomie.

Einen weiteren Punkt hat Frau Heitmann angesprochen, die Zukunft der Sperrgebiete. Natürlich kann man mit einer Konzentration des Gewerbes auch eine bessere Übersicht gewährleisten, aber auf der anderen Seite weiß man, dass dadurch auch wirtschaftlicher und sozialer Druck ausgeübt

(Linda Heitmann)

wird, der seine negativen Auswirkungen hat. Aber so ganz darauf zu verzichten, das ist natürlich auch nicht gewünscht, denn der Schutz der Öffentlichkeit vor allzu deutlicher Sexualvermarktung wird ebenfalls erwartet.

Dann kommen wir noch einmal zurück auf die Doppelmoral, die Sie an den Anfang Ihrer Themenanmeldung gesetzt haben. Mit der Sittenwidrigkeit, die das Prostitutionsgesetz ausschließt, ist ja die unterschiedliche Bewertung nicht verschwunden. Und ich denke, wir sollten Respekt vermitteln vor denjenigen, die die Entscheidung für diesen riskanten Beruf freiwillig getroffen haben.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, darf ich Sie auf die Bedeutung des Lichtes dort vorne aufmerksam machen? Einen Schlusssatz bitte.

– Ja, weiß ich.

Aber ich denke, wir sollten die Arbeit des Runden Tisches kritisch, aber auch fördernd begleiten.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dobusch.

Herr Präsident, meine Damen und meine Herren! Ich begrüße es außerordentlich, dass die GAL das Thema Runder Tisch "Sexarbeit" tatsächlich zur heutigen Aktuellen Stunde angemeldet hat, auch wenn mir der Titel schon weniger gut gefallen hat, denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt überhaupt keine Debatte zu diesem Thema in den letzten Jahrhunderten, in der das Wort Doppelmoral nicht vorgekommen ist. Es greift mir zu kurz, es ist mir zu platt.

Das Thema Prostitution und Sexarbeit allerdings verdient tatsächlich unsere volle Aufmerksamkeit, denn die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen und Männer, die in der Prostitution arbeiten, dürfen uns keineswegs gleichgültig sein.

Deshalb hat auch die rot-grüne Regierung bereits 2002 das Prostitutionsgesetz auf den Weg gebracht, an das ich Sie hier erinnern möchte. Nun ist Hamburg eine Stadt, zu der den Menschen weltweit immer noch als erstes Stichwort die Reeperbahn einfällt, nicht Michel und auch nicht Elbphilharmonie, wie sich das vielleicht manche wünschen würden. Es ist auch Reeperbahn nicht ohne Grund. Sexarbeit, ihre Geschichte, aber auch ihre Wirklichkeit mit all den bisweilen auch weniger erquicklichen Facetten gehören zur Marke Hamburg dazu. Während aber in anderen Städten mit einem ganz anderen Image gemeinsam mit allen Beteilig

ten Lösungen für die nach 2002 notwendigen Änderungen im Gewerberecht, im Baurecht, bei der Aufsicht und so weiter gefunden wurden, passierte ausgerechnet in Hamburg gar nichts. Der CDU-Senat hat es aus unserer Sicht zu verantworten, wenn da nichts geschehen ist zum Nachteil der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter und auch zum Nachteil der Stadt insgesamt. Die heutigen Probleme, die wir fast tagtäglich in der Zeitung nachlesen können, hätten wir nicht, wenn der Senat das nicht einfach ausgesetzt, ausgesessen, ausgeblendet hätte und gar nichts getan hätte in dieser Hinsicht.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Ich bin nun nicht der Meinung, dass früher alles besser war, aber in einer Hinsicht bin ich gestern Abend wieder belehrt worden, dass einiges früher besser war. Gestern Abend fand das zehnjährige Jubiläum von KOFRA statt, das ist, zu Ihrer Erinnerung, die Koordinierungsstelle gegen den Frauenhandel. Auf dieser Veranstaltung wurde darauf hingewiesen, dass Hamburg einmal wegweisend auf diesem Gebiet war. Und zwar war es damals Hamburg, das zum ersten Mal Vereinbarungen geschlossen hat zur Kooperation zwischen dieser Koordinierungsstelle und dem LKA, übrigens unter Vermittlung des damaligen Senatsamtes für die Gleichstellung – ich kann mir nicht verkneifen, das auch noch einmal zu erwähnen. Damit hat Hamburg damals ein überaus erfolgreiches Modell der Zusammenarbeit entwickelt, ein Modell, das bundesweit Schule machte und sowohl der Sache der Frauen diente als auch den Sicherheitsinteressen in dieser Stadt.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

So wegweisend war Hamburg einmal. Vielleicht ist es ja zuviel verlangt gewesen vom CDU-Senat, der hartnäckig versucht hat, das Image von Hamburg etwas mainstreammäßiger und glatter zu gestalten, zu erwarten, dass ausgerechnet er einfache, praxistaugliche und vor allen Dingen transparente Regelungen in dieser Stadt rund um die Prostitution einführt. Aber die brauchen wir, die brauchen wir ganz dringend.

(Beifall bei der SPD)

Und wir brauchen dazu auch eine öffentlich geführte Auseinandersetzung, weil es uns sonst schwerlich gelingen wird, die Bevölkerung mitzuziehen und um Verständnis für unsere Maßnahmen zu werben. Die Sorgen und Ängste von Menschen im Umfeld zum Beispiel von Großbordellen müssen wir nämlich auch ernst nehmen, genau so ernst wie die Belange von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern. Hier ist ein ausgesprochen sensibler Umgang mit der Öffentlichkeit, Dialog und Aufklärung nötig und mit der Brechstange werden wir da überhaupt nichts erreichen und nicht weiterkommen.

(Karen Koop)

Ich fordere Sie daher auf, die Arbeit des Runden Tisches jetzt weiter zügig voranzubringen, denn lange genug hat es gedauert, bis dieser Runde Tisch, der uns versprochen worden war oder zumindest angekündigt, dann tatsächlich auch umgesetzt wurde. Gestehen Sie mir zu, dass ich die Anmerkung mache: Ohne das Nachhaken der Oppositionsparteien hätte es vielleicht noch länger gedauert.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen in dieser Stadt einen umfassenden Ansatz im Umgang mit Prostitution, wir brauchen eine Auseinandersetzung auch mit den neuen Formen der Prostitution. Das ganze Feld brauche ich Ihnen hier nicht aufzurollen, das wird ihnen bewusst sein. Wir reden von Migranten und Migrantinnen in der Prostitution, wir reden von Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen, aber auch der Ausbeutung der Arbeitskraft und wir haben uns noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wie wir präventiv auf diesem Feld agieren können.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, für weitere Gedanken fehlt Ihnen die Zeit.

– Danke für diesen Hinweis.

(unterbrechend) : Ich meine damit, Sie müssen einen Schlusssatz formulieren.

– Ich werde das jetzt auch sofort tun.

Hier sitzen einige von der GAL-Fraktion, die bereits 2007 diese ganze Geschichte mit auf den Weg gebracht haben, es gab schon Anhörungen, es gab auch schon Anträge von der GAL, von der SPD; was zu tun ist, liegt schon längst auf dem Tisch. Ich hoffe, die Koalitionspartner von der GAL haben jetzt die CDU davon überzeugt, dass endlich etwas geschehen muss. Packen Sie es doch bitte einmal an. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das war schon fast ein Schillerscher Satz.

Das Wort bekommt die Abgeordnete Artus.

(Michael Neumann SPD: Das war ja richtig und musste mal gesagt werden!)

Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen! Die LINKE ist gegen jede Diskriminierung von Sexarbeitern und Sexar

beiterinnen. Sie ist dafür, dass dieser Beruf anerkannt und rechtlich abgesichert ist. Insofern ist die Einrichtung des Runden Tisches dringend notwendig gewesen, weil es zwar das Prostituiertengesetz gibt, zeitgleich aber auch andere Gesetze, die davon berührt werden und die bislang noch nicht geändert wurden. Deswegen kann auch die Einrichtung von Bordellen immer noch abgelehnt werden nur wegen des Kundenaufkommens. Deswegen werden illegalisierte Migrantinnen, die es aufgrund der Globalisierung immer geben wird, komplett außen vor gelassen, was für diese Frauen einer persönlichen und sozialen Katastrophe gleichkommt.

Der Runde Tisch war dringend erforderlich, damit es innerhalb der Stadt Kompromisse zwischen den verschiedenen Interessengruppen, unter anderem auch der Anwohnerinnen und Anwohner, gibt und Handlungsstrategien entwickelt werden können. Außerdem findet viel zu wenig Aufklärung über das Prostituiertengesetz statt, sodass Sexarbeit immer noch mit allen Mythen und Schmuddel belegt ist und die Prostituierten kriminalisiert werden. Daher begrüßen wir auch die Aussage der Sozialbehörde, dass am Runden Tisch in gemeinsamer und vertrauensvoller Zusammenarbeit konkrete Ergebnisse erarbeitet werden sollen, die zu pragmatischem Planen und verständlichen Vorschlägen führen und in Hamburg auf breite Akzeptanz treffen.

Vor allem die Veränderung von St. Georg, die sogenannte Yuppisierung und die Stimmungsmache gegen Sexarbeiterinnen vor Ort machen den Runden Tisch mehr als erforderlich. Bitter ist in diesem Zusammenhang, dass die Bürgerschaft unseren Antrag der LINKEN bei den Haushaltsberatungen abgelehnt hat, TAMPEP, das Prostituiertenprojekt, abzusichern und durchzufinanzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Da ging es konkret um ein StraßensozialarbeiterProjekt und um ein Handbuch für Aufklärung. Übrigens, Herr Kollege Dressel, mir wäre es lieber, die Wirtschaftsbosse ordentlich zu besteuern,