Protocol of the Session on April 1, 2009

Was bedeutet diese Kultur im Unternehmen? Herr Nonnenmacher hat das mehrfach erläutert und gesagt, diese Kultur im Unternehmen bedeute einen Kurswechsel um 180 Grad. Ich finde, das ist ein gutes Bild.

Was heißt das? Seit 2004 wurde in dieser Bank unter Ausschöpfung der erst 2005 beendeten Ziehung von Einlagen mit Gewährträgerhaftung ein sogenanntes Schnellankaufverfahren praktiziert, ein Schnellankaufverfahren von heute toxischen Papieren. Es gab immer weniger interne Risikobewertung. Der großvolumige Einkauf von Verbriefungsprodukten, deren Werthaltigkeit überwiegend von Rating-Agenturen festgestellt wurde, wurde kurzfristig finanziert. Diese Ausrichtung auf eine risikoreiche und unkontrollierte Anlagenpolitik erklärt sich nicht aus der Logik der Bankleute, sondern – es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen – es war politisch gewollt, auch von der CDU, weil Sie die Bank in eine Kapitalmarktbank umbauen wollten.

Leider – aus Ihrer Sicht hoffentlich auch – ist diese Entwicklungsrichtung und ihre wenig professionelle Umsetzung durch die Bankenaufsicht BaFin nicht hart genug gerügt worden. Das war übrigens bei anderen Banken auch der Fall. Leider haben die beteiligten Aufsichtsräte der Ausweitung des Kreditersatzgeschäfts immer zugestimmt.

Ich kann deshalb gut nachvollziehen, dass jetzt auch in Hamburg zivilrechtliche und staatsanwaltschaftliche Klärungen von Verletzungen der Sorgfaltspflichten eingefordert und eingeleitet werden. Aus meinen Gesprächen mit den Wirtschaftsprüfern habe ich allerdings den Eindruck, dass diese Prüfung, ob man die Kollegen in Haftung nehmen kann, wenig Chancen auf eine Umsetzung hat. Das hat übrigens viel mit den bankinternen Strukturen zu tun.

Ich komme zum Schluss. Jetzt soll ausgerechnet Herr Freytag den Krisenprozess mit neuer Kompetenz und Energie begleiten. Hieran zweifeln wir völlig, da fehlt uns der Glaube. Sie sollten sich, liebe Regierungsfraktion, wirklich überlegen, ob es weiterhin eine kluge Entscheidung ist, den Bock erneut zum Gärtner zu machen. Sie werden das auch durch den Vorschlag, der Kollege Freytag möge sich doch künftig an Informations- und Berichtspflichten halten, nicht verhindern können. Das wäre für mich wie der Glaube an den Weihnachtsmann.

Ein drittes Argument kann ich hier nur kurz ausführen. Es geht immer darum, ob nicht doch eine kontrollierte Abwicklung möglich ist. Das ist meines Er

achtens nicht ernsthaft geprüft worden. Kontrollierte Abwicklung heißt, dass die BaFin ein Moratorium erklärt, Herr Kerstan.

(Hans-Detlef Roock CDU: Das hat sie doch nicht gemacht!)

Das Moratorium schließt weitere Kettenreaktionen aus. Also insofern teile ich das Argument nicht, dass dann die Welt untergehe.

Ein weiteres Argument: Wenn Sie ein wenig in die politische Landschaft schauen, dann wissen Sie ganz genau, dass wir, weil die SoFFin nicht reicht, gerade ein Gesetzesvorhaben einer kontrollierten Restrukturierung entwickeln, also das, was man in Hamburg hätte ausprobieren können. Für alle ist klar, dass Sie dieses Prinzip der Landesbanken nicht durch die Krise bringen werden. Wir werden auch in anderen Bundesländern immer wieder mit dem Fass ohne Boden konfrontiert sein. Hier müssen andere politische Lösungen her. Das wäre eine Chance, die wir hätten angehen können, das wollten Sie nicht, weil Sie aus meiner Sicht den bequemeren Weg gehen wollten. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Freytag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch nie haben Senat und Bürgerschaft vor einer solchen Herausforderung gestanden. Die schwerste Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren hat die globalisierten Weltmärkte voll erfasst und bedroht somit uns alle. Sie bedroht Unternehmen, Arbeitsplätze, Staaten, öffentliche Haushalte. Aktuelle Studien errechnen weltweit eine Vernichtung von Vermögenswerten von unvorstellbaren Ausmaßen: 39,4 Billionen Euro, das sind 39 400 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Menschen wütend und fassungslos sind. Nichts ist mehr so, wie es war. Staaten sind de facto zahlungsunfähig. Großindustrien stehen vor dem Aus, auch viele mittlere und kleinere Unternehmen. Millionen Menschen verlieren weltweit ihren Arbeitsplatz.

Alle sind jetzt gefordert, die Krise nachhaltig zu bekämpfen. Bürger, Staat, Wirtschaft und auch die internationale Gemeinschaft, die morgen auf der G-20-Konferenz Gelegenheit hat, endlich effektive Kontrollmechanismen über die internationalen Finanzmärkte zu installieren.

Letzte Instanz des Vertrauens ist und bleibt der Staat. Deshalb ist es auch gerade in einer sozialen Marktwirtschaft überlebenswichtig, einen starken Staat zu haben. Die Freie und Hansestadt Ham

(Dr. Joachim Bischoff)

burg ist ein starker Staat. Senat und Bürgerschaft verfügen, auch in dieser schwierigen Situation, über die Instrumente, um zu handeln und um einen der größten Vermögenswerte für die Bürger der Stadt zu retten, die HSH Nordbank.

Der Bundespräsident hat in der letzten Woche eine wegweisende Rede gehalten – ich zitiere –:

"In Deutschland steht unsere Regierung vor schwierigsten Abwägungen und Entscheidungen. Sie betreffen das Wohl und Wehe vieler Menschen. Niemand hat fertige Rezepte. … Aber wir können darauf vertrauen: Die eingeschlagene Richtung stimmt. …

Die Bevölkerung hat gerade in der Krise den Anspruch darauf, dass ihre Regierung geschlossen handelt und Lösungen entwickelt, die auch übermorgen noch tragfähig sind."

Meine Damen und Herren! Regierung und Parlamente in Hamburg und Schleswig-Holstein haben alles getan, eine solche Lösung für die HSH Nordbank voranzubringen. Die Rettung der HSH Nordbank ist ohne Alternative. Dies ist die Überzeugung nicht nur aller unabhängigen Sachverständigen bei der Anhörung des Haushaltsausschusses in der letzten Woche, sondern auch unserer Wirtschaftsprüfer, Beratungsunternehmen und auch des Präsidenten der Bankenaufsicht, der BaFin, der dies ausdrücklich im Finanzausschuss in Schleswig-Holstein erklärt hat.

Demzufolge hätte eine Schließung der Bank nicht nur dramatische Auswirkungen für die Wirtschaft Norddeutschlands und für Zehntausende von Arbeitsplätzen, sondern würde auch die Gewährträgerhaftung der Steuerzahler für 65 Milliarden Euro auslösen.

Ich sage hier ausdrücklich, nichts ist ohne Risiko. Eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht. Aber die heute vorgestellte Lösung zur Neuausrichtung der Bank ist mit äußerster Sorgfalt und besonders umfangreichem externen Sachverstand erarbeitet worden.

Noch nie ist die HSA Nordbank so durchleuchtet worden wie jetzt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wiederholen Sie das doch!)

Wir haben exakt das gemacht, was wir angekündigt haben. Es sind zeitweise bis zu 50 Wirtschaftsprüfer gleichzeitig in der Bank gewesen, um die Bücher der Bank so zu durchleuchten,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, einmal durchgegangen!)

dass wir sicher sein können, dass die Bank auf Herz und Nieren geprüft ist.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie können mich gerne beleidigen oder niederschreien, aber Sachverständige aus der Wirtschaft, die nach monatelanger Arbeit gestern den testierten Jahresabschluss abgeliefert haben, die können Sie nicht beleidigen. Ich finde das nicht fair, was Sie hier machen.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Alle wesentlichen Kapitalmarkttransaktionen sind durchleuchtet worden, das Kreditgeschäft und auch das so risikobehaftete Kreditersatzgeschäft. Es liegt natürlich auch im Interesse der Anteilseigner, dass die von uns angekündigte, umfangreiche Durchleuchtung stattfindet, denn die Basis für die Neuausrichtung der Bank ist natürlich auch der Geschäftsabschluss, der jetzt getätigt worden ist.

Gestern hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG der HSH Nordbank das uneingeschränkte Testat erteilt. Die Neuausrichtung der Bank wurde berücksichtigt. Deshalb ist es richtig, dass trotz aller Risiken Landesregierungen und Parlamente das Zukunftsmodell für die HSH Nordbank beschließen.

Es ist ein gutes Signal, dass in Hamburg auch die größte Oppositionspartei sich ihrer Verantwortung nicht entzieht. Die SPD will auch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. Auch dafür zolle ich ihr meinen Respekt. Da in allen Vorständen und Aufsichtsräten der HSH Nordbank und aller Vorgängerinstitute umfangreich Sozialdemokraten aktiv gewesen sind, gibt jetzt die Möglichkeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses allen die Gelegenheit, deren Verantwortung ausführlich zu beleuchten. Dafür danken wir der SPD ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich bin seit zwei Jahren Mitglied des Aufsichtsrats dieser Bank.

(Michael Neumann SPD: Das sieht man ja!)

Herr Neumann, wenn man Ihrer Rede folgen würde, dann wäre ich als alleinige Person verantwortlich für sämtliche Fehlentwicklungen, die es seit Jahrzehnten in der Bank und den Vorgängerinstituten gegeben hat. Das ist schlichtweg absurd.

Bei allen schweren Belastungen der Wirtschaftskrise eröffnet sie aber auch Chancen, Chancen, jetzt erkannte Fehler nicht zu wiederholen. Diese Chancen müssen dringend ergriffen werden. Um es klar zu sagen: Wenn die Politik, das sind wir alle, nicht aus dieser Krise lernt, dann ist ihr nicht mehr zu helfen. Wir werden nur dann die richtigen Konsequenzen ziehen, wenn wir alle unser Verhalten ändern. Zunächst müssen wir die in der Politik und auch heute Abend wieder durchschimmernde, weit verbreitete Selbstgerechtigkeit vermeiden

(Senator Dr. Michael Freytag)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das sagt der Richtige! – Beifall bei der SPD)

und aufhören, eigene Verantwortung anderen zuzuschreiben.

Herr Neumann, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen drei Finger auf einen zurück. Die HSH Nordbank ist hierfür ein besonders bezeichnendes Beispiel. Die in schwierige See geratene Bank hat nämlich genau die Wege beschritten, die ihr Senate und Parlamente seit den 1990er Jahren geebnet haben.

Die Fusion der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein zur HSH Nordbank im Jahre 2003 ist von der Hamburgischen Bürgerschaft einstimmig beschlossen worden. Das war einer der seltenen Fälle, in denen Regierungspartei und Oppositionspartei, CDU und SPD, in einer zentralen Frage gemeinsam entschieden haben. Und was haben SPD und CDU 2003 hier im Parlament gemeinsam entschieden? Sie haben eben nicht beschlossen, dass die HSH Nordbank die nette Regionalbank von nebenan sein soll. Ich zitiere aus der Fusionsdrucksache zur Strategischen Ausrichtung:

"Die HSH Nordbank AG wird als privatrechtlich organisierte und international tätige Geschäftsbank im Markt auftreten."

Zu den Geschäftsbereichen, die hier einstimmig beschlossen wurden mit Zustimmung der SPD, gehören ausdrücklich die von Ihnen hier so kritisierten Kreditersatzgeschäfte. Damals wurde beschlossen, ich zitiere erneut:

"Emissionen, Angebot und Handel innovativer und strukturierter Finanzprodukte an den internationalen Kapitalmärkten."

Mit Ihrer Zustimmung von der SPD sind das genau die Produkte, die uns jetzt um die Ohren fliegen. Das meine ich mit Selbstgerechtigkeit, Sie sind genauso verantwortlich wie alle anderen in diesem Hause.

(Beifall bei der CDU)

Die risikobehafteten Geschäfte einer international am Markt tätigen Geschäftsbank sind mit auf den Weg gebracht worden, auch vom Parlament, oder sind zumindest geduldet worden. Deshalb darf es hier auch keine selbstgerechten Schuldzuweisungen geben